Sonntag, 27. April 2014

Tipps vom 21.04. - 27.04.2014

Ein gewisser Osterfluch blieb mir diese Woche noch erhalten, da ich kaum dazu kam, wirklich viele gute Filme zu sichten. Da ich dennoch einigermaßen tüchtig am Schreiben war (und manch andere, wichtige Sachen bewerkstelligte), hoffe ich den Mangel an sehenswerten Filmen mit Besprechungen zu weniger tollen Streifen auszugleichen. Zunächst aber erstmal die subjektiv-gelungeneren Exemplare der cineastischen Kunst:




DAS STUNDENHOTEL VON ST. PAULI - Rolf Olsen und St. Pauli stellen seit jeher eine fantastische Verbindung dar und auch in dieser ihrer Zurschaustellung des berüchtigten Stundenhotels Ostend enttäuschen sie keineswegs: Milieu-affine, relativ-spekulative und genüsslich-rotzige Sleaze- und Crime-Action steht mal wieder in kurzweiliger Abmischung auf dem gewitzten, ruppigen Tagesplan und repräsentiert gleichzeitig ein jugendfreundliches Ventil für Kritik zum zeitgeschichtliche Geschehen.

So erleben wir wie so oft in den Hamburger Meisterwerken Olsens Curd Jürgens als Hauptprotagonisten, dem Kommissar Canisius, der schon einige Jahre Dienst auf dem Buckel hat und sich selbst zuhause in der Mittelstands-Wohnung mit einem erwachsenen Sohn rumstreiten muss, der als Vertreter der Jugendbewegung von '68 für moderne Freiheit und Gerechtigkeit eintritt. Dass er da im Clinch mit dem Vater gerät, ist daher wohl oder übel gegeben, doch auch das Familienoberhaupt sieht die Fehler der Vergangenheit und die Zeichen der Zeit ein, worin er sich auch in der nun folgenden Nacht des Narrativs bewähren muss.


Es finden sich nämlich reichlich zwielichtige Gestalten, gescheiterte Existenzen, vor allem aber Durchschnitts-Menschen als Mikrokosmos des kontemporären Deutschlands in jenem titelgebenden Stundenhotel ein und frönen leicht verschämt hinter verschlossenen Türen ihren sexuellen Vorlieben, dem bewussten Bruch von Tabus, im Grunde jedoch ausschließlich sehnsuchtsvollen, individuellen Wunschträumen auf der Suche nach der wahren Liebe. Portier Lucas Freund (Walter Buschhoff) ist da ein Kenner seiner Kundschaft, pflegt zwar dem Schauplatz entsprechend einen abgeklärten und nach-Kohle-strebenden Umgang, lässt aber jeden rein und waltet trotz harter Schale mit offener Empathie - sie alle gehören nun mal als Menschen mit Geheimnissen zueinander.


Manch ein Pärchen im kleinen Kämmerlein will endlich heiraten und sucht auf unanständigen Wegen nach Geld, während die liebevolle Mundharmonika erklingt, ein anderes versucht die schüchterne und allmählich fröhliche Entjungferung, ein älterer Spießer wiederum springt durch ein Teufelskostüm und zwei Herren können ihrer Homosexualität nachgehen - viele suchen die persönliche Erfüllung anhand von Prostituierten oder intensiven Seitensprüngen, Hauptsache man muss sich nicht von den gesellschaftlichen Konventionen einschüchtern lassen. Hier kann jeder seine äußere Haut ablegen und für ein paar Stunden wahrhaftig sein - abschalten, zurückziehen, lieben.


Olsen ergibt sich jedoch trotz aller innewohnender (und teils tragischer) Sehnsucht keinem tristen Sozial-Mief, vergisst stattdessen zu keiner Zeit den Spaß bei der feuchtfröhlichen Unterwelt-Erforschung, überlässt Sex & Swing die Bühne, bringt in episodenhafter Rasanz die jeweiligen, mehr oder weniger romantischen Schicksale an seinem bunten Sammelplatz des Stundenhotels zusammen, lässt durchweg den schnoddrigen Dialekt inkl. zynisch-frivoler Situationskomiken raushängen und verleiht seinen Figuren zudem einen leichtherzigen Sarkasmus, der sich selber nicht allzu ernst nehmen möchte und dennoch deren persönliche Probleme durchweg nachvollziehbar erscheinen lässt - egal, ob sie nun plakativen Groschenroman-Charakter besitzen oder nicht.


Und so wird es dann auch brisant, als ein blutiger Mord aus Leidenschaft im Hotel passiert, während Canisius' Sohn auf der Intensivstation landet, da er bei einer Demonstration offenbar von einem Polizisten schwer verletzt wurde und nun am Herzen operiert werden muss (wobei Olsen, ganz der schamlose Exploiter, Original-Aufnahmen einer derartigen Operation gebraucht). In der anschließenden Verhörung aller Hotelgäste zeigt sich sodann die folgenreiche Konfrontation der gesellschaftlichen Regeln mit der Wahrhaftigkeit des Lebens in ambivalenter Konsequenz, bei der jedoch Canisius endgültig, erst recht im Angesicht seines rücksichts- und taktlos-herrischen Vorgesetzten, seine Stärke des Verständnis beweist.


Es muss sich etwas ändern in Deutschland, sieht er ein, wo er doch mit anschaut, wie heftig peinlich-berührt jene Bürger aus Zwang ihre innersten Geheimnisse preisgeben müssen und sich schlicht davor fürchten, sie selbst zu sein. Wo ist das noch Gerechtigkeit oder Freiheit? Olsen macht dieses Dilemma schnörkellos greifbar, geht jenes offenlegende Kammerspiel mit schlichter, doch ehrlicher Handkamera durch und macht seinen Kommissar zum human-liberalen und ehrlichen Vermittler, der nicht davor zurückschreckt, die Wahrheit anzuerkennen (siehe dazu auch seinen ganz ungenierten Blick in ein Porno-Magazin - was Olsen ihm schön frech gleich tut) und dennoch stets Gnade walten zu lassen, selbst wenn die Nöte und Wünsche der Befragten laut Gesetzbuch illegal sind.


Sicherlich haben Methodik und Aufdeckung des Mordfalls etwas Altbacken-Phantastisches an sich, das beim frühen deutschen Exploitation-Kino nach Jahren des Edgar-Wallace-Wahns nicht zu fehlen vermochte - doch dies wird hier so genüsslich auf die Spitze getrieben, mit Kindesentführung, Dynamit, Revolvern, Stromkästen und Zooms, dass es eine wahre, Genrespaß-entfesselnde Freude ist und nochmals betont, was für ein grandioser Unterhaltungskünstler und gleichzeitig auch Modern-denkender Enthusiast Olsen in seinem Fach war. Wenn bei diesem seinen Film dann am Ende wieder alles gut ist und Erwin Halletz' versöhnlich-zelebrierende Trompeten über die verschneite Skyline von Hamburg tönen, dann weiß man ohnehin wieder, wie schön eskapistisches Kino sein kann. Klare Empfehlung für Freunde teutonischer Kracher!




DIE ZEHN GEBOTE - Cecil B. DeMille bewegt sich bei seiner letzten (kompletten) Regiearbeit inszenatorisch zwar noch immer auf bieder-archaischen Pfaden des platt-kommerziellen Stummfilms jenseits des Expressionismus (dem er 1923 schon eine Verfilmung der zehn Gebote bescherte) und treibt daher seine Charaktere hauptsächlich anhand von theatralischen Totalen und Gesten an - der wohlweislich epischen Geschichte vom Erlöser-König Moses verleiht er dennoch trotz knapp 4 Stunden Laufzeit eine erbauende, simplifizierte Kohärenz, die zudem von monumentalen Größenordnungen in Ausstattung, Menschenmassen und Effekten eindrucksvoll untermauert wird.


DeMilles virtuosem Auge mag es an eindringlicher Inspiration fehlen und oftmals ist sein Einsatz von Massenszenen, göttlichen Wundern und Blue-Screen-Kompositionen unschwer als sensationalistisch zu enttarnen - als präziser Vermittler einfacher Worte und menschlicher Werte (Stichwort: 'Lass mein Volk ziehen!'), basierend auf der Erzählung aus dem alten Testament, sorgt er aber ohne Sperrigkeit dafür, dass sein Werk bis zum heutigen Tage massentauglich und einfach-kraftvoll wirkt. Das fängt schon bei der Ausgangslage an: die Hebräer werden von den Ägyptern als Sklaven unterdrückt und geschunden - aus ihrer Mitte entspringt der adoptierte Pharaonen-Sohn Moses (Charlton Heston), der seine wahre, hebräische Herkunft trotz später Offenbarung ohne Schande anerkennt, so empathisch er doch gegen Ungerechtigkeit einsteht.


Eine Befreier-Figur der Güte und Barmherzigkeit: das kommt an, selbst heutzutage noch in der variierten Form eines Superman. Dass Moses zudem gegen Sklaverei vorgeht und sich freiwillig seinem Volk im Leiden anschließt, festigt noch stärker den Gerechtigkeitssinn und die Sympathie des Zuschauers - gefolgt von seinem Exil in die Wüste, wo er nach einem unendlich langen Opfergang seiner zukünftigen Frau Sephora begegnet, sowie Gott persönlich auf dem Berg Sinai in Form des ewig brennenden Busches. Mit seiner Hilfe will er nun die Befreiung seines Volkes aus ägyptischer Sklaverei herbeifördern, doch der Pharao Ramses (Yul Brynner) bleibt stur. Wie so oft im alten Testament spüren die Menschen fortan den Zorn des rachsüchtigen Gottes, der Plagen, Mirakel und die Pest über sie erlegt, damit - quasi mithilfe von übernatürlicher Erpressung - Gerechtigkeit herrschen kann.


Wie die Geschichte zuende geht, ist ja allseits bekannt, forciert aber nochmals trotz seliger Freiheit die Notwendigkeit von Gesetzen und Gottesehrfurcht bei denen, die sie erhalten haben. Dahinter steht natürlich, wie bei jeder Religion, ein unterwürfig-braves Zeichen der Furcht und Abhängigkeit - im Grunde ist es aber vorerst nur eine Erziehungsmaßnahme, um zu verhindern, dass man sich gegenseitig das antut, was die Sklaventreiber Jahrhunderte-lang mit einem angestellt haben. Der Drang nach menschlicher Tugend und Bescheidenheit stellt im Rahmen dieser Geschichte den richtigen Weg dar und DeMille verlässt sich bei seinem Film ebenso auf die Vorteile dieser Einigung, in gleichsam oberflächlicher wie auch opulenter Präsenz.


Sodann scheut er auch nicht vor der Darstellung von Tod und Verderben zurück, um dem Zorn Gottes ein Gesicht zu verleihen, verdient sich diese visuelle Drastik aber auch durch das empathische Leidenszeugnis seiner jüdischen Unterdrückten. Dieser Zusammenhang bildet eine durchaus einfache Einheit und bedarf keiner gestalterischen oder gar dramaturgischen Finesse - da die aufgezeigten Bilder und Handlungen in ihrer glossiert-inoffensiven Direktheit ohnehin glänzend verständlich bleiben, besitzen sie eine effektive Funktionalität, welche gerade in den offenen, distanzierten und unaufgeregten Kameraeinstellungen perfekt zur Geltung kommen. Das gilt dann auch, wenn Massen an Schauwerten die biblische Leinwand erfüllen: der Überblick bringt einem vielleicht nicht unbedingt den Kontakt zum Geschehen, aber immerhin ein beeindruckendes Gefühl für die Ausmaße.

So erschafft DeMille einen durchgehenden Unterhaltungs-Faktor, der die 4 Stunden Laufzeit durchhält: mit einfachen, aber verständlichen Mitteln schreitet er voran, behilft sich funktionaler Charaktere und Motivationen und schöpft aus den Umständen der Vorlage heraus ein launiges Spektakel, das sich vordergründig dem Gerechtigkeitssinn verpflichtet fühlt, aber auch auf eskapistische Action setzt. Er stellt damit einen publikumswirksamen Vorreiter des Blockbuster-Kinos dar, der mit handwerklicher Effizienz und Effekt-Spielspaßigkeit die Gunst des Publikums auf sich zieht. Das beschwört sodann nur bedingt die thematischen Kräfte und Implikationen des Stoffes herauf und besitzt mitunter keine besonders distinktive, künstlerische Autorenschaft (siehe zum Vergleich Aronofskys Noah), macht als Film aber dennoch eine spannend-reizvolle Figur - was aber wohl auch für die Geschichte an sich spricht, weshalb man darauf gespannt sein darf, wer sich da wohl als nächstes herantraut (meinen Lieblingskandidaten verrate ich an dieser Stelle nicht, gibt aber den ein oder anderen Hinweis im Text ;D).

(Diese Kritik gibt es ebenfalls hier bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




WEISSE FRACHT FÜR HONGKONG - Allerfeinste Exoten-Kolportage von einem der Großmeister des teutonischen Bahnhofskino-Sleaze, Helmut Ashley. Da jagt er sein flott-unbedarftes Haudegen-Duo Dietmar Schönherr und Brad Harris durch die malerischen Kulissen Hongkongs und lässt sie gegen den perfiden Drogenbaron und Playboy Horst Frank antreten, welcher, wie oft betont, großen Einfluss auf die Stadt hat.


Die einzelnen Handlungsgeflechte könnten kaum banaler und gleichzeitig verkomplizierter aufgebaut sein, zudem noch im Angesicht eines allzu lockeren Inszenierungstils, welcher hauptsächlich-routiniert zweckmäßige Auszeit zur Betrachtung der bunten Interieurs anbietet und darin ohnehin lieber eskapistische Schauwerte vorzeigen möchte, als eine packende Dramaturgie. Kommt ganz angenehm, verbreitet einigermaßen Urlaubsstimmung fürs asiatische Milieu und macht unterhaltsam Platz für handfeste Kneipen-Schlägereien, Jazz-Rhythmen, backpfeifende Sekretärinnen mit Oma-Perücke und verkalkte Knast-Ausbrüche.


Da schwimmt man unweigerlich gechillt mit, so trivial die Handlung voran fließt und mit einigen feschen Sprüchen, Baller-Morden, spekulativen Heroin-Praktiken und klischeehaften Abziehbildern angereichert wird - was allerdings auch zur Folge haben kann, dass man innerlich vollkommen abschweift. Mir geschah es sodann, dass mich eine chinesische Nachtclub-Tänzerin vom Gesicht her an eine junge Elisabeth Wiedemann erinnerte und ich mir fortan darüber Gedanken machte, wie es wohl wäre, jenen Film hier mit ihr zu sichten. Klingt trivial? Tja, wie der Film, so der Witte.


Wer jedenfalls mal wieder eine herrlich-naive und schamlose Ladung altbackenen Macho-Zynismus und reißerischer Groschenroman-Abenteuer aus den Swinging Sixties in die gemütliche Genre-Pupille injiziert haben möchte, dem sei diese Weiße Fracht bedingungslos empfohlen.


Und jetzt ein paar Filme, die nicht so gelungen waren:




20 FEET FROM STARDOM - [...] Fakt ist jedenfalls, dass Regisseur Neville und seine beschwingten Befragten nur ihre künstlerischen Ambitionen freilegen wollen und daher darauf verzichten, irgendetwas Bedeutendes zu erzählen, außer der Glaube an einen selbst und die Magie musikalischer Kunst. Das ist nobel, das ist aufrichtig und erbauend – als Film leider nur schon allzu oft da gewesen und trotz aller inszenatorischer Kurzweiligkeit und Erzählfreude über vergangene Zeiten eine größtenteils belanglose Angelegenheit mit einem dramaturgisch flach gehaltenen Spannungsbogen. Damit arbeitet er aber im Grunde genauso wie seine ins cineastische Rampenlicht gerückte Schützlinge: In seiner funktionellen Wirkung macht er einen passablen und harmonischen Eindruck, die wahren Größen des Dokumentarfilms haben aber weit spannendere, menschliche Geschichten zu erzählen. [...]

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




TRANSCENDENCE - Wally Pfister, Kamera-affiner Protegé des millionenschweren Christopher Nolan-Haushalts versucht sich erstmals als Regisseur und propagiert im Subtext, wie schon zusammen mit seinem Lehrmeister in der Doku SIDE BY SIDE, die Vorzüge des Analogen gegenüber dem Digitalen, 35mm vs. 4K-Abtastung - hier verpackt als unaufgeregter, kalter Sci-Fi-Thriller in einem Konflikt zwischen menschlicher Emotion und binär-künstlicher Kopierung in der Nano-Technologie. [...]

Trotz aller Ambitionen und theoretisch tiefsinniger Thematiken erreicht er selten eine eindringliche filmische Kraft, folgt bei deren Umsetzung zu sehr einem akademischen Ansatz und verlässt sich auf bloße Funktionalität aller maßgeblichen Faktoren, von den Motivationen der Figuren bis hin zur Genre-Auflockerung mit halbgaren Action-Futter, damit der Film jeder möglichen Zielgruppe zumindest im Ansatz gefallen kann. [...]

Da hat Pfister einfach noch nicht begriffen, dass ein Film mehr braucht als Ideen und Optiken - ob nun komplex oder simplifiziert: lediglich die Markenzeichen des Mediums auf analogem Wege zu kopieren, ist leider kaum wahrhaftiger als es aus dem Computer zu erschaffen. [...]

(Die komplette Kritik gibt es hier bei den DREI MUSCHELN zu lesen)

Sonntag, 20. April 2014

Tipps vom 14.04. - 20.04.2014 (Osterpause)

Diese Woche habe ich es etwas ruhiger angehen lassen, was den Schreibeoutput betrifft. Zwar kamen mir schon einige mehr oder weniger feine Filme unter, aber so recht dicke Texte über diese zu verfassen, war irgendwie nicht drin - sei es aufgrund der Feiertage oder eben auch wegen der Arbeit. Nichtsdestotrotz gibt es von meiner Seite aus trotzdem eine Besprechung zum großartigen




THE MAN WHO STOLE THE SUN - "Aus dem Land der aufgehenden Sonne kommt diese düstere Satire, welche sich mit einem besonders einheimischen Thema, der Ambivalenz zur Atombombe, auseinandersetzt. Der Titel zum Film an sich vermittelt daher auch bewusst weniger eine apokalyptische Schlagzeile als eine Ablenkung davon, dass man das Atom für die Sonne, für die Chance zum Aufstieg in der Weltordnung sieht – doch hinter diesem Glanz verbirgt sich auch bekannterweise der Tod. Diese kritische Haltung dürfte im internationalen Rahmen des Wettrüstens nicht so angenehm aufgenommen worden sein, weshalb Kazuhiko Hasegawas Werk auch kaum außerhalb Japans aufgeführt wurde. Dabei stellt es bis heute einen derartig effektiven Weckruf dar, den höchstens noch der ebenfalls aus dieser Problematik geborene Godzilla so präzise erzeugen kann. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen)


sowie eine weniger enthusiastische Kritik zum nächsten 'Neuer-Deutsche-Genrefilm'-Rohrkrepierer 'STEREO' hier bei Den Drei Muscheln:




"[...] So hadert Vogel als latent-spießiger, ruppiger Werkstattbesitzer Erik in gemütlich-teutonischer Dorfkulisse mit dem psychisch-belastenden Geist Moritz Bleibtreus namens Henry, den nur er sehen und hören kann (man denke an den Galaxius vom Saxilus aus „Familie Feuerstein“) und der sich mit kaltschnäuzig-bedrohlichen Gestus sowie infantil-verruchtem Rumgefluche bewährt.

[...] „Das hätten wir nie erwartet!“, „Fuck, was geht ab?!“, „Mind blown!“ und „Coole Sprüche mit Attitude!“ will „Stereo“ mit seinem kindischem Psychothrill-Einmaleins aus seinen Zuschauern herauskitzeln, mit Zynismus und handfester Gewalt einen gewissen, „gewagten“ Biss vortäuschen. Es reichte bezeichnenderweise nur für eine handelsübliche FSK-16-Freigabe und auch wenn die augenfreundliche Kameraarbeit zusammen mit dem flott-schnurrenden Electro-Score das moderne Eisen aufheizen will, bleibt der Film mit seinen schwach-schablonenhaften Charakteren, formelhaften Dialogen und peinlich-aufgebretzelten Twists nur eine weitere, misslungen-bemühte Fingerübung im längst verlorenen Wettrennen um internationale Genre-Souveränität."


Und was gab's sonst so? Nun ja, 'ESCAPE PLAN' empfand ich als ordentlichen Genre-Reißer, welcher aber vor 20 Jahren, im Stil eines John Flynn oder John McTiernan, wirklich was Grandioses hätte werden können - ansonsten ist schon wirklich alles zum Film gesagt worden. Ansonsten fiel noch 'FAMILIE KLUMPS UND DER VERRÜCKTE PROFESSOR' auf, bei dem ich glatt 19 Fürze zusammenzählen konnte, dem aber auch immerhin anhand der computergesteuerten Splitscreen-CGI-Verbindungstechnik mit den mehreren Rollen Murphys größtenteils echt 'seamless'-glänzende Effekt-Pionierarbeit gelungen ist - was beweist, dass sich selbst in einem Wust von Fäkal- und Sodomie-Gags der ein oder andere filmhistorische Nugget finden lässt. Das Gehirn gab jedoch auf, sobald es um 'UNSERE TOLLEN TANTEN IN DER SÜDSEE' ging - ich sag nur eins: Gus Backus in Frauenkleidern, Gorilla-Kostüme, ein Tarzan-Abklatsch namens Zongo, sprechende Kamele - pure Hysterie! Mit Liedern wie "RUM, RUM, RUM, COLA MIT RUM!" und einer Flugzeug-Notlande-Sequenz an ganzen 3 Puppen-Fäden. Dagegen waren 'LIEBE, JAZZ UND ÜBERMUT', sowie Helmut Käutners 'LAUSBUBENGESCHICHTEN' noch harmlos. Aber was erzähl ich euch, diese Woche geht's mal nicht darum, was ich gesehen habe - befasst euch doch stattdessen lieber mit den Geschenken und Eiern, die euch der liebe Osterhase gebracht hat. Also ein Hoch darauf und auf Wiederlesen bis zum nächsten Sonntag!

Sonntag, 13. April 2014

Tipps vom 07.04. - 13.04.2014



THE LEGO MOVIE - Phil Lord und Chris Miller brillieren nach ihrem ersten 'WOLKIG MIT AUSSICHT AUF FLEISCHBÄLLCHEN' erneut als Meister des perfekt-zusammengebauten Animationsfilms mit dieser vergnüglichen und hochtrabenden Hymne auf die Förderung der Gestaltungskunst anhand der LEGO-Welt. Im narrativen Mittelpunkt steht dabei die Nötigkeit kreativer Selbstentfaltung und Non-Konformität im Angesicht totalitärer Kontrolle und Unterdrückung, die ironischer Weise von einem der größten Spielzeugkonzerne aller Zeiten, zusammen mit einem der größten Hollywood-Studios und einem Arsenal an populären Charakteren in lizenzierter Lego-Form propagiert wird.


Der Verkaufspitch überzeugt aber auf ganzer Linie: alles kann man erschaffen, aus allem, was einen umgibt - die Anarchie der Spielfreude und des cleveren Zusammenbastelns in charmant-klobiger Schönheit! Das gesamte Handlungskonstrukt, die Charaktere, deren Motivationen und individuelle Ideen leben und streben nach diesem Motto, möglichst fern von einem fein-sortierten Alltag der plakativen Zufrieden- und Angepasstheit. Damit wird sodann unser Lego-Mittelstands-Held Emmet konfrontiert, welcher zunächst um die Anerkennung seiner Mitmenschen in der extremen Angepasstheit buhlt, jedoch zum unfreiwilliger Retter des Lego-Universums auserkoren wird, als der monopolistisch-thronende Mogul Lord Business in seinem erbarmungslosen Kontrollwahn plant, alles mit Sekundenkleber auf ewig festzusetzen.


Nun liegt es an Emmet und einer weitläufigen Gruppe von Meister-Erbauern, dem Bösen einen Deckel auf den Kleber zu verpassen, doch diese sind zurecht skeptisch darüber, was die angeblichen Fähigkeiten ihres 'Auserkorenen' betrifft - schließlich scheint er in seinem ganzen Leben keinem einzigen, eigenen, freien Gedanken gefolgt zu sein. Und die Ideen, die er hat, sind offenbar ebenso nur nutzlos - oder doch nicht? Der LEGO-Film findet für alles seinen passenden Platz und knobelt aus vielen einzelnen Elementen eine stimmige, aufregende und hysterisch-komische Gesamtfassung zusammen, die sich eben nicht nur in den gewitzten Gimmick-Action-Szenarien, sondern auch im Gesamtkonzept an sich entfaltet und damit junge wie auch ältere Zuschauer im individuellen Herzen anspricht.


Dies gilt insbesondere, sobald eine eindrückliche und doch bodenständige Ebene zu 'unserer' Welt eingeschlagen wird, die ich an dieser Stelle nicht komplett verraten und entzaubern will, welche aber dennoch einen versöhnlichen und emotionalen Appell an seine Charaktere und an uns richtet, die Fantasie atmen und wirken zu lassen - denn mit ihr können wir alle 'Auserkorene', jemand 'Spezielles' sein. Das klingt hier in reiner Textform vielleicht etwas käsig, hat aber im Rahmen des Films eine derartig intime Power, dass ein lang währender Bro-Hug mit dem Lego-Werk nötig scheint, ohne jedoch jemals den Spaß an der ganzen Sache zu vergessen. Denn wie viele Freunde kennt man schon, die einen so beständig zum Lachen bringen können, voller süßem Esprit die atemberaubendsten Einfälle und Charaktere erschaffen und dabei immer den Charme des Handgemachten beibehalten haben?

Bin ich Pro-Lego? Na Logo!

(Diese Kritik gibt's ebenfalls hier bei den DREI MUSCHELN zu lesen)




ZÛMU IN: BÔKÔ DANCHI (ZOOM IN: SEX APARTMENTS) - Unbedarft umherwandernd in der urbanen Wüste wird die gelangweilte Hausfrau Saeko (Erina Miyai) von einem Unbekannten angegriffen und vergewaltigt. Mit dem spitzen Piano-Werkzeug drangsaliert er sie, die Angst fließt durch ihre Haut, doch plötzlich lässt er es fallen. Seine schwarzen Lederhandschuhe knarzen stattdessen über die bebende Gänsehaut und die Gewalt der Waffe setzt sich in ihrer Verlängerung, dem Penis um, mit welchem in Saeko kraftvoll eingedrungen wird. Ein erdrückender Gewaltakt, die pure Angst - aber ein Gefühl, das sie bei ihrem lieblosen Abspritzer von Ehemann schon lange nicht mehr erlebte und folgerichtig Spuren hinterlässt. In nicht mal 70 Minuten zeichnet 'ZOOM IN: SEX (oder auch: RAPE) APARTMENTS' sodann den konsequenten Weg dieses sexuellen Ansatzes in die brennende Ekstase.

Denn Saeko hatte bereits ohnehin vor, ihren Mann zu betrügen - zwischen den rauhen Neubau-Wolkenkratzern inmitten des nicht näher definierten Stadt-Schauplatzes trifft sie sich nämlich mit dem heimgekehrten, ehemaligen Liebhaber Takaya (Keijirô Shiga), dem sie sich nach jenem traumatischen Erlebnis nicht sofort nähern möchte, dennoch seiner brodelnden, erotischen Leidenschaft nicht widerstehen kann - in dieser abgeschotteten, geheimen Welt der verbotenen Intimitäten, umzingelt von teils besetzten, meist unbewohnten Siedlungen. In jenem Komplex geschehen aber sowohl des Nächtens, als auch am Tag grausame Morde an jungen Frauen, die nur nackt, verstümmelt und verbrannt aufgefunden werden können - Hilfe wäre eigentlich möglich gewesen, doch ringsherum im eingekerkerten Blockgewebe kümmert man sich ohnehin nicht füreinander.


Saeko dürfte schnell klar sein, wer dahinter steckt, schließlich erkennt sie die Kleidung und die Werkzeuge ihrer Vergewaltigung an Takaya scheinbar wieder, lässt sich aber dennoch einigermaßen von ihnen verführen - verklärt sie sich die Realität für ihre eigene Lust? Je näher sie jedenfalls der Einsicht kommt, wird er parallel dazu von Frauen in seinem Beruf als Klavierstimmer gedemütigt und von einer anderen verfolgt, die dem Mörder bei der Verbrennung eines Opfers im Ofen fressend beobachtete - diejenige will's wissen, ob er der berüchtigte Killer sei und sich anhand ihrer inneren Leerheit und Gleichgültigkeit dafür offenbar auch opfern. Als sich Saekos Verdacht jedenfalls bestätigt, rennt sie ihrem Takaya vor Enttäuschung und Angst davon, sucht im schwitzigen Sex mit ihrer Freundin Sachi (Yôko Azusa) eine wonnige, seelische Befreiung, die jedoch nicht erfüllt wird.


Stattdessen scheint in ihr die Eifersucht (hinsichtlich des gestörten Stalker-Mädels) und die Gewissheit der inneren LEIDENschaft sowie dem Drang nach mörderischer Dominanz aufzuflammen, als sie doch noch zu Takaya zurückkehrt, ihm mit dem Körper zuspricht, bei ihm zu bleiben. Doch ehe sie es voll aussprechen kann, stürzt die Stalkerin mit Takaya, den sie durchgehend zur Tat provozierte, in den Tod. An jenem Ort der einstmaligen Vergewaltigung versucht Saeko nun wehleidig die intensive Masturbation, doch ihr Verlangen, ihre sexuelle Sehnsucht und Trauer bekommt nicht genug, verbrennt (wortwörtlich!) die Erde unter sich. Als der Ehemann nach langer Geschäftsreise zurückkommt, scheint wieder alles beim Alten. Der Sex mit ihm ist wie gehabt kurz und bemüht, von Regisseur Naosuke Kurosawa bewusst in einer nüchternen Statik eingefangen, die einen krassen Gegensatz zur heiß-umschwebten Intimität aller anderen Sexszenarien (selbst jene der sadistischen Morde) bildet.


Doch der normale Alltag bringt mit surrealer Drastik erneut urplötzliche Entflammungen und Gewaltakte zum Vorschein - Saekos Erotik entbrennt erneut bei den seelischen Nachfahren Takayas. Die schwarzen Handschuhe quietschen über ihre brennende Haut hinweg, die Flammen schießen innerhalb eines zusammengedrückten Spiegelkastens von überall hinaus - das Inferno einer brandgefährlichen, doch aufregenden Sexualität stößt von Neuem an die Oberfläche. Junge, Junge, welch ein psychopathischer, unfassbar intensiver Wahnsinn in ökonomischer Rasanz hier doch entfesselt wird. Körpernahe Lust und Körper-zerstörende Gewalt fusionieren zu einem mutierten Organismus der Abhängigkeit. Wie Kurosawa hier seine Vision eines modernen Japans mit potenziell zersetzender Sozialität zeichnet, schockiert durchaus mit drastischen Bildern und Handlungen, verleiht seiner Inszenierung aber dennoch keinen exploitativen Selbstzweck.


Sein audiovisuell pointiertes Abbild sexueller Unterwerfung und Verzerrung (mit Anlehnungen an die Exzesse des Giallos) zeugt von klaustrophobem Pessimismus und allgegenwärtigem Terror, gleichzeitig aber auch von aufschreiender Lust und der Implosion innerer Gefühle. Jede Einstellung erdrückt mit harten Formen (speziell die Wolkenkratzer), penetranten Spitzen und brachialen Flammen - schmiegen sich aber allesamt trotz ihrer omnipräsenten Gewalt an den süchtigen Körper Saekos an, einer verwirrten, furchtsamen und doch letztendlich willigen Frau des allgemeinen Volkes. Die Abstumpfung des Alltages und die Asozialität des Umfeldes haben ihren Preis, die Suche nach Gefühlen endet in der Lust nach Gewalt. Ein zynischer, schockierender Entschluss, gewiss, aber dennoch eine psychologisch-ungeschönte und giftig-erregende Enthüllung weiblicher Hitze. Japanische Fantasien in der Grenzüberschreitung der Extreme als kongenial-schnörkelloser, maximal-intensiver Sozial-Horror - eine beachtliche Leistung.




GEHEIMNISVOLLE TIEFE - Ein recht bizarres Gesellschafts-Drama vollends abgeglitten in der oberflächlichen Kälte der Gefühle. In seiner steifen Theatralik und dem Alles-erklärenden Pathos im Dialog u.U. ein gewisser Abgesang auf heuchlerische Melodramen des dritten Reichs (dem Regisseur Pabst nach seinem Exil in Frankreich mehr oder weniger unfreiwillig 'KOMÖDIANTEN', 'PARACELSUS' sowie den unvollendeten 'FALL MOLANDER' gab), wenn auch nicht minder Symbol-beladen mit morbiden Kulissen & Accessoires, ausgestopften Tieren und Skeletten aus der Urzeit. Denn im Grunde wird eine Moral erhoben, die fast schon älter ist als die Zeit, jedoch derartig befremdlich zur Erfüllung gebracht wird, dass man darin durchaus eine rhetorische Kritik vermuten könnte - wieviel Absicht dahintersteckt, lässt sich heute leider nicht mehr genau nachweisen, allgemein wird jedoch festgestellt, dass Pabst vor allem in die Seele des Menschen vordringen wollte, indem er den Fokus auf eine eisige, tiefe Höhle verlegte, in welcher Professor Benn Wittich (Paul Hubschmid) nach dem Ursprung der Welt und der Menschheit strebt, Fossilien hervorbringt.


Dies missfällt seiner Verlobten Cornelia (eine ungewohnt entrückt-distanziert spielende Ilse Werner), welche es in den grotesken Eisformationen im abgeschiedenen Dunkel der Einsamkeit schaudert und ohnehin Schwierigkeiten hat, sich der Berufung ihres Verlobten anzupassen, der die gemeinsame Behausung mit allerlei furchteinflössenden Artefakten einhüllt - alles im Namen der Forschung, welche er auch über das Glück seiner Frau stellt und sogar auf das Geld vom potenziellen Investor, dem Großindustriellen Robert Roy (Stefan Skodler), verzichtet. Hier am Boden des verschlossenen und ungewissen Lebens kann sie nicht atmen und lässt sich stattdessen vom Herrn Roy betören, der ihr die Welt, Freiheit und Prestige verspricht. Doch je tiefer sie in dieses Milieu der oberen Zehntausend rutscht, desto schneller begibt sie sich trotz aller anfänglicher Unbedarftheit in den berüchtigten Goldenen Käfig™.


Und so muss sie sich auch hier den erdrückenden Regeln der High Society unterordnen, aus Zwang Juwelen umlegen, um den Glanz des Aushängeschildes Roy zu repräsentieren. Sie liegt in unsichtbaren Ketten, stumpft ab bei den ewig gleichen, zynischen Bekanntschaften und rettet sich hauptsächlich in den Schlaf, wo sie groteske Träume von verätzten Ranken und rücksichtslosen Menschenmassen erlebt, die sie hypnotisch in den Sumpf treiben und ihr dem Drang zum Ausbruch verleihen. Die inszenatorische Fantasie von Pabst geht dabei erneut wie in seinen besten Zeiten expressionistisch-düster zu Gange und legt mit unbedarfter Direktheit die schmierige Wurzel des Bösen und die komplex-verdorrte Psychologie des Menschen frei, die man beim deutschen Publikum in jenen Jahren noch zu verklären gedenkte.


Seine Protagonistin Cornelia bleibt aber trotz scharfer Beleuchtungs-Kontraste von außen hin ein kaltes Wesen, das auch nicht im erneuten, sehnsüchtigen Kontakt mit ihrem Wittich äußere Wärme erzeugen kann - ihre Absicht zur Rückkehr in seine urmenschliche Verschlossenheit zeichnet sich aber deutlich ab. Zu stark ist zunächst aber noch der Einfluss der oberen Gesellschaft, die unter der Lupe ebenso vor innerer Ziellosigkeit zerbricht - mit vorsichtig-detaillierten Verträgen jedes Besitztum und sogar jedes gemachte Geschenk auf sich selbst versichert, bei der Sinnlosigkeit des Geldes allerdings nur noch den Tod vor sich hat. Dann doch lieber zurück in die Höhle, zum eindecken Geröll und den vereisten Zeitdokumenten der Ursprünglichkeit des Lebens und des ewigen Sterbens. Weg vom Geld, zurück zur Natur und schließlich durch den verdienten Aufbruch hin zum ursprünglichen Licht der alten Liebe, des alten Lebens.


Die Moral dieses Happy-Ends zeichnet eine plakative, altbackene Konsequenz, wirkt psychologisch immerhin sinnig-erzählt, in der zurückgenommenen Gefühlsbetonung allerdings auch abstoßend-dysfunktional. Denn die allgegenwärtige Todessehnsucht geht so stark einher mit dem tief-einschneidenden Schwarz-Weiß des Bildes, der toten Ausstattung beider Welten und den finsteren Tönen der Musik (Roland Kovac, Alois Melichar), dass der letztendliche Aufstieg in die Freiheit geradezu verklärend wirkt, wenn schon im Vornherein keinerlei Liebe explizit ausgestrahlt wurde und die Liebenden sich nur in der brutalen, archaischen Höhle wiederfinden - damit erneut älteste Rollenmodelle der Menschheit wiederherstellen, die in der Reichhaltigkeit der oberen Gesellschaft gleichfalls Bestand haben. Cornelia denkt sich dabei sicherlich: lieber eine ungewisse Zukunft, als eine strenge. Dabei hat der Wittich mit seinen Entdeckungen allerdings ebenfalls inzwischen Erfolg gefunden - wer sagt nicht, dass sich ihr Teufelskreis des inneren Leidens nicht nochmal wiederholen wird?


So befremdlich-unterkühlt und dennoch virtuos Pabst seine bieder-perfide Sozialstudie größtenteils präsentiert, kann man schon durchaus in Frage stellen, wie ernst er diesen (zu jener Zeit) moralisch eher-vertretbaren Schlusspunkt trotz des psychologisch-möglichen Aufbaus dann doch gemeint hat. Denn viel eher fühlt sich seine 'GEHEIMNISVOLLE TIEFE' so an, als ob jeder zum Schluss in den Tod gerissen werden müsste. Die omnipräsente Kälte in den Höhlen, in den toten Skeletten & Menschen sowie den ausgestopften Tieren (im Grunde allesamt auf demselben Level des Lebens) lässt vermuten, dass Pabst nach dem Krieg wirklich kein Vertrauen mehr in der Menschheit hatte und am Liebsten in der mysteriös-zelebrierten Höhle geblieben wäre.




MONTANA SACRA - DER HEILIGE BERG - [...] Die omnipräsente Magie der Bilder schafft es nämlich durchweg, unsere Sinne so zu überwältigen, dass wir kaum Gelegenheit bekommen, uns an ihnen festzuhalten. Ein atemberaubendes Tempo legt der Alchemist Jodorowsky dabei vor, strömt mit der Opulenz eines David Lean und dem Wahnsinn eines Salvador Dalí pausenlos Eindrücke ins Hirn, die für sich alleine, Frame by Frame, schon atemberaubende Stillleben aufzeigen. Da entstehen detailbesessene Räumlichkeiten, die sich mit Farben, Formen, nackten Körpern jeden Geschlechts, exotischen Tieren und ausgefallenen Winkeln zu einem berauschend-hypnotisierenden Ganzen ergeben. Diese werden aber auch bis zum Rand mit grotesken Obszönitäten, megalomanischen Apparaten und Massen an bunt verkleideten und geschundenen Statisten angefüllt, während Unmengen an Fleisch, vielfarbigen Blutspritzern, Rauch und zerfetztem Getier über sie hinwegfegen.


Regisseur Jodorowsky überzeichnet also mit ebenso maßlosem Ehrgeiz jene bitterböse und tragikomische Weltvariante, an der er die ewig gleichen Machtverhältnisse der globalen Menschlich- und Ungerechtigkeit feststellt, mit grellen Farben einsprüht und mit pikantesten Kostümen & Frisuren einhüllt – wohlgemerkt in formatfüllendem Cinemascope. Seine bewusst-alogische Suche nach dem Heiligen Berg wird dabei schnell zum überlaufenden Quell kritischer, surrealer Symboliken eines gar-nicht-mal-so-unterschwelligen Faschismus sowie psychedelischer Befreier-Anleitungen, die scheinbar nie so recht wissen, wo sie überhaupt anfangen sollen, um den Schmerz des Planeten zu lindern. [...]

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ELFMETER FÜR DEN SUPERBULLEN - Nun war es also doch mal wieder an der Zeit, dem Superbullen Tony Marroni (Tomas Milian) einen erneuten Besuch abzustatten - und siehe da: wieder zusammen mit Bruno Corbucci am Steuer gelingt da diesmal ein außerordentlich flottes Filmchen der Kriminalkomödie nach italienischem Gusto, wie man es sich gerne noch ein Stück häufiger von den Heimspielen jenes Teams gewünscht hätte. Apropos, was den Titel betrifft: lediglich in der Anfangssequenz dürfen wir einem wahren Fußballmatch beiwohnen, die Erwähnung verschiedener FCs, wie dem AS ROM, bleibt aber durchgehend erhalten, soviel sei dem mediterranen Temperament noch erlaubt.


Denn Marroni brummt sich diesmal einen besonders prickligen Fall auf, bei dem sein alter trotteliger Ganovenkumpel Venticello (Bombolo) in Mailand des Mordes verdächtigt und im Knast zur unfreiwilligen Zellenbraut verwandelt wird (ich weiß, ich weiß - Klischees am laufenden Band). Nun muss Tony ihn da rausholen und ermittelt sich durch mehrere Milieus, wobei erschwerend hinzukommt, dass seine Ehefrau im 8. Monat schwanger ist und beide zusammen im arschlangsamen Wohnwagen mit der halbtauben Schwiegermutter als Hebamme durch die Pampa tingeln - dieses Mal gilt also: nachvollziehbare, (relativ) spannende Motivationen am Start, immerhin!


Marroni hat dabei verständlicherweise oft die Schnauze voll und schert sich auch einen Dreck um Förmlichkeiten, speziell gegenüber seinem Mailänder Vorgesetzten, der als strenger Anstands-Wau-Wau des Öfteren die Mir-Egal-Mentalität unseres Dauerwellen-&-Blue-Jeans-Cops entgegenschlägt. Dabei geht's diesem doch nur darum, möglichst schnell und unkompliziert den Fall zu knacken, also werden Zeugen und Bekannte so kumpelig-schnörkellos befragt, dass er von einem Schauplatz zum anderen jagt, immer mit flotten Accessoires am Mantel und Kaugummi im Maul.


Stellen sich aber manche Befragten quer, rückt er ihnen solange auf die Pelle, bis sie einknicken. Wenn sie dennoch die Flucht ergreifen, schreitet Milians Double zur Stelle, lässt Marroni auf Rollerskates, Motorrädern und Schlittschuhen brenzlige und flotte Verfolgungsjagden abhalten - ganz der Poliziotteschi-Experte, liefert Komponist Franco Micalizzi dabei auch groovige Rhythmen ab, die zwischen 'SHAFT' und seinem eigenen 'Running away from Jerzy' aus 'THE VISITOR' ein ordentliches Tempo vorlegen und so für durchgehend Kurzweil sorgen.


Ohnehin versteht es Corbucci diesmal wirklich, die Story am Kragen zu packen und mit halbwegs gewitzter Energie durch die stimmige Krimi-Formel zu jagen - lässt aber aus den Charakteren heraus durchweg logische Szenarien entwickeln, die der allgemeinen Jagd eine pfiffige Abwechslung darbieten. Da flirtet Marroni, der schon seit Monaten wegen seiner Liebsten auf dem Schlauch steht, mit der offenherzigen Stripperin rum, bekommt von seiner Frau aber urplötzlich eins aufm Deckel, weil sie ihm doch noch nach Mailand hinterher gekommen ist. Doch wo soll sie mit dem Wohnwagen unterkommen? Ganz einfach: auf dem Hof des Polizeipräsidiums, scheiß doch auf den Chef, denkt sich Tony dabei, Wäscheaufhängen und Eierbraten inklusive.


Dem Chef jedoch geht diese ganze Sache zuweit, erst recht, nachdem Tonymeister auf einer gesitteten Party von dessen Frau den vulgären Suppenkasper gibt, die feine Gesellschaft verulkt und allen letztendlich doch so viel Spaß bringt, dass der Herr im Haus ihn suspendiert. Doch einen 'Freund' wie Venticello lässt Marroni nicht im Stich, erst recht als der nach einem Täuschungsmanöver im selben Krankenhaus unterkommt, in welchem sich auch der vermaledeite Mörder befindet - welcher sich bei der Konfrontation mit unserem Kommissar sodann mit dem Wohnwagen aus dem Staub macht, in welchem seine Frau gerade in den Wehen liegt.


Natürlich glückt die schlussendliche Festnahme, doch viel dringender gilt es, den Sohn Rocky in Rom zur Welt zu bringen. Das ist gerade noch im letzten Augenblick machbar und Milian darf bei aller punkiger Kaltschnäuzigkeit doch für ein einziges Mal in der gesamten Superbullen-Reihe ein paar wunderhübsche Freudentränchen vergießen - was für ein Engagement der Macker doch hat. Die Geburt ist geglückt und der Film insgesamt sowieso: 85 Minuten rasanter Blödeleien mit Brandt-Faktor und urbanen Feuerstühlen haben wir hinter uns - Corbuccis Handschrift gibt zwar noch immer eine schludrige Signatur ab, aber auch ihn hat offenbar mal die Muse geküsst, so unbedarft-schelmisch er hier doch eine pointierte Sause serviert, die erst recht mit plakativ-ulkigen, doch naiv-frechem Spielspaß punkten kann.


Wer das Genre kennt, weiß sicherlich, was einem im Vornherein erwartet - und da gewöhnt man sich schon an so manche Langatmig- und Peinlichkeiten. Hier jedoch funktionierts ganz pfundig und vergnügt, stilecht und mit gut abgeschmeckten Schauwerten beladen - von der touristischen Pracht Mailands bis hin zum weiblichen Cast. Ein erwünschtes Tor für Familie Marroni, ein Aufstieg bei Kennern sollte garantiert sein.




THE AMAZING SPIDER-MAN 2: RISE OF ELECTRO - [...] Die Zeichen werden klar gesetzt: Kommt zurück beim nächsten Mal, dann ziehen wir den wahren Zaubertrick aus dem Hut heraus. Bis dahin soll uns dieser abendfüllende Trailer die Zeit vertrösten, der in seinen über 140 Minuten Laufzeit kaum mehr voranbringt, als die eigentlichen Trailer zum Film selbst.

[...] Letztendlich unterstützt das aber auch maßgeblich den angebrachten Comic-Faktor dieser eskapistischen Sommer-Sause, die sich trotz aller dramatischer Ernsthaftigkeit in Studio-gerechter Effektivität einer Poesie gewitzter Wortgefechte und visueller Gags bedient – zudem in ihrer ultimativen Aussicht nach Hoffnung in Spider-Mans Verteidigung der Menschheit, ähnlich einer ersehnten Zugabe beim ausverkauften Konzert, dem erneuten Comeback-Auftritt entgegenfiebert. 

[...] Man kann sich keine bessere Kraft im harmlosen Unterhaltungskino wünschen, speziell was Prognosen auf den Kassenerfolg betrifft: Eskapismus in virtuoser Frische und emotionalisierten Gloss, voller stilechter moments of wonderment – und doch so simpel und gleichzeitig aufs Unwesentliche ausgewalzt, dass sich Adrenalin und Frust hinsichtlich dieser nichtssagenden 2 1/2 Stunden-Parade gegenseitig abwägen. Ein Konflikt der Sinnhaftigkeit, der durch den Unterhaltungsfaktor schon wieder wettgemacht wird. [...]

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SPUREN - [...] Wie aber kann man so eine Erfahrung adäquat umsetzen? John Curran hadert offensichtlich mit dieser Problematik, obwohl er doch versucht, mit elegischen Kameraeinstellungen und eindeckender Musikuntermalung eine Atmosphäre herzustellen, welche der Landschaft und deren Eindrücken auf den Seelenzustand Robyns gerecht wird. Die volle, angestrebte Wirkung kann sich aber nicht entfalten, da er sich zu sehr an das Konzept einer Dramaturgie hängt und daher ihre Reise in mehreren streng-zusammengefassten Stichpunkten voranbringen muss. [...]


Da schneidet er alles teilweise so kurz zusammen, dass sich erst keinerlei Atmosphäre aufbauen kann, nur der Versuch einer Abfilmung eben dieser. Erst im letzten Drittel, sobald sie wirklich fast nur noch einsam umherwandert, eröffnet er ihr die Pforte zur nackt-seelischen Einnahme der Sorgen-auspressenden Unendlichkeit. Dies macht narrativ durchaus Sinn, unterminiert aber die tatsächliche Größe ihres Trecks und auch die der australischen, hypnotischen Natur. [...]

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SO LIEBT UND KÜSST MAN IN TIROL - Wollt ihr wissen, wohin ich diesmal in den Urlaub hingefahren war? Au fein, dann kommt mal zusammen, ich erzähl euch davon und habe sogar ein paar Dias mitgebracht! Ach ja, seht ihr, da hatten wir ihn wieder, den souveränen Tiroler Schwank mit malerischen Heimatfilm-Elementen und einem Staraufgebot der zeitgenössischen Eskapismus-'Königsliga' an allen Ecken und Kanten. Aber auch schlicht und harmlos war er ausgefallen, trotz Drehbuch-Einlagen vom frivolen Hans Billian und der Regie von Franz Marischka - beide machten sich später ja verstärkt im cineastischen Erotikgebiet bemerkbar. Na gut, von 1961 war er auch, quasi ein Frühwerk und fern vom Sex, trotzdem gut gefüllt mit ein paar dollen Damen, Halbtags-Perücken und ulkigen Leichtsinnigkeiten.


In diesem Ensemble-Stück, angefertigt aus mehreren, liebschaftlerischen Subplots hatten nur wenige Charaktere keine romantischen Ansprüche & Sorgen. Jene Ausnahmen stellten sich u.a. am Bürgermeister und Besitzer eines Gasthofes, Kramer (Oskar Sima) dar, der mit seinem Hausdiener Alois (Beppo Brem) versuchte, ein Sanatorium an der direkten Konkurrenz, dem Berggasthof „Alpenblick“ im Zillertal zu errichten. Schließlich lockte dieser mit der titelgebenden Kampagne ein Haufen begeisterter Touristen an.


Da waren zum Einen die Groschenroman-Autorin Ida Würzig (Edith Hancke) und der Scherzartikelverkäufer Emil Schulze (Walter Gross), aus denen hauptsächlich schallend-plakative Aufdringlichkeiten und anarchisches Scherzgut herausgeschöpft wurden. Dann gab's aber zum Anderen noch den schüchternen Grafen Hasso Steinbach (Eddi Arent), welcher zusammen mit seiner streng-mondänen Mutter versuchte, die frische Luft und Frauenwelt in den Bergen zu genießen und allmählich lernte, für sich selbst einzustehen - was sie unerwarteter Weise am Ende dann doch ganz toll fand, wie so oft bei Billian. Als Graf sollte man aber auch sowieso ein bisschen Dominanz vermitteln können, finde ich, nicht wahr?


Darstellerisch am Gewitzten verausgabend entpuppte sich allerdings Harald Juhnke als angeblicher Heiratsschwindler Arthur Theodor Friedrich Johann Meyer, der zwar von der drallen Privatdetektivin Ira Jovanovic (Elma Karlowa) gejagt wurde, obwohl sie jeden anderen außer ihn verdächtigte, er sie dafür aber nebenbei lieben lernte (zum Finale kehrte sie aber seine bisherigen Heiratsentsagungen für eine plumpe Pointe um). Wie sich jedoch herausstellte, arbeitete er schlicht für den Scheich von Ku-Eng, welcher ebenfalls der Alpenregion mit seinen braun angemalten Dienern einen Besuch abstattete und sein Herzblatt fernab aller Haremsprinzessinnen fand - da wurde natürlich mit plattgewalzten Klischees gearbeitet, die ihren Charakter ebenso erst mit dem Enthusiasmus fürs Ambiente aufblühen lassen konnten.


Nicht falsch verstehen: als Urlaubsziel erschien der Schauplatz ohnehin besonders reizvoll und da gelangen dem Marischka wunderbar sonnige und wonnige Bilder im Postkartenformat, die unsere Protagonisten vor effektiven Motiven von uralter Baukunst, erhabenen Tälern, grünsten Wiesen und robusten Kühen setzten. Da wunderte es mich kaum, dass offenbar Schürzenjäger-Saison war und die Seelen dazu beflügelt wurden, amouröse Abenteuer mit Aussicht auf zahlreiche Ausschnitte anzustacheln. Am verknalltesten traf es dabei den Sohn des Bürgermeisters (Adrian Hoven), der Besitzerin des „Alpenblicks“, Thesi Gruber (Monika Dahlberg) und ihre Freundin Petra (Vivi Bach) - ein missverständliches Liebesdreieck voller Hoffnungen und Enttäuschungen war die Folge, lenkte aber nicht allzu sehr von der Grundprämisse des sonnigen Frohsinns ab.


Dafür sorgten auch eine Handvoll biederster Schlager, die allesamt lediglich im Rahmen von Bars und Veranstaltungen dargeboten wurden, anstatt wie später bei Billians Music-House-Regiearbeiten als teils abstrakt in die Handlung eingebaute Zufälligkeiten und Gefühlsausbrüche zu wirken. Stattdessen gab's zufriedenstellenden Klamauk und vorhersehbarste Running Gags, sowie das obligatorische Gefühl von leichtherziger Freimütigkeit und Urlaubslaune - sogar eine große Hochzeit durfte zum Schluss nicht fehlen! Für die Genre-Verhältnisse reichte es allemal - die Broschüre hatte wirklich nicht zu viel versprochen, der Service war ebenso angenehm. 5 Sterne war die Pension allerdings dann doch nicht wert, hat mir aber schon zugesagt, kann man mal hinfahren. Joa...und wo wart ihr so, wieder auf Helgoland?




DIVERGENT - DIE BESTIMMUNG - Dystopische Jugendroman-Verfilmungen haben sich ja jüngst zum eigenen Genre etabliert. Dass sich deren narrative Grundessenz seit Klassikern wie '1984' und mittelmäßig-abgeleiteten Stoffen wie dem 'AEON FLUX'-Film oder 'EQUILIBRIUM' nur wenig variiert hat, scheint das Zielpublikum offenbar wenig zu stören, wohlgemerkt aber eher Regisseur Neil Burger in dieser seiner Adaption eines solchen YA-Werkes. Zwar routiniert, aber allenfalls zweckmäßig behandelt er die ewig gleiche Mär vom subversiv-faschistischen 'Glückseligkeits-Staat', unter dessen Oberfläche Verschwörungen zum Genozid der Unangepassten vorbereitet werden. Dies ist erneut eine Gesellschaft, in der alle abgestumpft gleichgeschaltet werden, wo jeder Einzelne durch einen Persönlichkeits-Test suggeriert bekommt, in welche streng-definierten Gruppen er eintreten sollte.


Das klingt wie eine Horrorzukunft unter Scientology - was von Burger entsprechend glattgebügelt, monochrom-gefärbt und ernüchternd-bodenständig aufgebaut wird - und diese ist zurecht in Aufruhr, sobald sich unter den gemäßigten Teens im eingezäunten, halb-zerstörten Chicago jemand befindet, der in keine Gruppe passt, sein eigener Herr, divergent ist! Am Beispiel von Shailene Woodley als Titelfigur Tris erleben wir diese Erkenntnis, die vorerst ein Geheimnis bleiben soll. Weil sie nun insgeheim freie Entscheidungsgewalt inne hat, entscheidet sie sich für ein Leben bei den militanten Aufpasser-Teens, weil diese WEST-SIDE-STORY-artig überall hip Parkour-Jumpen, klettern und für Gerechtigkeit sorgen. Das Training ist hart und die Laufzeit des Films ebenso vorwiegend darauf eingestellt - eine Ambivalenz zu den Methodiken macht sich bei Tris schon bemerkbar, doch Freundschaften und die anbahnende Liebe zum Gruppenleiter Four (Theo James) bringen emotionale Entlastung in diesem Boot-Camp-Ambiente.


Zunächst scheint sie aber noch zu schwach zu sein, um die maßgeblichen Tests zu bestehen, doch ihr insgeheimer freier Wille bahnt sich seinen Weg hindurch zur Oberliga, wobei sie jedoch vom gnadenlosen Komplott der inneren Gleichschaltung erfährt (siehe auch: 'UNIVERSAL SOLDIER'), bei dem sie und ihre Freunde natürlich aus der Reihe tanzen und zurückschlagen. Der Schluss generiert sich wie erwartet zum bewährten Shootout-Spektakel des Non-Konformismus gegen the man, wobei die Verhältnisse natürlich nicht so drastisch umgewälzt werden, dass man im Nachhinein nicht noch eine Fortsetzung daraus basteln könnte. Neil Burger hat sich seitdem allerdings vom potenziellen Franchise verabschiedet und man kann seinen Unmut durchaus nachvollziehen, alleine wenn man bemerkt in welche Momente er den meisten Enthusiasmus hineingesteckt hat.


So lag ihm offenbar die Darstellerführung besonders am Herzen, so gemäßigt und dennoch glaubwürdig sein beinahe durchweg junger Cast agiert. Im Mittelpunkt steht dabei Newcomerin Woodley, welche mit ihren sehnsüchtigen Kulleraugen und schüchterner Körpersprache stets ein nachvollziehbares Gefühl der Unsicherheit unter jenen harten Umständen ausdrückt. Da ist Burger auch immer ganz nah an ihr dran, geht auf Tuchfühlung mit jeder Pore, erst recht sobald sie unvorbereitet Herausforderungen des Springens, des Schießens und des Boxens bewältigen muss (sowieso: massig Frauen-Keile am Start) - wie grundsympathisch das fesche, neugierige, zwar noch etwas verschämte, aber allmählich sich-selbst-beweisende Mädel dabei doch rüberkommt. Wenn sie die Strapazen der Ausbildung allerdings bewältigt, zeigt Burger sein exzellentes Gespür für Euphorie, die am Stärksten in jener Szene wirkt, in welcher Tris am Seil über die Reste Chicagos schwebt, währenddessen Ellie Goulding oder wer auch immer auf dem Soundtrack jugendlich-schwelgerischen Pop-Esprit anstimmt.


Schon in 'OHNE LIMIT' bewies Burger sein Engagement für vergnügten Adrenalin-Drive an seiner visuell berauschenden Schlaumeier-Wunderdroge mit dem genialen Durchblick. Jene Virtuosität mit Sinnes-verstärkenden Mitteln findet ebenso in diesem Film ein Ventil, sobald Tris sich den halluzinatorischen Prüfungen stellen muss, auf psychotronisch-surreale Hilfsmittel zurückgreift (scheinbar auch Masturbation, obwohl sie daraufhin der imaginären sexuellen Besitznahme in die Eier tritt) und somit Klassenbeste wird - 'INCEPTION' und 'MATRIX' hinterlassen also noch immer ihre Spuren. Dass der formelhafte Plot ihn dabei immer wieder auszubremsen gedenkt, ist leider die größte Crux und entlädt sich schließlich in einem Finale (bei dem auch Tris' quasi identische Mutter Ashley Judd mitmischt), dass zu viel Drama auf einmal erzeugen will, obwohl die wirkenden Charaktere sich bei uns hauptsächlich in ihrer Zeit der Ausbildung und Prüfungen äußerten, nicht aber unbedingt, wie es ihnen zuvor erging - zu dem Zeitpunkt war die gleichgültige Weltenbildung nämlich eher im Fokus.


Dabei könnte man gerade ohne den ganzen Zukunfts-Ballast mit seinen abgedämpften Interieurs und seinen mickrigen Phaser-Knarren wunderbar auskommen; eine u.U. spannendere Geschichte erzählen, die nicht mal unbedingt die Durchsetzungskraft in militärisch-futuristischen Strukturen aufzeigen muss, als Coming-Of-Age-Storyline ohnehin mehr innerliche, charakterliche Konflikte beackern sollte, als jene der erneuten Lager-than-Life-Menschheitsrettung mit Junkie-XL-Instant-Score - man wünscht sich einfach erstmal nur mehr Liebe zu den Menschen auf der Leinwand und Burger hat hierbei sogar einige schön einfache, doch innige Bilder gefunden, die als Star Vehicle für die Woodley ihrem schmusebedürftig-charmanten Auftreten sowie ihrer vorsichtig-mutigen & hoffnungsvoll-bitteren Charakterentwicklung vollends gerecht werden.

So bleibt aber in der Zugabe des kämpferischen Drangs unserer Protagonistin, trotz aller erwünschter Frauenpower, ein unentschlossener Nachgeschmack in der Abwägung von Faszination & Kritik an militärischer Gruppenzugehörigkeit in dieser Sci-Fi-Hierarchie. Totalitarismus entpuppt sich zwar durchaus als das abgrundtief-Böse, das Training zum Kampfe erhält hier jedoch durchaus eine Berechtigung, erst recht wenn man mit seinen Freunden in der Rebellion als Gruppe, als Team, als Liebhaber zurückschlägt. Dabei sollte doch gerade die selbstbestimmende, liberale Stärke des Individuums den Vordergrund bestimmen: auf eigenen Füßen stehen, die eigenen Probleme selbst meistern - hier wird daraus lediglich eine Aufstiegsanleitung für taktische Führungspersönlichkeiten im Namen der Gerechtigkeit und der wie gehabt hetero-sexuellen Liebe.

Das entspricht zwar den Regeln des modernen Blockbuster-Eskapismus, jedoch nicht der eigentlich-homogenen Charakterentwicklung. So ist das nun mal scheinbar bei Buchadaptionen mit Franchise-Aussichten: viel Ablenkung darf man sich nicht erlauben, erst recht unter SUMMITS/LIONSGATES Fuchtel - Burger hatte dabei zwar seinen inszenatorischen Spaß mit der innewohnenden Euphorie, hat aber rechtzeitig die Notbremse gezogen, um aus dem fahrenden Zug gen Massentauglichkeit auszusteigen. Nun steht seine Tris ohne ihn da und starrt einer ungewissen Zukunft des Erwachsenwerdens entgegen, welche, so wie es aussieht, nur in brachialen & gleichsam bieder-bissfreien Standard-Spektakeln enden kann. Die bis dahin erlebten Aufstöße der Hoffnung und der leichtlebigen Romantik waren es aber wert, wenn es aber auch durchaus mehr hätten sein können.

(Diese Kritik gibt's ebenfalls hier bei den DREI MUSCHELN zu lesen)