Sonntag, 30. Oktober 2016

Tipps vom 24.10. - 30.10.2016

Liebä Läsä,
meinem wöchentlichen Zustandsbericht zufolge darf ich voller Freude feststellen, dass es letztes Mal wieder ein bisschen mehr Andrang gab, die Links zu diesem Blog anzuklicken. Ich hoffe zwar nicht, dass mein kleiner Ausflug in die Meckerkultur allein dafür verantwortlich war, doch ich bin auf jeden Fall Marco Koch vom Filmforum Bremen zum Dank verpflichtet, welcher die Tirade vorherigen Sonntags zum Anlass nahm, mich an erster Stelle seiner Rubrik „Das Bloggen der Anderen“ zu empfehlen. Daran gibt es gewiss nichts zu meckern, allerdings bin ich weiterhin noch hin- und hergerissen, wie ich dieses mein Tippen noch ansprechender gestalten kann, nachdem letzte Woche von kurzen bündigen Texten die Rede war, spätestens dann bei „Mary Shelley's Frankenstein“ aber wieder enorm ausgeholt wurde. Wie der Volksmund schon sagt, braucht man solche langen Absätze halt, um bei moviepilot mit aufmuckenden Zitaten auf die Links zu Kritiken aufmerksam zu machen - siehe später auch dieselbe Methodik beim Verweis zu meiner „Doctor Strange“-Kritik, denn für die bleibt ihr bestimmt noch etwas länger sitzen, newa? Deshalb ist auch diesmal Durchatmen angesagt, denn so kurz vor Halloween hat sich noch eine Menge an Werken ergeben, die fast so energisch zum gemütlichen Heimkino animiert wie die Angst vor Horrorclowns. Wer hier aus der Zukunft oder Vergangenheit mitliest: Jaaa, 2016 hatte neben allem Überschiss auch noch den Trend öffentlich schockierender Clowns in petto, um den wiederum unmaskierten Hoschis der Welt auch im Herbst noch eine Projektionsfläche zur direkten Demokratie anbieten zu können - „Terror - Ihr Urteil“ hinterlässt eben doch seine Spuren, auch wenn die Diskussion darum schon wieder gnädigst abgeflacht ist. Die Leute sind eben noch mit anderen Sachen beschäftigt – junge Kerle quatschen sich 3 Uhr nachts im Bus gegenseitig den Arsch voll, wie ihnen „der Koks aus der Nase“ läuft, während eine ältere Dame mit Hund an der Leine um 4 Uhr morgens bei einem an der Haustür klingelt und mit in der Mini-Wohnung unterkommen will, weil sie bei ihrem Mann im selben Blockgebäude laut Gerichtsbeschluss nicht mehr leben dürfe. True Stories! Besser dagegen der Youtube-Kanal Heimatfilme der Kineos GmbH, die offiziell aus dem KirchMedia-Bestand lizensierte Versionen von Filmen wie „Komm mit zur blauen Adria“, „Holiday in St. Tropez“, „Sterne über Colombo“, „Die Gefangene des Maharadscha“, „Klassenkeile“ oder „Zwanzig Mädchen und die Pauker“ in recht fixer VÖ-Rate hochladen. Außerdem ist die Qualität MAZ-tauglich bis ausgezeichnet, was dem hiesigen Leser einige Freudentränen abringen dürfte. So, genug von der Verzögerungstaktik (immer noch besser als die Rechtfertigungsmaschen von Oettinger und Cantz), ran an die Filme. Zunächst aber noch einige kleine Anmerkungen, bevor die großen Geschütze hier für erschöpfenden Lesespaß sorgen:


Es gab wieder einen Filmabend, aus dem ich alle hier besprochenen Beispiele (abseits des einen Neustarts) vorstellen wollte. Weil sich Zeit und Hirnkraft aber nicht für jedes Werk ergaben, bleiben dieses Mal Bob Clarks Debüt Children shouldn't play with dead things sowie Paul Verhoevens Starship Troopers besprechungstechnisch etwas auf der Strecke. Dem ersten beider Filme würde ich jetzt nicht zu doll hinterher trauern, da sich jene Fingerübung Clarks im atmosphärischen Zombie-Horror doch etwas stark von einer schaurigen Erwartungshaltung in die Ereignislosigkeit schleppt, im (leidlich komischen) Slowest-Burn-Modus zwar charakterlich aufbauen will, aber ironischerweise vom unbequemen Einverständnis zur Performance des Geldes wegen erzählt, ehe das Low-Budget-Projekt im sowie als Film in seinem letzten Drittel voller Wiederkehrer endlich zum Agieren animiert wird. Verhoevens umstrittene Heinlein-Adaption hingegen wurde zur Wiederauffrischung aufgetischt, um festzustellen, ob und wie sich der Gebrauch faschistischer Ästhetik und Parolen hier als Science-Fiction-Splatter UND Antikriegssatire mustert. Offensichtliche Zeichen wie der irrationale Jingoismus zum Sieg (= genau 1 gefangener Brainbug für abertausend tote Bodentruppen; bei einem Planeten, der den Ressourcen wegen nicht sofort zerbombt werden sollte – Vorzeichen der Bush-Ära en masse) sowie Verhoevens bewährte TV-Spot-Einlagen sensationalisierter Brutalitäten wechseln sich dabei mit einer Bedienung des Effekt-Spektakels ab, an der die Charaktere trotz ihrer Plattitüden nie komplett verballhornt werden. Verhoeven spielt als Mittler beiden Seiten gewissermaßen zu, wie er u.a. auch in offenen, asexuellen Nacktheiten progressive und totalitäre Ideologien zugleich suggerieren lässt; seine coolen Teen-Stars à la Propaganda mit Honk-Sprüchen (Jake Busey) und tragischen Schicksalen (Johnny Rico) ausstattet, gleichsam deren vergängliche Funktion im Zyklus der Militärmaschinerie als Ursache und (deutlich hässliche) Wirkung des Krieges entwickelt. Die letztendliche Massentauglichkeit des Films positioniert sich im Vergleich zu früheren wie späteren Arbeiten dennoch irgendwie nicht konkret/genüsslich genug ins Kritische, auch wenn Verhoeven die Zwiespältigkeit des hurra-patriotischen Alien-Kampfes durchweg offener auf den Tisch legt als z.B. „Independence Day“.


Zwei weitere Filme, die mir im Verlauf der Woche noch ergänzend aufgefallen waren: Shin'ya Tsukamotos „Hiruko – The Goblin“ und Ron Howards „Eine Wahnsinnsfamilie“. Ersterer ist als Splatter-Comedy-Konglomerat mit Versatzstücken aus „Tanz der Teufel“, „Das Ding aus einer anderen Welt“ und Co. im Grunde wie eine dieser neumodernen Hommage-Sausen, die das Horror-Genre seitdem langweilig gemacht haben, allerdings kann Tsukamoto dabei noch eine halsbrecherischere Energie aufweisen, die zudem ausgiebig binnen japanischer Mythologie fantasiert, an entsprechenden Stellen Comic-Sternenhimmel aufzieht, an anderen wiederum unglaublich auf Urängste abzielende Kreaturen fürs gepflegte Albträumen herausholt - Arachnophobiker sollten den Film meiden. Was Tsukamoto neben allem skurrilen Splatstick aber noch eine gewisse Würde verleiht, ist der Verzicht auf allzu zynische Charakterzeichnungen, die deren Belange sonst ironisch auflaufen lassen würden, hier jedoch noch von zeitweise naturbetonter/romantischer Eleganz und einem mehr als Studio-Ghibli-tauglichen Soundtrack von Tatsushi Umegaki in die Bezwingung mehrerer Traumata und Schuldgefühle begleitet werden. Nicht, dass der Film keine belanglosen Längen, Gags und gehetzten Etablierungen ins Standardisierte parat hätte, doch sein Kurzweil und Grusel lassen sich dem allgemeinen wie spezialisierten Genre-Freund durchaus empfehlen. Bei Ron Howards Film hingegen muss man wie gehabt wiederum Abstriche in der Empfehlung machen. So angenehm unaufgeregt der Plot anfangs die komplexe Familienbrut Buckman im desillusionierten Optimismus des Amerikas später 80er Jahre beobachtet, endet es bei Howard schlimmstenfalls wieder mit formelhaften Happy Days für alle Beteiligten, dass jeder realistische Ansatz wie von Zuckerwatte erstickt scheint. Steve Martin, Geschwister, vorherige und nachfolgende Generationen sind da disfunktional um die ideelle Fassung bemüht, vergängliche Nervenbündel im Bezug zu den eigenen Kindern und zudem kaum noch wirklich beziehungsfähig. Da gäbe es reichlich Überhöhungen zu erwarten (man bemerke die ausgezeichnete Handhabung des Gesprächs zwischen Eltern, Schulleiterin und -psychologe), doch die bleiben einer genuinen Menschlichkeit wegen größtenteils aus, wenn auch stets allzu clevere (mal mehr, mal weniger dynamische) Pointen der Gewöhnlichkeit im Star-besetzten Ensemble auftreten. Bald fällt aber auch auf: Der Originaltitel „Parenthood“ gilt nur insofern, dass von den Idealen und Fehlern der Väter die Rede ist, Mütter wie Kinder mit diesen arbeiten, ohne wirklich jemals auf eigenen Beinen stehen zu können. Dennoch wird Dianne Wiest als alleinerziehende Mutter hier ebenso eine zentrale Empathie gegönnt, die von der Vernachlässigung der Männerwelt enttäuscht ist, da aber wie der Zuschauer auch an Gegenbeweise herangeführt wird, die à la Martins Charakter die Heilung ihrer Mitmenschen bemühen, dann aber doch selbstverständlich in manches Fettnäpfchen treten. Das gilt leider auch für Howard selbst, der offensichtlich keinen großen Fehler darin sehen kann, konservativen Familienidealen entsprechen zu wollen und deshalb Stück für Stück auf eine forcierte Lösung aller Probleme hinarbeitet, in denen die Klischees pathetischer Baseball-Siege, Hochzeiten und neuer Babys für quasi jede Frau im Film auf kitschigem Konsens landen. Martins Charakter selbst hält es da noch für Blödsinn, wenn die leicht demente Oma zufällig eine Lebensweisheit im Gleichnis einer Achterbahnfahrt heraus haut, doch irgendwann ergibt er sich dieser völlig, nachdem Howard sie auch noch peinlich plakativ visualisiert hat. Und dann dieses Ende...je weniger man darüber sagen will, desto schneller sucht man sich schöne Screenshots von den Hunden im Film heraus. Apropos:




Wer in den letzten Wochen aufmerksam mitgelesen hat, wird vielleicht schon von meinen freiwilligen Admin-Tätigkeiten für die Facebook-Seite „Der Hund im Film“ gehört haben. Nicht, dass ich hier durchweg Eigenwerbung betreiben will, aber wer von der Relevanz jenes Tieres im Medium Film noch immer nicht überzeugt ist, sollte bei Gelegenheit mal „Der Tod kommt auf vier Pfoten“, eine Großtat von John Lafia, ins Auge fassen. Als ob ein Film ausschließlich an uns Jungens und Mädels der traditionellen Filmabend-Crew angepasst wurde, präsentiert sich die New-Line-Produktion vom „Chucky 2“-Regisseur (und „Chucky 1“-Autor) Lafia als Bonbon der Genre-Freude, welches die Merkmale des Tierhorrors bewusst mit der inhärenten Niedlichkeit des Hundefilms kombiniert, Ally Sheedy gegen Lance Henriksen antreten und ohnehin dauernd Duos der Honkigkeit zueinander führen lässt, um eine bizarre Zeitkapsel der Neunziger abzugeben, die innerhalb eines ganzen Jahrzehnts solcher Zeitkapseln schon bestechend aus der Reihe fällt. Zielsicher steuert der Film nämlich wie selbstverständlich auf die kurzweiligsten Impulse zu und steigert deren tierisch blutrünstige Eindrücke kontinuierlich ins Reißerische, bis die Komödie der Eskalation durchscheint - das heißt, wenn man nicht zuvor schon pausenlos entzückt seufzt oder mit Gelächter quittiert, welch Kanonade an Reaktionen und vermenschlichten Handlungen die Tibetdogge Max so durchweg zur Schau stellt. Max (nicht dieser) stiehlt allen die Schau, von daher ist die Ausgangssituation schon versimpelter Mumpitz, in welchem das behauptete TV-Reporter-Lingo von Lori Tanner (Sheedy) in seiner Geballtheit kein Klischee auslässt, erst recht fernab der Realität verballhornt agiert, wenn sie mit der Kollegin ins Tierversuchlabor der Firma EMAX (vom Logo her beinahe identisch zu IMAX) einbricht und so unbedacht die Top-Story an den Dumpfbacken-Wachen vorbei einfängt, dass sie die Arbeit gleich mit nach Hause nimmt - und sich jeder Zuschauer fragt, wie sich die journalistische Integrität hier aus einer Anklage herausreden könnte.


Die klassischen Muster infolge solcher Abenteuer entfalten sich sodann verstärkt in der sicher geglaubten Behütung des Haushalts (siehe „Planet der Affen: Prevolution“), gehen aber noch entschiedener in die Extreme der Bindung von Mensch und Hund, sobald Max den spontanen Raub- und Vergewaltigungsversuch eines Räudendiebes an Lori bissfest zu verhindern versucht, ihre gestohlene Tasche zurück apportiert sowie den Bösewicht bis auf die Knochen zerfleischt. Der Hund ist schlau und potenziell gefährlich, so wie der fiese Dr. Jarret (Henriksen) in seiner Penner-Jeans-Jacke klar macht, dass Max als Genkreuzung vielerlei Tiere zu allem fähig sei und bald wieder seine Schübe kriegen wird. Das Duo der Honk-Polizei mit lautmalerischen Namen wie Emilio und Kovacs, das ihm immer wieder skeptisch entgegenkommt, staunt auch nicht weniger dumm, als er solch Hiobsbotschaft über ein KI-Interface mit der Authentizität von „Hackers“ erhält, doch wie soll man sich auch einen Reim draus machen, wenn Evil Jarret einerseits wütende Warnungen brüllt und an anderer Stelle wiederum betont, dass Max einen Orden fürs Abschlachten oben genannten Gangsters erhalten sollte? Menschen sind in diesem Film eben (sehr echt) eine allzu verrückte Spezies und gründlich naiv im Zeitgeist eingelebt, was sich auch an Loris Ehemann Perry (Fredric Lehne) abzeichnet, der aus Hundeperspektive erst recht als schleimiger Spießer-Spacko der Neunziger dasteht, weshalb Max geradezu allergisch reagiert, wenn dieser sein Frauchen betatscht. Zu welchen Maßnahmen der tolle Hund im Verlauf getrieben wird, ist ungeheuerlich sowie die reinste Sause an Topoi, höchstens noch vom einhelligen Rachegedanken Perrys übertroffen, bis der typische Nachbarsjunge Rudy sogar noch auf Rollerskates (mit Schutzpolstern!) vorbeikommt und mit Max Gassi geht. Der destruktive Streifzug durchs Suburbane nimmt seinen Lauf, bei dem Rudys eigener Collie von Max' Libido in Mitleidenschaft gezogen wird, ehe er Max zusammen mit einem Kumpel im total verslangten Spaß dazu anfeuert, die Nachbarskatze zu zerfetzen, was genauso gelingt wie der kläffende Mord am Postboten.


Aus welchen Situationen der Film noch so seine Energien bezieht, sollte man im Idealfall selbst erleben, auf jeden Fall nimmt er noch manch irre Wendung ins Actionreiche, hin zur Hunde-Camouflage, vertrottelten Hundefängern oder auch mal zum säurehaltigen Urin right in the kisser. Die effekttechnischen Eindrücke nehmen sich da gewiss nicht selber zu ernst, wenn z.B. eine fingierte Pfote die Klospülung bedient oder Max seine Katzenbeute wie eine Schlange runter würgt. Ebenso wie aus einem anderen Universum passiert hier manch menschlicher Vorgang abseits jeder noch so etablierten Logik - mit TV-Stationen, die jede Autorität ihrerseits ab der Abwesenheit einer (!) Sicherheitskraft zu vergessen scheinen sowie grenzdämlichen Polizisten, die sich mehr mit Ehefrau-Witzen und Karottendiäten beschäftigen als einer Spur nachzugehen (manch spontane Eingebung steht sogar im Vornherein schon auf entsprechend nachgeschlagenen Akten). Viele kleine Details geben den versammelten Klischees ohnehin eine Dosis Wahnwitz auf den Weg, doch selbst, wenn sich daraus keine dreidimensionalen Charaktere leiten lassen, ist die bedingungslose Zuneigung der zentralen Frau Tanner doch so liebenswert, dass man ihr gleichsam den Bauch kraulen möchte wie dem drolligen Max, so brachial nach Cartoon-Prinzip der seine surrealen Wege des Terrortierreichs noch einschlagen mag: Am Ende gibt es trotzdem die niedlichsten Welpen der Welt zu sehen, auf dass sich Eifersucht, Liebe, Hass und sogar eine Suggestion sexueller Spannung von Hund zu Hund, Mensch zu Mensch, Hund zu Mensch und Hund gegen Mensch stets aufs Neue transformieren. Die Naturgewalten schlagen bis dahin jedenfalls erbarmungslos zu, ziehen im Bewusstsein des „Man's best friend“ (so der Originaltitel) im richtigen Moment den Stecker, warten den Geräuschpegel eines Mixers zum Angriff ab, springen wie Dolph Lundgren im „Showdown in Little Tokyo“ über Autos oder reichen einem einfach mal ganz lieb das Handtuch. Ich kann mir nicht vorstellen, mit welchem Film man in diesen Tagen mehr Spaß haben könnte.




Dementsprechend schwer hat es ein weiterer Vertreter der Neunziger, „Run Off“ - Originaltitel „Boys“ (weil, gab ja „Kids“ ein Jahr zuvor) -, eine weitere Achterbahn der guten Laune abzugeben, doch die Merkmale seines Jahrzehnts kommen auch hier nicht zu kurz. Stacy Cochrans Film landet dafür im gewohnten Coming-Of-Age-Milieu, genauer in strikte Internatsräume vom Schlage „Der Außenseiter“ (1992), minus dessen ganzen Antisemitismus. Voll verplust dagegen ist die Menge an Alternative-Rock-Wehleidern auf dem Soundtrack und dazugehörigen Frisuren, die eine kollektive Verwandtschaft zu den Hanson-Brüdern vermuten lassen. Zentral für jene Ära knabbert John Baker Jr. (Lukas Haas) sodann an der Sehnsucht zur Freiheit, losgelöst vom Millionen schweren Dad (Chris Cooper) und seiner passiven Mutter (Jessica Harper, seit „Suspiria“ offenbar traumatisiert), die ihm genauso klischeehaft einen festgelegten Weg aufzwingen wie naiv er im Verlauf auch von Fluchtfantasien träumt. Dass das Drehbuch auf einer Kurzgeschichte James Salters basiert, ist an der unergiebigen Ereignismenge des Films relativ gut festzustellen, spätestens zum Schluss hin die Ursache einer perplex simplen Dramaturgie, die nicht einen charakterlichen Wandel jenseits spontaner Selbstverniedlichung verinnerlichen kann. Die Jungsfantasie soll in dem Alter wohl kein komplexes Unterfangen sein, einen triftigen Grund fürs ausreißerische, gar romantische Benehmen ist aber allzu präsent am Start, in etwa der Prototyp zum Manic Pixie Dream Girl: Winona Ryder. Die kommt als 25 Jahre junge Dame Patty Vare etwas in Bedrängnis, da die Polizei unter Leitung von Officer Kellogg Curry (John C. Reilly mit einem sehr ulkigen Rollennamen) sie vage in Zusammenhang mit dem Verschwinden des Baseball-Wunderkinds Bud Valentine (Skeet Ulrich, halb so räudig wie in „Scream“) verdächtigt, weshalb sie auch einen vagen Fluchtversuch unternimmt, sprich mit ihrem schwarzen Mustang ausreiten geht, sich dabei allerdings am Kopf verletzt.


Einige Jungs vom Internat finden sie so auf, benötigen daher ausgerechnet Johns Hilfe, obwohl der die Beiden erst mal wieder zur Stelle hinfahren muss, an der die gute Frau noch wie im Koma liegt. Oder ist sie paralysiert, psychisch gestört? So wie der Film seine Wege künstlich verlängert, weiß er zudem nur ungefähr was mit seinen handlungsinternen Signalen anzufangen, versucht die Ungewissheit aber mit chargiert betonten Honk-Sprüchen zu übertünchen, was meiner Meinung nach ausgezeichnet funktioniert. „Hier geht es ja mal hoch her!“ macht sich da als Slang der wilden Boys bewährt, wie auch dauernd vom „Girlie“ die Rede ist, sobald John beschließt, Patty wie einen nassen Sack in seine Internatsbutze mitzuschleppen, während seine kleineren Kumpels in ihrer Mithilfe Running-Gag-mäßig dauernd etwas fallen lassen. Wie selbstverständlich ist John jedenfalls in die natürliche Schönheit verknallt, ehe sie überhaupt einen ganzen Satz herausbekommt - mysteriös ist schon heiß genug, im Folgenden stellt sie sich aber schon enorm drollig an, auch wenn ihre Infos spärlich ausfallen, ihre spärlichen Dessous dafür granatig auffallen. John bleibt mit seinen Hormonen allerdings vorerst genauso Gentleman wie der Film als PG-13-Sensibelchen einer idealisierten Gen X, schließlich sind die härteren Raudijungs hier schon dauernd am Nerven oder brechen sich gleich die Hand an der Wand, wenn sie demonstrativ mit der Faust dagegen schlagen, weshalb John nicht anders kann, als drüber zu stehen. Zeitgleich bemüht der Film ausschnittsweise den zeitgenössischen Filmtrend der Flashbacks (ein Wunder, dass „Swingers“ und „Made“ diesen nicht anwendeten), um Pattys Begegnung mit Bud Valentine zu rekonstruieren, weg von der initiativen Party hin zum Saufgelage und anschließendem Autoklau.


Abseits der selbstzerstörerischen Don't-Care-Attitüde der Jugend sowie der Konstruktion eines leidlich spannenden Spannungsbogens (wer ermordete Laura Palm...ähm, ich meine, was geschah mit Bud Valentine?) kommt zwar nichts dabei raus, der Fokus liegt aber ohnehin bald auf der Erfüllung von Johns Träumen, als sich Patty auf eine gemeinsame Flucht von der Schule einlässt und Richtung Rummelplatz in der Hitze der Momente die ebenso aufgewärmten Küsse Johns erwidert. Ein nächtlicher Beischlaf auf der Wiese nebenan ist mit inbegriffen und lässt sie danach auch vergessen, wieder ein Paar Hosen anzuziehen, doch Gewissensbisse und distanzierte Charakterzeichnung bleiben. Die provisorische Schlinge zieht sich um den Hals unserer Protagonisten, was für überraschend mickrige Folgen sorgt, anhand derer John sein Abi in Spanisch zu versemmeln droht, während Patty weiter vor einer Auflösung davon rennt, die keinerlei Eigenverschuldung beinhaltet. Kleine Brötchen des Konflikts zu backen, ist für den Film aber auch nicht gerade die schlechteste Methode, so wie er seinen schüchternen Außenseitern eben nicht gleich extreme Traumata oder melodramatische Hilfeschreie aufdrücken muss, stattdessen sympathisch und unbeschwert die Romantik des Eigensinns konzentriert. Gestärkte Herzen wird er jedoch nur bedingt evozieren können, aber das mag nur aus Erwachsenenperspektive so wirken, schließlich könnte sich ein Teen auch in solche Schablonen an Figuren gut hineindenken, wenn die Erdung einigermaßen stimmt und die ersten Herzensschläge auftreten, wurde bei „Margos Spuren“ ja ähnlich verständnisvoll (wenn auch dreidimensionaler) so gelöst. Stacy Cochran entscheidet sich allerdings größtenteils nur für Bestätigungen des Teen Spirits, als ihn zu reflektieren, gar einen echten Grund zur Liebe anzubieten oder sonst was Erhellendes draus zu erzählen, was nicht auch auf jede andere Generation Heranwachsender umgemünzt werden könnte. Das macht ihren Film wohlgemerkt nicht entbehrlich, aber im Endeffekt doch belangloser als solch ein Eskapismus mit Winona eigentlich sein müsste.




Michael Verhoevens „o.k.“ stellt in der Geschichte des Films seit jeher einen jener Sonderfälle dar, über die häufig gemunkelt wird, jedoch kaum Möglichkeiten bestehen, diese für sich selbst zu sehen. Einst als deutscher Beitrag zur Berlinale 1970 eingereicht, wurde das auf dem gleichnamigen (je nach Quelle auch „Alles okay“ lautenden) Theaterstück basierende Werk an sich schnell zum Politikum unter Jury-Mitgliedern, wobei speziell deren Präsident George Stevens seinen Unmut darüber äußerte, wie das Vietnamkrieg-kritische Narrativ wohl kaum zum Auftrag der Völkerverständigung beitragen dürfte. Die Diskussion untereinander, wohlgemerkt auch infolge internationaler Spannungen zum reflektierten Sachverhalt, ballte sich demnach so schwer, dass die Berlinale erstmals und bis heute einmalig vorzeitig abgebrochen wurde (alle Details dazu von Verhoeven selbst via DIE WELT). Über vier Jahrzehnte später wirkt der Skandal im Zuge der Geschichtsverarbeitung gewiss nicht mehr so scharf nach, allerdings ist der Film dazu leider ebenso in der Versenkung verschwunden. Wieder mal ist da nur der Griff zu einer alten Videoaufnahme nötig, welche eine seltene Ausstrahlung via VOX archivieren konnte – ein Schicksal hiesigen Filmguts, das ich an dieser Stelle schon des Öfteren lamentieren musste. Nichtsdestotrotz ist das Zeitdokument die Mühe zur Sichtung wert, schließlich offenbart es rückblickend schon mal einen völligen Widersinn in Stevens' Argumentation. Der Film rekonstruiert den im November 1966 stattgefundenen Fall einer Gruppenvergewaltigung mit anschließendem Mord binnen des Vietnamkrieges, indem er dessen Figuren mitten in den bayrischen Wald verfrachtet, die Namen und Fakten zwar nicht verändert, dafür jedoch den einheimischen Dialekt und ähnliche Eigenarten im Umgang mit einfließen lässt.


Natürlich ist dieses Zeugnis einer Gewalt, welche im Auftrag ihrer Demokratie Gräueltaten begehen zu dürfen glaubt, ein amerikanisches Problem – so wie es auch explizit ein internationales ist, wenn große Teile der Weltbevölkerung gewiss nicht unbedingt danach streben, den Idealen ihrer jeweiligen Politik entsprechen zu können. Deshalb wirkt Verhoevens Film tatsächlich erschreckend zeitlos, wenn ein Jahr wie 2016 ebenso wie dort casual vorm Alltagsrassismus kapituliert, Konflikte in Hass und Populismus schwappen lässt und dies erst recht auf bundesdeutscher Ebene salonfähig macht, dass die unscheinbarsten Menschen aus ihrer Behütung heraus zu haltlosen Zynikern mutieren. Verhoevens Verlagerung des amerikanischen Problems ins Bayrische macht sich daher eben enorm natürlich in einer Zone des Erzkonservativen, voller provinzieller Macho-Attitüden und ignoranter Selbstgefälligkeiten, in denen fünf normale Soldaten aus ihrer Langeweile der Gefechtspause binnen permanenter Erwartung heraus ihr wahres Gesicht zeigen, über weite Teile sogar vom System gedeckt werden. An letzterem Punkt dürfte sich jemand wie Stevens besonders gestoßen haben, auch wenn er die Kongruenz zur deutschen Bürokratie, den zu der Zeit schon grassierenden Autoritätsmissbrauch ('68er, you know?) sowie vielen weiteren Faktoren, die über den Status einer Nation allein herausgingen, daran nicht einberechnet haben dürfte. Ganz davon ab, ist Verhoevens Film auch nicht unbedingt ein streng verurteilendes oder gar rein empörtes Portrait einer Vergewaltigung an Menschenwürde und Politik. Stilistisch gesehen nimmt er rahmenbildend eine neutrale Position ein, die Emotionalisierungen komplett ausklammert, in basischem Schwarz-Weiß ausgeleuchtet nochmals Erdung ausstrahlt, dazu zwar semi-dokumentarisch mit der Handkamera aufwartet, im Vornherein jedoch die Darsteller der Figuren sich selbst vorstellen lässt, damit Distanz gewahrt, das Verhältnis zwischen Kunst und Wahrheit aber bei weitem nicht zertrennt wird.


Die herausfordernde Methodik setzt sich im raffenden Erzählstil des Films fort, der seinen Kriegsalltag mit Texttafeln auf konkrete Kapitel trimmt, (beinahe) nur dort eine psychedelisch-entkoppelte Orgelmusik zum Wahn beitragen lässt, der den Charakteren im frustrierten Verständnis ihres Freiheitsauftrages begegnet. Die Rollenmodelle sind dazu ebenso schnell identifizierbar wie sie eben universell für die Hierarchien jeder Autorität und Gesellschaft gelten können: Der Boss Sergeant Tony Meserve (Friedrich von Thun) inklusive Zigarre und Empfehlungen vonseiten seiner Vorgesetzten („Ein feiner Kerl!“), der stets am Funk „Servus, Jackson!“ schnackende Clarke (Hartmut Becker) mit Kartenspielfimmel, der etwas dumm aus der Wäsche schauende Soldat Diaz (Ewald Prechtl), das kecke Großmaul Rafe (Wolfgang Fischer) sowie der von allen etwas abseits stehende Sven Eriksson (Verhoeven selbst). Allesamt hängen sie im Gebiet der Ereignislosigkeit fest, halten die Stellung inmitten der Bevölkerung, für die sie kaum was empfinden können/wollen, so wie sie vom Militärleben aus mehr oder weniger abgeklärt den Tag verleben, eine Routine der Passivität aufziehen, die noch von zuhause importiert zu sein scheint. Wer z.B. mal beim Bund war, weiß solch befremdliche Lässigkeit wiederzuerkennen, weshalb es anfangs auch einigermaßen Sympathien mit sich bringt, wie die Kollegen untereinander parlieren, von daheim schwärmen, sich prollig wie dusselig an der stumpfen Arbeit langweilen – das charakterliche Kennenlernen macht sich natürlich schon für Grauzonen und erhebliche Tiefen bereit, doch die Gewöhnlichkeit all dessen ist nicht zufällig auf den Großteil der Laufzeit ausgeweitet.


So entwickelt sich aus den profanen Freizeitbeschäftigungen und Jungsstreichen bald schon die Lust am Gegeneinander, verbunden mit einem disziplinären Hin und Her, das den Soldaten die Lizenz zu einer Autorität gibt, die sie selber nicht ernst, sondern als Selbstverständlichkeit gesellschaftlicher Souveränität nehmen. Da wird einem zum Spaß auch mal mit dem Messer der Bart abrasiert, weil jener auf einmal zu sehr nach Hippie aussieht – weitere Machtmensch-Begründungen des konservativen Mittelstandes machen hier selbst bei Ranghöchsten ebenso ihre Aufwartung, bis das Potenzial zum Sadismus am Überkochen ist. Nicht mal der einmalige Bombeneinschlag (aus Versehen aus den eigenen Reihen abgefeuert) ist dazu wirklich nötig, vielmehr ist das hormonelle Kräftemessen unter einfachen Bros wie eh und je ein Pulverfass, das sich seine Widersacher zusammen spekuliert und dies von Regierungsseite bestätigt glaubt, dass Menschen in solch unbeaufsichtigter Fassung zu Freiwild werden. In dem Fall trifft es vor allem die zufällig via Fahrrad vorbeikommende Phan Ti Mao (Eva Mattes mit 16 Jahren), die in der Bedrängung der Testosteron wie Selbstüberzeugung überladenen Kerle zum fingierten Verhör gezwungen wird, bis die Lage grässlich eskaliert. Die Darstellung dessen geht in seiner Direktheit regelrecht unter die Haut, nachdem man durchweg der Täterseite beigewohnt hat, dort aber bis zu jenem Punkt Stück für Stück von der desolaten Lage im Verlust der Menschlichkeit umzingelt wurde.


Dementsprechend roh - alles andere als spröde - begleitet Verhoevens Stil die Folgen, weiterhin nüchtern und nah zugleich im Grauen, das weit und breit keinen Ausweg bietet, auf dass der moralische Gegenpol Eriksson sodann auch nur wenig, gar traumatisiert gegen die Taten der Selbstgerechten ankommen kann. Verhoeven in seiner Selbstbesetzung als Vertreter des Humanismus setzt natürlich auch ein etwas zu offensichtliches Statement, das in seiner Unterredung mit höheren Tieren wie Captain Vorst (Gustl Bayrhammer) nochmals reinforciert um die Erkenntnis der Vernunft ringt, während der Deckmantel einer Verteidigung der Demokratie im Vietcong jede Schandtat als notwendig zu billigen scheint. Im Endeffekt bleiben die Darsteller im Rahmen der Filmstruktur natürlich noch bewusst schlicht Darsteller, doch die übertönenden Fakten zu nachfolgenden Gerichtsprozessen und verminderten Haftstrafen lassen genauso wenig Entlastung vom Filmgeschehen zu, wie der Irrglaube, dass ein Deutscher ja nicht wie ein Amerikaner sein kann, im Kollektiv der Weltmächte aber letztendlich nicht viel Raum zur Trennung übrig bleibt. Für solch eine natürlich wirkende Kausalkette gibt es aber auch einen Grund, der fern politischer Position von der steten Gegenwart eines brutalen Menschenschlags herrührt, welcher - allein schon in der recht jungen Aufarbeitung der Rape Culture evident - kaum der Vergangenheit anzurechnen ist. Damals wie jetzt ist noch lange nicht alles „o.k.“, wenn zwischen den Zeilen aller Ideale Missbrauch und Vergänglichkeit lauern, jede administrative Option (man möchte sagen zurecht) ausschließlich an ihren Nachteilen gemessen zu werden scheint – alles menschlich, wohlgemerkt, aber kein neues Phänomen, weshalb solch ein Film auch nicht alt wird, höchstens die Restmaterialien des archivierten Zelluloids.




Zurück zum Niedlichen, natürlich wieder geradewegs zu den lieben Pfoten und Schnauzen der Hundewelt. Da erreicht man mit „Fluke – Ein Hund räumt auf“ von Carlo Carlei (wer?) sogar einen weiteren Zenit in Sachen tierisches Denkmal, so wie das Leben als Hund in seiner ganzen Bandbreite auf ein existenzialistisches Melodram konzentriert wird. Der waschechte Tearjerker nimmt sich dafür vorerst ein Beispiel am transformativen Schlusspunkt von „Man's best friend“, indem er die Seele Matthew Modines nach einem Autounfall in den Körper eines neu geborenen Welpen reisen lässt. Wenn's eine Komödie wäre, würde sich das Bewusstsein des Humanoiden durchweg darüber wundern, doch im inneren Monolog wächst der Hund erst von klein auf heran, ehe er sich allmählich daran erinnert, was in einem früheren Leben alles um ihn herum vorging - vielleicht die einzige Art 90er-Jahre-New-Age-Bullshit, der man aufmerksam beiwohnen will, dem Hunde wegen. Bis dahin passiert allerdings so einiges an Erfahrungswerten, welche in ihrer Konstruktion enorm effektiv zur Ballung der Sentimentalität ansetzen und natürlich kindgerechte Entlastungen bereithalten, insgesamt aber auf einen Platz als traurigster Hundefilm aller Zeiten hinzuarbeiten scheinen: Zunächst wird Fluke als einer von vielen Welpen in einer finsteren Gasse geboren und da sind schon bald die Tierfänger zugegen, denen er entkommen kann, die Trennung von Mutter und Geschwistern aber mit einhergeht. Daraufhin kommt er bei einer alten obdachlosen Dame unter, der er mit einem Becherspiel aushilft, was nicht mal als frühester Ansatz einer Vermenschlichung der Tierdarsteller in diesem Rahmen gilt, jedoch gründlichst für drollige Heiterkeit sorgt – wieder so ein Film, der permanentes „Aww!“ aus den Zuschauerreihen hervorholt.


Die Abwechslung dazu lässt aber nicht allzu lange auf sich warten und so stirbt die alte Frau dahin, was Regisseur Carlei jedoch wie vieles am Film nicht zu doll in billige Plakativitäten einbettet, höchstens mit der Montage zu süßen Hundevisagen ins Herz stechen will, was von Carlo Siliottos Score noch hardcore rührselig gesteigert wird. Der klingt wiederum verdächtig nach Carter Burwell (höre hier), während Coen-Brüder-Stammschauspieler Jon Polito (R.I.P.) prominent mit von der Partie ist und erst recht Richtung Finale der Eindruck entstehen könnte, dass eben jenes Regieduo die Moral im Dasein zwischen den Welten hier wie gehabt stilisiert hätte. Zuvor passiert aber noch einiges an wunden wie lichten Dog moments, die selbst für Spielberg zu viel des Guten wären, sobald sich Fluke mit dem ruppigen Rumbo (im Original gesprochen von Samuel L. Jackson) zusammentut, zwischen Müllhalde und Wochenmarkt reichlich wuffige und knuffige Abenteuer erlebt, ehe der böse Sylvester (Ron Perlman) wieder die Tierfänger auf sie hetzt. Nicht, dass dieser abseits der ersten Filmhälfte noch eine Rolle spielen wird, doch der Klimax im Tierversuchslabor, der sich daraus bildet, sollte anhand seiner Eskalation in die Filmgeschichte eingehen – dabei bitte die Kombi aus Schimpanse und Welpe beachten, ein wahrlich wildes Vergnügen! Währenddessen aber fängt Fluke mit Max-ähnlicher Schlauheit an, sein ehemaliges Wesen zu rekonstruieren und somit auch seine Familie zu kontaktieren, was als Hund natürlich nicht zu einfach ist, weshalb er mit seiner Präsenz direkt vor Ort überzeugen muss. Die Familie, die Modine mit seinem Unfalltod hinterlassen hat, agiert wohlgemerkt noch ein Stück weit im Zeichen der Trauer, doch Sohn Brian (Max Pomeranc) ist nun mal wie jedes Kind drauf und dran, das Tier im Haushalt aufzunehmen, auch wenn Mutter Carol (Nancy Travis) anfangs dagegen ist, aber angesichts der natürlichen Freude am Hunde ihren Ton bald ändert. Die malerischen Eindrücke dazu sind zudem die Vorstufe zu Flukes Bemühungen, sich als Reinkarnation des verschiedenen Ehemanns und Vaters Thomas P. Johnson bemerkbar zu machen, was manch wüsten Ausflug in die Garderobe motiviert, am bissigsten jedoch hervortritt, sobald der Neue, Jeff (Eric Stoltz), nach Hause kommt.


Der scheint als ehemaliger Partner in Johnsons Kanzleifirma laut Flashbacks („Run Off“ lässt grüßen) für den Tod desjenigen verantwortlich zu sein und wird daher als Feindbild von Fluke angegriffen, so dass dieser wieder aus der Familie weg abgeholt werden soll. Fluke flüchtet jedoch wie vor so vielem in seinem Leben, Sohn Brian tut es ihm gleich, obwohl er nicht nur ein kräftiges Fieber davon tragen wird. Ohnehin sind die Folgen nicht ganz derart absehbar, wie man es von einem Kinderfilm dieses Kalibers erwarten würde, so wie die Reflexion zum mehrfachen Lebensweg zwischen Schuldfrage und nachgeholtem Anrecht steht, im Zuge neuer Perspektiven jedoch ein Einsehen hat, das aus den geläufigen Topoi ein moralisches Dilemma schöpft. Das geht mit festen Schritten sodann auf Szenarien zu, die wiederum expliziter um Leben und Tod ringen, schließlich den Schnee auf den Friedhof fallen lassen, an dem sich Rettungen und Entscheidungen kreuzen; am Denkmal der Erinnerungen noch eine übersinnliche Romantik der Entsagung erfüllt wird, wie sie selbst in ihrer kitschigen Grundform noch kraftvoll gen allumspannendes Schicksalsdrama arbeitet. Nah am Wasser inszeniert, läuft Fluke dazu allerdings auch mit hinkender Pfote auf und lässt den Voiceover im Leben nach dem Tode nochmals pathetische Botschaften träufeln. Obwohl selbst das alles noch relativ liebenswert daherkommt, so wie sich die Naivität hier aufrichtig im Gefühl aufbauen kann, ist der Film manchmal eben doch ein gutes Stück offensichtlich im manipulativen Schmalz unterwegs, schließlich zwischen Magie und Philosophie verniedlicht. Nicht, dass es ihm schaden würde, doch was wohl wäre, wenn weniger Kompromisse für die Zielgruppe und mehr Charakterwerte für die zugegebenermaßen schlichten menschlichen Figuren vorgeherrscht hätten, müssen noch andere Hundeliebhaber unter den Regisseuren dieser Welt herausfinden („Underdog“ hat's auch nicht wirklich gebracht). Dennoch ist „Fluke“ als Filmerfahrung durchaus überraschend über den Standard hinaus in Gefilden (über-)irdischer Ambivalenz zweiter Chancen unterwegs, wenn er sein Genre zwar in gewissen Pflichten erfüllt, in anderer Instanz aber aufwachsen lässt.




Tja, und dann gäbe es da noch den guten alten Todd Solondz, der in seiner ersten Regiearbeit „Fear, Anxiety and Depression“ höchstpersönlich als Protagonist eines bitteren Amerikas auftritt, wie er es in folgenden Jahrzehnten stets zielsicher als Hort von Egoisten, Nihilisten, mitleiderregenden und gleichzeitig selbstverschuldeten Versagern sowie den eigenen Zeitgeist leugnenden Chart-Hits zeichnete. Das macht die Sache des Drüber-Schreibens nicht unbedingt einfacher, wenn genaue Einzelheiten des Films zu jener (nicht gerade zum ersten Mal erfahrenen) Konklusion führen, auch wenn Solondz hier verstärkt aufs Eigene zurückgreift, um das u.a. von Woody Allen romantisierte New-Yorker-Künstlerleben für die 80er reeller (vielen Gesellschaftskomödien jener Zeit enorm hardcore voraus) upzudaten. Solondz beherrscht da schon seine brutalen Bild/Ton-Scheren auf der nimmer erfüllten bzw. wechselwirkenden Sehnsucht zum Glück, dessen Gnade sich das Ensemble durchweg gegenseitig entzieht, in angegangenen Vorteilen andere wiederum benachteiligt. Beziehungen sind ein einziger, permanent unter den Füßen bröckelnder Albtraum oder erst zu dritt am beständigsten, wobei einer immer leer ausgeht: „Warten auf Godot“-Fan Ira Ellis (Solondz), der sich die Sache auch selbst verbaut, weil ihm die ihn umschwärmende Sharon (Jill Wisoff) zu manisch-aufdringlich wird, er mit seinem herablassenden Intellektualismus aber umso blöder auftritt, wenn er die übernihilistisch-narzisstische Performancekünstlerin Junk (Jane Hamper) zu beeindrucken versucht. Er war stets bemüht und doch ergibt er nicht den Archetyp des liebenswerten Losers, dafür agiert der Schwerenöter-Opportunist beziehungstechnisch einfach zu grausam und naiv, obgleich das Verhältnis von Kunst und Erfolg hier als roter Pfaden noch einen Bezug zur Empathie aufzeichnet, der quasi alle Charaktere zum ausbeuterischen wie verzweifelten Handeln binnen NYC zwingt. Deshalb sind reine Antagonisten hier ebenso Mangelware wie Protagonisten, so dass selbst ein talentfreier, doch gerade deswegen erfolgreicher Broadway-Sleazeball wie Donny (Stanley Tucci) keine Karikatur der Verlogenheit bleibt, ebenso unterschwellig Ängste hortet wie Ira sie voller prätentiöser Inbrunst im Laientheater ausdrücken will. Darin macht er auch seinen Eltern Vorwürfe, will dies vor seinen Leiblichen aber verharmlosen, sobald vernichtende Kritiken das im Klartext aufgreifen.


Ira muss ganz wie Fluke lernen: Andere sind auch Opfer, denen es beschissen oder noch beschissener geht, so wie seine Sharon in der ranzigsten Burger-Bude arbeitet, auch mal im Hintergrund von Iras passivem Beisein vergewaltigt wird und zu alledem von ihm noch erklärt bekommen muss, dass Liebe ein Wunder sei und ihre Beziehung eben keins. Was weiß er schon von Liebe? Nichts, höchstens wann es Zeit ist, einen vermeintlich besten Freund vor dessen Ex als unoriginellen Arsch zu bezeichnen, damit das Einschleimen so richtig funktioniert und doch nicht zum Stich kommt, wenn der attraktivere Rivale das Mädel zurückerobern will (= zurückerobert). Die brutale Welt von Solondz arbeitet durchaus im Karma vielfacher (Selbst-)Manipulationen, weshalb die Lacher zur emotionalen Armseligkeit als (ab und an surreale) Pointen stets gnadenlos eintreffen können oder mit peinlich schlecht gesungenem Liedgut (ein Topos, der im Indie-Genre ebenso zur Seuche werden kann) zum Selbstmitleid/-hass ansetzen. Visuell gesehen ginge das Potenzial daran noch optimaler auszuschöpfen, so oft sich die Kamera Stefan Czapskys (Batmans Rückkehr, Vampire's Kiss“) auf per Steadicam verfolgte Zweierdialoge ausruht, gelegentlich wenigstens noch an Plansequenzen doktert und Weitwinkel absägt, soweit es das begrenzte Production Value zumindest hergibt. Schön ist aber immerhin, dass Solondz die Jahre darauf auch an Qualität und Weitsicht aufstocken durfte, wo hier noch wie in jedem Debüt die bekannte private Komfortzone aufbereitet wurde, obgleich er sie energisch zu zerfetzen weiß, wie es sich manch Tarantino-Nachahmer der Neunziger schon nicht mehr getraut hätte. Soviel offenes menschliches Gift würden wahrscheinlich selbst die meisten Jungfilmer von heute nicht mal verkraften, so wie in ihnen allen anfangs ein gewisses Maß an Ira Ellis vorherrscht (schließt den Autor dieser Zeilen nicht aus), doch wenn Samuel Beckett so will, schreibt er ihnen allen mal zurück, wohl aber auch erst dann, wenn alle Hoffnung zum Fenster rausgeworfen, jede Ambition zerstört, jedes Miteinander in die Tonne wurde und einem dennoch das Credo „Weitermachen“ entgegenkommt. Solondz' Pessimismus hatte schon immer das beste Timing.




DOCTOR STRANGE - "[...] Es wird da schon bezeichnend, dass dauernd von minimal variierten Dimensionen an parallelen Welten die Rede ist, wo hier doch das geläufige Narrativ der Heldensage/Origin-Topoi in gewohnter Manier das Abenteuer der Weltenrettung anvisiert [...] Schließlich gibt sich Derrickson in seiner Inszenierung zwar geerdeter als manch anderer Kollege aus dem näheren Umfeld, flacht anhand dessen allerdings des Öfteren in der Dynamik ab. Diese will sich grundsätzlich im Kanon der „Avengers“-Bande wissen, beißt in krampfhaft konstruierten Charaktermomenten aber erst recht auf Granit, wenn der Dialog mit eingebauten Witzen aufzutrumpfen vermag, die man eben wortwörtlich nur als eingebaut bezeichnen kann [...] Manchmal erfüllt der Film eben Erwartungen, die einem wie aus der Steinzeit des Mediums scheinen (siehe z.B. den archetypischen Hinterhalt in einer düsteren Gasse), manchmal macht er aber auch Laune, wenn Morpheus Swinton der Skepsis des selbstunterschätzenden Strange zum kontinuierlichen Learning-by-Doing verhilft, ehe der Master mit den gebrochenen Händen sein ihn auswählendes Relikt zur Rettung der Menschheit erhält. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)

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