Sonntag, 29. Juni 2014

Tipps vom 23.06. - 29.06.2014

Bevor es mit der Lese-Portion des dieswöchigen Eintrages los geht, möchte ich mal kurz auf meinen neuen 1-Stunden-Podcast von meinem Youtube-Kanal hinweisen:



In dieser Episode des nach langer Zeit mal wieder eingesetzten Formats spreche ich über Filme, die ich im Juni erneut besucht hatte und entwerfe dabei ein kleines, entspanntes Gesamtbild verschiedener Formen des eskapistischen Actionfilms (von Michael Bay bis Craig R. Baxley über DIE CITY-COBRA) sowie krasser, meist mit Action verbundener Exzesse und deren Wirkungsgrade im klassischen Kino.

So, wer sich meinen Laber-Output jetzt schon voll gegeben hat oder erst später darauf zurückgreifen will, kann im Folgenden meine im Verlauf besonders extensiven Texte zu den sehenswerten Filmen der Woche lesen. Ich wünsche gute Unterhaltung und Bildung ;)



THE BREAKFAST CLUB - Im letzten Juni hatte ich tatsächlich schon mal jenen Film in diesem bloggigen Rahmen empfohlen, doch da hatte ich nur zwei Zeilen zusammenbekommen: "Den hätte man in der Jugend echt gut gebrauchen können, und ich hatte ihn bis dato verpasst Dennoch ein Glanzstück des Coming-of-age-Genres. Am Ende geweint, well done." Stimmt immer noch, denn es wurde es mal wieder Zeit für eine Neusichtung, anlässlich einer Hughes-Retrospektive für den Drei-Muscheln-Blog, doch die Fülle der Worte meiner Anerkennung sprengte etwas den Rahmen, weshalb sie dort jetzt auch noch mal als eigenständiges Posting aufgezogen wurde. Bei einem derartigen Ausnahmewerk kann man aber auch sicherlich alle Seiten verstehen - aber genug der einleitenden Worte, hier ein paar erklärende Worte für Zwischendurch, tut auch nicht weh (und könnte sogar theoretisch noch mehr sein, doch für's Erste):

John Hughes' wohl prägnanteste Arbeit für die Leinwand ist ein ewig-währender Siedepunkt des jugendlichen Geltungs-Pathos, nicht nur für das Gesellschaftsbild der USA in den 1980ern, sondern auch in seinen Charakterisierungen und Konflikten bis heute noch spür- und nachfühlbar. Die komödiantischen Stärken seines Rest-Werkes werden hier nicht durchweg eingesetzt, zugunsten der Persönlichkeits-formenden Note der Breakfast-Club-Einheit, bleiben (im Sinne ihrer anarchischen Schönheit) dank der dennoch stets luftigen Inszenierung im Geiste erhalten.


Und das, obwohl er sie in eine wahrlich ätzende Situation, 8-Stunden-langes Nachsitzen am Samstag, versetzt - bei der jeder Einzelne den erzwungenen Sitznachbar nur vom Hören-Sagen oder, besser gesagt, von deren designiertem Gruppen-Status kennt. Der wie ein Gefängniswärter beaufsichtigende Lehrer Vernon (sauber besetzt mit dem Arschloch-Cop aus 'STIRB LANGSAM', Paul Gleason, R.I.P.) hat ja auch nur Augen für die kategorisierende Oberfläche, bleibt gnadenlos und verlangt von unseren wiedererkennbaren Schülertypen Essays darüber, für wen sie sich denn halten - etwas Anderes, als die Bestätigung der Rollenerwartungen dieser 'Versager', erwartet er sicher nicht (ihre Eltern drängen mental sogar darauf).


Mit dem Don't-Care-Störenfried John Bender (Judd Nelson) inmitten seiner Schutzbeauftragten hat er aber sodann einen Provokateur an der Hand, der auch die zunächst gereizte und natürlich auch konträre Aufmerksamkeit & Dialogbereitschaft der Mitgefangenen (u.a. Emilio Estevez, Molly Ringwald) auslöst. Die einzelnen Parteien können da anfangs auch nur mit ihrer oberflächlichen Auffassung des Anderen argumentieren, legen aber im Clinch mit den Vorurteilen des Gegenüber geheime, individuelle Seiten offen, um sich selbst als Person behaupten zu können. Einfach ist das für sie weiß Gott nicht - doch es entwickeln sich ebenso Ansätze zur Freundschaft, der Erkennung der gemeinsamen Ungewissheit wegen.


Darin schlummern nun mal ausnahmslos wahre Persönlichkeiten, die im Drang nach dem eigenen geistigen Ausdruck nicht anders können, als aus der Spießigkeit ausbrechen zu wollen, Ärger und Radau zu machen. Da holt Hughes - in seiner Funktion wohl der verständnisvollste Autorenfilmer seiner Zunft und Zeit, was die jugendliche Mentalität betrifft - unfassbar viel Potenzial heraus, schöpft kräftig-bittere Geständnisse und neuformende Ideale an den Tag; belohnt sein herzlich-authentisches Ensemble sowie den Zuschauer mit einer proklamierenden Coming-of-Age-Katharsis, die lieben lässt, den Stinkefinger ausstreckt und mit stolzer Brust verkündet 'Don't you forget about me'.

(Diese Kritik gibt es auch bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




GLORIA, DIE GANGSTERBRAUT - John Cassavetes meldet sich nach 3 Jahren Pause mit diesem Genre-Stück zurück, das er ursprünglich als reine Schreiberling-Auftragsarbeit vorgesehen hatte, vom Studio COLUMBIA aber geradewegs dazu genötigt wurde, es auch selbst zu inszenieren. Und da erlebt man mal in einem ganz seltenen Fall das Cassavetes-Feeling in light für ein offenbar weit gefälligeres Publikum, wo er sich doch offensichtlich einigen sichergehenden Einschränkungen ergeben musste (PG-Rating und so) - für eine Vision, die ihm laut eigener Aussage gar nicht mal so wichtig erschien. Tatsächlich wirkt der Film zu Anfang irgendwie gehemmt, macht sich mit dem grimmigen New Yorker Milieu bekannt und hält sich dennoch befremdlich zurück, wenn es darum geht, die eigentliche Härte dieses Umfelds in Sachen Gewalt, Korruption und Obszönität darzustellen.


Konventionell erscheinen da - nach den bewusst übersuppend-impressionistischen Öl-Gemälden von Romare Baerden im Vorspann - auch die Helikopter-Shots von der New Yorker Skyline, die vom (vorallem in der ersten Hälfte) überschwänglich-melodramatischen Score Bill Contis älter/zum Zeichen ihrer Zeit gemacht werden, als überhaupt nötig. Aber Cassavetes hat seinen Stil nicht ganz aufgegeben, da bleibt das Bild noch immer angenehm-roh und geographisch-erfassend, nur eben vergleichsweise ein gutes Stück an der konformeren Leine gehalten. Mitgebracht hat er zudem nochmals das darstellerische Herzstück seines Gesamtwerkes, Gena Rowlands als titelgebende Gloria, die sich Phil, dem Sohn ihrer Nachbarin, annimmt, welche aufgrund des problematischen "Wissen" ihres Mannes (einem Buchhalter, allerdings kein chinesischer diesmal) vom Mob exekutiert wird.


Hinzu kommt, dass jener Sohnemann das gesuchte Buch vom Vater "geerbt" hat und ohnehin als Zeuge von den Schergen verfolgt wird - doch wie sich herausstellt, ist Gloria ebenfalls eine abgebrühte Gangsterbraut, die jene Fellas sogar persönlich kennt und trotz der anfänglich schwierigen Uneinigkeit mit dem neunmalklugen Kid nur schwer von ihm loslassen kann. Drum muss sie sich nicht nur mit der Störrigkeit des Bengels und der pausenlosen Jagd auf sie beide herumplagen, sondern auch mit dem Umstand, wie man ihm die Situation sowie das Prinzip Tod erklären und auf alles Kommende vorbereiten soll - siehe auch LÉON - DER PROFI, beinahe das gleiche Konzept, nur mit vertauschten Geschlechterrollen. Aber wenn schon! Selbst in so einer toughen Street-Talk-Dame steckt wohl auch der mütterliche Instinkt und eine Vorbildfunktion, speziell bei einem so hilflosen, auch vorlauten ("I AM THE MAN!") und doch nachvollziehbar-tragischen Gör (auch wenn dessen schauspielerisches Talent eher 'understated' bleibt, vom ehrlichen Lachen abgesehen).


Cassavetes kann hier niemandem was vormachen: auch diese Story ist für ihn eine ganz persönliche. Die Mobsters (von Rowlands auch mal witziger Weise 'Bananas' genannt, alà 'EINE FRAU UNTER EINFLUSS') sind wie in einigen seiner vorherigen Filme glatte Traumzerstörer, die überall ihre Finger im Spiel haben und einen kennen, verfolgen und sich erpresserisch aufdrängen. Das ist genau dieselbe Situation wie bei seiner 'ERMORDUNG EINES CHINESISCHEN BUCHMACHERS' - man muss sich zwangsläufig mit solchen Leuten, sprich Produzenten abgeben, auch wenn man es durchweg satt hat, um überhaupt in der Unterhaltungsbranche voranzukommen. Wer sich an seinen darauffolgenden Film 'DIE ERSTE VORSTELLUNG' erinnert, weiß, dass er mit solch bitterer Wahrheit einen semi-sadomasochistischen Kompromiss schloss, weil das alles zum Zwecke der Kreation wohl so seinen Sinn hatte.


Und da kommt jetzt seine stellvertretende Gloria ins Spiel, die zynisch-sarkastische Kennerin der Szene, die sich wohl oder übel in jene eingelebt hat, nun aber fortwährend mit einem wiederaufstrebenden Humanismus konfrontiert wird, der ihr System in Frage stellt (wogegen man ja eigentlich nicht ankommen kann, wie sie im Dialog explizit deklariert) und neue Impulse weckt. Wirklich gerne packt sie/Cassavetes das folglich nicht an, gibt sich noch immer konträr; innerlich verklemmt, äußerlich über-den-Dingen-stehend für unbekannte Wege - doch auf der Flucht vor dem vergänglichen Vertrauen der eingeschworenen Milieu-Clique gilt es, sich für den Neubeginn zu behaupten. Und da wird man schließlich im Einsatz für die gute Sache zum fucking beautiful Bad-Ass, zielt mit der Kanone (auch mal zwei) in Richtung Zuschauer, lässt sich nichts gefallen und beweist in der Konsequenz wahre Menschlichkeit für den Neuankömmling und seiner neuen potenziellen Richtlinie - welcher das im Gegenzug auch mit seinem Vertrauen quittiert.


Geht Cassavetes da einen Kompromiss ein, wenn er nach all den rau-gehetzten Verfolgungsjagden, unangesagten Schusswechseln, schmierigen Goombas und nervösem Abhängen in der nihilistischen Hotellandschaft NYCs dann seine beiden sich-lieben-gelernten Gegenpole zum Ende hin in einer schwülstigen Zeitlupe am Friedhof wiedervereinigt? Es lässt bestimmt einen gewissen Biss vermissen, aber er schwelgt darin zur Abwechslung auch mal wieder in einem offenen Gefühl von Hoffnung herum - was er sicher gut gebrauchen konnte, auch wenn er es nicht zugeben wollte. Aber komm schon, Kumpel, wenn COLUMBIA PICTURES dem eigenen Talent schon Mut machen will, kann man's doch voll verstehen, wenn man sich dem nicht auf ewig verschließen kann.




VORTEX - Gleich zu Anfang führt uns der Film anhand einer dunkelblauen Schleuse hinein in eine andere Zone, ab in die Nacht, in die Unterwelt - dort, wo die finstere Wurzel der Erde heranwächst, in deren engsten Adern das Schicksal der Menschheit entschieden wird. Noirig dröhnt in diesem sedierten Surrealismus auch das Saxophon, passend dazu entwickelt sich der brisant-pulpige Plot vom Mord am Kongressabgeordneten White, der daran glauben musste, damit dem Howard-Hughes-ähnlichen, zurückgezogenen Frederick Fields keinerlei Komplikationen für sein Satelliten-Verteidigungssystem BFW im Weg stehen. Die Gegenseite findet natürlich keinen Gefallen daran und engagiert zur Beweissammlung des von ihm beauftragten Attentats die Goth-Privatdetektivin Angel (Musik- und Szenenpersönlichkeit Lydia Lunch), welche zu diesem Zwecke auch eine fingierte Beziehung mit Fields' Handlanger Anthony Demmer (James Russo) eingeht, der, wie sich herausstellt, doch weit aktiver und rabiater im gewaltsamen Fortschritt des BFW involviert ist, als anfangs gedacht.


Die weiteren, einzelnen Verwicklungen der Handlung sind kaum von Belangen, trotz knackigen 85 Minuten Laufzeit setzt VORTEX bei seinem mehr als mickrigen Budget nämlich hauptsächlich auf gezielt-vermittelte und simpel-effektive Atmosphäre. Sein Ambiente lauert wie meist auch die Charaktere im Dunkeln, lässt in seinen sperrigen, langsam-aufklappenden Kulissen nur wenig milchiges Neon-Licht durch und bietet kaum Außenaufnahmen - und wenn, dann nur des Nächtens. Bloß eine Handvoll Menschen entscheidet die narrative Richtung, drückt sich entweder in hoffnungsloser Indifferenz oder furchteinflössender Sprachgewalt aus - anderes "Leben" ist nicht existent, Tiere sind entweder ausgestopft oder dafür da, um andere tote Tiere zu fressen (gilt für Demmers Haustier-Schlange, einer sadistischen Erweiterung seiner sexuellen Macht). Viel präsenter ist die Sehnsucht nach dem Ungreifbarem und Kaltem, nach Macht und alles-beherrschenden Lasern im Kosmos.


Paranoia und Klaustrophobie - so stellt man sich seit jeher das politische Klima in den 80ern vor und jener Film hier schöpft bereits 1982 seine ganze Kraft aus dieser omnipräsenten Mentalität, entwirft eine pessimistisch-ausweglose Aura, eine Dystopie ständiger und obsessiver Kontrolle, der man nur mit enthumanisierten Zynismus entgegenkommen kann. VORTEX nimmt dabei Frank Millers und Bill Sienkiewiczs Jahre später erschienenen Comic-Band 'ELEKTRA: ASSASSIN' vorweg, einem ebenfalls in entrückten Wirklichkeitsverzerrungen aufgezeichneten Wahnsinn militärischer Intrigen, politischer Perversionen und ungebändigter Gewalt. Miller und sein Illustrator übertreiben da bewusst in einer Panel-zersetzenden, schmierig-dampfenden Groteske, VORTEX hingegen verinnerlicht das korrumpierte Weltbild, reduziert es aufs Elegant-Wesentliche und besitzt dennoch einen gleichsam kaltschnäuzig-abgeklärten Tonfall (speziell Angel mit ihrem gloomy Voiceover besitzt schon diesen Hardboiled-Gestus späterer Miller-Hi-Lifes).


Die Intention ist da natürlich löblich, doch man muss sie ebenso mit einem guten Schuss New-Wave-Prätentiösität herunterschlucken, wie man es bei einer plakativ-kritischen Super-Indie-Underground-Produktion von Autorenfilmern namens Scott B und Bett B nun mal erwartet. Schlussendlich bringt diese Cyberpunk-Attitüde aber auch einen frischen Leichtsinn mit sich, der selbst die beklopptesten Ideen seines Konzepts enthusiastisch empfängt. Da fährt Demmer zum sehr abstrahierten Schluss einfach bei Konkurrenzfirma NAVCO INDUSTRIES vorbei und befiehlt zu Cabaret-Voltaire-affinen Ska-Beats explosive Laserstrahlen ins Firmengebäude (natürlich nur ein Modell mit schön kleinen Flammen in Zeitlupe) - woraufhin Angel ihn auf dem Dach eines Hochhauses stellt, von ihm überwältigt und vergewaltigt wird, aber sodann ein Rohr gegen seine Birne knallt, auf dass er in den blutigen Tod stürzt. Es ist eben alles noch immer eine krasse Horrorshow, voller bizarrer Bilder - und dafür bietet die Nacht, in all ihrer Brutalität und Furcht, noch immer potenziell-faszinierende Geilheit. Times are dark - have fun with it.




HONOR & GLORY - Es ist schon ein Ereignis, wenn HK-Patchwork-Fachmann Godfrey Ho einen vollkommen eigenständigen Film auf die Beine stellt und in diesem Fall sogar ein gelungenes Grundgerüst in Sachen Drehbuch und Cast erhält, alles wie gehabt im Namen actionreichen Spaßes. Klar handelt sein Martial-Arts-Abenteuer vom erwarteten Kampf Gut gegen Böse, im Fokus steht dabei die leicht zerfaserte Pride-Familie um Spezialagentin Tracey (Cynthia Rothrock) und ihrer Reporter-Schwester Joyce (Donna Jason), die ihrem Vater bei der CIA, John (Leo Rocca), nie verzeihen konnte, dass er sie im Stich ließ, obwohl er nun versucht, wieder eine Verbindung zu ihr herzustellen.


Die angestrebte Vergebung des Vaters steht dabei im krassen Kontrast zur Gegenseite, in welcher dem coolen Bodyguard Jake Armstrong (Chuck Jeffreys) moralische Bedenken plagen, als sein schmieriger Bankmogul-Boss Jason Slade (John Miller) nicht nur eine Milliarde Dollar in die eigene Tasche steckt, damit einen nuklearen Sprengstoff von 250 Mio. $ erwirbt, um diesen wiederum für 3 Milliarden an die Araber zu verkaufen (!), sondern auch noch mordet - das kann er nicht mit seinem Gewissen vereinbaren und schließt sich deshalb, nach einigen faszinierten Annäherungsversuchen bei der knackigen Joyce, der guten Seite an (besucht zudem seinen alten Coach wieder, um seine ursprüngliche Menschlichkeit und Fähigkeiten vollends wieder zu erwecken).


Und wie gut die ist, bis in die kleinsten Nebenrollen! Joyce ist zum einen tough und selbstbewusst, wahrt stets ihre journalistische Integrität und verteidigt diese sogar mit krassen Kickbox-Saltos, wenn zornige Weiber ihr dafür Cola-Dosen an den Kopf werfen wollen. Sie beherrscht nämlich nicht nur das Mikrophon, sondern auch die Kampfkunst der Süd-Shaolin, die sie bei ihrem Sifu, der eher eine Vaterfigur für sie darstellt, von der Jugend an erlernt hat. Einer ihrer Mitschüler strengt sich aber noch bis heute an, ihr zu imponieren, ist aber durchweg ein charmant-zuvorkommender Chaot: Mickey, gespielt von Yip Yim Hing, seines Zeichens darstellerische Frohnatur mit drolligem Akzent und das-Offensichtliche-aussprechenden Monologen, der auch mal investigativ-unterstützend zum JVC-Camcorder greift und nervös Spaghetti kocht, um vielleicht doch noch bei seiner "Superlady" zu landen.


Auch Tracey hat einen Sidekick am Start: Dragon Lee, Superbulle aus Hongkong, verkörpert vom späteren Liu Kang in MORTAL KOMBAT, Robin Shou, der zwar auch eine fesche, kampflustige Type ist, aber insgesamt nur wenig beizutragen hat - außer natürlich massives Asskicking im finalen Showdown. Bis es dazu kommt, erleben wir aber in plakativer Methodik unseren Bösewichten Slade, einem herrlich-schäbigen, selbstgefälligen Bastard, der alleine schon damit protzt, wenn er seine Gegner beim Tennis niederschmettert, aber auch so im heimischen Garten mit tödlichen Moves und Klingen hantiert (vergleichsweise harmlos, aber elegant dagegen Joyce in ihrem Eigenheim, wenn sie bei offenem Fenster im Rücken Hanteln hebt oder clevere Tricks mit dem Bō übt).


Slade ist sogar so eine harte Nuss, dass er jenseits des Normalsterblichen einfach so ein Treffen mit Ex-Präsident Reagan absagen kann und Verrätern, denen er vorher gedroht hat, ihre Eier wie Grapefruits aufzuschälen, mit zwei symbolhaften Eisenkugeln bewirft. "Only death can retire Jason Slade!" ist da sein Lebensmotto. So liebenswert wie die Guten hier rüberkommen, so genüsslich-hassenswert wirkt sein Charakter - und das in einer angenehm-simplen Vermittlung, die dem durchweg-unkompliziert inszenierten Actioner seine involvierende Power verleiht und einen schicken Vorteil gegenüber heutiger, hektischer Kinoware beherbergt: Das Hauptaugenmerk, die Fight-Sequenzen, wird ein Stück spärlich, aber immer effektiv verteilt, in stetiger Progression zum Grande Finale. Gut unterstützt wird es dabei von den einzelnen Entwicklungen der Charaktere, deren sich der Film in seiner Aufmerksamkeit des Beziehungs-Dreieckes Joyce, Tracey und Jake abwechselnd einteilt.


Bei Joyce hat man letztendlich ein bisschen Potenzial verschenkt, die Begegnung mit dem verstoßenen Vater erhält zwar ihren genügsamen Konflikt, wird zum Schluss hin aber wie selbstverständlich aufgelöst, sobald man ihn schlicht vor Slade retten muss. Tracey und Jake dagegen rücken weit zentraler ins Blickfeld, bemühen sie sich doch am effektivsten um die finale Konfrontation mit dem Verbrechen und können mit netter Gewitztheit, aber umso entschlosseneren Top-Manövern zuschlagen. Deren Spielspaß ist sowieso eine Grundeigenschaft des Gesamteindrucks, den Godfrey Ho hier souverän, unter offensichtlich geringem Budget abliefert. Sicher, bei manchen seiner Auffassungen vom modernen Americana und seiner Unfähigkeit im Soundschnitt (Flugzeug-Ton mischt sich in die Aufnahme ein, wird beim Schnitt im selben Szenario roh abgewürgt) kann man sich schon frustriert am Kopf fassen, ebenso was das oftmals steife Einfangen der Dialoge betrifft.


Jedoch kann man nicht verleugnen, dass er ein gutes Auge für Dynamik in der Choreographie besitzt, jede einzelne Bewegung mit vollem Respekt einfängt und genauso aufmerksam die restlichen Faktoren des Films aufzeigt, auch wenn diese teils naiv und spekulativ erdacht sind. Er ist eben ein gewissenhafter Arbeiter - eine Eigenschaft, die er sich nach über einem Jahrzehnt mehr oder weniger geschickt eingearbeiteter, doch immer spaßiger Ninja-Subplots in aufgekauften "Abandoned Movies" erwirtschaftet hat und in diesem eigenständigen Werk nun jene unbedarften und doch Markt- und Publikums-orientierten Skills anwenden kann - zudem unter Mithilfe seines ausnahmslos engagierten und offensichtlich auch mit viel hilfreichem Input aufwartenden Casts (auch wenn einige Kleindarsteller, so stark sie es auch versuchen, nicht gerade überzeugende Präsenz ausstrahlen). Ohne Zweifel bleibts noch immer ein DTV-B-Movie, aber in dem Rahmen wenigstens ein außerordentlich unterhaltsamer und auch sympathischer Reißer.




TEXAS CHAINSAW 3D - Hat sich Alexandra Daddario mit dieser White-Trash-Gaudi für TRUE DETECTIVE qualifiziert? Sicher ist jedenfalls, dass Puristen und eisenharte Fans des Originals hier ihren Alptraum finden, denn nicht mal ansatzweise wird der atmosphärische Terror von Tobe Hoopers Erstling erreicht. Wer aber darüber hinaus Hoopers eigenes, schelmisches Sequel kennt und liebt, wird wahrscheinlich wenig Schwierigkeiten haben, die herrliche Dumm-/Vergnügtheit dieses 3D-Gimmick-Jahrmarkts zu akzeptieren.


Subtilität und auch der gefakete Grit der Platinum-Dunes-Remakes fliegen aus dem Fenster, machen Platz für buntes Slasher-Splatter-T&A-Einerlei aus dem Sensationen-Kochbuch, mal practical, mal unfassbar furchtbar-digital, stets mit der Gier nach Halloween-Ulk und Selbstjustiz-honkender Redneck-Siffigkeit im Auge. Wie die "Saw" noch immer "Family" in diesem chronologisch-paradoxen Vertreter der aus dem Ruder geratenen Reihe bleibt, sollte man aber auf jeden Fall gesehen haben, um es zu glauben - urkomisch! Die Verfehlung thematischer Kontinuität kann man da eigentlich nicht bemängeln, höchstens die Gore-geile und ideologisch eigentlich recht-schäbige Plakativität der Produktion an sich.


Der unbedarfte Camp-Faktor überwiegt dann doch letzten Endes, wie auch das Können effektiver Jumpscares, direkt aus der besten Geisterbahn. Ohnehin wirkt es schon erfrischend, wie Regisseur John Luessenhop in dem totgekauten, um Innovationen buhlenden und darin nur selten aufgehenden Genre ganz simple, gemütliche Set-Ups durchackert und dabei nicht mal in die Fallen nervigen Teenie-Humors tritt, stattdessen Erwartungen erfüllt, immer ein bisschen umrührt, im Tempo & Spielspaß sogar recht frisch bleibt.


Und wie siehts mit Leatherface aus? Der macht wie gehabt sein Ding, wirkt inzwischen noch drolliger, so selbstverständlich manisch er die Kettensäge in die Linse rattert und durch die Wälder hoppelt. Macht Spaß, diese blödelige Rückkehr in die verkappte Texas-Karikatur, dürfte in Fan-Kreisen aber mindestens so unbeliebt sein wie Argentos MOTHER OF TEARS. Ich verstehe auch warum - aber unabhängig von der unantastbaren Klasse des filmischen Urgesteins (eigentlich gut, dass niemand eine Entsprechung daran versucht - man könnte eh nur verlieren) macht die 3D-Säge im eigenen Rahmen nichts wirklich falsch.




LUDWIG II. - Zweifellos ist die Historie hinter Ludwig II. Stoff für Jahrhunderte, erst recht, wenn man ihn im filmischen Rahmen erforschen will. Luchino Viscontis Variante als Nachfolger der Helmut-Käutner-Interpretation von 1955 steigert sich ebenso genüsslich in den ansteigenden Wahn seines Protagonisten hinein und bedeckt ihn im (abgesehen von vielen schludrigen Zooms) epischen, milchigen Cinemascope mit endlos verblendendem, aufwendigen Prunk und sedierend-zersetzender Einsamkeit. Atmosphärisch gewinnt diese ausnahmslos finstere Interpretation enorm und liefert insbesondere im historischen Detail lückenlose Sorgfalt, natürlich auch was die Homosexualität des Königs betrifft (etwas, was Käutner mindestens zugunsten der Drehort-Verfügbarkeit zwangsläufig ausklammern musste, nur andeuten konnte).


Dabei entsteht aber auch ein stilistischer Bruch, der die 4 Stunden Laufzeit in hübsch-kalte Belanglosigkeit zerfallen lässt: Visconti kennt keine Gnade im Pessimismus, verweigert seinem Ludwig und allen anderen Figuren schon im Ansatz die Erfüllung der zweifellos großen Träumereien, erhebt ihn dadurch zum großen ausgelaugten Melancholiker seiner Zeit, den wir aber nimmer im Glück erleben (stattdessen nur davon hören), um jene psychische Qualen vollends nachvollziehen zu können - und das obwohl/gerade weil er beinahe ausschließlich die introvertierten Verschwendungs-Zonen und Lebensstationen des Charakters beleuchtet. Helmut Berger als Ludwig ist ja allein optisch nicht gerade derselbe Sympath wie sein Vorgänger O.W. Fischer, dennoch leidet seine Charakterisierung hauptsächlich daran, dass sein äußerlicher Appeal (und das seines Ambientes) nie wirklich greifbar wird, von Anfang an morbide ist (ein Gefühl, das natürlich auch filmische Schönheit beherbergen kann, wenn man es denn pointierter als hier einsetzt).


Naivität, Arroganz und Größenwahn bestimmen da eher seine Darstellung, als Sinnbild deutscher Exzentrik und verklärender Heuchelei (immerhin ist das hier Viscontis Abschluss seiner Deutschland-Trilogie). Beispielhaft dazu steht auch die durchweg kritische Behandlung zum Thema Richard Wagner (konspirativer Ausbeuter, der seine Kunst nur im Dienst der Selbstgefälligkeit stellt) oder eben Sissi (Desillusionierte und auch kaum präsente/Handlungs-beeinflussende Schneekönigin) im Vergleich zu Käutners eher positiver Charakterausschmückung mit großem Fokus auf 'Sehnsucht' - der entsprach eher der Vorstellung eben jenes 'Märchenkönigs', setzte ihn in einen 'Larger-than-Life'-Rahmen, aber genau das half reichlich, um die Entwicklung dessen Figur in den psychotischen Abgrund mit blank-cinematischer Direktheit klar zu machen. Er erzählte damit im Grunde genau dieselbe Geschichte und ihre Aussagen - sogar unter 2 Stunden Laufzeit. Visconti dagegen ersäuft geradezu im Trübsal, kriecht wie ein Opiumsüchtiger am Bodensatz entlang und entwirft komplette, abgeklärte Leblosigkeit auf allen Metern.


Sein Ludwig ist zum Ende hin gar nicht mal mehr der gescheiterte Träumer, sondern ein keifender, verräudeter Regent vom Formate Draculas oder Howard Hughes', der völlig unzelebrös im Morast versinkt. Man kann zweifellos behaupten, dass Visconti keine großen Stücke auf Monarchie hält, was ich ihm auch nicht übel nehmen kann, aber einerseits tritt er durchweg in übermäßiger Länge auf dieselbe Stelle und andererseits erstickt er die eigentlich Kunst-/Lebens-schwelgerischen und auch anti-kriegerischen Ideale der Figur im Keim; entwickelt aus ihrer Unterdrückung lediglich die Mahnung vor dem Exzess, welcher dem Kontra von Seiten der Gegner Ludwigs weit mehr Gewicht verschafft - auch wenn man die ebenso kein Stück leiden kann, aber bei dieser eiskalten Verfilmung bekommt man eh nie wirklich ein Gefühl dafür, für wen sie überhaupt spricht.


Es bleibt im Gesamteindruck ein klaustrophobisches biografisches Prozedere, das die Vergänglichkeit und Leere von Macht ins Gewissen reden will, aber keine Anstalten macht, überhaupt die Funktion von Macht darzustellen. Neorealist Visconti glaubt, dass sie keine haben mag und dass man in ihr nur von einem Zwang in den anderen hindurch geschleust wird - aber wenn jemand wie sein Ludwig durchweg kein Herz, keine Menschlichkeit besitzt/besitzen darf, bleibt nur noch ein Kino der inneren Leere; der bloßen, ernüchternden Ausstattung. Das hat seinen Reiz und Sinn, speziell als entzauberndes Komplementärstück zu Käutners symbolischem Märchen-Melodram. Aber auf die Dauer bleibt nur detaillierte Langeweile, passend zur allgemeinen Meinung über das veraltete Prinzip der Monarchie, aber gerade das wird so einer sichtlich illustren Figur wie Ludwig II. kaum gerecht, was den überlangen und doch stets entmutigenden Aufenthalt des Films bei seiner Person umso verwunderlicher macht.

(Diese Kritik gibt es auch bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




ROBO-KICKBOXER - POWER OF JUSTICE - Achtung: Im Folgenden erhalten Sie, lieber Leser, die wohl umfangreichste Besprechung zu diesem Film, die sie je finden werden. Ich musste endlos oft Pause machen, um hinterher zu kommen, was in diesem unfassbaren seltenen Film alles geschieht, da es einfach ZU faszinierend war. Alle Spoilers im Anmarsch!

Was sich zunächst wie eine Fortsetzung von Zack Snyders Batman/Superman-Duell aus der Zukunft anhört, ist wieder mal das Ergebnis intensiver Patchwork-Irrsinnigkeiten aus dem Hause Godfrey Ho. Und der stürzt sich sogar sofort zielgerichtet in die Versprechungen seines Titels hinein. Tatsächlich steigt da "eine Idee" von einem Roboter bei blauem, schießend-wehenden Nebel zum Normalo-Muskel-Gwailo Jack in den Ring. Doch irgendwas stimmt nicht - ganz abgesehen von der Ausstattung des Roboters, bei dem es sich um einen Typen in Silberfolie mit Schutzpolstern und einem Motorradhelm handelt, durch den man unschwer den Menschen dahinter erkennen kann -, schließlich hört und sieht man keinerlei Zuschauer ringsherum und nach einigen Faustschlägen haut der Roboter seinen Kontrahenten mit der angedeuteten Durchbohrung des Magens mittels Ring- und Mittelfinger auf die Bretter.


Jedoch entschwindet er daraufhin in das Dunkel jenseits des Ringes und unser Muskelmann schreckt plötzlich unversehrt auf. Zwei Wissenschaftler (einer mit pseudo-deutschem Akzent) kommen vorbei und die geschehene Situation entpuppt sich als eine bloße Box-Trainingseinheit, bei der Jack eine neue Droge ausgetestet hat, die als Nebenwirkung einen kämpfenden Roboter erscheinen lässt. How fucked up is that? Es scheint jedoch so, als ob der mimisch etwas unterbegabte Held keinen Bock mehr auf die Droge hat, weil sie ihn eben wahnsinnig macht - weshalb ihn einer seiner Kumpels, Kevin, für einen zwielichtigen Job als "Lieferant" anwirbt, worauf er ohne Weiteres eingeht, als ob es in irgendeiner Form seinem Training eher helfen würde, als das Robo-Programm. Der Widerspruch herrscht aber nur theoretisch, in Wirklichkeit bekommt er es nämlich mit solch einem hinterfotzigen Gesindel zu tun, dass er beim schiefgehenden Drogendeal in akrobatische Fights verwickelt wird, während durchweg von Tangerine-Dream-geklaute Sequencer in die Tonspur reindampfen - bis allerdings die Polizei einschreitet, offenbar ausschließlich in unterirdischer KiK-Zivilkleidung.


Ach ja, weil wir es ja hier mit einem IFD-Filmworks-Doppelstreifen zu tun haben, darf die grundlegende Storyline, die immer mal dazwischen funkt, nicht unerwähnt bleiben. In der offenbar philippinisch-geprägten Ursprungsproduktion finden wir einen vom Gesetz bedrängten Mann, Wilfredo Mercado vor, der den Vergewaltiger seiner Schwester Cindy in Notwehr umgebracht hat und dafür Lebenslänglich erhält. Er landet in einem ziemlich beengten, Oberkörper-freien Knast, wo die Wachen jene Insassen in Gruppenreihen abzählen, wie beim Anfang von SNOWPIERCER. Hier konvergieren aber irrsinniger Weise die beiden Handlungsstränge, als Wilfredo in der ihm zugeteilten Zelle Jack und seinen schwarzen Drogenpartner vorfindet (mit dem er sich auch ständig zofft - siehe 'FLUCHT IN KETTEN'), die ihm als Neuen im Team Schutz anbieten - wofür sie natürlich nicht im selben Bild sein müssen, wie es sich für Ho's Verhältnisse gehört, der bei jener Begegnung sogar die eigentliche Größe der Zelle stets variiert.


Der "Schutz" jedenfalls sieht sodann so aus, dass die Beiden anfangen zu kämpfen, um die Wilfredo verfolgenden Bösen abzulenken - was absolut keine Wirkung hat (sie trotzdem nicht aufhält, weiterzumachen), aber auch nicht weiter schlimm ist, da er sich ganz gut selbst verteidigen kann. Eben die Ein-Mann-Kampfmaschine, die der Originalfilm in ihm konzipiert hatte, da sind die beiden daneben stehenden Fighters nur Ballast, aber geradezu tatsächlich im Geschehen "involviert", wenn man dies mit dem sonstigen Output der Bastler-Clique Godfreys vergleicht. Fantasie haben sie ja - und wiederholen das Prozedere einigermaßen in einer erwarteten Knastduschen-Szene ohne Wilfredo und ohne "eingreifendes" Kickboxen. Auf der Seite der Bösen geschieht ein storytechnisch-raffinierter Twist, bei dem sich Jacks freundlicher Vorschlaggeber Kevin vom Anfang als Drogenboss entpuppt, der mit seiner Hilfe (?) und der eines Milchbubi-Assistenten nun den südasiatischen Markt beherrscht. Dennoch hat Kevin Schiss vor der Rache eines gewissen Oberboss Henry, der sie verfolgen könnte, wenn Jack im Knast was ausplaudert - darum muss sich gekümmert werden!


Jack hat dahingehend auch eine Ahnung und so schlägt er auch seinem unfreiwilligen Kumpel beim Essen in einer mickrig angepassten Extraszene zum Ursprungsfilm die Flucht vor. Bisher hätte das noch keiner geschafft, stellt sein Gegenpart fest, doch Jack bestärkt sich umso energischer darin, der Erste seiner Art zu sein - wieder mal wie Chris Evans in SNOWPIERCER. Und welchen Plan setzt er dafür in die Tat um? Natürlich offenbar jener, in dem er die Wachen denken lässt, dass er sich mit seinem Buddy in der Baugrube streitet und dadurch entkommt. Doch falsch gedacht, stattdessen hält deren Footage kurz inne, um nochmals zuzuschauen, wie Wilfredo sich gegen seine Angreifer verteidigt. Letztendlich schafft es an dem Tag keiner aus dem Knast heraus, aber immerhin finden Jack & Co. die Kampfkünste ganz toll. Ähnlich reagieren sie, als in ihrer Zelle ein Insasse mit Wilfredo schlafen will, was dieser mit weiteren gekonnten Tritten und Anti-Homo-Sprüchen quittiert. Eingreifen ist da natürlich wieder nicht angesagt, stattdessen bloßes Anfeuern aus zweiter Reihe.


In einem darauffolgenden Manöver, bei dem einige Mitgefangene die Schmerzen eines der Ihren vortäuscht, um einen Polizisten als Geisel zu nehmen und zu entkommen, machen unsere "Helden" auch mit, werden in ihrem Footage nicht mal von den Wachen erfasst, obwohl deren Scheinwerfer sie klar erwischt. Man muss in diesem paradox-gleichzeitig-existierenden Doppeluniversum offenbar nur leicht den Kopf ducken und schon ist man unsichtbar. Ich muss zugeben, so kurzweilig, wie Ho seinen zusammengeschusterten Plot bis hierhin beieinanderhält (immerhin sind erst ca. 30 Minuten Laufzeit vergangen), birgt schon etwas Beachtliches. Mag vielleicht am treibenden Soundtrack liegen, aber er hat hier gewiss ein gutes Auge dafür, dem geneigten Zuschauer ungehemmt Action-reiche Highlights nahezubringen und trotz aller hanebüchener Verknüpfungseinfälle eine halbwegs-kohärente, durchgängige Genre-Story zu entwickeln, auch wenn der Fokus zwischen den beiden Erzählquellen mehr als uneinig ausgefallen ist. So verkommt das Schicksal Wilfredos, der beim bleihaltigen Ausbruch - zusammen mit zwei Gefangenen namens José und Ramon - eine erschöpfende Schussverletzung abbekommen hat, ab und an deutlich zur Nebensache.


So wird sich dann doch Gottseidank eher darauf konzentriert, Jacks Racheplan an Kevin zu verfolgen, wofür er einen seiner alten Box-Manager Mr. Parker aufsucht, obwohl sein black buddy (dessen Name jetzt erst enthüllt wird: Axel! Immerhin soll er ja sowas wie ein Eddie-Murphy-Ersatz in diesem Film sein, die Dynamik mit Jack hat schon etwas leicht-NUR-48-STUNDEN'eskes) eher ein Bordell aufmachen würde, um Geld zu verdienen und aus dem Land zu verschwinden, WENN Jack denn auch eine Schwester hätte. Beide lachen endlich wieder zusammen, als Jack meint, dass er doch eh nur den ganzen Tag bumsen will. Der Film beherbergt übrigens viele solcher Genre-spekulativer Nonsens-Füller-Dialoge und ist dabei natürlich besonders goldig. Die Verbindung zum Originalfilm schleicht sich daraufhin wieder ein, als offenbart wird, dass der Auftraggeber vom Vergewaltiger Wilfredos Schwester eben jener Henry ist, vor dem Drogenboss Kevin sich fürchtet. Henry hat jedenfalls nun ebenso Bammel, dass der entkommene Wilfredo ihn heimsuchen wird, wobei es ihm auch gleichsam fuchst, dass Pechvogel Jack, der ihm sein Geschäft vermiest hat, wieder frei herumläuft.


Daraufhin scheint man aber einen dicken Part der alten Handlung ausgelassen zu haben, da Wilfredo inzwischen im Haushalt zweier dörflicher Gasthof-Damen, Anna und ihrer Mutter, liebevoll versorgt wird. José und Ramon sind aber ebenfalls mit von der Partie, also haben sie im Off mitgeholfen (im Nachhinein erfährt man, dass sie den Mann im Haushalt kennen). Aber Obacht: Auch in diesem Ambiente ist häusliche Gewalt an der Tagesordnung. In solchen Momenten möchte ich schon gerne meine Aussage vorheriger Abschnitten revidieren und feststellen, dass Ho sein getackertes Zelluloidwerk unnötig verkompliziert und die Synergie beider etablierter Plots immer mehr aus den Fugen gerät. Solch ein Wechselbad der Gefühle kann nur ein Film wie ROBO-KICKBOXER vorbehalten - wo die Roboter nur einmal im Drogenrausch auftauchen, aber immerhin der Untertitel POWER OF JUSTICE einen sicheren Weg auf beiden Plot-Ebenen findet. So kommt es dann auch, dass sich einer der Henchmen Henrys mit Kevin trifft, der ihm klar macht, ein Treffen mit Jack zu arrangieren. Wie auch immer er das anstellen will, steht noch außer Frage, denn währenddessen muss der Film zeigen, dass sich Wilfredo in Anna verliebt hat. Auch, dass José und Ramon sich dazu entschließen, eine Bank auszurauben. Aber Kevins Problem löst sich von selbst, schließlich bettelt Jack den berüchtigten Mr. Parker um einen letzten Gefallen an - nämlich, einen Boxkampf zwischen ihm und Kevin zu veranstalten! "I want revenge and I also want you to earn money.", ist da sein scharfes Argument. Willkommen in der Klapsmühle.


Doch Mr. Parker lässt sich nicht so einfach überzeugen, fordert zunächst ein Duell zwischen Axel und einem seiner Jungs, bevor er ihnen helfen würde. Wenn Axel dabei aber verliert, müssten er und Jack in Kolumbien als Sklaven arbeiten. Axel ist Feuer und Flamme für den Deal, steht aber einem halbwegs-durchtrainierten Bolo-Yeung-Imitat gegenüber - natürlich in derselben Boxring-Kulisse vom Anfang des Films. Die Regeln nimmt Parker dabei aber ziemlich locker, darf Axel doch zwischendurch abklatschen und so Jack die Runde Dresche zum sicheren Sieg überlassen. Tja, selber Schuld! José und Ramon verüben derweil zu Tönen, die wahrscheinlich aus Glickenhaus' 'SÖLDNER' stammen, den ersehnten Bankraub, inkl. Wilfredo als Fluchtfahrer. Meine Güte, was der Junge für eine konfuse Entwicklung in diesem Film durchmacht. Ich schätze, wer einmal aus Notwehr ein Verbrechen begeht, gerät immer tiefer, sogar relativ willig, in den Strudel des Verbrechens. Doch sein Gewissen holt ihn allmählich wieder ein, seiner neuen Liebe Anna willen, die er gegen die im Verlauf eintrudelnden Drückerkolonnen Henrys verteidigen muss. Tatsächlich, für sich alleinstehend, ein spannendes Konzept, geradezu mit Van-Damme-Potenzial, hier aber natürlich dem ulkigen Fun der Ho-Geistesblitze untergeordnet, die sich nur schwer mit dem soliden Cheapo-Revenger um Wilfredo mischen lassen, aufgeregt herausstechen und den Narrativ gnadenlos zerstreuen.


Dort stellt sich nämlich derweil heraus, dass Kevin und offenbar auch Axel das Land bereits verlassen haben, Mr. Parker deshalb Jack für sich arbeiten lassen möchte, da dieser eh seine Vergangenheit nicht ändern könnte, dafür aber seine Zukunft, wie der selbstbewusst mit Plänen einer Bar in den Philippinen kontert. Wirds denn nun noch einen Fight geben oder nicht? Wilfredo und Anna scheinen derweil ebenso weiter von ihrer Vergangenheit wegkommen zu wollen, kommen in einem Hotel unter, wo man zur Abwechslung mal sie als gut gebaute Frau unter der Dusche erblicken kann. Ehe man sich versieht, ist Jack aber wieder am Trainieren (es kommt wohl doch noch ein Fight, da ist er sich sicher), sogar mit Unterstützung von Axel und seiner Stoppuhr! War er nicht schon wieder zurück nach Amerika geflogen? Warum kommt er in das Land zurück, wo man ihn wegen dem Drogenhandel und dem Ausbruch sucht? Vorallem: übt Jack noch immer für seine Kickbox-Karriere? Egal, digga, PAIN & GAIN!


Der Zufall schläft auch nicht, schließlich kommt einer der Wissenschaftler vom Anfang des Films (der mit dem Akzent) bei Mr. Parker vorbei und schlägt ihm wie abermals die Robo-Hallu-Droge als Trainingsmittel für Jack vor, mahnt aber vor den eventuellen Problemen. Parkers deutliche Antwort darauf: "FUCK THE PROBLEM! I'M THE BOSS! I PAY HIM TO FIGHT, HE HAS TO DO, WHAT I SAY!" José und Ramon, das kontra-polare Duo des Films, fühlte sich offenbar von Wilfredos Ausflug mit Anna betrogen und sucht die Beiden bedrohlich auf, entführt Anna zurück zu ihren Eltern (?). Auf dem anderen Spektrum der Filmerzählung regt sich Kevin (offenbar wieder im Lande) über seinen Milchbubi-Assistenten auf, dass Jack und Axel ihm wieder mal Drogen geklaut hätten. Just in jenem Augenblick ruft Parker bei ihm an und vereinbart nun endlich den Main Event zum Sonntag in der Jackson Arena. Hauptgewinn: die gestohlenen Drogen! Bester Manager - bester Wahnsinn. Dementsprechend spitzt sich auch die Lage für Wilfredo zu, der gezwungenermaßen weitere Fluchtfahrer-Jobs ausführt, bei denen der skrupellose Ramon seinen alten Zellenkumpan José sogar verletzt zurücklässt.


Das ist nun wirklich zuviel - und so schlägt er zurück, kloppt José zum Straßenrand hinaus, während arme Bauern das herumsausende Geld leicht-symbollastig in Zeitlupe einsammeln, woraufhin er erneut mit Anna von ihrem Zuhause aus flüchtet. Aber um diese Spannung nochmal zu unterbrechen, weil das nun mal zum guten Ton dazugehört, fragt sich Ho, was Axel und Jack derzeitig anstellen. Nun, weitertrainieren! Und als ob das nicht schon genug wäre, stolpert man nochmals über die eigene Logik und lässt Axel nun den gänzlich neuen Vorschlag machen, eine Bar in den Philippinen zu eröffnen - worunter sich Jack tatsächlich keine Vorstellung machen kann. Unerklärlich, dieser Umstand - ich kann es mir höchstens so denken, dass Mr. Parker wie Ho zum Manipulator des inneren Geschehens zu seinem Gunsten geworden ist und die Geschichte umgeändert hat, als ob Jack sein Büro für "die Zukunft" nie verlassen hätte. Bevor man aber weiter grübeln kann, kommt Kevin mit einem asiatischen Buddy vorbei und fightet schon mal für Sonntag vor, in der Hoffnung, dass er jetzt schon seinen Stoff zurückbekommen könnte. Falsch gedacht - dafür entstehen aber wiederum fatale Verluste auf beiden Seiten. Jetzt ist Rache umso stärker angesagt. Ziemlich toughe und komplexe Milieustudie, die Ho hier entwirft - der Anteil seiner von ihm inszenierten Szenenfüller ist aber wirklich selten so umfangreich und "versiert" ausgefallen, das muss man ihm schon lassen.


Ob das Filmwerk insgesamt allerdings funktioniert, steht auf einem anderen Blatt. Immerhin befindet es sich jetzt in den letzten 15 Minuten und hadert sichtlich lustlos damit, noch Wilfredos Story abzuarbeiten, die inzwischen so abwegig vor sich hin dämmert, künstlich am Leben erhalten wird, dass man deren Schlusspunkt kaum noch erwarten kann. Darin wird er nämlich von den Anschuldigungen freigesprochen (warum, bleibt offen) und will diese freudige Nachricht seiner Anna am Telefon mitteilen, wird aber genau dann von Ramon aufgesucht und in der Telefonzelle niedergeballert. Schon schade, dass jenes Potenzial des Originalfilms so zweitrangig eingesetzt wurde, könnte die darin verborgene Bitterkeit und verspätete Justiz seines Schicksals doch als einigermaßen lehrsames, vor allem dramatisches Leitbild für Gnade und Gerechtigkeit stehen, wenn auch im reißerischen Rahmen eines beliebigen, billigen, aber gar nicht mal so Ambitions-losen Action-Produktes.


Doch er muss nun mal Platz machen für den dankbaren wahren Star des Films, Kickbox-Storytelling alà Godfrey Ho, und da liefert er ein Showdown-Highlight, bei dem genauso viele Fucks wie Schläge ausgeteilt werden, wenn Kevin und Jack in dynamisch-grotesker Wut-Choreographie ultimativ aufeinander treffen. Kevin scheint da die Überhand zu haben, aber wie erwartet bringt der illustre Wissenschaftler doch noch insgeheim die Superdroge für Jack ins Spiel. Statt Kevin sieht er nun endlich wieder den Robo-Kickboxer vor sich (von Ho stets gewitzt, meist per Schnitt, aber auch mitten in den Aufnahmen, ausgetauscht) und stellt sich diesem meta-tödlichen Dämon seiner jüngsten Vergangenheit. Er siegt und rächt sich dank dieser nur wenig präsenten, doch forcierten Technik; seine Karriere ist nach diesem schon ziemlich verworrenen Lebensweg wieder im Aufschwung, doch er bezahlt dabei mit dem Preis der Integrität, da Mr. Parker die ganzen Drogen, das Drogengeld und seine wie-gehabt-korrupte Art, ungeändert beibehält und Jack sein mehr oder weniger williger Gehilfe bleibt. Kevin muss sich wahrscheinlich in Zukunft nochmal mit Henry auseinandersetzen, der über die zweite Hälfte des Films nix mehr zu melden hatte und Anna kann ihren Liebsten begraben, während seine Mörder noch immer frei herumlaufen.


Da bleibt unterm Strich ein äußerst tragisches Bild vom Verlauf und Ende des Films übrig, das aber dessen Vorrangigkeit im Titel zum ROBO-KICKBOXER gegenüber dem Untertitel POWER OF JUSTICE perfekt in Perspektive setzt. Denn Gerechtigkeit hat kaum Power, ist in beiden Plots letztlich nur eine vergängliche Illusion, dagegen setzt sich der Geist von Ho's Sensationalismus weit stärker durch. Daraus werden reichlich Chaos und Frustration geboren - und zwangsläufig wahnwitzige Unterhaltungsfaktoren. Spaß siegt über Substanz, das hat Ho in seinem Leichtsinn gerne in Kauf genommen - und der Zuschauer tut es ihm gleich. Doch wie so oft verschließt seine exploitativ-schlampige Disharmonie wahre vorgesehene Gefühle, auch wenn sie ursprünglich noch so ungeschickt und nicht minder Kolportagen-artig angelegt waren. Denn selbst wenn er mit seinen Mitteln versucht, mit moderneren Martial-Arts-Einschüben eine thematische Entsprechung zu ihnen zu finden: das Patchwork misslingt, kann nur noch rat- und teilnahmslos dem Tod zuschauen, unbeholfen-fluchtartig Konfetti vor die Augen streuen. Da ist Ho seinem Mr. Parker wirklich nicht ganz unähnlich. Und dennoch nimmt man es nicht so tragisch. Denn solch einem grenzenlosen Verhunzungs-/Aufpeppungs-Chaos zu begegnen, möchte man einfach nimmer missen. PAIN & GAIN eben.