Sonntag, 29. November 2015

Tipps vom 23.11. - 29.11.2015

 

STUNDE DER BEWÄHRUNG - Ich hab es diese Woche leider nicht geschafft, eine echte Kritik für diesen schönen Film zusammenzutexten, aber es wäre vermessen, jenen etwas versteckten Schatz der siebziger Jahre nicht zu würdigen, in dem Dustin Hoffman als Ex-Knacki in die Gesellschaft reintegriert werden soll und durch die Kontrolle des pseudo-barmherzigen Systems erneut zum Verbrechen verleitet wird, anstatt dass dies vom kriminellen Umfeld forciert wird. Das meiste davon ist nämlich inzwischen ebenso an das gewöhnliche Leben angepasst, er - Max Dembo - bewegt sich also fortwährend zwischen den Welten und bleibt in seiner Fassung doch bescheiden abgeklärt, obgleich er wieder ganz unten anfängt und nicht überall mit seiner Vergangenheit akzeptiert wird. Arbeitsvermittlerin Jenny Mercer (Theresa Russell) schaut darüber hinweg, sieht das Liebevolle in ihm und ist im Verlauf auch zur Selbstaufgabe bereit, um zusammenzubleiben. Max weiß aber, dass er seinen Schatten nie ganz los wird, schlicht das macht, was er am besten kann und sich dennoch wie in allen Lebenslagen zu intensiv damit aufhält, obwohl ihm nur begrenzt Zeit gegeben wird. Regisseur Ulu Grosbard (es heißt auch Hoffman selbst hat anfangs bei einigen Passagen Regie geführt) erzählt hier, basierend auf einer Vorlage vom echten Ex-Knacki Eddie Bunker, mit authentischem Stil und enthüllt seine potenziell reißerische Geschichte als empathisches Charakterdrama voller Natürlichkeit, bei dem Hoffmans Darbietung im Fokus auch fast gänzlich ohne musikalische Untermalung oder sonstige Akzentuierungen von außen alles Entscheidende im Understatement ausdrücken kann. Sein gebrochener Mann hält überzeugend Jahrzehnte an Erfahrung in sich verschlossen; seine Augen und seine Präsenz telegraphieren dies in perfekter Balance mit der Offenbarung der Vergangenheit per Erzählung, welche in diesem Fall ausgesprochen konkret eingefangen wird. Das ist dann mehr als geradliniges Kino, wenn die Stärke der Erfahrung wirklich am dargestellten Menschen durchkommt und selbst über zwei Stunden lang hinweg den Weg entlang mitreißt. Wen man dabei noch alles in Nebenrollen erlebt, ist ebenso spannend mitanzusehen - im Gesamteindruck geht sodann keiner unter, höchstens die Gerechtigkeit binnen der nicht allzu gerechten Verhältnisse jener "Straight Time". Es gibt noch mehr zu sagen, aber fürs Erste soll dieser Abschnitt hoffentlich zur Empfehlung beitragen.




HEIDI - "[...] Wer von der alteingesessenen Geschichte Heidis weiß, braucht keine Überraschungen im Verlauf erwarten. Aus den Augen der jüngsten Generation jedoch, oder als Einsteiger im Erwachsenalter, entwickelt sich eine ernsthaft ausgearbeitete Erzählung, die erdrücken und beglücken kann, ohne zu überfordern oder gänzlich zu verharmlosen. Letzteres ist in leichter Tendenz präsent, gegen Ende hin unter Umständen auch mit (Heimat-)Kitsch unterfüttert. Gsponer setzt seinem Film dort einer Überakzentuierung aus, die ihrer Zielgruppe zu wenig zutraut, obwohl sie sich längst in der Perspektive wiederfinden dürfte. Wenn er aber von diesem Kompromiss ablässt, glänzt „Heidi“ als einfühlsames Porträt, das einfach scheint, aber beileibe nicht einfach als Kinderkram zu unterminieren ist."



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DÄMONEN UND WUNDER - "[...] Die Geschichte des Flüchtlings Dheepan (Jesuthasan Antonythasan), dessen neue Identität eine Ersatzfamilie mit sich bringt, folgt den routinierten Pfaden eines Integrationsdramas, das sich vom Krieg in Sri Lanka in die Gettos Frankreichs einzugliedern versucht. Größtenteils setzt es dabei auf Realismus, dem die Mechanismen der Migrationspolitik vorausgehen. [...] Durch die schlichte Dramaturgie schleichen sich aber ebenso Unruhen ein, die von der äußeren Kriminalität ausgehen, obgleich Oberhaupt Brahim ambivalenter Natur scheint und Konflikte somit erst nur im Raum schweben. Da Audiard diese letztlich anorganisch löst, streckt sich die Laufzeit auf ungewisse Zwischenstationen und erzählt bruchstückhaft vom ewigen Krieg, dem Frust eines forcierten Zusammenlebens, den Wünschen der Individuen und rücksichtslosen Brutalität einer entfremdeten Gesellschaft. [...]"



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BONUS-ZEUGS:




DIE VORSEHUNG - "[...] Regisseur Afonso Poyart probiert also das standardisierte Prozedere der Serienkillerinvestigation, bei der ein sinnesbegabter Ermittler durch plakative Effekte und Videoclipmontagen zum Duell gegen einen ebenbürtigen Zukunftssichter gezwungen wird, der ihm immer einen Schritt voraus zu sein scheint – und damit ist nicht nur der Zuschauer gemeint! [...] Zudem bemüht der Film alles erklärendes Overacting [...] und erzählt langwierig über eine Vergangenheit, die ohne Taktgefühl von chaotischem Actionkonsens, bedeutungsschwangeren Zeitlupen und Tatortuntersuchungen abgelöst wird, als hätte sich Poyart ein Vorbild an David Ayers „Sabotage“ genommen. Nicht zu übersehen und zu überhören: Kirchenkreuze und Hans-Zimmer-Chöre, um einen nicht vorhandenen Drive zu behaupten, der für ambivalente Charaktere sorgen soll. [...]"



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THE PERFECT GUY - "[...] Einer dieser unwissenden Eumel, der seine Schockmomente so offensichtlich telegrafiert, dass Fremdscham und Langeweile letztendlich die einzigen Reaktionen bleiben. Die Klischeekanonade reißt erst recht nicht ab, wenn Katzen laut aus den Büschen springen oder der Mörder von der Haustür ablässt, um urplötzlich hinter einem zu stehen. [...] Als ernst gemeintes Genrefutter schafft es „The Perfect Guy“ jedenfalls nicht, neue Aspekte oder charakterliche Stärken einzuleiten, wobei Technik, Tempo und Ambition ebenso schwer zu wünschen übrig lassen. [...]"



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Sonntag, 22. November 2015

Tipps vom 16.11. - 22.11.2015

 

HANA-BI - FEUERBLUME - "[...] Er macht sich und dem Zuschauer keine Illusionen, ohne zynisch zu werden. Sein Protagonist handelt stets aus Solidarität, benutzt nicht immer den legalen Weg, hält sich dabei aber auch nur an eine Welt, die mit Gewalt Verhältnisse bestimmt – das Blut spritzt infolgedessen so, wie Blumen in ihren Farben aufblühen. [...] Dieser Kontrast vereint sich wie der Film auf Messers Schneide, will mit dem Herzen aus der Gewalt flüchten und dafür ein Feuerwerk entfesseln. Kämpfe um Liebe und Glück sind oftmals die schwierigsten im Leben, aber selbst in den kleinsten Augenblicken oder Stillleben von Wert. Kitano drückt dies eher in Tat und Bild denn in Worten aus – direkt mit Essstäbchen ins Auge und Glocke ins Ohr. Revolverkugeln bleiben in der Faust, Sterne auf der Leinwand, Blut bleibt im Schnee, die Umarmung am Strand. [...]"


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THE DEMONS - "[...] Nicht jede Erwartung wird erfüllt, aber auch nicht jede umgekehrt – man ist wie Félix im Lernprozess, nicht bloß innerhalb der Schulmauern. Der Film ist dabei keinesfalls auf eine kindliche Zielgruppe ausgerichtet, da er vermeintlich erwachsene Schauwerte beiläufig oder genüsslich overstated behandelt. Im Vordergrund steht die Kombination von Beobachtung und Leichtgläubigkeit, mit der sich die eigene Wahrheit formt. Im Kontrast dazu üben Erwachsene genügend Verwirrung, je mehr sie sich in Lügen verstricken und manipulieren. Etwas vorzuspielen, das können beide Größenordnungen, doch Kinder hadern mit einer Ungewissheit, die Regisseur und Autor Lesage ebenso bei seiner Anordnung der Geschehnisse gebraucht. Es liegt am Zuschauer, die Assoziationen zu erkennen, nicht aber, eine Wertung vorgefertigt zu bekommen [...]"



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BODY ROCK - Ein verlorener Klassiker kommt aus der Unbekanntheit zurück und liefert genau das, was man sich von einem Film anno 1984 erhofft, der Lorenzo Lamas als Breakdancer Chilly D. inne hat, Sylvester Levay („Die City-Cobra“, „Stone Cold“!) an die Keyboardtasten drückt, Graffiti und schmierige Club-Atmosphäre durch New York City peitscht, anhand Robby Müllers (!) Kamera durch Plansequenzen und Neon-Spielereien in einen unnachgiebigen Strahl der Energie verwandelt sowie ein simples, wie effektives Narrativ der Milieu-Karriere mit ausbeuterischem Manager anwendet, welcher Freunde und Liebe abkanzelt, bis dann doch die herzliche Einsicht kommt. Dafür muss diesmal im Vergleich zu „Beat Street“ nicht mal jemand sterben, es gibt höchstens was auf die Nase, ansonsten Sex im Designer-Loft und im Ausdruckstanz, schüchterne Liebe auf der Couch und Kaffee für Frau Mutter, bevor es in die Stadt geht, um einige frische Tanzbewegungen mit Little Magic auf dicht befahrener Straße zwischen Wolkenkratzern zu üben. Das macht soviel Laune wie es schon verrückte Kleidungsstücke ins Auge stechen lassen, ganz zu schweigen von funktionsfreien Dekorationen sowie Ohrringen für Männer und Jumpsuits für Frauen und andersrum. Das romantisierte Stadtleben daran bemüht sich durchweg um das Überleben der Freundschaft und um den Eingang zu fetzigen Tanzschuppen, um allen voran den grellen Elan am Tanzen auszuleben.

Dynamik ist dabei das treibende Stichwort dieser 80's Fantasy, die sich zudem mit einer Berliner Kinosynchronisation brüsten kann, die nicht nur liebevoll den Spielspaß der Darsteller umzusetzen weiß, sondern erst recht mit Wort- und Satzschöpfungen begeistert. „Wir müssen die Sache pfeffern.“, „Du hast ihm echt ne Nase gemacht?“, „Oberwatussi“ und noch viel mehr an Ultradialogen gesellen sich zu einem Ensemble, das genauso vergnügt über Tanzflächen springt, wie es Flaschen in Lack-&-Leder zerdeppert und sogar direkt in die Kamera spricht, um Kontrastbilder von Massengefolge und engem Freundeskreis zu erschaffen. Und ja, Lorenzo Lamas singt auch selbst mit, falls sich jemand daran erfreuen will - und warum auch nicht, wenn die durchgängige Musikalität des Ganzen im Abspann letztendlich nicht bloß ein bis zwei Tracks abspielt, sondern gleich ein Medley der Playlist aufbietet? Das überwältigt einen vor Geilheit, wie der Film ohnehin recht eigenwillig von einer Szene in die nächste fließen kann, womit er stets aufs Neue überrascht und doch in beinahe allen Belangen beglücken kann, sofern man sich für derartige Zeitkapseln interessiert. Wer das schon an bekannteren Verwandten wie „Breakin'“ sowie „Breakin' 2: Electric Boogaloo“ schätzte und gerne etwas in derselben Ader binnen NYC sehen will, trifft hier die beste Wahl.




BRIDGE OF SPIES - DER UNTERHÄNDLER - "[...] Der Pilot dessen heißt bezeichnenderweise Lieutenant Powers. Wer besitzt am Ende also die Macht in diesem Konflikt? Die Frage lässt sich ebenso zur Gestaltung des Films stellen, welche einzelne Aspekte der Coen-Topoi patriotisch interpretiert, obgleich sich die Kritik an der amerikanischen Auslegung der Demokratie stets bemerkbar macht. [...] Größtenteils bemüht sich der Film dort, die Umständlichkeit beider Seiten zu charakterisieren, die sich mit Machtspielen, Einschüchterungen und Mauern schlagen – ganz gleich, wie es um Einzelschicksale steht. Das sowjetische System wird durchaus unbarmherziger gezeichnet, das amerikanische hingegen verkauft seine Humanität mit einer Kälte, der man genauso wenig vertrauen will. Spielberg jedenfalls kommt nur schwer ohne Optimismus aus [...] Beachtlich ist dennoch, wie Alltagshorror, politisches Kalkül und das Streben nach Güte in einem wechselhaften Guss münden, der mit seinen 141 Minuten Laufzeit beinahe im Flug vergeht [...]"



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SURF NINJAS - Das unnachgiebige Tempo, mit dem die deutsche Synchronisation hier eine Sprucherfindung nach der anderen raus haut und vor allem per Rob Schneider so abgefuckt an der Handlung vorbei schwimmt, ist selbst im Rahmen obskurer 90er Jahre Komödien unerreicht. Nicht, dass der Film in seiner teils ungelenken und teils doch kostengünstigen Mischung aus Surfer-Komödie, Ninja-Action, Insel-Irrsinn und vager Genre-Parodie wirklich überzeugen würde. Dem englischen O-Ton möchte man ebenso nicht so schnell begegnen, so wie der rein objektive Humor ohne Synchro-Bonus ziemlich lasch ausfallen dürfte. Allerdings ist dieser eine Fundgrube verpeilten Slangs, dem man schlicht mit Reihen an unfassbaren Lachkrämpfen entgegenkommen kann. Einige Highlights für den Alltagsgebrauch gefällig (ja, es wurden Notizen gemacht)? „Fusselkratze“, „Schnapsgurkenjocky“, „Muckelland“, „Duck dich, Schicksal!“, „Wollen wir brettmäßig ne Runde absurfen?“, „Raffinierter Bootverstecker“, etc. Jene Menge an durchgeballerten Schwachsinnsphrasen, an die ich mich als kontemporäre Jugendsprache mal so gar nicht erinnern kann, dürfte unter Umständen sicherlich erschöpfen, aber zur Rezeption sei erwähnt, dass es ebenso durchaus von Vorteil war, ein Bier und knapp eine halbe Flasche Rotwein intus zu haben.



Auch nüchtern dürfte man dem naiven Wahnsinnsvergnügen mit Sympathie begegnen können, auch wenn die erste Hälfte etwas flotter vom Band abläuft, als das leicht schleppende Action-Segment mit einem nur spärlich etablierten Leslie Nielsen als Bösewicht. Im Grunde ist er ebenso eine Witzfigur wie alle anderen auch - selbst der Mythos in Flashbacks meint, dass die prophezeiten Heroen gerne die Cosbys sehen wollten, wohlgemerkt in der deutschen Fassung - das wird da wortwörtlich so gesagt! Und wenn am Ende Honecker in Chile verortet wird, ist das Abenteuer komplett im Abwegigen gelandet. Was hat man damit fürs Leben gewonnen? Im besten Fall eine Menge Spaß, im schlimmsten Fall einen filmischen Absturz - in allen Fällen geht es in eine Ecke anarchischen Eskapismus, der sich durch zig Trends des Zeitgeists durchackert und durchweg im bunten Extrem für Kids landet. Für was werdet Ihr Euch entscheiden, liebe zitronenmäßige Leser?




DIE HIGHLIGEN DREI KÖNIGE - "[...] Darüber hinaus schlägt das Drehbuch aber eher heitere denn schwarze Töne an und zeichnet Drogenchaos und absurde Krippenspiele als Slapstick, der sympathisch auf den Arsch plumpst. Selbst der kindische Hang zur Gay Panic, wie bei „Das ist das Ende“ und Konsorten präsent, wird diesmal heruntergeschraubt: Je mehr Dick-Pics Rogen ins Auge fasst, umso stärker ist er von diesen beeindruckt. Wenn es aber darum geht, welche Geschichte der Film erzählen will, hält er sich doch ziemlich einfach und geradezu zweckmäßig, als dass das Schicksal Ethans Resonanz erzeugt. Jeder Akt der Verzweiflung scheitert letztendlich an der Leichtfüßigkeit der Gesamtgestaltung, die nicht mehr als eine lustige Sause vermitteln will und dabei auch audiovisuelle Schmankerl der Gefälligkeit liefert. Der Film ist zu spießig, um sich wirklich etwas zu trauen – ganz gleich, ob er den Status quo seines Protagonisten zum Besseren zu verändern versucht, ist der rundum beibehaltene Status quo der Weihnachtsgüte von Grund auf überlegen. Zumindest geht damit auch eine gute Menge Unbekümmertheit einher [...]"



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STONEWALL - "[...] Immerhin drosselt er sein Tempo zur Zeichnung der Charaktere, die Stereotype sein mögen, denen man aber durch den mit seiner Selbstfindung hadernden Danny (Jeremy Irvine) einigermaßen bodenständig durch die Stationen des Unverständnisses folgt. [...] Emmerich will den Kampf gegen das Unrecht im möglichst nachvollziehbaren (sprich weißen und unschuldigen) Individuum ansiedeln, unterminiert aber das Engagement der Politik [...] Sein Film ist unentschlossen, ob er sich von der Zeitgeschichte oder den fiktiven Charakteren steuern lassen will, wodurch die Interaktion beider Parteien gehemmt wird. Das damalige Geschehen um Stonewall erfordert weitaus mehr Wahrhaftigkeit, das Ensemble mehr Eigenleben. [...]"



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Sonntag, 15. November 2015

Tipps vom 09.11. - 15.11.2015

Weil ich nicht immer Zeit finde, für jeden schönen Film zu schreiben, der nicht unbedingt aktuelleren Datums ist, hab ich mal ein entsprechend doofes Video versucht, in dem einige davon zu Wort kommen. Viel Spaß!






KIRSCHBLÜTEN UND ROTE BOHNEN - "[...] Die Demut Kawases vor ihren Figuren ist keine Schwäche, da sich auch diese in Demut üben – für ein Verständnis, das sich nicht durch künstlerische Selbstbestätigung aufbauschen muss. [...] Kawase vermeidet die Fallen des routinierten Wohlfühlkonsens und dessen Weisheiten zur Lebenshilfe im Postkartenformat. Der Respekt für das Wesentliche lässt das Herz des Films schlagen und baut seine Gefühlswelt in der Wirkung des menschlichen Austauschs auf. Ausgesprochen werden lediglich die Dankbarkeit und die Erfahrung persönlichen Glücks. Wenige Momente versuchen die Poesie auf allen filmischen Ebenen zu unterstreichen, bleiben aber in der Minderheit gegenüber einer dezenten Kunst, die auf natürlichem Wege Tränen hervorruft [...]"



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THE DIARY OF A TEENAGE GIRL - "[...] Über allen Entscheidungen schwebt jedoch die Sehnsucht, oder Lust auf Sehnsucht. Sex ist eine schnelle Lösung, Minnie in diesem Sinne sogar keck auf der Überholspur. Aber sobald es ihrer Meinung nach ernster werden müsste, scheint keiner auf ihrer Seite zu sein. Da prallen Ideale und Selbstgefälligkeiten aufeinander, bei denen sich nicht an die Bedürfnisse des Neuen angepasst werden kann, solange das Alte dieses lediglich dulden will. Im Gegenzug ist gerade dies aber verständlich, weil Minnie ungewiss und unerfahren an ihrer Zukunft arbeitet. [...]"



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DIE TRIBUTE VON PANEM - MOCKINGJAY TEIL 1 - Im Rahmen einer Blockbuster-Reihe ist des Spotttölpels erster Teil überraschend innig mit seinen Figuren, um Reflexion im (relativ) bodenständig aufgelösten Krieg bemüht und ohnehin ausgiebig wie ambivalent mit Medienmechanismen und Propaganda spielend, wie man es sich schon vom ersten Film an gewünscht hat - so simpel und doch in diesem Kontext so gut, dass es nicht gerade unwesentlich effektiv im Herzen zwiebelt. Die Mainstream-Verwertung der Revolution kann natürlich nicht komplett überzeugen, wenn man bedenkt, aus welchem kommerziellen Ansporn mit demselben Ensemble diese Filme begonnen haben und auch enden könnten, wenn man die ersten Eindrücke von "Mockingjay Teil 2" wahrnimmt, welche das Töten wie schon in "Catching Fire" (auch widersinnig zu Katniss' bitterer Feuertaufe in Gary Ross' Erstling) zum epischen Spektakel zu erheben scheinen. Ohnehin kann man sich nicht mehr so leicht vom stilistischen Konsens einer Ultra-Budget-Produktion heutiger Zeit überwältigen lassen, bei der Risiken sowie Anflüge der Leichtfüßigkeit schon von Vornherein ausgeschlossen werden und stets saubere Bilder, hier zumindest aber zusätzlich noch ein eher engagiertes Schauspiel (für der Fairness halber circa zweieinhalb-dimensionale Charaktere) liefern können. Im Endeffekt hat sich Francis Lawrence dafür aber auch stark zurückgenommen, weniger vom CGI verwöhnen lassen und konzentriert sich mehr auf das äußere wie innere Geschehen sowie dessen Wechselwirkung der Parteien, auf dass das Überleben der Güte einen spannend zu beobachtenden Kampf darstellt. Wäre er doch nur etwas unabhängiger vom Gesamtbild des Young-Adult-Franchises - so verdient sich der Spotttölpel aber durchaus mehr Anspruch, als er es überhaupt nötig hätte.




CHEVALIER - "[...] Neid, Eifersucht, Geltungsdrang und Selbstgerechtigkeit sind dabei die prägnanten Werte, die jeder mehr oder weniger ausstellt. Alle haben Schwächen, die mehr ausmachen als Blutzucker- und Cholesterinwerte, der obligatorische Schwanzvergleich oder IKEA-Schrank-Schnellaufbau. Was nach einer lupenreinen Satire mit Haudraufhumor klingt, ist unter Tsangaris Regie allerdings ein Spiel mit Understatement [...] Die Komik entsteht im trockenen Ehrgeiz ihrer Protagonisten, die voller Behauptung und ohne Hemmungen alles werten und in den richtigen Augenblicken eine Selbstdarstellung beherrschen, deren Forcierung sich jedem offenbaren müsste. Die Verhaltensstudie ist bewusst realitätsfremd, aber trotz Seegang geerdet genug, dass sie als Parabel auf den bekloppten Kodex der Männlichkeit ersichtlich bleibt und keine allzu krassen Überspitzungen oder Karikaturen anwenden muss. [...]"



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IM RAUSCH DER STERNE - "[...] Hauptsächlich Hektik macht sich bemerkbar, als genüsslicher Food Porn taugt das freilich wenig, obwohl Cooper galant den Meisterkoch mimt. Es zeigt sich aber, wie wenig Herzblut Knight in sein Skript investiert hat, wenn sich die Charakterzeichnung vor allem über Dialoge und universelle Rollentypen abspielt. Gern eingesetzte Brücken wie „Du weißt doch, damals in Paris…“ und „Wir zwei waren wie Brüder“ liefern Einbahnstraßen der Menschenkenntnis, die auch das Ensemble bis in kleinste Nebenrollen repräsentiert. [...] Das Sicherheitsnetz einer zweiten Chance spannt sich seit jeher in den Charakteren und deren Narrativ auf, Wells’ Standardisierung erlaubt wenig Risiko, dafür vorteilhafte Zufälle in der Dramaturgie. [...] Muss man das sehen, obwohl es nicht neu ist? Vielleicht für eine Steven-Knight-Retrospektive – im schlimmsten Fall opfert man sich für hundert Minuten netten Konsens."



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Sonntag, 8. November 2015

Tipps vom 02.11. - 08.11.2015



THE GIFT - "[...] Hauptsächlich aus Robyns Perspektive beobachten wir die Wechselwirkung zwischen Schuld und Verantwortung, wie sehr man sich einem Menschen, dem Freund oder der Liebe öffnet oder verschließt. Aber auch, wie viel Vertrauen oder Misstrauen empfunden wird, Schmerzen verursacht oder Lügen auftischt werden, um die Wahrnehmung zu färben. Eine beachtliche Bandbreite an emotionalen Dilemmata, die trotz ihrer Komplexität in einem geradlinigen Thrill verpackt werden, der weder den Zuschauer noch sich selbst für dumm verkaufen muss, um den Zwiespalt der Figuren spürbar zu machen. [...]"



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ERINNERUNGEN AN MARNIE - Die neueste und leider fürs Erste letzte Produktion aus dem Hause Studio Ghibli in traditioneller Animation vereint nochmal alle Stärken, die das japanische Haus der Kreativität von anderen Mitstreitern unterscheidet: Der von Anfang an innige Fokus auf die Charaktere (in diesem Fall die zwölfjährige Anna); der aufrichtige Umgang mit emotionalen Komplexen; der Rückzug in die Ruhe sowie zur Güte der Menschen; der Verzicht auf schwarzweiße Weltbilder; die Euphorie zur Fantasie, Kunst und Freundschaft in Bild, Ton und Narrativ; eine Dramaturgie, die nicht von designierten Antagonisten oder Bedrohungen ausgeht, sondern schlicht Selbstzweifel behandelt und zu guter Letzt eine angenehme Ladung Kawaii. Die ersten dreißig Minuten durch möchte man weinen, ob das nun Tränen des Glücks, des Mitleids oder der Wehmut werden, ist gar nicht mal so genau zu benennen, hauptsächlich ist man jedoch von der Schönheit überwältigt, die sich unvergleichbar vor einem entfaltet. Sobald die Begegnung zwischen Anna und der kleinen Marnie aus der Villa am Marschland vollzogen wird, legt sich der Score von Takatsugu Muramatsu besonders ins Zeug, die bezaubernde Aufregung daran zu erleben. Seine Untermalung hält solange an, dass es schon überakzentuiert wirkt, während man auch so dahinter kommen will, wie sich diese Freundschaft entwickelt beziehungsweise wie sie überhaupt funktioniert.


Sehnsucht, Neugier und eine unerklärliche Gemeinsamkeit beflügeln da den kindlichen Geist, jenseits von Zeit und Raum nach einer Katharsis zu suchen, welche der Unzugänglichkeit im Alltag entgegenwirken könnte. Regisseur Hiromasa Yonebayashis Adaption des gleichnamigen Kinderromans von Joan G. Robinson macht das im Verlauf schließlich an einer Handlung fest, die der Auflösung von Mysterien ein nicht unerhebliches Stück an Gewichtung überlässt. Im direkten Vergleich zu früheren Ghibli-Werken (die Ausgangssituation lässt schon an MEIN NACHBAR TOTORO erinnern) wird die Synergie von Realität und Fantasie dadurch nicht so leichtfüßig hingenommen - die Selbstverständlichkeit dazu ist zwar immer noch dieselbe, mündet hier allerdings in ein Melodram, das unter anderen Umständen in sentimentalem Kitsch versinken könnte. Yonebayashi selbst kokettiert besonders zum Ende hin mit solchen Tendenzen, anhand derer (verallgemeinert gesagt) „alles miteinander verbunden ist“. Solch eine Entwicklung ist vielleicht nicht die idealste, sicherlich auch für die Zielgruppe um einige Lagen durcherklärt, doch das Herz sitzt weiterhin am rechten Fleck. Es macht weiterhin einen Unterschied, wie ehrlich die Meister hinter solchen Werken es meinen, wenn die charakterliche Selbsterkenntnis im Mittelpunkt steht. Die Balance innerer Offenbarungen und handlungstechnischer Fixierung mag hier nicht ganz ohne Mühe gelingen, die Belange des Herzens haben dennoch Vorrang. Das wird kaum noch allerorts geschätzt; da lohnt es sich, dies innezuhalten.




UNTER DEM SAND - "[...] In diesem Sinne ist auch die Figurenzeichnung des Ensembles teilweise schlicht und reduziert; Regisseur und Autor Zandvliet nutzt solche eindeutigen Elemente allerdings zu einer Spannung, die sich durchaus auch auf den Diskurs um Schuld, Disziplin und Humanität einlässt. Insbesondere Rasmussen steht zwischen den Fronten, muss Gnade und Pflicht abwägen, hart durchgreifen oder Verständnis zeigen. Stets steht dabei das Verhältnis von Opfer und Täter im Raum, die sich potenziell in ihre Gegenseiten verwandeln können, solange diese als Reste des Krieges gewertet werden. Zandvliets Film lässt diese Reibung in ermatteten Eskalationen aufblühen, sein Anliegen bleibt aber größer als die Umsetzung. [...]"



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LOVE - Nur mal ein kurzer Eindruck zu einem überlangen Film: Das Kino zu enthemmen, die Wollust abzufeiern und als Ausdruck der Liebe voller Selbstverständlichkeit einzubinden, ist eine recht löbliche Tat. Ob man das nun Pornographie oder subtil gen Null nennen will, ist erstmal Nebensache, solange Entkrampfung auf der Leinwand gegeben ist. Von daher legt Noé seinen Fokus hier auf eine urbane Romantik der Körper, Reibungen und Impulse; Haut an Haut, Lippe an Lippe, Rein und Raus. Jene einzelnen Abschnitte der Innigkeit zeigen ein aufregendes Verständnis zur rauschhaften Erotik, Noé besitzt allerdings mehr Geschick (und Musikgeschmack) in der Euphorie des Gefühls, als dass man mit seinen Charakteren mitfühlen könnte. Fragmentarisches Narrativ hin und her: Was sich beim Pärchen/zeitweise Dreiecksbeziehung abspielt, ist recht spärlich ausgearbeitet, könnte wahrhaftig sein, wenn Noé es nicht ständig mit Referenzen und Selbstzitaten ausfüllen würde.


Überall Poster anerkannter Filmgeschichte; der Protagonist erzählt von seinem Traum eines Films mit sentimentalem Sex; "2001 - Odyssee im Weltraum" hat sein Leben verändert; "Menschenfeind" steht im Videoregal, das Hotel aus "Enter the Void" als Model bereit; der Sohn heißt Gaspar, der Nebenbuhler Noé. Es ist fast schon derartig plump, dass es sympathisch sein könnte, wie überhaupt die gesamte Naivität des Films, der sich zwischen Glück, Sehnsucht und Verlust bewegt, allem per Voice-Over hinterhertrauert und nicht nur Blümchen-Sex anstimmt, sondern auch zwangsläufig zu dunklen Swinger-Fickschuppen (Rectum?) und Transsexuellen findet. "LOVE" denkt durchaus mit dem Schwanz, lässt ihn auch in Großaufnahme kommen (inklusive ein bisschen CGI-Beihilfe) und behandelt dennoch einigermaßen offen die Schwächen der Männerzunft: Die Unsicherheit, die Irrationalität, den Schmerz sowie die Angst vor Vergangenheit und Zukunft. Dementsprechend sieht man mehr Fellatio und Handjobs, als dass Vaginas verwöhnt werden.


Nicht falsch verstehen: Es glitscht und flutscht recht saftig zwischen den Schenkeln und Backen der Darsteller; das intensive Liebesspiel ist beiderseits genießbar. Das Fehlen einer starken weiblichen Perspektive macht die ganze Sache allerdings schon recht einseitig, auch wenn sich Noé gerne in den Geburtskanal verkriecht, soviel Verzweiflung er dem Leben ja zurechnet. Jene Gefühlslagen kann man als Zuschauer ja auch von sich kennen, aber "LOVE" bewegt nur bedingt zur Selbsterkenntnis. Sinnlich ist er ja, aber zur Befriedigung fehlt eben doch noch genau das an seinen Figuren, was sie uns liebenswert machen würde, abgesehen von ihrer Profession und ihrem Junkie-Dasein in allen Belangen. Andernfalls hat man wie bei jedem Porno auch nur ein Ventil für den fickrigen Hormonausschuss - hier nun mit einer Rahmenhandlung, die einen leider doch hängen und aushungern lässt. Nur geil genug für einen One-Night-Stand, ganz profan gesagt.

Sonntag, 1. November 2015

Tipps vom 26.10. - 01.11.2015

Zunächst mal ist wieder Monatserster, das heißt auf CEREALITY.NET gibt es erneut die Filmempfehlungen zum Kinomonat November:

http://www.cereality.net/thema/filmempfehlungen-im-november-116049

Visuell gesehen, macht das folgenden Eindruck:



Und nun geht es weiter mit den Filmen, welche diese Woche zu Herzen gingen:




BEGEGNUNG - Lässt sich nach all den Jahrzehnten noch etwas Neues sagen über diesen Film, der als meisterhaftes Melodram so innig seine Charaktere spüren lässt, dass es in seinen nicht mal neunzig Minuten Laufzeit eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit darstellen müsste? Der einen Großteil seiner Gefühlswelt dabei per Voice-Over vermittelt, was im Allgemeinen inzwischen als die beliebigste Erzählvariante durchgeht, hier allerdings meisterhaft leicht jene Gedankengänge rekreiert, die man im wahren Leben durchmacht? Also eben solche, welche im nervösen Gewusel der Eindrücke die ansteigende Verliebtheit aufzeichnen, anfangs noch der Bescheidenheit halber verdrängen, dann aber nicht ohne sie können; von der Freundschaft einer zufälligen Begegnung hin zum unbedingten Zusammensein, das man jedoch versteckt/verstecken muss - ob nun vor der Gesellschaft, vor Bekannten, Freunden, Liebhabern und sogar totalen Fremden? Echt schwierig zu sagen, was man da hinzufügen kann, abgesehen davon, dass es sich bis zum heutigen Tage nachfühlen lässt.


Vielleicht, dass die Nebencharaktere in ihrer teilweise entlastenden Funktion nicht immer stimmig zum Hauptteil eingearbeitet scheinen, aber dennoch so gut als Teile des Alltags ausgefüllt werden, wie sich heutzutage im Grunde kaum noch die Mühe gemacht wird und somit nicht nur bloße Abziehbilder bleiben. Man kann natürlich auch zugeben, dass David Leans Film beileibe nicht der einzige seiner Art war, der derartige Erzählstrukturen und Schicksale darstellte. Ohnehin ist er am Schluss durchaus seiner Entstehungszeit zuzuordnen, wie jene moralische Kurve genommen wird, obwohl diese trotzdem sehr natürlich zum Verlauf der Geschichte beiträgt, die sowieso ein fortschrittliches Verständnis zur Liebe abseits der offiziellen Bindung zeigt. Das Handwerk ist für diese Absicht sowohl feinsinnig, als auch angemessen in der Gefühlsbetonung gelungen, von Tempo, Ton, Kamera, Musik und Schauspiel her genau richtig eingesetzt und dennoch keine Schau selbstbeweisender Perfektion im Stil. Denn im Fokus stehen die Menschen; selbst mit historischer Distanz einige der wahrhaftigsten, die ein gutes Melodram hervorbringen kann.


Solche, die sich gegenseitig verstehen, ergänzen, vom Inneren des Gegenüber wissen, was diese fühlen und sagen wollen, sogar müssen und trotz aller Sehnsucht ein Scheitern vorauszusehen haben. So geheim kann die Liebe dann gar nicht mehr sein, wenn wir sie von Anfang an als solche erkennen, obwohl sie innerhalb der unbedarften Massen an Menschen untergehen müsste. Wohl deshalb musste solch ein intimes Leiden per Film auch an die Oberfläche, damit Menschlichkeit und Liebe sich wieder zeigen und nach Luft schnappen können, selbst wenn sie still hadern, jedoch in anderer Perspektive von innen Glück und Verzweiflung in stetiger Wechselwirkung erleben. Was lässt sich da wirklich noch mehr sagen, außer, dass der Film eine Menge zu sagen und zu zeigen hat, für das man die Sprache nicht stets neuerfinden muss, da es hoffentlich durchweg in der Menschheit so weiterleben wird und anhand des Mediums auf Zelluloid so grenzgenial veräußerlicht werden kann? Eben!




EL CLUB - "[...] Die Verschwörung ist weder eine heilige noch bewusst böse, da sie aus einer von vorherein gesäten Fehlleitung geschieht und von außen regelmäßig durch die folgenschwere Vergangenheit provoziert wird. Dies macht die Umstände kein Stück leichter; im Gegenteil: Der Zuschauer gerät immer tiefer in den Morast des verzerrten Glaubens und in Weltbilder, die selbstverständlich hingenommen werden und in ihrer schlichten Äußerung abschrecken. Einige intensive Kompositionen von Arvo Pärt verstärken die Hilflosigkeit – doch das Schweigen im diffusen Cinemascope birgt ebenso Verstörung, je weiter das Vergangene im Geheimen auf die Gegenwart einschlägt. [...]"



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IN HER PLACE - "[...] Die Verzweiflung am Überleben in moderner Zeit außerhalb des Modernen verbannt schließlich das Vertrauen. Das in den Herzen aller verabreichte Gift wirkt langsam, aber tödlich – und so ist auch Shins Film eine unterschwellige Dekonstruktion der Hoffnung. Wo anfangs noch die brave Souveränität alle Fehler unterbindet, zeigt sie im Verlauf ihre Hässlichkeit durch ein Unverständnis, für das der Film keinen exploitativen Exzess annimmt, aber auch keine Scheu fürs Konkrete. In den Konsequenzen lauert wiederum keine plakative Moral, da die Einsicht nicht mit allem rechnen konnte, doch auch ihren Egoismus reflektiert. Es gibt in der Erschütterung fern emotionalisierender Töne kein Urteil."



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DADDY'S CADILLAC - Junge, Junge, was die Mädchen alles von uns wollen (oder was vermutet wird, was sie wollen)! Wer um die High School herum keine Kutsche für sich behaupten kann, ist angeschmiert, denn solche materialistischen Ideale sind offenbar doch noch das A&O, um mit dem Markenzeichen der Fähigkeit beim anderen Geschlecht zu punkten. Nicht, dass Regisseur Greg Beeman solche Statussymbole wirklich ernst nehmen müsste, im Gegenteil: Bei ihm wird die Fahrprüfung zum überakzentuierten Horrortrip, die Typen trotz ihrer jugendlichen Unbedarftheit eine Quelle herzlicher Blödheiten und vor allem unfassbarem Jugend-Slang im Dauerrausch. Alles nur um das Mädchen der Träume zu umgarnen, das sich aber doch noch frecher anstellt, als Jungens wie die zwei Corys, die sich von einer Chaotensituation in die nächste verirren, währenddessen auch noch die typische suburbane Familie ihren Eigenbedarf anmeldet. Unter neunzig Minuten hopst die Laufzeit also durch Szenarien der Teenager-Liebe, Geltungsangst, Aufreißer-Blödeleien, Schlägertypen und Säufern am laufenden Band, dass jede Langeweile im Nu verschwindet sowie Pointen gesetzt werden, bei denen die Haare zu Berge stehen, ohne billige Standards zu erfüllen. Wortwitz, Action, Honkpower und Spießersatire: Alles geht, ungehemmt, keck und flott, vielleicht im Nachhinein kaum gehaltvoll auf thematischer Ebene, aber dennoch das große Glück für Freunde des niveauvollen Quatsches (also Funnyboys), besonders dann, wenn Alkohol im Spiel ist.




CINEMA PERVERSO - DIE WUNDERBARE UND KAPUTTE WELT DES BAHNHOFSKINOS - An der Struktur von Dokumentationsfilmen muss man grundsätzlich nicht viel rütteln, um Lust auf ein interessantes Themengebiet zu machen. In diesem Fall geht es sogar schnurstracks ins Kino, direkt mit der Lok voran im Bahnhof verortet, wo sich innerhalb der deutschen Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg Unglaubliches abspielte, nämlich das internationale sowie nationale Genrekino. Nirgendwo sonst schien die Lust größer zu einer bunten Zone des filmischen Ausdrucks, vom Druck der Qualität entkoppelt und somit ungezügelt in der Hinsicht, wie viele goldene Perversitäten Aufmerksamkeit erhielten. Schmuddelig, schludrig und vor allem non-stop wurde aus der Gebrauchsmentalität für Reisende ein Mekka der Unfassbarkeiten, nach dem man sich heute noch sehnt. So kommen also viele zeitgenössische (manchmal etwas oberflächliche) Talking Heads zu Wort, die den Appeal jener Zufluchtsorte des Exzesses nacherzählen und projizieren, vielleicht nicht immer zu ihrer Lust darauf stehen können, aber genauso gut Sentimentalität vermeiden, die man gegebenenfalls auch so empfinden kann, wenn man derartiges wiedererlangt wissen will. Ansporn genug vermitteln dabei Ausschnitte und Trailer-Clips einiger Filmbeispiele, deren Abstrusität mit jedem Meter Zelluloid an Stärke wächst, besonders im Verhältnis zum heutigen Filmbestand, der sich bisweilen einfach nicht mehr so marktschreierisch verkaufen kann, sondern dem vermeintlichen Ernst verfallen ist.


Für derartige Chuzpe brauchte es aber auch ordentliche Querköpfe oder unbedarfte Supermänner mit der groben Kelle, wie es Begegnungen mit Christian Anders und René Weller illustrieren - und solche haben in der Form nur noch geringe Chancen, ein frisches Reißbrett abzufetzen und dort in den Bahnhöfen westdeutscher Metropolen und Dörfer zu landen. Wie sich die Extreme dabei steigerten und dem Fernsehen die Show stehlen mussten, wirkt bisweilen drollig und schockierend, was sich da im Lauf der Jahre zusammenballte. Also wird auch nicht verschwiegen, wie die Zustände der Örtlichkeiten allmählich dem entsprachen, was an der Leinwand aufschäumte, insbesondere sobald der Striptease dem Porno weichte und Bahnhöfe allgemein ein Hort der Räudigkeit wurden. Mit kontemporären Reportage-Material kommen sodann die Gründe für Ursprung und Zerfall der Infrastruktur zur Geltung und da wird recht frank und frei erklärt, dass sich nur Rentables erhält und da allmählich die VHS Furore machte, musste das Konzept Bahnhofskino (wie das Kino an sich) durch das Heimkino sein jähes Ende erleben. Was dadurch verloren ging, wird in diesem Rahmen nicht unbedingt hinterher getrauert, aber für die Nachwelt als Abbild eines Teils der Filmgeschichte festgehalten. Hoffentlich wird so die Abgrenzung von sogenanntem „Trash“ und dem allgemein als solches wahrgenommenen Kino etwas gelockert und Inspirationen hervorgerufen, die nicht nur den Stil an sich feiern, sondern auch die Seele darin.

Bis zum 29.01. noch in der Arte-Mediathek zu sehen: http://www.arte.tv/guide/de/048647-000/cinema-perverso




KNOCK KNOCK - "[...] Der Diskurs ist ein überspitzter und wird von Roth mit exzessivem Genuss eingefangen, der die Frechheit (seiner Freude zum Genre) siegen lässt. Letztendlich ist er im Nihilismus verankert, der nur bedingt die Reflexion anregt; doch von einer strengen Lehre wird man dankenswerterweise verschont. Dafür sind die Figuren verstärkt Akteure eines spaßigen Thrills, also keiner ideologischen Vereinnahmung. Der Konflikt wird aberwitzig ausgespielt und von seinen Darstellern mit dem freien Wahnwitz unterzeichnet, den eine gesellschaftliche Groteske ausmacht. [...] Beide Seiten sind im Verhältnis zueinander schuldig, unschuldig, schön, hässlich, clever, dumm und für den eigenen Vorteil zum Äußersten bereit. Nur Ordnung und Anarchie trennen die Lager [...]"



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SPECTRE - "Back to basics" heißt es wieder mal, zurück zum gewöhnlichen Agentenspiel, dem nun eine dunkle Vergangenheit anhängt, aber genauso gut eine (nun von Charme befreite) Bedrohung aus den 1960ern sein "könnte". Klar schlägt das Narrativ fix die Parallelen zu Überwachung und Drohnentechnik, der man mit geballter Ladung 007 etwas an Praxis entgegensetzen kann, doch so ein kalkulierbarer Aufhänger rechtfertigt keine Überlänge, während auch das charakterliche Spektrum eher funktionell verbleibt. Unbeachtet gleiten also Facetten der SKYFALL-Empathie am Seitenrand hinab, stattdessen unternimmt man einen weiteren globalen Trip, der in seiner Routine den Schlafwandler-Modus angeschaltet hat. Das hingegen fühlt sich im Allgemeinen gar nicht mal so schlecht an: Hoyte van Hoytemas Kamera kreiert da einen goldenen Rausch auf 35mm, welcher die Existenz seines Protagonisten in den gefühlten Limbus versetzt. Ebenso bemüht Thomas Newman ein ätherisches Ambiente, das in Sam Mendes' Inszenierung per Style für edles Abenteuer sorgt, speziell im Prolog noch Flair vermittelt, im Verlauf dann Spuren suggerierter Ungewissheit und zum Schluss hin die normalste Auflösung überhaupt untermalt.



Leider ist Bond eben wieder recht normal geworden, relativ spannungsfrei und mit Referenzen an den Urschleim gefüttert, in seinem glatten Ernst nur bedingt zum Spaß bereit, aber umso befremdlicher, wenn er in diesem Rahmen Spaß versucht und zudem noch Plattitüden toterklärt. Genauso als fehlplatziertes Relikt vorhanden: Sexismus, laut dem Frauen bei Gefahr erst so richtig rattig werden. Die Selbstverständlichkeit, mit der Bond unterforderte bis verschenkte Auftritte von Bellucci und Seydoux ableckt und sogar zu einer mehr behaupteten, denn überzeugenden Liebe verleitet, wird dann ebenso nur noch dröge. Speziell in solch einem Kinojahr, das Ilsa Faust hervorbrachte. "Codename: U.N.C.L.E." zum Beispiel wusste sein veraltetes Retro-Weltbild in dem Sinne auch eher gewitzt zu umspielen und in unbedarfteres Jungskino zu verwandeln, ohne alte Muster schlicht alte Muster sein zu lassen. SPECTRE hingegen vermittelt einen Rückschritt, der sich zwar anhand beachtlichter Bilder sehen lassen kann und Reflexionen zur Vergangenheit in den Vordergrund stellt, allerdings in seiner Kreativität auf Sparflamme arbeitet und müde wirkt. Gut, dass danach offenbar von vorne begonnen wird.