Sonntag, 15. Januar 2017

Tipps vom 09.01. - 15.01.2017


reseL ebeiL,

uff, diese Tage gehen mal wieder mit durchgedrücktem Gaspedal zugange, denn was den Blog angeht, sind die meisten besprochenen Filme erst am Freitag dazugekommen, heiliges Kanonenrohr! Vorher war ich echt schon am Zweifeln, eben dass ich meine Versprechen von letzter Woche, von wegen neue Photoshop-Erzeugnisse und Ein-Satz-Kurzkritiken pro Ausgabe, gleich in darauffolgender Fassung nicht einhalten könnte, doch have no fear, der Filmabend is' hier! Weil in dem qualitativ ausgewählten Rahmen wirklich jedes Werk irgendwie mit Autos zu tun hatte, gingen da auch die Pferdestärken an Menschenkenntnis, moralischen Proben, Sonnenbrillen sowie Kindsköpfen mit einem durch, dass es eher dann schlimm wurde, wenn man fürs Hacken Halt machte - wir wohnen halt nicht in Russland. Ansonsten konnte man sich vollends verschärft in Familienfehden, Hundeleben, Lederkluften und Sterblichkeiten hinein verlieren, wenn die kuriose Filmwelt der Jahrzehnte ruft, knallhart oder auch daneben zum Witzeln anregt, ebenso auf Ebenen des Leidens weist oder als Be-/Entlastung im Körperlichen/Ausblutenden abhängt. Ist womöglich besser als manch Neustart, zumindest haben mich meine Träume schon vor „The Great Wall“ gewarnt und da in den USA nun Martin Scorseses „Silence“ gestartet ist, konnte ich mir folgende Frage nicht verkneifen:


Was das Kinoprogramm 2017 angeht, läuft die Startphase eh noch etwas schleppend ab (schleichender als die Gewinnspielabteilung von REM jedenfalls, die mir „Branded to Kill“, „Belladonna of Sadness“ und „School of the Holy Beast“ zuschickte, bam!), das wird sich jedoch spätestens nächsten Donnerstag mit der Rückkehr des Xander Cage ändern und „Personal Shopper“ habe ich ja ohnehin schon zu einem der besten aktuellen Ultrakünste dazugezählt, da müsst ihr mir vertrauen, auch wenn die seit Oktober fertige Kritik dazu bis auf Weiteres aller Wahrscheinlichkeit nach nicht veröffentlicht wird. Vielleicht passiert aber auch ein Wunder und ihr lest schon nächstes Mal an dieser Stelle Ausführliches zu Olivier Assayas' eigensinnigem Jet-Set-Spuk, wer weiß? Bis dahin sollten die folgenden fünf Besprechungen, wieder mal nicht nach Reihenfolge der Sympathie angeordnet, aber allesamt deftig zur Reflexion tauglich, jeden Filmfreund aktivieren, in die große weite Welt des Zelluloids zu blicken und sich als Anhalter mit dranzuhängen. Anschnallen, Augen nach vorn, die Reise wird das Ziel, Sportsfreunde!




2017 wird für mich wahrscheinlich ein Jahr voller Erstkontakte, wie die Sichtung von Abbas Kiarostamis „Ten“ wiederum in Aussicht stellt. Ich kann also kaum mit Vorwissen zum Werk des im letzten Jahr verstorbenen Autorenfilmers aus Iran glänzen, zumindest aber einen kleinen Vergleich mit „Taxi Teheran“ anstellen, der diesem Film im gestalterischen Ansatz extrem ähnelt – nur eben auf eine Art, die Jafar Panahis Variante im Nachhinein verdächtig blass aussehen lässt. Man lernt immer dazu, deshalb werde ich im Folgenden ein bisschen Kontra zu meiner eigenen positiven Kritik von 2015 geben, obgleich beide Regisseure unter Berufsverbot standen, teilweise bis ins Exil getrieben wurden. Hut ab also fürs Wirken binnen der Umstände, doch weiter im Text: Panahi glaubt sich als objektiver Beobachter unter Taxi-Fahrern selbst herauszunehmen und anhand dessen einen in exemplarischen Szenarien geballten Querschnitt des iranischen Gesellschaftszustands anbieten zu können. Das ist zugegebenermaßen kurzweilig ausgefallen, aber auch mit einer Ankündigung zur Präsentation von Alltagsmagien und -brutalitäten ausgestattet, die als ausformulierte Doku-Fiktion von Distanz spricht, sich aber dennoch Emotionalisierungen und ideologische Symbolschwangerschaften en masse erlaubt. Jene Schwächen stechen geradezu unmittelbar heraus, wenn der Wink zur Inszenierung bei „Ten“ eben kaum existiert und doch das Leben im Zwang exemplifiziert, sofort ein Dialog besteht, der in roher Optik wie von der Dashcam kommt sowie einen Streit zwischen Mutter (Mania Akbari) und Sohn Amin (Amin Maher) vom Zaun bricht, der aus vielerlei Gründen nah wirkt. Ja, die beiden spielen sich quasi selbst und berufen ihre reellen Konflikte als Vorlage, aber das bleibt dann auch eine Spannung in Worten und Reaktionen, muss nicht noch zwischen Skurrilität und konstruiertem Thrill pendeln, wie es ein Panahi von seiner Position vermeintlich bloßer Erzählung aus erfasste, während Kiarostami seine Frau Akbari im Zentrum alles andere als unantastbar darstellt.


Innerhalb von zehn freiläufigen Szenarien - jeweils per Kapitelform mit dem Klingen einer Eieruhr eingeleitet, um die Warteschleifen jener kinotauglichen Struktur zu persiflieren - sowie eben vom Lenkrad aus zeigt sich an ihr ein Charakter voller Widersprüche, Selbstverständnisse, Traditionen und Tendenzen westlichen Aufbegehrens im Status als muslimisch gläubige Frau, dessen Erwartungen sie erfüllt und mit Frust gegenübersteht, Selbstbestimmung und Unabhängigkeit vom Manne ersehnt und dennoch einen Kontakt im Sinne der Familie herzustellen versucht, der auf jenen Vordersitzen eben Kompromisse und Bindungen kommunizieren will. Mit dem eigenen Kind ist das schon ein schweres Los, wenn's sich im jungen Alter mit dem Konzept der Trennung konfrontiert sieht und die Schuld am Verlust des Eingelebten bei der Mutter sucht, sicherlich auch von der Einsamkeit wie Wertekatalog des Vaters frühreife Beschuldigungen austeilt und in kindlicher Eitelkeit wütet, während die Motive der Mutter da schon um ihre Glaubwürdigkeit ringen müssen. Amin kann es nicht mehr hören, fühlt sich konstant belehrt und steigt mehrmals mutwillig aus, doch da lässt sich natürlich kein Urteil finden, genauso wie Kiarostami nicht extern eingreift, sein Konzept eben nicht auf die Charaktere zwingt, die ohnehin schon konstant für sich abwägen müssen, wie ein normaler Umgang verläuft. Am besten beweist er das in der nächtlichen Begegnung mit einer Prostituierten, die sich am freiesten mit Sex, Liebe, Zuneigung und Abneigung an der Gesellschaft vorbei ausreden kann, von unserer Hauptfigur jedoch in ambivalenter Fragestellung passiv belehrt zu werden scheint, wo sie auf den Vergleich mit Normen zurückgreift, diese jedoch anschließend sowie vorher schon nicht als bindend herausstellt. Der Film will sich sowieso nicht dazu anbieten, etwas aus dramaturgischen Konsequenzen herzuleiten, weshalb in seiner Beobachtung relativ kleine Situationen ablaufen, sich hier und da mal über einen Stau ärgern, um den Alltag schnacken, wohin man will, welche Abkürzungen es dafür gibt oder wie's heute mit dem Beten steht. Ganz zentral verbleibt die Liebe, in deren Vertrauen sich hinein verloren wird und die gleichsam wankelmütig enttäuschen kann, wenn im Lauf/in der Stagnation der Zeit die Zweifel kommen. 


Ein anderer Film würde solche Erkenntnisse mit Ausrufezeichen hervor schöpfen, hieran darf man hingegen seine Menschenkenntnis testen und das Innere erkennen, wenn hier z.B. schlicht alleine im Wagen gewartet wird, wie Fahrer und Mitfahrer miteinander sprechen, von sich und anderen reden, Fremden begegnen oder gar ihre getrennten Wege abklären. Natürlich geht es da auch um Ideale, die Suche nach dem Miteinander und wie man den Prozess mit sich vereinbaren kann – Stichpunkte so unlösbar, dass sich am Einzelnen schon opportunistische Positionen ergeben, manche fester als andere, was ganz auf den Bezug zum Gegenüber ankommt. Rein exemplarische Stationen greift Kiarostami damit trotzdem nicht ab, zudem könnte man am ehesten ein Sprachrohr vermuten, wenn die Frau Mutter zum Trost ein Wachsen an Erfahrungen bekräftigt. Niemand ist da von Frust und Tränen befreit, Konflikte wie lichte Punkte bleiben zwar gewöhnlich, aber nicht kalt im Auge fester Einstellungen, wenn diese geradeaus schauen, aber nicht auf Ausbeutung scharf gestellt sind, ohnehin überwiegend unoptimiert erscheinen, einmal sogar für längere Zeit milchig dreinblicken. Wirkt dann wohl auch so geerdet, weil sich Sympathien nimmer von außen geleitet ergeben, der Regisseur beinahe nur noch für den Schnitt zwischen Gesprächspartnern zuständig zu sein scheint, während außerordentliches Geschick im Schauspiel für Echtheit und Verständnis sorgt, sowieso improvisatorische Dokumentation bis hin zum Smalltalk unter zufällig Mitgenommenen erfolgt. Da backt man trotz ähnlicher Philosophie kleinere Brötchen als mit dem „Taxi Teheran“, bei Kiarostami kommt die Intimität irgendwie müheloser zustande, so gut es geht vom Zwang des Autoren abgekoppelt und ins Wirken wahrer Menschen blickend. Mein Text liest sich bestimmt schon zig-mal pathetischer als der im Film ausgelassene Charakter an natürlichen Wechselwirkungen, aber es wird eben immer einen Unterschied geben zwischen Erkennung und Veranschaulichung – das Verhältnis lässt sich auch anhand der Landsleute Panahi und Kiarostami vertreten und bewerten, also macht das nicht von mir abhängig, hinter welches Steuer es sich eher zu klemmen lohnt, obwohl ich zumindest feststellen möchte, dass sich mir nach „Ten“ mehr Fragen und Motivationen zum Reflektieren ergaben.





Pierce Brosnan ist nach dem Wunder des „Weihnachtssterns“ im Direct-to-DVD-Regal zurückgelandet und hat einen strunzdummen Cyber-Thriller namens „Hacked – Kein Leben ist sicher“ vom Himmel geholt, den er zu alledem noch John Moore anvertraut hat. Moores Filme, inzwischen nicht mehr auf Leinwänden unterwegs, haben die Angewohnheit, sich anfangs nicht sofort als Werke ihres hyperaktiv versumpften Regisseurs zu verraten, weshalb die Fähigkeiten seines Kameramanns hier noch eine Kohärenz versprechen, die Moores Vorgängerwerk „Stirb Langsam 5“ nicht schnell genug abhanden kommen konnte. Kalte Edel-Buden im symbolischen Glasscheibenüberdruss, distanzierte Familienverhältnisse mit Ansagen wie „Ich küsse dich“, strikte Business-Geometrien: Alltag für Airline-Unternehmer Mike Regan (Brosnan), der von neumoderner Technik wenig hält, dennoch in den App-Markt einsteigen sowie die Sympathien des Zuschauers gewinnen will, obgleich er und alle Figuren drum herum als bloße Funktionsträger urtümlichster Stereotypen verbleiben. Alsbald sieht er sich mit Horrorvisionen biederster Technophobie konfrontiert und heuert dafür den brillanten, doch verkorksten IT-Fritzen Ed Porter (James Frecheville, stets von böser Musik begleitet) an, dem er aus blindem, Whiskey umnebelten Vertrauen zudem die Installation seiner Home-Software überlässt. Aber Achtung, in diesen Zeiten ist derart freier Datenumgang leichtsinnig wie Sau und so spielt sich ein Psychoduell aus Online-Stalking, manipulierter Interface-Übernahme und drübberer Menschenkenntnis ab, wie es nicht nur die Sicherheit von Regans Familie aufs Spiel setzt, sondern auch von schwacher künstlicher Intelligenz zeugt, an welcher der Zuschauer jeden nächsten Schritt voraussieht. Eine Handvoll Glitches kann Moore dennoch verbuchen, wenn sein Epic Troll drolligstes Karaoke im Oldsmobile betreibt, Regan-Tochter Kaitlyn (Stefanie Scott, „Jem and the Holograms“) quasi auf Kommando in der Dusche masturbiert und im obligatorischen Voyeur-Modus ihres Tablets den High-School-Schock kollektiven Entsetzens erlebt, während Brosnan es nicht lassen kann, zu fieser Fresse Morddrohungen und Privatsphäre-Phrasen gegen den kranken Bastard auszusprechen, der sich spekulativ an seinen Multi-Bildschirmen abrödelnd mit Gas-Masken und teuflisch grünem Keyboard-Licht umgibt. Ein Fest für Fans der Selbstjustiz, mithilfe von Gaststar Michael Nyqvist aber ebenso eine mäandernde Moralkeule unter Familienmenschen im Zeitalter verrohender Vernetzung, bei der zum Schluss hin wortwörtlich Sturm und Laub durch die Korridore jagen, um Bodenständigkeit abseits sexueller Perversion und sinnbildlicher Datenströme via City-Luftaufnahmen zu rebooten. Trotzdem ist der Film dann doch so billig, dass er sich nicht mal einen Besuch in der Oper leisten konnte, dennoch Außenaufnahmen und Music-Cues des behaupteten sozialen Status seines Protagonisten wegen verwendet und überhaupt so überernst für den reichen Mittfünfziger argumentiert, dass nicht nur jedes Feingefühl für Schnitt, Spannung oder psychologisches Profiling auf der Strecke bleibt. John Moore halt, wie eh und je blind gegenüber potenziell zur Satire reizbaren Dumpfbacken-Stoffen.



Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!

„Blue Crush“ - John Stockwell macht man nichts vor, was die Euphorie zu Wasser und Wellen angeht, bei diesem spritzigen Teenie-Aufstiegsdrama voller suggestiver Erotik ist er aber noch eher dem nicht zeitlosen Zeitgeist verpflichtet, welcher P.O.D., Zeitraffergags und das auf echte Surfer computergenerierte Gesicht Kate Bosworths in die flüssige Meditation voller türmender Spannungsmomente wirft, dafür aber auch Freundschaft feiert, sich insbesondere mit Kondom- und Hundeszenen ein Denkmal setzt.

„Willard“ - In diesem behutsamen US-Horrorfilm von Daniel Mann, 50er Jahre actor's director deluxe, verliert Rattenfreund Willard seine Mutter und erbt deren Schulden, die er beim ihn demütigenden Boss Ernest Borgnine abarbeiten muss, weshalb er seine Disney-taugliche Freundschaft zu den süßen Tieren in einen zum Ende hin etwas schleppenden Rachereißer gegen das Aufdrängen der Anpassung verwandelt und mit einer jungen Sondra Locke, nicht aber ihrer Katze anbandeln geht.

„Eine Stadt geht durch die Hölle“ - Phil Karlsons semidokumentarischer, politischer Noir geht etwas steif in der Etablierung runter, verhärtet seine Eindrücke von Korruption, Mord und Rassismus jedoch zu einer kühlen Hilflosigkeit, aus deren Südstaatenmilieu sich Verzweiflungstaten und fiebrige Momente der moralischen Besinnung ergeben, die als Stütze für die Grundwerte der Demokratie noch so geschickt formuliert werden, dass man manch aalglatte Dialoge verzeiht.

„La Banda Vallanzasca“ - Mario Bianchi spielt ungewohnt bewusst humorvoll mit Bäumchen-wechsel-Dich-Charakteridentifizierungen und einigen subtileren Späßen des Gangster-Schmeichelns, springt nach vielen verhaltenen Mikrobudget-Anläufen zur Mafia hin aber in ein behäbiges Kidnapping, das in der konstant diffusen Menschlichkeit seines Protagonisten ein gnadenloses Ende findet und über Umwege auf politische Ängste anspricht.

„Ash vs. Evil Dead – Staffel 2“ - Der nächste Anlauf des nostalgisch kernigen Revivals macht sich leidlich komischen Funsplatter-Impulsen einer Fangemeinde gefügig, die „Tanz der Teufel“ als Chauvi-Catchphrase-Maschine verstehen wollen und feiern, wenn aufs Langweiligste (aber mit practical fx) zitiert wird, im Handlungsspielraum allerdings rein gar nichts von bleibendem Gehalt entwickelt wird, Staffel Eins dagegen wie ein Bündel aus Originalität und effektivem Horror wirkt.

„Hanni und Nanni“ - Das überraschend unsympathische Zwillingsduo nach Enid Blyton kommt in ein Internat und lernt dort Stück für Stück die Vorteile autoritärer Uniformität kennen, unter deren HJ/FDJ-Strukturen, -klamotten und Kameradschaftsphrasen man ENDLICH man selbst sein kann, in Sachen Kinderschauspiel allerdings mäßige Leistungen hervortreten, Oliver Pocher und versandende Gags zur Wahrheitsaufklärung gegen die moderne Jugend ebenfalls anwesend sind und eine Volksgemeinschaft die Fabrik des „Herrschers“, ähm, die Fascho-Brutstätte Hannelore Elsners rettet.

So, jetzt geht's weiter im Text:




Auf leichtem Fuße erwischt man Kathryn Bigelows Debüt „The Loveless“, das sie in Ko-Regie wie Ko-Autorenschaft mit Monty Montgomery (der zum Drehzeitpunkt an die 17 war?) als entschleunigtes Manifest an Rockern und Bikern binnen der halbstarken 50er Jahre aufleben lässt. Weg von jedwedem überflüssigen Handlungstrieb schießt sich hier also eine Generation in die Omnipräsenz ein, um die spießige Hitze der Gegend um den Highway US 17 aufzumischen, in dessen Einsamkeit und offener Feindschaft gegenüber Außenseitern umso markantere Eindrücke krasser Jugend eskalieren können. Heiße Öfen, knarzendes Leder und schnittiges Pomadenformat sind da also als stille wie massive Eminenzen vor Ort; nehmen sich, was sie wollen, knutschen, fummeln, lungern herum, werkeln an ihren Maschinen, exen Colaflaschen und qualmen, dass vor lauter Coolness die Leinwand kocht, ein Mindestmaß an externer Bewegung via Kamera und Schnitt ebenso die Haltung der rasenden Rebellen verstärkt, wenn sie ihre Reißverschlüsse hoch- und runterziehen. Willem Dafoe, hier erstmals zur Sprech- und Hauptrolle einfahrend, gibt als Vance dementsprechend Stoff auf allen Zylindern des Körperlichen und Ikonographischen, blickt der amerikanischen Südstaaten-Tristesse mit kühler Sonnenbrille entgegen und ballert sich mit der Harley in die Diner am Wegesrand rein, die sich selbst via Sexappeal nur ermattet fürchten können, Rührei und Kaffee servieren, in die er noch reichlich Ketchup, Salz und Zucker reinknallen muss, ehe sein Feuerzeug extraspitze Flammen speit. Ey, was für ein Heidenspaß da im Zuge schlichter Perspektiven angerollt kommt, bei dem jedes Unterhemd kontinuierlich an Ölflecken wächst! Ist eben auch ein unheimlich sinnlicher Typ und Blickfang mit großer Zunge, der zwischen dem „Versteinerten Wald“ und Brandos „Der Wilde“ zudem noch Verstärkung kriegt, wie der Film an sich durchweg (via Rockabilly-Gönner Robert Gordon) Mucke und hyperstilisierten Rotzjargon laufen lässt, dass ein hundsgemein lässiger Rhythmus der Spannungen und Reize zustande kommt, dem sich die Selbstverständnisse an Statussymbolen als lebende Zeitgeist-Gemälde ergeben.


Bei den akzentuierten Posen wird mit der Gefahr gespielt, obgleich drauf geschissen wird, ob man über den Dingen steht – es geht nicht um Macht, eher ums saubere Laufen der Motoren per Schraubenzieher, um Zungenküsse und Messerspiele als Zeittotschläger. Unruhige Parteien der Heimatmodder spekulieren sich da schon vor Schiss einen Wolf zusammen, wenden ihre Blicke unter Schweißperlen auf und ab, spucken in einer Tour Bäche an Kautabak aus und kramen Knarren aus dem Kofferraum zusammen, wenn Angst und Neid das provinzielle Kostüm überschwemmen. Sei's drum, unsere schwarz glänzenden Jacken stechen Klappmesser und Penis der Laune nach ins Ambiente ein, feuern gen Sonnenuntergang im Wald auf Streichhölzer oder besorgen sich Hochprozentiges aus dem gleichfalls unbeeindruckten Außenseitertum des schwarzen Mannes, dass das Fegefeuer der Abgeklärtheit im Zen-Dauerorgasmus aufflammt. Auf derart kleinem Areal weiß sich die Milieustudie dann auch gehörig stilsicher zu ballen, aus der schleichenden Permanenz an Konkurrenz Gewalt, Vehikelterror und bisexuelle Erotik zu fördern, muss dafür aber auch nicht à la „Outsiders“ oder „Rumblefish“ melodramatisch konstruiert werden, darf stattdessen urteilsfrei mit trockener Attitüde auf Jugendschicksale und Autoritätenhass blicken, obgleich das Verständnis zu einem Mädel wie Telena (Marin Kanter) durchaus auf eine Spur der Romantik unter Leidenden schielt. Für Romantisierungen hat die Nacht untereinander dann aber doch nicht so viel über, wenn in der Lounge Strip und Suff angesagt sind, Kippen und Bier zu Rock 'n' Roll den Wettbewerb anstacheln, neben denen sich Motorhauben und Büstenhalter sprengen, wie man es von Frau Bigelow nur selten so unaufgeregt, aber immerhin so geschickt ins Beobachtende verdichtet kennt. Wie und was da letztendlich allein im Abgang der Maschinen und deren Männer erzählt wird, bannt quasi Jahrzehnte an Americana, die Leidenschaft kühnem Scheiß-Egals ohnehin so schön und schnörkellos, dass sich ruhig noch mehr Zuschauer hier zum lautstarken Ritt treffen dürften.




Mit die räudigsten Puppen in der Geschichte der Menschheit lassen sich in Stuart Gordons „Dolls“ vorfinden, der mit seinem deutschen Untertitel „Killerpuppen spielen nachts absolut tödlich“ eigentlich ganz gut beschreibt, mit was für Urängsten da umgegangen wird, bereits vom auf „Funhouse“-Höchstwerten operierenden Vorspann an. Abseits jener kollektiven Hemmschwelle des von klein auf angreifenden Grauens, aus welcher Full Moon noch etliche „Puppet Masters“ abkupferte, beherbergt der Film allerdings einen Hauptanteil märchenhaften Humors, der im antiken Schauermauerschuppen auf die Qual der Kindheit wie auch der Kind-Gebliebenen acht nimmt, sich so ziemlich auf derselben Philosophie der „Toy Story“ gründet, gleichsam das Böse der Menschheit in Miniaturform geißelt. Letztere Transformation im Abbild verstörender Kunststofffratzen ist eben grundsätzlich von Menschenhand geformt, also nimmt sich die Angst des Kindes darauf ein bisschen zurück, wohingegen die Moral von der Geschichte verstärkt an der Eitelkeit der Erwachsenen sägt – ungefähr auch so derb unter die Haut gehend wie Takashi Miikes „Audition“. Hängt natürlich auch mit den Achtzigern zusammen, die sich binnen der USA unter der allseits bekannten Fuchtel der Republikaner über alle Randgruppen stellten oder zumindest nicht ernsthaft auf diese zu hören versuchten, wenn die kapitalistische Autorität Werte der Achtsamkeit ins nukleare Wettrüsten/die nukleare Familie ummünzte. In der Ära gelangte Empire Pictures (wie Full Moon von Charles Band gegründet) aber auch zu einer noch immer etwas unterschätzten Relevanz im Wettbewerb um Low-Budget-Genre-Moneten und unabhängiges (Heim-)Kino, was sich in vielerlei Narrativen von Filmen wie „TerrorVision“ widerspiegelt. Hier wie dort sitzen irgendwann die Kleinen am Hebel, weshalb sich Gordons Prämisse (nach einem Drehbuch von „Liebling, ich habe die Kinder geschrumpft“-Kollege Ed Naha, produziert von „Dark Society“-Spezi Brian Yuzna) allzu sinnig mit Mini-Killern und der kindlichen Perspektive allgemein brüstet.


Im Zentrum hält sich insofern die kleine Judy Bower fest, deren Darstellerin Carrie Lorraine so mimisch überlebensgroß spielt, dass sie seitdem natürlich nirgends mehr sonst auftauchte, außer als Sängerin auf myspace unter dem Namen Carrie Katz. Vater David (Ian Patrick Williams) und die reiche Stiefmutter Rosemary (Carolyn Purdy-Gordon, Frau von Stuart) sind im gemeinsamen UK-Urlaub jedenfalls eine knallhart überzeichnete (und somit urkomische) Plage der Ignoranz und Unterdrückung, als ihr Wagen nach einem Stock-Footage-Blitzgewitter im Dreck stecken bleibt, sie sodann Zuflucht in einem alten Gemäuer suchen. Vorher jedoch schmeißt die fiese Stiefmama Judys Teddybären in die finstere Pampa, wobei dieser im nächsten Moment jedoch als enorm albtraumtaugliches Riesenmonster zurückkehrt und die Erziehungsberechtigten zerfleischt. Alles aber nur eine Einbildung vonseiten Judys (!), noch unheimlicher agieren dann die Bewohner des Schlosses, die alten Puppenmacher Gabriel (Guy Rolfe) und Hilary Hartwicke (Hilary Mason). M. Night Shyamalan hat seine Großeltern in „The Visit“ wahrscheinlich nach jenem Duo modelliert, so eindeutig sie die Familie in den Wanst der Mörderspielzeuge einladen und die längste Nacht versprechen. Als Begleitung dazu melden sich dann noch der schusselige Ralph (Stephen Lee) sowie die zwei Punk-Anhalterinnen Isabel (Bunty Bailey) und Enid (Cassie Stuart) an, wobei letztere via Madonna-Klamotten und Ghettoblaster-Lärm so ziemlich als erste das Zeitliche segnen werden, aber nicht so schnell, ne. Vorerst trennt sich nämlich die ideologische Spreu vom Weizen, wie wenig Mom und Dad das Kind bei sich haben wollen, höchstens auf Sex und Monte Carlo aus sind, Ralph aufgrund seines guten Umgangs mit Judy aber wiederum als Sittenstrolch vermuten, so wie auch Isabel und Enid bei ihm vom Schlimmsten ausgehen, obwohl sie bereits ans Ausnehmen des Ladens denken. 


Gleichsam versichert der alte Gabriel den naiv Gescholtenen und Mythosempfängern dieses Films, dass sie in diesen Mauern noch am meisten willkommen sind, ebenso weiß Ralph Vertrauensgeschichten lebendiger Spielsachen nachzuerzählen, doch wirklich warm werden sie plus Zuschauer wohl kaum mit dem Ensemble an viktorianischen Meuchelpuppen - mindestens so garstig wie Clowns, weshalb der Harlekin Mr. Punch ebenso mitmischt. Die animatronischen Effekte mit Stop-Motion-Unterstützung stürzen sich dann auch in die Schatten und Ecken individueller Unmenschlichkeit und fetzen eine Leiche nach der anderen zusammen, die Stück für Stück in verpuppte Leidensgenossen verwandelt, von Gordon so auch suggestiv in den Hintergrund platziert bzw. der Verwirrung wegen weggenommen werden, während sich Ralph und Judy noch aus grundgütiger Sorge sowie unter Kerzenschein auf die Suche nach den Vermissten machen. Der Spukfaktor moralischer Proben eskaliert dementsprechend in kurzweiliger Horrorlaune und pointierten Vorführeffekten zur makabren Fairy Tale, die Vater David sodann am stärksten abkriegt, allerdings nur insofern zu bekämpfen versucht, da sein Besitz an andere abgeführt wird, Wut statt Tränen bei ihm auslöst und ihn bald allzu gut in die Truppe an Liliputbrutalinskis ordert, welche eben aus demselben Menschenschlag konzentriert wurden. Klein gegen Groß ist hier im Endeffekt auch Alle gegen Alle, weshalb Mittler Ralph und Judy dazwischen verloren wirken, um einen guten Ausgang appellieren und sich darin eben beweisen, so drollig Genre-gerecht das auch so ausfällt, dass nach knapp 70 Minuten schon wieder Schluss ist mit der übernatürlichen Achterbahnfahrt kleinsten Blutdursts, die ihr Spiel mit den Kontrasten der Dimensionen fies und doch bescheiden herzlich ausreizte. Wie keck sich dann auch noch die Lehre des Ganzen auflöst und neue Verhältnisse schafft, ist selbstverständlich die Krönung wundersamer wie satirischer Naivität im hiesigen Horrortrauma, weshalb sich das Rundumpaket der „Dolls“ und ihrer bestialischen Kleinigkeiten vor allem in geselliger Runde als Paradebeispiel des 80er Schauerkintopps empfehlen lässt.




Die größte Lachbombe der Woche ergab sich natürlich mit einem Hundefilm. „Nur Hunde kommen in den Himmel“ ist aber nicht nur irgendein austauschbarer Vertreter jenes Supergenres mit dem besten Freund des Menschen im Fokus. Der knapp 90-minütige Streifen, den wir aus einer 3er-DVD-Hundefilmbox gesichtet hatten, ist nicht mal ein besonders guter, will natürlich ein buntes Vergnügen für die gesamte Familie sein, doch was hier im Grunde an beliebiger (christlicher) Moral aufgeboten wird, ist nur bedingt so erheiternd wie die Art und Weise, mit welchen Mitteln diese an den Mann/Hund gebracht wird. Und da sollte schon mal erwähnt werden, dass Gary Busey besagten Wandler zwischen den Lebenswesen darstellt, während die Produktion unter Regisseur William Byron Hillman nahe am Amateurspektrum aufbereitet wurde und derart offensichtliche Makel anschlägt, dass man diese nicht mal mit Absicht so gelungen nachahmen könnte. Das heißt also hinein ins DV-Cam-Vergnügen, um dort Bekanntschaft mit unbeholfenen Effekten und repetitiven Kulissen zu machen, während abgestandene B-Stars wie Curtis Armstrong und Christopher Atkins als Träger menschlicher Güte am Hungerknochen nagen, um den selbstsüchtig reichen Videospielhersteller Archie Channing (Busey) zu läutern. Der wird nämlich in einen tödlichen Autounfall verwickelt, kommt seinem Ego wegen aber nicht durch die Papphimmelspforte und muss nun also unter Aufsicht des gerne mal etwas schummelnden Schutzengels Sweeney (Oz Perkins) einige gute Taten mit möglichst wesentlichen Konsequenzen vollbringen. Was von der Ausgangslage her beinahe ans „Rendezvous mit dem Jenseits“ grenzt, gestaltet sich aber besonders knuffig, da Archie auf seiner Rückkehr gen Erde in den Hund verwandelt wird, den er beinahe mit seinen Reifen zermatscht hatte: Quigley! Und der macht wahrlich einen ganz schönen Wirbel, um das Leben seines ehemaligen Assistenten und Firmenerben Dexter Pearlsley (Armstrong) auf die erfolgreiche Bahn zu leiten.


Das ist allerdings nur Kapitel Eins der existenzialistischen Hunderückkehr („Fluke“ lässt grüßen) und auch wenn keine strenge Struktur à la „Dogville“ den Leidensweg Archies aufzeichnet, ist zumindest die Standortkonzentration beinahe auf Von Triers Spuren, denn fast alles an der ersten Phase des Films spielt sich im selben Flur, im selben Treppenhaus, im selben Büro oder in der selben Abstellkammer ab, deren Szenarien und spartanische Besetzung um den immerhin toll dressierten Wau-Wau ebenbürtig gleichförmig ablaufen – soweit sogar, dass Einstellungen wiederholt werden, die vom nachfolgenden Szenenverlauf eigentlich in andere Richtungen/Räume führen sollten. Neben jener Desorientierung hat man es zudem mit reichlich irrealen Zuständen zu tun, die einem kuriosen Protagonisten wie Busey auf den Leib geschrieben scheinen, was sicherlich nicht schon damit aufhört, dass die Erscheinung Archies/Quigleys im Auge Sweeneys je nach Pointenreichtum als Mensch oder Hund zu erkennen ist, devote Halsbandabhängigkeiten und weiteren Daseinssadismus evozieren. Man kann sich das wiederum als verlängerte Hommage ans Ende von „Dogville“ vorstellen – die Filme laufen sogar so parallel ab, dass sie beidesamt von 2003 stammen. Was einem Von Trier in dem Rahmen aber nie eingefallen wäre, sind Jagden um „virtuelle CD-Roms“, trottelige Sicherheitsmänner, die energische Karikatur eines Franzosen als Hausmeister sowie eine permanent begeisterte Assistentin Sarah (Caryn Greenhut), die vom Drehbuch geleitet schnurstraks drauf hinweist, wenn der Hund „uns etwas sagen will“ und einen Stuhl anschiebt, obwohl man den am rechten Bildrand von einer Hand gezogen sieht – der quälend lange Zoom auf ihr Grinsen unter leeren Augen bleibt da trotzdem nicht aus. Goldwert! Nachdem die extrem basischen Firmenstrukturen auch durchschaut und auf einen besseren Kurs inklusive Liebe gebracht werden, ist das nach Gottes Auffassung noch immer nicht genug und so trottet Archie letztendlich seinem Bruder Woodward (Atkins) sowie dessen Familie hinterher, von der er vorher so gut wie gar nichts wusste.


Gut, dass wir diese Leute kennenlernen, denn obwohl die deutsche Synchronisation vorher schon ein Billigprodukt letzter Güte abgibt, hat jener Haushalt erst recht eine ungehaltene Quatschsalve nach der anderen parat. Zum Beispiel, als der (schlechte) Videospiele entwickelnde Vater voller Geldprobleme seinen Kindern vorschlägt, den Hund nach draußen zu bringen, um zu gucken, ob er denn „ein Häufchen machen muuusss“. Genauso schön die Frage der Tochter Megan (Jillian Clare), ob sie mit ihrem Bruder „noch ein paar Videospiele machen“ könne. Ich möchte mir nicht anmaßen, hier schon jeden absurden Dialog zu verewigen, denn die gen Himmel schreiend steifen Situationen, mit denen Quigley sich zur Hilfe der Familie konfrontiert sieht, lassen allen voran an der Intelligenz von Megan zweifeln, an den weltfremden Kompetenzen von Vater und Mutter sowieso und erst recht am Treffpunkt mit der ersten Story, bei dem sich die Zufälle so verstrahlt steigern, dass es zartbesaitete Seelen vor Lachen mit dem Leben bezahlen müssten. Songs mit explizit szenenbeschreibendem Inhalt sind ebenfalls zugegen und brechen das Gesehene auf einen gemeinsamen Nenner herunter, der insgesamt natürlich harmlos erscheint und in seinem Grundgerüst einiges an kurzweiligem Sentiment zwischen Kindergeburtstag und einer erwachsenen Umsetzung dessen probiert. Versuch macht kluch, auch wenn die technische Talentfreiheit auf allen Ebenen prävalent abspeckt, ohnehin dramaturgisch mehrmals dem eigenen Schwanz hinterherläuft und seine Einsicht mit einer Konstruktion ausformuliert, die sich wie die Spiele Woodwards von Kleinkindern ausdenken lassen könnten. Jene Games sollen Erwachsenen übrigens ebenso gefallen, das war das heiligste Versprechen des Herstellers – und siehe da: auf eine höchst umständliche Art, binnen derer (ein wahrscheinlich berauschter) Gary Busey so deplatziert und verwirrt wie nur irgend möglich agiert, gefällt uns das Quigley-Abenteuer zweifellos.

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