Sonntag, 6. April 2014

Tipps vom 31.03. - 06.04.2014



SNOWPIERCER - (GESICHTET BEI DEN FANTASY FILMFEST NIGHTS IM SAVOY FILMTHEATER HAMBURG)

Jetzt muss es sein - Revolution! Wir wissen nämlich schon schnell Bescheid: totalitärer Horror im Aufdrängen, Enge und Verrottung in der hintersten Ecke, die einem in diesem letzten Aufgebot der Menschheit übrig bleibt. Ein Zugabteil in Leid & Schmerzen, groteske Fratzen regieren mit eiserner Hand von vorne heraus. Doch eingepfercht in diesem Endzeit-Szenario ist auch bei ihnen Rationierung der Mittel unumgänglich - der Vorstoß aus der Misere gelingt, die Unterschicht bricht Abteil für Abteil hindurch in der Hoffnung auf Freiheit. Eine ganz simple Angelegenheit, ein nachvollziehbares Aufbegehren - was dahinter steckt, wird auf dem Weg erklärt, der Schuss nach vorne ist aber zunächst mal die Faustregel. Dafür muss man räudigst schlagen, reißen, schlitzen, zerhämmern...bluten ohne Ende.


Nicht lange fackeln ist die Devise, doch die irrwitzigen Offenbarungen häufen sich - Regisseur Bong Joon-Ho entlädt ordentlich Wut und Schmerz in seine dampfende, ratternde Maschine, doch die kleinen, wundersamen und verzahnten Rädchen im Komplex bringen sie erst zum Laufen. Und so bauen sie sich auf zu unmöglichen Barrieren - brachial-nervöse Zurückhaltungs- und Durchschlagsmaßnahmen auf kleinstem Raum: eine Schlacht für die Gerechtigkeit vs. den Status Quo, aufgelöst in spannender und eigenwilliger Virtuosität. Doch auch diese Wahnsinnsvision beherbergt ein Gleichgewicht, ein Streben nach Harmonie auf ökonomischer Grundlage - mit jedem noch so perfiden Mittel.


Das spiegelt sich auch in der Gestaltung des Films wieder: geradliniger Powerstoff, vermengt mit einem schelmischen Zynismus. Aber auch mit einer makabren Poesie, eine südkoreanische Spezialität: die Faszination mit Armen und Amputationen als bereitwillige Opfer und Täter; die eigentliche, faux-darwinistische Verbundenheit und gegenseitige Ergänzung von Arm und Reich in diesem konzentrierten Ambiente; der Pathos von Volksbegehren und auserwähltem Schicksal - alles im Grunde auch melodramatisches Hollywood- oder Eisenstein-Material, hier jedoch mit bizarrem Charme in hitzige und verräterische Manie eingetaucht, solange man aber noch nach vorne kommt.


Doch ist man einmal angekommen, ist der Zauber von Freiheit nur eine Lüge, Mittel zum Zweck - dort steht man dann von vorne aus mit dem schnaufenden, zerbeulten Gesicht, schaut nach hinten durch: dort drüben am stählernen Horizont ist die letzte Bastion der Menschheit, nichts sonst ist erhalten geblieben. Was bleibt einem da noch übrig, außer die Maschine am Leben zu erhalten? Antwort: ein Hauch von Hoffnung, von Selbstbestimmung und offener Menschlichkeit - der Weg aus der ökonomischen Enge, hinein in das weite Risiko der Eiszeit...ein zwiespältiger, schimmernder Wahnsinn mit göttlicher Fügung.


Snowpiercer: eine allgemein-verständliche Dystopie in aufbrausender, cineastischer Zersetzung. Und doch hat jede noch so lockere Schraube zum gnadenlosen Schub der Emotionen, der Wunder, des zelebrierten & bitter-nüchternen Blutvergießens und der astrein-originären Pointen formvollendet beigetragen. Kein Wunder, dass das Raus- und Herumschneiden nicht gelingen wollte. Die südkoreanische Königsklasse individueller, gewitzter Provokateure hat nämlich die Oberhand behalten - die wissen, was sie tun und ziehen selbstbewusst mit jedem Atemzug auf jedem Meter, mit einer Kiste voller Überraschungen durch. Eine außergewöhnliche, direkte Liebschaft mit Genre-affiner Gefahr, ohne Tempomat, im zackigen Schleudergang. Ich gebe mein Herz für diese Revolution - jetzt und auf ewig.

(Diese Kritik gibt's ebenfalls hier bei den DREI MUSCHELN zu lesen)




ROMANZE IN MOLL - Ich kenne nur wenige Titel in der Filmwelt, die so allumfassend ihren gesamten Inhalt ins prägnante Licht rücken können. Alleine daraus kann man sich hier ja schon vorstellen: es wird romantisch und sicherlich tragisch. Aber weil's von Käutner ist, steckt die musikalische Deutung wohlweislich auch im Film selbst und in den Beziehungen seiner Charaktere, wie schon bei seiner vorherigen Regiearbeit 'WIR MACHEN MUSIK'. Deren Tragik eröffnet sich uns bereits in den ersten Minuten nach einem dahin wabernden, meisterhaften Schwenk über düstere Häuserdächer hinein in eine der wenigen, doch einvernehmenden Kulissen, wobei auch die Äußerlichkeiten zum Gesamtkomplex dazu gehören, wie sich später herausstellt.


Denn in jenen Mauern wartet die tief schlafende Madeleine (Marianne Hoppe), welche sich mit Schlaftabletten scheinbar fatal ausgeknockt hat, während bereits die wehleidigsten, traurigsten Töne über die Tonspur gleiten - ihren Ursprung und ihre Bedeutung für unsere Sterbende werden wir noch früh genug erfahren. Ihr Mann (Paul Dahlke, bezeichnenderweise ohne Rollennamen) ist jedenfalls aufgebracht, kann sich diese Selbstmordaktion nicht erklären, es war doch immer alles in Ordnung. Er findet jedoch in ihren Besitztümern sodann eine teure Halskette vor und versucht zu ergründen, woher sie die hatte - die Eifersucht wird zunächst seine Begleiterin, da er in dem Zusammenhang oft zu hören kriegt: 'Man(n) ist galant und gibt Geschenke'.


Beim Juwelier dann erschließen sich die ersten Details jenes Umstandes in einer Rückblende, in welcher Madeleine vorm Schaufenster erstmals den Komponisten Michael (Ferdinand Marian) trifft, dem auf ihr scheues Lächeln basierend der Initiator für eine Melodie zur nächsten Komposition einfällt. So nahm die Sache ihren Anfang - den Rest der Geschichte aber erfahren wir von Michael selbst, der bei seinem Bruder unterkommt, da er einen Mann ermordet hat. Ein weiteres Mysterium, doch auch das läuft wie alles auf Madeleine zurück, weshalb wir daraufhin noch weiter zurückblicken. Seit jenem Treffen strebt er nämlich nach ihr, kauft die Perlenkette, welche sie so sehnsüchtig erblickte und schmeißt sich ganz gewitzt und charmant an sie ran, wie bereits Hans Söhnker in Käutners 'AUF WIEDERSEHEN, FRANZISKA!' und 'GROSSE FREIHEIT NR. 7' - Frechheit siegt auch hier.


Erst widerwillig erscheint sie nach seinem gelungenen Schauspiel als mysteriöser Dieb der Kette (eine gewisse, hämische Anspielung auf Marians sonstiges Rollen-Schema) in seiner Behausung, wo er sich ihr gegenüber endlich als wohlhabender Komponist entpuppt. Sie tut zunächst so, als ob sie nur kurz bleiben könnte, doch offensichtlich gefällt ihr seine verschmitzte, 'galante' Art. Den feurigen Impuls gibt aber erst sein Klavierspiel der noch unfertigen Melodie, die beiderlei Schicksale verbindet, weshalb sie den entscheidenden Vorschlag macht, diese in Moll umzuschreiben, um so den Fluss der Melodie zu vollenden. Dadurch verwandelt sich die Romanze auch in einen zwiespältigen Abschied und Madeleine meint auch, dass sie nicht seine Geliebte sein kann, nimmer zurückkommen wird. Doch ihr Lächeln beweist sich erneut als bejahende Geste zu dieser neuen Beziehung.


Doch der Moll-Ton bleibt angeschlagen, denn sie kann sich nur im Geheimen mit ihm treffen, während ihr Mann scheinbar gar nichts von ihrer innerlichen Lage mitbekommt - er bezeichnet es später schlicht als 'Nervosität' - und nur über seine Erlebnisse als Buchhalter berichtet, anstatt ihr Zuneigung zu geben. Geschickter Weise taucht in seinen Auftritten dann auch kaum bis gar keine Musik auf. Sie lebt weiß Gott nicht schlecht in der großen Wohnung beider, doch wie bei ihrem kleinen Vogel im Käfig am offenen Fenster ist ihr Leben eine eindrückende Zelle, welche die wahre Freiheit von sich abgrenzt, da ringsherum stets ihr Mann verkehrt, u.a. bei der örtlichen Kneipe Karten spielt. Aus dem Grund lässt er sie meistens Dienstags allein und denkt sich nichts dabei - selbst als er auf Geschäftsreise geht, stellt er für sie lediglich in Aussicht, ein Buch zu lesen oder den Knopf an seiner Weste wieder anzunähen, denn mehr traut er dieser seiner treuen, natürlich-ergiebigen Ehefrau nicht zu.


In jenen Momenten vollführt Käutner sodann pointierte Parallelschnitte, die deutlich aufzeigen, dass sie stattdessen nun wirklich nicht allein ist. Schließlich unterhält sie ihr Doppelleben als Muse und Geliebte Michaels, welches nach dem Glück strebt und dem auch zum Greifen nahe ist, aber wie die Romanze in Moll erstmal nicht erfüllt werden kann, wenn das überhaupt jemals gelingen sollte. Solange es aber währt, in jenen kurzen Zeiträumen, ist es auch gut. Eine Befreiung aus dem biederen Alltag war zwar zu jener Entstehungszeit des Films im dritten Reich durchaus die Aufgabe des allgemeinen Unterhaltungsfilms, hier aber steht wie so oft bei Käutner der Wunsch des individuellen Glücks fernab gängiger Familienvorstellungen und Gesellschaftskonventionen (u.a. vertreten durch die Meinung des Mannes, dass man betrügenden Frauen nie verzeihen dürfe) an vorderster, empathischer Stelle - was natürlich alles andere als gewöhnlich in der damaligen NS-Filmindustrie war.


Eine Anspielung darauf findet sich sodann in einem Kurzauftritt Käutners, der als hochgeborener Dichter Inspirationen für eine Liebesgeschichte sammelt und auf Madeleines & Michaels Vorschläge, die sie natürlich insgeheim aus ihrer eigenen Liebschaft schildern, nur entgegnet, wie unrealistisch (sprich: offiziell nicht vertretbar) diese doch seien. Ernüchternder Weise holt die Realität bald auch Madeleine wieder ein, da sie von einem ebenfalls in sie verliebten Freund Michaels, Viktor (Siegfried Breuer), bedrängt und erpresst wird, als dieser der neue Bankdirektor und Chef ihres Ehemannes wird. Nun versucht sie gezwungenermaßen Zeit mit ihrem Mann zu verbringen, um die Stunden herumzukriegen und ihrem Verehrer aus dem Weg zu gehen - was aber auch allmählich ihre Seele erstickt.


So hat sie keine andere Wahl, als sich ihrem Peiniger zu ergeben. Doch auch die Beziehung zu Michael rückt in eine psychologische Ferne, scheinbar ebenso von der ewig-währenden Entstehung der Romanze in Moll geleitet. Als ihr stets unwissender Mann sie zu einem Konzert von Michael einlädt, findet die Melodie aber dann doch ihre sehnsüchtige und pessimistische Erfüllung - da setzt sich der Ehemann neben sie, fragt mit verschränkten Armen und gelangweilten Blick 'Hab ich was versäumt?' und dann geschieht es: Die Kamera fokussiert sich auf ihr trübseliges Gesicht, bei dem sich dank der Premiere dieser Komposition, an welcher sie mitgewirkt / dieser Romanze, an welcher sie mitgeliebt hat, die einschlägigsten Bilder ihrer Liebe mit Michael, ihren Tiefpunkten mit Viktor und ihren Gleichgültigkeiten mit ihrem Mann als geisterhafte Rückblende (die dritte, erschütterndste im ganzen Film) abspielen, weshalb sie nur in Tränen ausbrechen kann - ihr folgenschwerer Entschluss wird eingeleitet, die Romanze verwandelt sich in einen Abschied.


Vorher teilt sie ihrem Michael noch die ganze Geschichte per Brief mit, weshalb es zu einem Duell zwischen ihn und Viktor kommt, wobei Michael wie erwartet 'gewinnt'. Seine Liebe hat er dennoch für immer verloren, möchte sich auch der Polizei stellen, sieht es jedoch als seine Pflicht an, vorher noch den Ehemann zu benachrichtigen, der nun die volle Wahrheit erfährt und sich noch immer nichts erklären kann. Stattdessen meint er nur 'Erledigt, erledigt, es tut nicht einmal mehr weh...' in einer Art abweisender Enttäuschung über die Handlungen seiner Frau, doch auch er bricht apathisch zusammen - die Gefühle und die Einsicht lassen sich letztendlich doch nicht verleugnen, denn auch der Vogel im Käfig verstirbt zuletzt.


Schließlich erblicken wir auch zum letzten Mal Madeleine auf dem Totenbett - Michael überreicht ihr als letzte Geste die Perlenkette, Auslöser und durchgehendes Symbol ihrer Romanze, als dann Käutner seine letzte, erlösende Blende, von denen er im Film mehrere virtuose Varianten für narrative Übergänge, hier nun als Schlusspunkt seiner filmischen und emotionalen Komposition einsetzt. Das Liebesleiden endet in purer Tragik - sein Frauen-Melodram erweist sich aber insgesamt als ruhiges, süß-poetisches Plädoyer für das Verständnis nach der wahren Liebe anhand der offensichtlich-ergänzenden Harmonie, welche von Anfang an weiß, dass sie eigentlich zum Scheitern verurteilt ist, deshalb in Moll wirkt und dennoch in den ärgsten Stunden noch mit letzten Kräften die Hoffnung wünscht, bis es nicht mehr gelingen kann - quasi die bittere Antithese zum gutgelaunt-rebellischen 'WIR MACHEN MUSIK'.

Zu stark erwürgen sie nämlich die hart-kontrastreichen Räumlichkeiten, welche dem Film einen starken Kammerstück-Charakter verleihen und mit beengender Aussicht die Glückseligkeit versperren; mit jeder Perspektive aufspringen, die des Öfteren auch mit Spiegelbildern erschlossen werden - sowie der Ehemann, dem es trotz aller Leichtlebigkeit nicht gelingen mag, seine Madeleine wirklich verstehen zu wollen. Sein lockerer Umgang kommt bei ihr erst mit der wahren Liebe zum Vorschein und da öffnet sich 'ROMANZE IN MOLL' auch zeitweise einer Unbeschwertheit in Wort, Bild und innigen Blicken, dass man jene Töne für immer halten möchte. Doch die Gewissheit, dass das Notensystem jenen Ton nicht beibehalten kann, macht dem Moll in bitterer Konsequenz alle Ehre. Leider muss es so enden, doch solange die Hoffnung zumindest einmal auffällig nach oben ragt, zeigt sich schon ein Stück vom Himmel. Die Hoffnung darauf verleiht diesem Film sodann seine tragischste und auch erbauendste Kraft - eben vollends dem Titel entsprechend eine 'ROMANZE IN MOLL'.




DAS LUSTSCHLOSS DER GRAUSAMEN VAMPIRE - 'LA VAMPIRE NUE', wie der Film im Original heißt, stellt nicht nur anhand der Addition lebendiger Farben ein erbauendes Gegenstück zu Rollins tragisch-naturalistischem Schwarzweiß-Debüt 'LE VIOL DU VAMPIRE' dar. Er entwickelt nämlich dieses darauffolgende Werk mit gleicher, phantastischer Thematik effektiv zum sinnlichen Prototypen seiner surrealen Traum-Verwirklichungen auf Zelluloid für die nächsten Jahre. Viele bereits hier wirkende Elemente mögen sich seitdem insofern nicht geändert, nur verfeinert haben - ein früher Umstand, den man gerne in Kauf nimmt, wenn trotz aller archaischer Mittel die selbe originäre Magie dieses Genre-Meisters zum Schwelgen einlädt.


Dabei ist die innewohnende Geschichte an sich wieder denkbar simpel, einem Groschenroman ähnlich und doch so schmusend-eindringlich: das offensichtliche Alter Ego Rollins, Pierre, erblickt des Nächtens eine wunderschöne, schweigsame Frau auf der Flucht vor Tiermenschen und versucht, sie vor ihnen zu beschützen. Die Verfolger schießen die Dame nieder, schleppen sie allerdings auch zu einer geschlossenen Gesellschaft, in die Pierre vordringen möchte, wovon ihn allerdings sein reicher Vater verdächtig abrät. Unser skizzenhafter Held lässt sich nicht lumpen und gelangt mit einem Handkanten-Trick hinein in die verschwiegene, bizarre Runde - welche sich sodann als Selbstmordclub entpuppt, dessen Mitglieder sich der unbekannten Schönheit als 'Getränk' opfern. Ist sie etwa ein Vampir? Als Pierre zum nächsten Opfer erklärt wird, macht er Reißaus und wird auf der Flucht von einem fremden Mann auf ein anderes Gebäude mit 'weiteren Mysterien' verwiesen - wohin er sich dann auch mit seinem Kumpel, dem Aktmaler Robert, begibt.


Dort angekommen begegnen sie, insgeheim im Ritus eingeschleust, erneut der lieblichen 'Vampirin', die von den vermummten Schergen nimmer aus den Augen gelassen wird. Es stellt sich nämlich heraus, dass Pierres Vater sie seit Jahrzehnten vor der Öffentlichkeit versteckt und mehreren Tests unterzieht, um an das Geheimnis der Unsterblichkeit zu gelangen - der Selbstmordclub ist dabei nur ein williger Mittel zum Zweck, der aber auch eine neue, sichere Behausung braucht, wenn alleine schon Pierre und Co. unbeschwert einbrechen können. Sodann wird das 'Experiment' außerhalb von Paris an ein prunkvolles, verlassenes und von-Nebel-umhülltes Schloss inmitten der Natur verlegt, welches aber bald sein uriges Geheimnis offenbart.


Die Artverwandten des Mädchens hausen nämlich in den Mauern - ragen im stärksten Bild des Films langsam als Fackelzug aus allen Ecken heraus und machen sich im gewaltlosen Widerstand auf (da z.B. Revolverkugeln und Kreuze ohnehin keinerlei Wirkung bei ihnen haben), die Entführte von den bösen, alten Männern zu befreien. Ebenso bringen diese sie wieder mit ihrem Beschützer Pierre zusammen, welcher fortan der Menschheit entsagt, sich nach dem Glück sehnend und befreit wie ein Kleinkind durch die Wälder läuft, schließlich nach der Einladung eines (scheinbar uralten) Ehepaars und dem Gang durch einen roten Vorhang einer der Ausgestoßenen wird. Sein Vater rast ihm hinterher, findet sich jedoch an einem (für Rollin unverzichtbaren) Strand wieder, der bereits in einer anderen Dimension verharrt - wo, abseits der ignoranten Menschenwelt, der sinnliche und friedliche Fortschritt eines selbstständigen 'Mutantendaseins' eine glückselige und doch melancholische Erfüllung findet (ein gewisser, politischer Kommentar lässt sich im Schlusspunkt dieser Produktion von 1970 sicherlich nicht abstreiten - hinsichtlich der damaligen Studentenunruhen ging der Vorgängerfilm Rollins allerdings noch sichtlich expliziter eben darauf ein).


Was bei anderen Regisseuren als pathetischer Reißer aufgezogen worden wäre, erfährt beim eigensinnigen Jean eine angenehm-sedierte Ausschmückung, die im kindlichen Leichtsinn eine stimmungsvolle, eindrücklich-entführende Aura erzeugt. Die innere Logik ist stets zu erkennen, macht sich aber mit entspannter Laune flockig-locker, um einen hypnotisierenden Sog aufzubauen, der nicht bloß verträumt durch die malerischen Kulissen schlendert und ab & an plötzliche bizarre Geschehnisse und Optiken aufschimmern lässt. Viel mehr herrscht ein erwärmendes Schwelgen in unbedarfter, natürlicher Erotik, die mit chilliger Wonne die Schönheit draller, weiblicher Körper beleuchtet, kaum Dialoge benötigt und sich dabei einem süßen Gefühl obligatorischer Romantik von exotischer Zauberhand ergibt - seit jeher ein bewährter, eskapistischer Wunschtraum Rollins und Ausdruck seiner ewigen Liebe zu den außergewöhnlichen Geschöpfen nächtlicher Fantasien.


Nirgendwo sonst äußert sich das so stark, wie bei seinem auch hier auftretenden Motiv der Zwillingsvampire (erstmalig verkörpert durch Catherine und Marie-Pierre Castel), die zunächst als lethargische Püppchen dem Vater Pierres dienen und sich höchstens an dessen erotischen Zugänglichkeiten erquicken (im gesamten Film gilt sowieso: nur die Frauen kommen dazu, ihre Lust auszuleben), jedoch nach einer Andeutung von allzu herrischem Sadismus seinerseits den Verrat an ihm üben und mit paralleler Selbstverständlichkeit den Ausbruch vollführen - zu befürchten haben sie ja sowieso nichts, da sie ja seit jeher unsterblich sind. Dennoch scheinen sie, eine verlorene Existenz zu bewandern, innere und äußere Qualen der Ablehnung zu erleiden, weshalb sie ebenso darauf warten, von einer Liebe erfasst zu werden, wie sie Pierre bei ihrer Leidensschwester ausübt. Rollin schenkt ihnen dafür immerhin einfühlsam-einvernehmendes Verständnis und entsprechend-ästhetisierte, impressionistische Bilder feucht-sprießender Natürlichkeit mit einer inneren Sehnsucht nach weiteren, sinnlichen Träumen und herzlichen Abenteuern - welche er in Zukunft dann auch mit zunehmender Schönheit verwirklichte. Ein schöner Einstieg!




NOAH - Was für eine einschüchternde Type muss der Aronofsky eigentlich sein, dass er so einen Film auf Millionenbudget aufziehen kann? Die Oberfläche suggeriert eine schlichte, gritty Neuerzählung der Kurzgeschichte aus dem alten Testament - seine Interpretation erfüllt diesen Faktor einerseits, dreht andererseits aber auch soviel auf den Kopf, dass ein überdrehter und bizarrer Wahnsinn die Folge ist. Dabei gibt sich der Film anfangs schon als krudes Fantasy-Epos in einer Welt voller Magie, Mythen und Wesen, die man so auf diesem Planeten niemals kennengelernt hat (wo man zudem bei Tageslicht noch Sterne erblicken kann, ein schönes Detail) - jedoch wird deren Erscheinung derartig in Relation mit der Entstehungsgeschichte der Erde und der Menschheit gesetzt (um auch der Kreation der Arche eine nachvollziehbare Grundlage zu verleihen), dass einem vor Befremdlichkeit schon mal die Kinnlade runterhängen kann.

Diese formt sich aber auch des Öfteren zu einem Grinsen zusammen, so oft sich der liebe Darren neben seinen eigenen, visuellen Träumereien (Stichwort: malerische Silhouetten bei Sonnenuntergang) an massentauglichen Gesten und großen Gefühlen der gängigen Blockbuster-Manierismen versucht - erst recht, wenn er dabei mit verschmitzten, platt-bunten Kitsch religiöse Gefälligkeiten und Zufälle (ebenso Widersprüche dazu) einstreut, die im Gegensatz zum eigentlichen, abgefuckten Kern des Films nur die zuckersüße Glasur für eine schonungslose Reise in die Tiefen von Selbstzerstörung und Fanatismus bilden - denn so wie Noah (Russell Crowe) allgegenwärtig knallige Visionen und animalische Mirakel aus Gottes Hand erblickt, verwundert es kaum, wie verblendet er schließlich in seiner konsequenten Misanthropie aufgeht.


Von Kindesbeinen an wird ihm gelehrt, dass die Menschheit aus zweierlei Lagern besteht - den Nachfahren des Bösen (Kain) und des Guten (Seth). In diesem Szenario einer trostlosen Erde herrschen natürlich vermehrt die Schrecklichen, mit kannibalistischen Ansporn und einer überheblichen Verachtung gegenüber der Umwelt. Noah, der zusammen mit seiner Familie durchs karge Land zieht - und als Hippie-esker Herumtreiber eher eins ist mit der Natur -, sehnt sich daher nach universeller Gerechtigkeit, die ihm seine Träume dann auch bald offenbaren: eine Flut wird kommen und alles Verkommene (Menschliche) hinwegspülen, Travis Bickle-Style. Sich tagtäglich durch die Horden der Kain-Gefolgschaft durchzukämpfen, dürfte ihn schon einigermaßen von dieser Möglichkeit überzeugt haben, bestärkt wird er zudem von seinem Großvater Methuselah (Anthony Hopkins), der wahrlich ein paar tolle Legenden seinerseits auf dem Buckel hat und seit jeher den magischen Touch besitzt.


Folglich ist der Erhalt von Gottesbotschaften zu jener Zeit keine Seltenheit und spornt die Stop-Motion-artigen Watchers, selbst gefallene Engel in Felsenfassung, schließlich dazu an, beim Bau der Arche mitzuhelfen, zu welcher alle Tiere dieser Welt per innerer Führung hinfinden. Die Jahre vergehen, Noahs Kids (sowie das aufgelesene Waisenmädel Emma Watson) werden langsam erwachsen und freuen sich schon dolle auf den Wiederaufbau der Menschheit anhand ihrer gütigen Gene. Die bösen Gene, angeführt von Tubal Cain (Ray Winstone), beanspruchen allerdings auch einen Platz für sich auf der einzigen Bastion des irdischen Überlebens, was natürlich schnell einen ideologischen Konflikt beider Seiten herbeifördert, denn das Böse darf laut Noah nämlich nicht überleben, weshalb es folgerichtig den Gegenangriff anhand apokalyptischer Massengewalt plant.


Doch Noah und auch Aronofsky fangen bald an, noch radikaler zu denken: die Menschheit an sich darf nicht überleben, da auch die Guten in der Notwehr zum Bösen werden können, was der Arche-Boss im Verlauf des Films vor allem an sich selbst beweist. Hauptsache, man kann das unschuldige Getier retten, welches er in seiner außerordentlich darwinistischen Variante vom Urknall und der göttlichen Erschaffung der Erde immer noch vom Ursprung des Menschen trennt (quasi Evolution und Gottes Ebenbild - Seite an Seite). Denn die Menschen sind aufgrund ihrer 'natürlichen' Neigung zum Bösen und dessen zahlenmäßiger Übermacht prädestiniert, als selbstgerechte Feinde der Natur dazustehen und ohnehin untereinander verfeindet zu sein, was laut Montage bis zum heutigen Tage bestehen geblieben ist.


Folglich setzt Noah dann auch alles daran, sein hölzernes Fort zu verteidigen und auch ohne Gnade dafür zu sorgen, dass keinerlei Nachfahren die neue Welt mehr bewandern können - Überlebende müssen auch draußen bleiben und in den Fluten verrecken. Er glaubt anhand aller zusammenkommender Zeichen verständlicherweise an diese seine himmlische Aufgabe, setzt dafür aber auch seine eigene Menschlichkeit aufs Spiel, um der göttlichen Fügung seiner Ansicht nach gerecht zu werden - was dann auch den Hass der eigenen Familie gegen ihn aufbringt. Jener Konflikt nimmt sodann die gesamte zweite Hälfte des Films ein, die in allen Werbematerialien wohlweislich totgeschwiegen wird. Noah, der willige Massenmörder Gottes, befand sich ja schon immer im Subtext der ursprünglichen Geschichte, hier wird er als erbarmungsloser Kauz zum Leben erweckt, der theoretisch nicht zögern würde, weibliche Babys abzustechen, um die Menschheit vollends auszurotten.


Der rechtschaffene Patriarch mutiert zum böswilligen Feind, zum ökonomischen Gotteskrieger im Kontrollwahn. Eine wilde Vorstellung, die auch vom versöhnlichen und glückseligen Schlusspunkt nicht vergessen gemacht wird. Denn obwohl man ein klares Zeichen dafür setzt, dass ein Anteil der Menschheit immer für Güte und Bescheidenheit einstehen wird, egal aus welchem Lager er nun kommt, bleibt proportional dazu immer noch der gewisse Faktor des 'Bösen', den man wohl oder übel auch akzeptieren muss, da er zum Wesen des Menschen einfach dazugehört. Denn das beweist der Aufenthalt auf der Arche unmissverständlich: ob man gut oder böse handelt, entscheidet nur der persönliche Kontext. Und wenn eine göttliche Aufgabe objektiv das Böse und den Schrecken heraufbeschwört, sollte man auch von ihr ablassen können. Denn (die bereits von Tubal Cain beschworene) Selbstbestimmung ist letztendlich der Schlüssel zum humanen Leben und nach dieser harten, unfassbar blutigen Prüfung gibt auch der Schöpfer scheinbar seinen Regenbogen-farbenen Segen.

Im Grunde bleibt darin trotzdem ein soziopathischer Wahnsinn vorhanden. Aronofsky weiß zwar, dass er seinem potenziellen, christlichen Publikum zumindest einige zufriedenstellende Werte abliefern muss - wirklich an sie glauben muss er aber nicht. Viel mehr scheint ihn das Spektakel des Untergangs zu begeistern, welcher optisch meist eine Fingerübung für den kurzweiligen Mainstream abgibt, sich allerdings auch audiovisuell einem Panoptikum an brachialer Gewalt und märchenhafter Mystik offenbart, das sich hauptsächlich zum packenden, ausgeflippten Schlachtengemälde ausfüllt. Wenn sodann unsere Vorstellungen vom Ursprung allen Lebens provokant abstrahiert werden, Fantasiekreaturen die blutende Erde bewandern und der fanatische Selbsterhaltungstrieb durchgängig die Menschlichkeit aufeinanderhetzt, erhält man schließlich den Eindruck einer kontinuierlich gottlosen Welt, die in ironischer Wechselwirkung von einem verbittert-verblendeten Menschenfeind auf Gottesmission am Leben erhalten wird.

Und dennoch kann man Aronofsky selbst nicht als Menschenfeind betrachten, sondern als jemand, der von der Existenz der berüchtigten, moralischen Grauzone weiß und trotz aller sinnlich-naturverbundener Bilderfluten die grausame Krassheit dieser biblischen Prüfung zur Einsicht bringt. Seine Version von Gott erschafft nicht nur die Menschen, er verführt sie auch, die Option eines Schicksals des Schreckens zu ergreifen - lässt sie sich gegenseitig zerfleischen, nur damit er sie nach Generationen des Zuschauens fluten und ersaufen kann, wie es ihm gefällt. Das ist ein Gott, der seine gefallenen Engel in schmelzendes Gestein hüllt, um sie zu klobigen, angreifbaren Gestalten werden zu lassen und diese erst als Opfer ihrer zugeschriebenen Aufgabe in den Himmel zurückzuholen.

Und mit dieser Konsequenz verführt und verzehrt er auch Noahs Wesen, macht ihn zum engagierten Mitstreiter eines sadistischen Spiels, das selbst in der Aussicht nach Hoffnung letztendlich keine Verbesserung hervorbringt. Die Menschen bleiben nun mal gleich unstimmig, aber sie sind dabei auch, wie gehabt, Gottes Ebenbild. Der Schöpfer gibt sich gnädig, doch er macht sich einen Spaß aus uns (wahrscheinlich, da die Tierwelt keine derartig-zerstörerischen Kräfte aufbringen kann). Da ist es nur recht, dass sich Aronofsky als adaptierender, menschlicher Schöpfer/Sadist einen höllischen, aufregenden und bewusst-kontroversen Spaß aus dieser Geschichte nach Gottes Wort macht.

(Diese Kritik gibt's ebenfalls hier bei den DREI MUSCHELN zu lesen)




ZWANZIG MÄDCHEN UND DIE PAUKER: HEUTE STEHT DIE PENNE KOPF - Werner Jacobs besaß in den frühen 1960ern und 1970ern ein außerordentliches Monopol auf das Genre des Pauker- oder auch Lümmel-Films, war er doch in der Funktion als Regisseur der kompletten 'LÜMMEL VON DER ERSTEN BANK'-Reihe im Grunde Schutzherr dieser cineastischen Auswüchse, die dank des massiven Publikumserfolges zum beständigen Faktor im deutschen Nachkriegskino wurden. So verwundert es einerseits kaum, dass gewisse Nachahmer ein Stück vom Kuchen abhaben wollten (siehe 'KLASSENKEILE') und man andererseits auch versuchte, jene profitablen Elemente schließlich irgendwie mit dem aufgeklärten Zeitgeist zu verbinden.

So entstand 1971, natürlich nochmals unter der Leitung Jacobs, wie gehabt für die Constantin (zudem ko-verfasst vom damaligen Geschäftsführer Manfred Barthel), dieser spezielle 'Mädels-Lümmel'-Film, der recht deutlich auf das Teenie-Publikum und auch deren Hormone im Abi-Alter schielte, zudem bezeichnenderweise zuerst 'ZWANZIG MINIS UND DIE PAUKER' heißen sollte. Im Fokus steht dabei die augenfreundliche und reizende Mascha Gonska, die als Trixie Biederstein (ein Name, der nicht nur ihre Trickfertigkeit, sondern auch ihren biederen Familienhintergrund reflektiert) nun mit ausgefuchsten Streichen die Schule aufmischt, um ihr verheißungsvolles Engagement beim Theater zu verfolgen. Bildung ist für dieses fesche Girl nur eine Last, eine Bürde vor der Karriere, die sie eigentlich sofort einschlagen könnte.


Schließlich benutzt sie bereits ihre Optik als Kapital, bringt sie den Unterricht doch nicht nur mit Frechheit in Aufruhr, sondern auch mit ihren Qualitäten als hintergehende 'femme fatale' (da sie ja dadurch ihren Onkel, dem Direktor der Schule, in Teufels Küche bringt) - das kommt schon angenehm verrucht und in knappen Miniröcken, echter Sex darf aber noch nicht sein, versteht sich. Aber Junge, was schauen ihr doch schon die Kerle hinterher (bzw. auf den Arsch), was bezeichnet sie ihr Theaterdirektor (Rolf Olsen) doch bereits als 'williges Talent'. Diesen Umstand nutzt der Film dann auch für einige subtile Spielereien anhand der Faszination mit der Frau von heute und optischen, erotischen Reizen. So verwirrt Trixie den Studienrat Nager (Ralf Wolter), welcher gerade über Lichtbrechung und Linsen lehrt, mit einer optischen Täuschung, bei der sie sich, immer wenn er nicht hinguckt, neue Perücken aufsetzt und er folglich nicht weiß, wie ihm geschieht.


Auch andere Pauker (ebenfalls gerne 'Latscher' genannt), kriegen Trixies (und Jacobs) Einfallsreichtum zu spüren. So macht die trottelig-steife Musiklehrerin, die auf ihrem Klavier eine Gips-Büste von Beethoven platziert hat und die ältesten Hymnen anstimmen lässt, Bekanntschaft mit einem tänzelnden Skelett, das sie in Angst und Schrecken versetzt, obwohl sie sich mit so viel 'toten' Materialien & Symbolen umgibt. Ohnehin erliegt diese Schule etwas Unheilvollem - denn obwohl der Soundtrack von Erwin Halletz pfiffigen Groove und Schlager an den Mann bringt, der zusammen mit der ironischen Haltung zum Schulapparat Erinnerungen an unschuldigen Klamauk oder alte Folgen von 'Die Sendung mit der Maus' hervorbringt (anhand von Porno-Synthesizern, Schlager und Orgel sowie dem singenden Starlett MANUELA, das in der Rolle einer jungen Studentin schon etwas alt aussieht), ist das eigentliche Ambiente nichts für heitere Stunden, erst recht nicht im verknarzten VHS-Format.


Die Provinz-Kulisse mit ihren Altstadt-Aufnahmen von Rothenburg ob der Tauber um die winterliche Jahreszeit herum erschlägt das Gemüt mit keimig-glatten Inneneinrichtungen und einer erst recht blass-biederen Schule als zentralen Handlungsort, wo die strengen Pauker derartig stürmisch und gewalttätig auf Streiche und Frechheiten reagieren, dass man sie heutzutage ohne Weiteres verklagen und suspendieren würde. Speziell sei da Studienrat Nager genannt, der bei der Aktion mit den Perücken derartig in Rage gerät, dass er seine Schülerinnen unverhältnismäßig-brutal an den Haaren herumzehrt.


Eine Stimmung von unterdrückendem Sadismus wird dabei suggeriert, der sich zudem in der angedeuteten, nicht voll-ausgeführten Romanze von Trixie zum jungen Nachhilfelehrer Dr. Klaus Höllriegel (Gerhard Lippert) äußert - schließlich will sie ihm auch einen Streich mit einem zugeklebten Salami-Brötchen spielen, der jedoch packt sie am Mund und stopft ihr das Brötchen in den Rachen, woraufhin er sie auch noch übers Knie legt und verhaut. Diese Gewalt turnt sie trotzdem irgendwo an und lässt die Beiden im Folgenden verschmitzte Streitgespräche führen, in denen sie sich stets über seine Beleidigungen echauffiert, aber auch ganz Ohr ist, wenn er mal ein Kompliment austeilt. Eine vollends devote Beziehung zwischen Mann und Frau bahnt sich da an - der Film hat insofern auch ein durchaus krankes Verhältnis zum Wesen der 'Gelehrsamkeit'.


Dabei werden in diesem Komplex geradezu selbstverständlich und auch unterschwellig starke Parallelen zu totalitären Systemen erschaffen, die nicht nur mit der Propagierung von Anti-Autorität zu tun haben. Man denke da an die Tante Trixies, Adele (Heidi Kabel), die von außen hin die strenge Heimleiterin geben muss, insgeheim aber Feuer & Flamme für die zersetzenden Streiche ihrer Nichte und deren Verbündeten ist, diese sogar mitorganisiert - da haben wir ihn, den geheimen Widerstand. Dann geschieht bei einem Streich der Einsatz von Schädlingsbekämpfern von der Firma Doppelblitz, deren Logo einem halbwegs-gespiegelten SS-Logo entspricht und vollkommen rücksichtslos die Belegschaft der Schule zur Säuberung von Ungeziefer mit Giftgas einsprüht.


Rücksichtslos sollen auch einige Zirkustiere eingeschläfert werden, die gerade noch so aus ihrer Trostlosigkeit in einige leere Räume der Schule herausgerettet werden können, nachdem deren Besitzer pleite gegangen ist und nun abseits der Gesellschaft im Dreck hausen muss. Hier zeigt sich der bittere Niedergang vom Künstler- und Kulturwesen, der bereits eine Szene vorher ausgeübt und hier geradezu schicksalhaft fortgesetzt wurde: zuvor erkannte Trixie nämlich viel zu spät, dass der Theaterdirektor nur an ihr Geld wollte, sie einsam zurückließ und alle Träume von der Karriere zerbrach - ein tragisches Bild, das auch bei Fassbinder gut hineingepasst hätte (immerhin versucht die Wirtin Brigitte Mira sie hier nach der kalten Offenbarung zu trösten).


Die Handlung steuert zudem neben dem Frönen von antiautoritären Streichen darauf hin, dass Trixie sich derartig bei den Paukern unbeliebt macht, dass Studienrat Dr. Birnbaum (Fritz Tillmann) ihren Onkel (Rudolf Schündler) aufgrund dessen Verwandschaft (und ambivalente Duldung) mit der unbequemen Querulantin denunziert, um so hinterrücks seinen Posten einzunehmen. Ein hinterhältiger Putsch, den Trixie nun wiedergutmachen muss. Dabei beweist sie auch, dass sie was in Birnbaums Unterricht gelernt hat, macht sie ihn doch mithilfe von Staubpartikeln (ein Thema, mit dem er um die Aufmerksamkeit der Schüler buhlte) in an-ihn-überreichten Blumen schlaftrunken und verwirrt. Daraufhin blamiert der sich so brachial bei seiner großangelegten Rede in der blutrot-dekorierten Aula, dass man ihn schnell wieder absetzt und die Schule stattdessen für ihre Aufnahme von den verwahrlosten Tieren auszeichnet.


Das ist gerade nochmal gut gegangen, der Widerstand hat gegen die potenziellen Tyrannen gesiegt. An Trixie präsentiert sich allerdings eine durchaus zwiespältige und interessante Charakterentwicklung - schließlich war sie aufgrund ihres Drangs nach dem Theater so sehr aufs Streichespielen fokussiert, dass die letztendliche Enttäuschung ein tiefes Loch in ihr Herz geschnitten hat. Daraufhin zeigt sie zwar auch Reue und hilft ihrem Onkel wieder auf die Sprünge, weshalb man an ihr also langsam durchaus Sympathie für den Schulapparat sieht - dabei fühlt sie sich aber auch allmählich einem Liebhaber verbunden, der sich bis dahin nur mit hämischen Sadismus bei ihr geäußert hat. Wirklich gesund scheint so eine Beziehung erstmal nicht. Doch diese Anziehungskraft gründet sich ja auch in ihrem eigenen Sadismus, den sie gegenüber der Lehrerschaft äußert, mit diesem aber schließlich auch den Status Quo wiederherstellt und zudem verspricht, genauso weiterzumachen.


Im Grunde hat ihr Charakter einen Kreislauf eingenommen, in welchem sie zunächst mit den Streichen aus der Schule geschmissen werden wollte, nun aber im Endeffekt noch immer Streiche spielt um der Schule zu helfen. Glaubt sie dabei noch immer an ihre Selbstbestimmung oder hat ihre Sinnkrise derartige Spuren hinterlassen, dass sie nun einem Zerstörungstrieb folgt, der nach geraumer Zeit dieselben Probleme erneut zum Vorschein bringen oder auch ins Nichts verlaufen dürfte? Wie man's auch dreht: Trixie scheint durchaus sadomasochistische Neigungen zu haben, Mitschülerinnen und sogar ihre Tante fördern sie auch noch dabei, gefolgt von der Schulleitung an sich - die Erziehung hat bei ihr versagt, aber das Schulsystem bleibt bestehen.


Es mag jetzt zwar im Sinne der Zeit mehr Freiheiten erlauben, das Aufbegehren der Schüler nach 'Rebellion' wird dabei aber (ähnlich wie bei 'SNOWPIERCER') als Mittel zum Zweck umfunktioniert. Eine Adaption, die an sich ebenfalls sadomasochistische, aber auch erfüllende Züge trägt - der Konflikt vom diktatorischen und anarchischen Quälen beruht wohl auf Gegenseitigkeit, beide können nicht ohne. Werner Jacobs ist also mit der kontemporären Konzeptverfeinerung seines 'LÜMMEL'-Werkes trotz oberflächlichem, kindischen Unterhaltungsfaktor eine schön unterschwellige Beobachtung diskutabler Unterordnungs-Systematiken im Angesicht von Emanzipation, Aufklärung und Anarchismus gelungen, die den Widerspruch von Hierarchie und Demokratie mit potenziell diktatorischer Konsequenz karikiert.




DER TODESSCHREI DES GELBEN TIGERS - (GESICHTET IM METROPOLIS KINO HAMBURG IM RAHMEN DES BIZARRE CINEMAS)

Chang Cheh versuchts mal auf die etwas ulkigere Tour - zusammen mit dem taiwanischen 'Venom Mob', der insgesamt an die ca. 28 Filme bei den Shaw Brothers auf die Beine stellte, liefert er hier erneut 'gelungene' Stangenware ab. Der Ernst seiner Wuxia-Bloodshed-Epen wurde dabei deutlich zurückgestellt, jedoch vor allem gegen Ende noch ein Stück weit ausgeteilt. Bis dahin herrscht jedenfalls ein unfassbar archaischer Plot, den man sich nur so zusammenreimen kann, dass die Bösen die Guten jagen und umbringen wollen. Und das beinahe komplett inmitten einer (im Studio aufgebauten) Straße, in der offenbar keinerlei Gesetz herrscht und jeder jeden abmurksen sowie Häuser verbrennen kann, ohne das jemand aufmuckt.


Auch Frauen sind in dieser kleinen, eigenen Welt obsolet, im Zentrum stehen stattdessen 5 gewitzte, artistische Kung-Fu-Burschen, scheinbar die 'Tollen Charlots' des Easterns, die auf ihren grundverschiedenen Wegen allmählich zusammen kommen - zwei von ihnen sind einfache Arbeiter, ein Koch und ein Bäckergehilfe, die in ihrer durchweg verschmitzten Art nicht anders können, als ihren Kunden & Chefs frech zu kommen und Streiche zu spielen. Ein anderer geht auf eine elitäre Kung-Fu-Schule, die seine Kampfkünste verspottet (dabei selber nur mäßige, überhebliche Mimosen aufbieten kann), der nächste wird von Schergen gejagt und ist an sich der Hauptauslöser des Spannungsbogen. Der Fünfte und Kleinste (und Coolste) im Bunde taucht eines Tages aus dem Nichts auf und mischt bei einer deftigen, gewitzten Kneipenschlägerei mit, welche neben anderen, charakterlichen Faktoren allerseits einen lässigen Spencer/Hill-Vibe ausstrahlen.


Eine totale Gag-Sause entfesselt Regisseur Cheh mit seinen fünf erneut verbündeten Venoms nun nicht, dafür fehlt ihm u.a. das nötige, pointierte Feingefühl, weshalb sein Film insgesamt im Aufbau und in der Szenenauflösung reichlich ungelenk wirkt. Die innewohnende Kohärenz fällt da besonders hanebüchen aus - speziell sei jene Szene genannt, in der unsere Helden in einer Färberei die Nacht hindurch warten, während die Bösen in der Schule nebenan so tun, als ob sie Mannschaften aufstellen (denn Abhauen wäre keine Option?). Cheh bleibt da Gottseidank nichts anderes übrig, als seinen 5 artistischen Stars & deren Kollegen die filmische Übermacht zu überlassen - extravagante und virtuose Choreographien mit irrwitzigen Kampfutensilien (Ringen, Zöpfen, Stahlkeulen) und spielerischem Witz sind das übergreifende Resultat.


Dass er sich nur routiniert für diese Schauwerte begeistern konnte, sorgt leider aber auch dafür, dass viele Kämpfe eine unkonzentrierte Überlänge einnehmen und trotz aller artistischer Finesse schlicht austauschbar mit seinem restlichen Œuvre sind. Das ist dann alles noch ein gutes Stück weit entfernt von dem Tempo & Risiko, dass ein gewisser Jackie Chan zu seiner Hochzeit vorlegte, selbst wenn die Venoms eigentlich ein sympathischer Haufen sind und von der deutschen Synchro mit altbekannter Münchener Besetzung (Röbke, Gastell, Belle, Tramitz etc.) einen entsprechenden, doch leider nicht voll ausartenden Sprachwitz spendiert bekommen. Alles hält sich noch in einem gewissen, harmlosen und souveränen Rahmen, der mit ein paar schicken Einfällen punkten kann, jedoch nur eine mäßig eindringliche Schau anbietet - wie in einer angenehmen Zirkusvorstellung vorstellbarster Natur.

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