meinem wöchentlichen Zustandsbericht
zufolge darf ich voller Freude feststellen, dass es letztes Mal
wieder ein bisschen mehr Andrang gab, die Links zu diesem Blog
anzuklicken. Ich hoffe zwar nicht, dass mein kleiner Ausflug in die
Meckerkultur allein dafür verantwortlich war, doch ich bin auf jeden
Fall Marco Koch vom Filmforum
Bremen zum Dank verpflichtet, welcher die Tirade vorherigen
Sonntags zum Anlass nahm, mich an erster Stelle seiner Rubrik „Das
Bloggen der Anderen“ zu empfehlen. Daran gibt es gewiss nichts
zu meckern, allerdings bin ich weiterhin noch hin- und hergerissen,
wie ich dieses mein Tippen noch ansprechender gestalten kann, nachdem
letzte Woche von kurzen bündigen Texten die Rede war, spätestens
dann bei „Mary
Shelley's Frankenstein“ aber wieder enorm ausgeholt wurde. Wie
der Volksmund schon sagt, braucht man solche langen Absätze halt, um
bei moviepilot mit aufmuckenden Zitaten auf die Links zu
Kritiken aufmerksam zu machen - siehe später auch dieselbe Methodik
beim Verweis zu meiner „Doctor Strange“-Kritik, denn für
die bleibt ihr bestimmt noch etwas länger sitzen, newa? Deshalb ist
auch diesmal Durchatmen angesagt, denn so kurz vor Halloween hat sich
noch eine Menge an Werken ergeben, die fast so energisch zum
gemütlichen Heimkino animiert wie die Angst vor Horrorclowns. Wer
hier aus der Zukunft oder Vergangenheit mitliest: Jaaa, 2016 hatte
neben allem Überschiss auch noch den Trend öffentlich schockierender Clowns in petto, um den wiederum unmaskierten Hoschis
der Welt auch im Herbst noch eine Projektionsfläche zur direkten
Demokratie anbieten zu können - „Terror - Ihr Urteil“
hinterlässt eben doch seine Spuren, auch wenn die Diskussion darum
schon wieder gnädigst abgeflacht ist. Die Leute sind eben noch mit
anderen Sachen beschäftigt – junge Kerle quatschen sich 3 Uhr
nachts im Bus gegenseitig den Arsch voll, wie ihnen „der Koks
aus der Nase“ läuft, während eine ältere Dame mit Hund an
der Leine um 4 Uhr morgens bei einem an der Haustür klingelt und mit in
der Mini-Wohnung unterkommen will, weil sie bei ihrem Mann im selben
Blockgebäude laut Gerichtsbeschluss nicht mehr leben dürfe. True
Stories! Besser dagegen der Youtube-Kanal Heimatfilme der Kineos GmbH, die offiziell aus dem KirchMedia-Bestand lizensierte Versionen von Filmen wie „Komm mit zur blauen Adria“, „Holiday in St. Tropez“, „Sterne über Colombo“, „Die Gefangene des Maharadscha“, „Klassenkeile“ oder „Zwanzig Mädchen und die Pauker“ in recht fixer VÖ-Rate hochladen. Außerdem ist die Qualität MAZ-tauglich bis ausgezeichnet, was dem hiesigen Leser einige Freudentränen abringen dürfte. So, genug von der Verzögerungstaktik (immer noch besser
als die Rechtfertigungsmaschen von Oettinger und Cantz), ran an die
Filme. Zunächst aber noch einige kleine Anmerkungen, bevor die
großen Geschütze hier für erschöpfenden Lesespaß sorgen:
Es gab wieder einen Filmabend, aus dem
ich alle hier besprochenen Beispiele (abseits des einen Neustarts)
vorstellen wollte. Weil sich Zeit und Hirnkraft aber nicht für jedes
Werk ergaben, bleiben dieses Mal Bob Clarks Debüt „Children
shouldn't play with dead things“
sowie Paul Verhoevens „Starship
Troopers“ besprechungstechnisch etwas auf der Strecke. Dem ersten beider Filme
würde ich jetzt nicht zu doll hinterher trauern, da sich jene
Fingerübung Clarks im atmosphärischen Zombie-Horror doch etwas
stark von einer schaurigen Erwartungshaltung in die Ereignislosigkeit
schleppt, im (leidlich komischen) Slowest-Burn-Modus zwar charakterlich aufbauen
will, aber ironischerweise vom unbequemen Einverständnis zur
Performance des Geldes wegen erzählt, ehe das Low-Budget-Projekt
im sowie als Film in seinem letzten Drittel voller Wiederkehrer
endlich zum Agieren animiert wird. Verhoevens umstrittene
Heinlein-Adaption hingegen wurde zur Wiederauffrischung aufgetischt,
um festzustellen, ob und wie sich der Gebrauch faschistischer
Ästhetik und Parolen hier als Science-Fiction-Splatter UND
Antikriegssatire mustert. Offensichtliche Zeichen wie der irrationale
Jingoismus zum Sieg (= genau 1 gefangener Brainbug für
abertausend tote Bodentruppen; bei einem Planeten, der den Ressourcen
wegen nicht sofort zerbombt werden sollte – Vorzeichen der Bush-Ära
en masse) sowie Verhoevens bewährte TV-Spot-Einlagen
sensationalisierter Brutalitäten wechseln sich dabei mit einer
Bedienung des Effekt-Spektakels ab, an der die Charaktere trotz ihrer
Plattitüden nie komplett verballhornt werden. Verhoeven spielt als
Mittler beiden Seiten gewissermaßen zu, wie er u.a. auch in offenen,
asexuellen Nacktheiten progressive und totalitäre Ideologien
zugleich suggerieren lässt; seine coolen Teen-Stars à la Propaganda
mit Honk-Sprüchen (Jake Busey) und tragischen Schicksalen (Johnny Rico)
ausstattet, gleichsam deren vergängliche Funktion im Zyklus der
Militärmaschinerie als Ursache und (deutlich hässliche) Wirkung des
Krieges entwickelt. Die letztendliche Massentauglichkeit des Films
positioniert sich im Vergleich zu früheren wie späteren Arbeiten
dennoch irgendwie nicht konkret/genüsslich genug ins Kritische, auch
wenn Verhoeven die Zwiespältigkeit des hurra-patriotischen
Alien-Kampfes durchweg offener auf den Tisch legt als z.B.
„Independence Day“.
Zwei weitere Filme, die mir im Verlauf
der Woche noch ergänzend aufgefallen waren: Shin'ya Tsukamotos
„Hiruko – The Goblin“ und Ron Howards „Eine
Wahnsinnsfamilie“. Ersterer ist als Splatter-Comedy-Konglomerat
mit Versatzstücken aus „Tanz der Teufel“, „Das Ding
aus einer anderen Welt“ und Co. im Grunde wie eine dieser
neumodernen Hommage-Sausen, die das Horror-Genre seitdem langweilig
gemacht haben, allerdings kann Tsukamoto dabei noch eine
halsbrecherischere Energie aufweisen, die zudem ausgiebig binnen
japanischer Mythologie fantasiert, an entsprechenden Stellen
Comic-Sternenhimmel aufzieht, an anderen wiederum unglaublich auf
Urängste abzielende Kreaturen fürs gepflegte Albträumen herausholt -
Arachnophobiker sollten den Film meiden. Was Tsukamoto neben allem
skurrilen Splatstick aber noch eine gewisse Würde verleiht,
ist der Verzicht auf allzu zynische Charakterzeichnungen, die deren
Belange sonst ironisch auflaufen lassen würden, hier jedoch noch von
zeitweise naturbetonter/romantischer Eleganz und einem mehr als Studio-Ghibli-tauglichen
Soundtrack von Tatsushi Umegaki in die Bezwingung mehrerer Traumata und Schuldgefühle
begleitet werden. Nicht, dass der Film keine belanglosen Längen,
Gags und gehetzten Etablierungen ins Standardisierte parat hätte,
doch sein Kurzweil und Grusel lassen sich dem allgemeinen wie
spezialisierten Genre-Freund durchaus empfehlen. Bei Ron Howards Film
hingegen muss man wie gehabt wiederum Abstriche in der Empfehlung
machen. So angenehm unaufgeregt der Plot anfangs die komplexe
Familienbrut Buckman im desillusionierten Optimismus des Amerikas später
80er Jahre beobachtet, endet es bei Howard schlimmstenfalls wieder
mit formelhaften Happy Days für alle Beteiligten, dass jeder
realistische Ansatz wie von Zuckerwatte erstickt scheint. Steve
Martin, Geschwister, vorherige und nachfolgende Generationen sind da
disfunktional um die ideelle Fassung bemüht, vergängliche
Nervenbündel im Bezug zu den eigenen Kindern und zudem kaum noch
wirklich beziehungsfähig. Da gäbe es reichlich Überhöhungen zu
erwarten (man bemerke die ausgezeichnete Handhabung des Gesprächs zwischen Eltern, Schulleiterin und -psychologe), doch die bleiben einer genuinen Menschlichkeit wegen
größtenteils aus, wenn auch stets allzu clevere (mal mehr, mal
weniger dynamische) Pointen der Gewöhnlichkeit im Star-besetzten
Ensemble auftreten. Bald fällt aber auch auf: Der Originaltitel
„Parenthood“ gilt nur insofern, dass von den Idealen und
Fehlern der Väter die Rede ist, Mütter wie Kinder mit diesen
arbeiten, ohne wirklich jemals auf eigenen Beinen stehen zu können. Dennoch wird Dianne Wiest als
alleinerziehende Mutter hier ebenso eine zentrale Empathie gegönnt,
die von der Vernachlässigung der Männerwelt enttäuscht ist, da
aber wie der Zuschauer auch an Gegenbeweise herangeführt wird, die à la Martins Charakter die Heilung ihrer Mitmenschen bemühen, dann
aber doch selbstverständlich in manches Fettnäpfchen treten. Das
gilt leider auch für Howard selbst, der offensichtlich keinen großen
Fehler darin sehen kann, konservativen Familienidealen entsprechen zu
wollen und deshalb Stück für Stück auf eine forcierte Lösung
aller Probleme hinarbeitet, in denen die Klischees pathetischer Baseball-Siege, Hochzeiten und neuer Babys für quasi jede
Frau im Film auf kitschigem Konsens landen. Martins Charakter selbst
hält es da noch für Blödsinn, wenn die leicht demente Oma zufällig
eine Lebensweisheit im Gleichnis einer Achterbahnfahrt heraus haut,
doch irgendwann ergibt er sich dieser völlig, nachdem Howard sie
auch noch peinlich plakativ visualisiert hat. Und dann dieses
Ende...je weniger man darüber sagen will, desto schneller sucht man
sich schöne Screenshots von den Hunden im Film heraus. Apropos:
Wer in den letzten Wochen aufmerksam
mitgelesen hat, wird vielleicht schon von meinen freiwilligen
Admin-Tätigkeiten für die Facebook-Seite „Der
Hund im Film“ gehört haben. Nicht, dass ich hier durchweg
Eigenwerbung betreiben will, aber wer von der Relevanz jenes Tieres
im Medium Film noch immer nicht überzeugt ist, sollte bei
Gelegenheit mal „Der Tod kommt auf vier Pfoten“, eine
Großtat von John Lafia, ins Auge fassen. Als ob ein Film
ausschließlich an uns Jungens und Mädels der traditionellen
Filmabend-Crew angepasst wurde, präsentiert sich die
New-Line-Produktion vom „Chucky 2“-Regisseur (und
„Chucky 1“-Autor) Lafia als Bonbon der Genre-Freude,
welches die Merkmale des Tierhorrors bewusst mit der inhärenten
Niedlichkeit des Hundefilms kombiniert, Ally Sheedy gegen Lance
Henriksen antreten und ohnehin dauernd Duos der Honkigkeit zueinander
führen lässt, um eine bizarre Zeitkapsel der Neunziger abzugeben,
die innerhalb eines ganzen Jahrzehnts solcher Zeitkapseln schon
bestechend aus der Reihe fällt. Zielsicher steuert der Film nämlich
wie selbstverständlich auf die kurzweiligsten Impulse zu und
steigert deren tierisch blutrünstige Eindrücke kontinuierlich ins
Reißerische, bis die Komödie der Eskalation durchscheint - das
heißt, wenn man nicht zuvor schon pausenlos entzückt seufzt oder
mit Gelächter quittiert, welch Kanonade an Reaktionen und
vermenschlichten Handlungen die Tibetdogge Max so durchweg zur Schau
stellt. Max (nicht dieser)
stiehlt allen die Schau, von daher ist die Ausgangssituation schon
versimpelter Mumpitz, in welchem das behauptete TV-Reporter-Lingo von
Lori Tanner (Sheedy) in seiner Geballtheit kein Klischee auslässt,
erst recht fernab der Realität verballhornt agiert, wenn sie mit der
Kollegin ins Tierversuchlabor der Firma EMAX (vom Logo her
beinahe identisch zu IMAX) einbricht und so unbedacht die
Top-Story an den Dumpfbacken-Wachen vorbei einfängt, dass sie
die Arbeit gleich mit nach Hause nimmt - und sich jeder Zuschauer
fragt, wie sich die journalistische Integrität hier aus einer
Anklage herausreden könnte.
Die klassischen Muster infolge solcher
Abenteuer entfalten sich sodann verstärkt in der sicher geglaubten
Behütung des Haushalts (siehe „Planet der Affen: Prevolution“),
gehen aber noch entschiedener in die Extreme der Bindung von Mensch
und Hund, sobald Max den spontanen Raub- und Vergewaltigungsversuch
eines Räudendiebes an Lori bissfest zu verhindern versucht, ihre
gestohlene Tasche zurück apportiert sowie den Bösewicht bis auf die
Knochen zerfleischt. Der Hund ist schlau und potenziell gefährlich,
so wie der fiese Dr. Jarret (Henriksen) in seiner Penner-Jeans-Jacke
klar macht, dass Max als Genkreuzung vielerlei Tiere zu allem fähig
sei und bald wieder seine Schübe kriegen wird. Das Duo der
Honk-Polizei mit lautmalerischen Namen wie Emilio und Kovacs, das ihm
immer wieder skeptisch entgegenkommt, staunt auch nicht weniger dumm,
als er solch Hiobsbotschaft über ein KI-Interface mit der
Authentizität von „Hackers“ erhält, doch wie soll man
sich auch einen Reim draus machen, wenn Evil Jarret einerseits
wütende Warnungen brüllt und an anderer Stelle wiederum betont,
dass Max einen Orden fürs Abschlachten oben genannten Gangsters
erhalten sollte? Menschen sind in diesem Film eben (sehr echt) eine
allzu verrückte Spezies und gründlich naiv im Zeitgeist eingelebt,
was sich auch an Loris Ehemann Perry (Fredric Lehne) abzeichnet, der
aus Hundeperspektive erst recht als schleimiger Spießer-Spacko der
Neunziger dasteht, weshalb Max geradezu allergisch reagiert, wenn
dieser sein Frauchen betatscht. Zu welchen Maßnahmen der tolle Hund
im Verlauf getrieben wird, ist ungeheuerlich sowie die reinste Sause
an Topoi, höchstens noch vom einhelligen Rachegedanken Perrys
übertroffen, bis der typische Nachbarsjunge Rudy sogar noch auf
Rollerskates (mit Schutzpolstern!) vorbeikommt und mit Max Gassi
geht. Der destruktive Streifzug durchs Suburbane nimmt seinen Lauf,
bei dem Rudys eigener Collie von Max' Libido in Mitleidenschaft
gezogen wird, ehe er Max zusammen mit einem Kumpel im total
verslangten Spaß dazu anfeuert, die Nachbarskatze zu
zerfetzen, was genauso gelingt wie der kläffende Mord am
Postboten.
Aus welchen Situationen der Film noch
so seine Energien bezieht, sollte man im Idealfall selbst erleben,
auf jeden Fall nimmt er noch manch irre Wendung ins Actionreiche, hin
zur Hunde-Camouflage, vertrottelten Hundefängern oder auch mal zum
säurehaltigen Urin right in the kisser. Die effekttechnischen
Eindrücke nehmen sich da gewiss nicht selber zu ernst, wenn z.B.
eine fingierte Pfote die Klospülung bedient oder Max seine
Katzenbeute wie eine Schlange runter würgt. Ebenso wie aus einem
anderen Universum passiert hier manch menschlicher Vorgang abseits
jeder noch so etablierten Logik - mit TV-Stationen, die jede
Autorität ihrerseits ab der Abwesenheit einer (!) Sicherheitskraft
zu vergessen scheinen sowie grenzdämlichen Polizisten, die sich mehr
mit Ehefrau-Witzen und Karottendiäten beschäftigen als einer Spur
nachzugehen (manch spontane Eingebung steht sogar im
Vornherein schon auf entsprechend nachgeschlagenen Akten). Viele
kleine Details geben den versammelten Klischees ohnehin eine Dosis
Wahnwitz auf den Weg, doch selbst, wenn sich daraus keine
dreidimensionalen Charaktere leiten lassen, ist die bedingungslose
Zuneigung der zentralen Frau Tanner doch so liebenswert, dass man ihr
gleichsam den Bauch kraulen möchte wie dem drolligen Max, so
brachial nach Cartoon-Prinzip der seine surrealen Wege des
Terrortierreichs noch einschlagen mag: Am Ende gibt es trotzdem die
niedlichsten Welpen der Welt zu sehen, auf dass sich Eifersucht,
Liebe, Hass und sogar eine Suggestion sexueller Spannung von Hund zu
Hund, Mensch zu Mensch, Hund zu Mensch und Hund gegen Mensch stets
aufs Neue transformieren. Die Naturgewalten schlagen bis dahin
jedenfalls erbarmungslos zu, ziehen im Bewusstsein des „Man's
best friend“ (so der Originaltitel) im richtigen Moment den
Stecker, warten den Geräuschpegel eines Mixers zum Angriff ab,
springen wie Dolph Lundgren im „Showdown in Little Tokyo“
über Autos oder reichen einem einfach mal ganz lieb das Handtuch.
Ich kann mir nicht vorstellen, mit welchem Film man in diesen Tagen
mehr Spaß haben könnte.
Dementsprechend schwer hat es ein
weiterer Vertreter der Neunziger, „Run Off“ -
Originaltitel „Boys“ (weil, gab ja „Kids“ ein
Jahr zuvor) -, eine weitere Achterbahn der guten Laune abzugeben,
doch die Merkmale seines Jahrzehnts kommen auch hier nicht zu kurz.
Stacy Cochrans Film landet dafür im gewohnten Coming-Of-Age-Milieu,
genauer in strikte Internatsräume vom Schlage „Der Außenseiter“
(1992), minus dessen ganzen Antisemitismus. Voll verplust dagegen ist
die Menge an Alternative-Rock-Wehleidern auf dem Soundtrack
und dazugehörigen Frisuren, die eine kollektive Verwandtschaft zu
den Hanson-Brüdern vermuten lassen. Zentral für jene Ära knabbert
John Baker Jr. (Lukas Haas) sodann an der Sehnsucht zur Freiheit,
losgelöst vom Millionen schweren Dad (Chris Cooper) und seiner
passiven Mutter (Jessica Harper, seit „Suspiria“ offenbar
traumatisiert), die ihm genauso klischeehaft einen festgelegten Weg
aufzwingen wie naiv er im Verlauf auch von Fluchtfantasien träumt.
Dass das Drehbuch auf einer Kurzgeschichte James Salters basiert, ist
an der unergiebigen Ereignismenge des Films relativ gut
festzustellen, spätestens zum Schluss hin die Ursache einer perplex
simplen Dramaturgie, die nicht einen charakterlichen Wandel jenseits
spontaner Selbstverniedlichung verinnerlichen kann. Die Jungsfantasie
soll in dem Alter wohl kein komplexes Unterfangen sein, einen
triftigen Grund fürs ausreißerische, gar romantische Benehmen ist
aber allzu präsent am Start, in etwa der Prototyp zum Manic Pixie
Dream Girl: Winona Ryder. Die kommt als 25 Jahre junge Dame Patty
Vare etwas in Bedrängnis, da die Polizei unter Leitung von Officer
Kellogg Curry (John C. Reilly mit einem sehr ulkigen Rollennamen) sie
vage in Zusammenhang mit dem Verschwinden des Baseball-Wunderkinds
Bud Valentine (Skeet Ulrich, halb so räudig wie in „Scream“)
verdächtigt, weshalb sie auch einen vagen Fluchtversuch
unternimmt, sprich mit ihrem schwarzen Mustang ausreiten geht, sich
dabei allerdings am Kopf verletzt.
Einige Jungs vom Internat finden sie so
auf, benötigen daher ausgerechnet Johns Hilfe, obwohl der die Beiden
erst mal wieder zur Stelle hinfahren muss, an der die gute Frau noch
wie im Koma liegt. Oder ist sie paralysiert, psychisch gestört? So
wie der Film seine Wege künstlich verlängert, weiß er zudem nur
ungefähr was mit seinen handlungsinternen Signalen anzufangen,
versucht die Ungewissheit aber mit chargiert betonten Honk-Sprüchen
zu übertünchen, was meiner Meinung nach ausgezeichnet funktioniert.
„Hier geht es ja mal hoch her!“ macht sich da als Slang
der wilden Boys bewährt, wie auch dauernd vom „Girlie“
die Rede ist, sobald John beschließt, Patty wie einen nassen Sack in
seine Internatsbutze mitzuschleppen, während seine kleineren Kumpels
in ihrer Mithilfe Running-Gag-mäßig dauernd etwas fallen
lassen. Wie selbstverständlich ist John jedenfalls in die natürliche
Schönheit verknallt, ehe sie überhaupt einen ganzen Satz
herausbekommt - mysteriös ist schon heiß genug, im Folgenden stellt
sie sich aber schon enorm drollig an, auch wenn ihre Infos spärlich
ausfallen, ihre spärlichen Dessous dafür granatig auffallen. John
bleibt mit seinen Hormonen allerdings vorerst genauso Gentleman wie
der Film als PG-13-Sensibelchen einer idealisierten Gen X,
schließlich sind die härteren Raudijungs hier schon dauernd am
Nerven oder brechen sich gleich die Hand an der Wand, wenn sie
demonstrativ mit der Faust dagegen schlagen, weshalb John nicht
anders kann, als drüber zu stehen. Zeitgleich bemüht der Film
ausschnittsweise den zeitgenössischen Filmtrend der Flashbacks
(ein Wunder, dass „Swingers“
und „Made“
diesen nicht anwendeten), um Pattys Begegnung mit Bud Valentine zu
rekonstruieren, weg von der initiativen Party hin zum Saufgelage und
anschließendem Autoklau.
Abseits der selbstzerstörerischen
Don't-Care-Attitüde der Jugend sowie der Konstruktion eines
leidlich spannenden Spannungsbogens (wer ermordete Laura Palm...ähm,
ich meine, was geschah mit Bud Valentine?) kommt zwar nichts dabei
raus, der Fokus liegt aber ohnehin bald auf der Erfüllung von Johns
Träumen, als sich Patty auf eine gemeinsame Flucht von der Schule
einlässt und Richtung Rummelplatz in der Hitze der Momente die
ebenso aufgewärmten Küsse Johns erwidert. Ein nächtlicher
Beischlaf auf der Wiese nebenan ist mit inbegriffen und lässt sie
danach auch vergessen, wieder ein Paar Hosen anzuziehen, doch
Gewissensbisse und distanzierte Charakterzeichnung bleiben. Die
provisorische Schlinge zieht sich um den Hals unserer Protagonisten,
was für überraschend mickrige Folgen sorgt, anhand derer John sein
Abi in Spanisch zu versemmeln droht, während Patty weiter vor einer
Auflösung davon rennt, die keinerlei Eigenverschuldung beinhaltet.
Kleine Brötchen des Konflikts zu backen, ist für den Film aber auch
nicht gerade die schlechteste Methode, so wie er seinen schüchternen
Außenseitern eben nicht gleich extreme Traumata oder melodramatische
Hilfeschreie aufdrücken muss, stattdessen sympathisch und
unbeschwert die Romantik des Eigensinns konzentriert. Gestärkte
Herzen wird er jedoch nur bedingt evozieren können, aber das mag nur
aus Erwachsenenperspektive so wirken, schließlich könnte sich ein
Teen auch in solche Schablonen an Figuren gut hineindenken, wenn die
Erdung einigermaßen stimmt und die ersten Herzensschläge auftreten,
wurde bei „Margos
Spuren“ ja ähnlich verständnisvoll (wenn auch
dreidimensionaler) so gelöst. Stacy Cochran entscheidet sich
allerdings größtenteils nur für Bestätigungen des Teen
Spirits, als ihn zu reflektieren, gar einen echten Grund zur
Liebe anzubieten oder sonst was Erhellendes draus zu erzählen, was
nicht auch auf jede andere Generation Heranwachsender umgemünzt
werden könnte. Das macht ihren Film wohlgemerkt nicht entbehrlich,
aber im Endeffekt doch belangloser als solch ein Eskapismus mit
Winona eigentlich sein müsste.
Michael Verhoevens „o.k.“
stellt in der Geschichte des Films seit jeher einen jener Sonderfälle
dar, über die häufig gemunkelt wird, jedoch kaum Möglichkeiten
bestehen, diese für sich selbst zu sehen. Einst als deutscher
Beitrag zur Berlinale 1970 eingereicht, wurde das auf dem
gleichnamigen (je nach Quelle auch „Alles okay“ lautenden) Theaterstück basierende Werk an sich schnell
zum Politikum unter Jury-Mitgliedern, wobei speziell deren Präsident
George Stevens seinen Unmut darüber äußerte, wie das
Vietnamkrieg-kritische Narrativ wohl kaum zum Auftrag der
Völkerverständigung beitragen dürfte. Die Diskussion
untereinander, wohlgemerkt auch infolge internationaler Spannungen
zum reflektierten Sachverhalt, ballte sich demnach so schwer, dass
die Berlinale erstmals und bis heute einmalig vorzeitig abgebrochen
wurde (alle Details dazu von Verhoeven selbst via DIE
WELT). Über vier Jahrzehnte später wirkt der Skandal im Zuge
der Geschichtsverarbeitung gewiss nicht mehr so scharf nach,
allerdings ist der Film dazu leider ebenso in der Versenkung
verschwunden. Wieder mal ist da nur der Griff zu einer alten
Videoaufnahme nötig, welche eine seltene Ausstrahlung via VOX
archivieren konnte – ein Schicksal hiesigen Filmguts, das ich an
dieser Stelle schon des Öfteren lamentieren musste. Nichtsdestotrotz
ist das Zeitdokument die Mühe zur Sichtung wert, schließlich
offenbart es rückblickend schon mal einen völligen Widersinn in
Stevens' Argumentation. Der Film rekonstruiert den im November 1966
stattgefundenen Fall einer Gruppenvergewaltigung mit anschließendem
Mord binnen des Vietnamkrieges, indem er dessen Figuren mitten in den
bayrischen Wald verfrachtet, die Namen und Fakten zwar nicht
verändert, dafür jedoch den einheimischen Dialekt und ähnliche
Eigenarten im Umgang mit einfließen lässt.
Natürlich ist dieses Zeugnis einer
Gewalt, welche im Auftrag ihrer Demokratie Gräueltaten begehen zu
dürfen glaubt, ein amerikanisches Problem – so wie es auch
explizit ein internationales ist, wenn große Teile der
Weltbevölkerung gewiss nicht unbedingt danach streben, den Idealen
ihrer jeweiligen Politik entsprechen zu können. Deshalb wirkt
Verhoevens Film tatsächlich erschreckend zeitlos, wenn ein Jahr wie
2016 ebenso wie dort casual vorm Alltagsrassismus kapituliert,
Konflikte in Hass und Populismus schwappen lässt und dies erst recht
auf bundesdeutscher Ebene salonfähig macht, dass die unscheinbarsten
Menschen aus ihrer Behütung heraus zu haltlosen Zynikern mutieren.
Verhoevens Verlagerung des amerikanischen Problems ins Bayrische
macht sich daher eben enorm natürlich in einer Zone des
Erzkonservativen, voller provinzieller Macho-Attitüden und
ignoranter Selbstgefälligkeiten, in denen fünf normale Soldaten aus
ihrer Langeweile der Gefechtspause binnen permanenter Erwartung
heraus ihr wahres Gesicht zeigen, über weite Teile sogar vom System
gedeckt werden. An letzterem Punkt dürfte sich jemand wie Stevens
besonders gestoßen haben, auch wenn er die Kongruenz zur deutschen
Bürokratie, den zu der Zeit schon grassierenden Autoritätsmissbrauch
('68er, you know?) sowie vielen weiteren Faktoren, die über den
Status einer Nation allein herausgingen, daran nicht einberechnet
haben dürfte. Ganz davon ab, ist Verhoevens Film auch nicht
unbedingt ein streng verurteilendes oder gar rein empörtes Portrait
einer Vergewaltigung an Menschenwürde und Politik. Stilistisch
gesehen nimmt er rahmenbildend eine neutrale Position ein, die
Emotionalisierungen komplett ausklammert, in basischem Schwarz-Weiß
ausgeleuchtet nochmals Erdung ausstrahlt, dazu zwar
semi-dokumentarisch mit der Handkamera aufwartet, im Vornherein
jedoch die Darsteller der Figuren sich selbst vorstellen lässt,
damit Distanz gewahrt, das Verhältnis zwischen Kunst und Wahrheit
aber bei weitem nicht zertrennt wird.
Die herausfordernde Methodik setzt sich
im raffenden Erzählstil des Films fort, der seinen Kriegsalltag mit
Texttafeln auf konkrete Kapitel trimmt, (beinahe) nur dort eine
psychedelisch-entkoppelte Orgelmusik zum Wahn beitragen lässt, der
den Charakteren im frustrierten Verständnis ihres Freiheitsauftrages
begegnet. Die Rollenmodelle sind dazu ebenso schnell identifizierbar
wie sie eben universell für die Hierarchien jeder Autorität und
Gesellschaft gelten können: Der Boss Sergeant Tony Meserve
(Friedrich von Thun) inklusive Zigarre und Empfehlungen vonseiten
seiner Vorgesetzten („Ein feiner Kerl!“), der stets am
Funk „Servus, Jackson!“ schnackende Clarke (Hartmut
Becker) mit Kartenspielfimmel, der etwas dumm aus der Wäsche
schauende Soldat Diaz (Ewald Prechtl), das kecke Großmaul Rafe
(Wolfgang Fischer) sowie der von allen etwas abseits stehende Sven
Eriksson (Verhoeven selbst). Allesamt hängen sie im Gebiet der
Ereignislosigkeit fest, halten die Stellung inmitten der Bevölkerung,
für die sie kaum was empfinden können/wollen, so wie sie vom
Militärleben aus mehr oder weniger abgeklärt den Tag verleben, eine
Routine der Passivität aufziehen, die noch von zuhause importiert zu sein scheint. Wer z.B. mal beim Bund war, weiß solch befremdliche Lässigkeit
wiederzuerkennen, weshalb es anfangs auch einigermaßen Sympathien
mit sich bringt, wie die Kollegen untereinander parlieren, von daheim
schwärmen, sich prollig wie dusselig an der stumpfen Arbeit
langweilen – das charakterliche Kennenlernen macht sich natürlich
schon für Grauzonen und erhebliche Tiefen bereit, doch die
Gewöhnlichkeit all dessen ist nicht zufällig auf den Großteil der
Laufzeit ausgeweitet.
So entwickelt sich aus den profanen
Freizeitbeschäftigungen und Jungsstreichen bald schon die Lust am
Gegeneinander, verbunden mit einem disziplinären Hin und Her, das
den Soldaten die Lizenz zu einer Autorität gibt, die sie selber
nicht ernst, sondern als Selbstverständlichkeit gesellschaftlicher
Souveränität nehmen. Da wird einem zum Spaß auch mal mit dem
Messer der Bart abrasiert, weil jener auf einmal zu sehr nach Hippie
aussieht – weitere Machtmensch-Begründungen des konservativen
Mittelstandes machen hier selbst bei Ranghöchsten ebenso ihre
Aufwartung, bis das Potenzial zum Sadismus am Überkochen ist. Nicht
mal der einmalige Bombeneinschlag (aus Versehen aus den eigenen
Reihen abgefeuert) ist dazu wirklich nötig, vielmehr ist das
hormonelle Kräftemessen unter einfachen Bros wie eh und je
ein Pulverfass, das sich seine Widersacher zusammen
spekuliert und dies von Regierungsseite bestätigt glaubt, dass
Menschen in solch unbeaufsichtigter Fassung zu Freiwild werden. In
dem Fall trifft es vor allem die zufällig via Fahrrad vorbeikommende
Phan Ti Mao (Eva Mattes mit 16 Jahren), die in der Bedrängung der
Testosteron wie Selbstüberzeugung überladenen Kerle zum fingierten
Verhör gezwungen wird, bis die Lage grässlich eskaliert. Die
Darstellung dessen geht in seiner Direktheit regelrecht unter die
Haut, nachdem man durchweg der Täterseite beigewohnt hat, dort aber
bis zu jenem Punkt Stück für Stück von der desolaten Lage im
Verlust der Menschlichkeit umzingelt wurde.
Dementsprechend roh - alles andere als spröde - begleitet Verhoevens Stil die Folgen, weiterhin
nüchtern und nah zugleich im Grauen, das weit und breit keinen
Ausweg bietet, auf dass der moralische Gegenpol Eriksson sodann auch
nur wenig, gar traumatisiert gegen die Taten der Selbstgerechten
ankommen kann. Verhoeven in seiner Selbstbesetzung als Vertreter des
Humanismus setzt natürlich auch ein etwas zu offensichtliches
Statement, das in seiner Unterredung mit höheren Tieren wie Captain
Vorst (Gustl Bayrhammer) nochmals reinforciert um die Erkenntnis der
Vernunft ringt, während der Deckmantel einer Verteidigung der
Demokratie im Vietcong jede Schandtat als notwendig zu billigen
scheint. Im Endeffekt bleiben die Darsteller im Rahmen der
Filmstruktur natürlich noch bewusst schlicht Darsteller, doch die
übertönenden Fakten zu nachfolgenden Gerichtsprozessen und
verminderten Haftstrafen lassen genauso wenig Entlastung vom
Filmgeschehen zu, wie der Irrglaube, dass ein Deutscher ja nicht wie
ein Amerikaner sein kann, im Kollektiv der Weltmächte aber letztendlich nicht
viel Raum zur Trennung übrig bleibt. Für solch eine natürlich
wirkende Kausalkette gibt es aber auch einen Grund, der fern
politischer Position von der steten Gegenwart eines brutalen
Menschenschlags herrührt, welcher - allein schon in der recht jungen
Aufarbeitung der Rape Culture evident - kaum der Vergangenheit
anzurechnen ist. Damals wie jetzt ist noch lange nicht alles „o.k.“,
wenn zwischen den Zeilen aller Ideale Missbrauch und Vergänglichkeit
lauern, jede administrative Option (man möchte sagen zurecht) ausschließlich an ihren Nachteilen gemessen zu werden scheint – alles
menschlich, wohlgemerkt, aber kein neues Phänomen, weshalb solch ein
Film auch nicht alt wird, höchstens die Restmaterialien des
archivierten Zelluloids.
Zurück zum Niedlichen, natürlich
wieder geradewegs zu den lieben Pfoten und Schnauzen der Hundewelt.
Da erreicht man mit „Fluke – Ein Hund räumt auf“ von
Carlo Carlei (wer?) sogar einen weiteren Zenit in Sachen tierisches
Denkmal, so wie das Leben als Hund in seiner ganzen Bandbreite auf
ein existenzialistisches Melodram konzentriert wird. Der waschechte
Tearjerker nimmt sich dafür vorerst ein Beispiel am
transformativen Schlusspunkt von „Man's best friend“,
indem er die Seele Matthew Modines nach einem Autounfall in den
Körper eines neu geborenen Welpen reisen lässt. Wenn's eine Komödie
wäre, würde sich das Bewusstsein des Humanoiden durchweg darüber
wundern, doch im inneren Monolog wächst der Hund erst von klein auf
heran, ehe er sich allmählich daran erinnert, was in einem früheren
Leben alles um ihn herum vorging - vielleicht die einzige Art
90er-Jahre-New-Age-Bullshit, der man aufmerksam beiwohnen
will, dem Hunde wegen. Bis dahin passiert allerdings so einiges an
Erfahrungswerten, welche in ihrer Konstruktion enorm effektiv zur
Ballung der Sentimentalität ansetzen und natürlich kindgerechte
Entlastungen bereithalten, insgesamt aber auf einen Platz als
traurigster Hundefilm aller Zeiten hinzuarbeiten scheinen: Zunächst wird
Fluke als einer von vielen Welpen in einer finsteren Gasse geboren
und da sind schon bald die Tierfänger zugegen, denen er entkommen
kann, die Trennung von Mutter und Geschwistern aber mit einhergeht.
Daraufhin kommt er bei einer alten obdachlosen Dame unter, der er mit
einem Becherspiel aushilft, was nicht mal als frühester Ansatz einer
Vermenschlichung der Tierdarsteller in diesem Rahmen gilt, jedoch
gründlichst für drollige Heiterkeit sorgt – wieder so ein Film,
der permanentes „Aww!“ aus den Zuschauerreihen hervorholt.
Die Abwechslung dazu lässt aber nicht
allzu lange auf sich warten und so stirbt die alte Frau dahin, was
Regisseur Carlei jedoch wie vieles am Film nicht zu doll in billige
Plakativitäten einbettet, höchstens mit der Montage zu
süßen Hundevisagen ins Herz stechen will, was von Carlo
Siliottos Score noch hardcore rührselig gesteigert wird. Der
klingt wiederum verdächtig nach Carter Burwell (höre hier),
während Coen-Brüder-Stammschauspieler Jon Polito (R.I.P.) prominent
mit von der Partie ist und erst recht Richtung Finale der Eindruck entstehen könnte, dass eben jenes Regieduo die Moral im Dasein
zwischen den Welten hier wie gehabt stilisiert hätte. Zuvor passiert
aber noch einiges an wunden wie lichten Dog moments, die
selbst für Spielberg zu viel des Guten wären, sobald sich Fluke mit
dem ruppigen Rumbo (im Original gesprochen von Samuel L. Jackson)
zusammentut, zwischen Müllhalde und Wochenmarkt reichlich wuffige
und knuffige Abenteuer erlebt, ehe der böse Sylvester (Ron Perlman)
wieder die Tierfänger auf sie hetzt. Nicht, dass dieser abseits der
ersten Filmhälfte noch eine Rolle spielen wird, doch der Klimax im
Tierversuchslabor, der sich daraus bildet, sollte anhand seiner
Eskalation in die Filmgeschichte eingehen – dabei bitte die Kombi
aus Schimpanse und Welpe beachten, ein wahrlich wildes Vergnügen!
Währenddessen aber fängt Fluke mit Max-ähnlicher Schlauheit an,
sein ehemaliges Wesen zu rekonstruieren und somit auch seine Familie
zu kontaktieren, was als Hund natürlich nicht zu einfach ist,
weshalb er mit seiner Präsenz direkt vor Ort überzeugen muss. Die
Familie, die Modine mit seinem Unfalltod hinterlassen hat, agiert
wohlgemerkt noch ein Stück weit im Zeichen der Trauer, doch Sohn
Brian (Max Pomeranc) ist nun mal wie jedes Kind drauf und dran, das
Tier im Haushalt aufzunehmen, auch wenn Mutter Carol (Nancy Travis)
anfangs dagegen ist, aber angesichts der natürlichen Freude am Hunde
ihren Ton bald ändert. Die malerischen Eindrücke dazu sind zudem
die Vorstufe zu Flukes Bemühungen, sich als Reinkarnation des
verschiedenen Ehemanns und Vaters Thomas P. Johnson bemerkbar zu
machen, was manch wüsten Ausflug in die Garderobe motiviert, am
bissigsten jedoch hervortritt, sobald der Neue, Jeff (Eric Stoltz),
nach Hause kommt.
Der scheint als ehemaliger Partner in
Johnsons Kanzleifirma laut Flashbacks („Run Off“
lässt grüßen) für den Tod desjenigen verantwortlich zu sein und
wird daher als Feindbild von Fluke angegriffen, so dass dieser wieder
aus der Familie weg abgeholt werden soll. Fluke flüchtet jedoch wie
vor so vielem in seinem Leben, Sohn Brian tut es ihm gleich, obwohl
er nicht nur ein kräftiges Fieber davon tragen wird. Ohnehin sind
die Folgen nicht ganz derart absehbar, wie man es von einem Kinderfilm
dieses Kalibers erwarten würde, so wie die Reflexion zum mehrfachen Lebensweg zwischen Schuldfrage und nachgeholtem Anrecht
steht, im Zuge neuer Perspektiven jedoch ein Einsehen hat, das aus
den geläufigen Topoi ein moralisches Dilemma schöpft. Das geht mit
festen Schritten sodann auf Szenarien zu, die wiederum expliziter um
Leben und Tod ringen, schließlich den Schnee auf den Friedhof fallen
lassen, an dem sich Rettungen und Entscheidungen kreuzen; am Denkmal
der Erinnerungen noch eine übersinnliche Romantik der Entsagung
erfüllt wird, wie sie selbst in ihrer kitschigen Grundform noch
kraftvoll gen allumspannendes Schicksalsdrama arbeitet. Nah am Wasser
inszeniert, läuft Fluke dazu allerdings auch mit hinkender Pfote auf
und lässt den Voiceover im Leben nach dem Tode nochmals
pathetische Botschaften träufeln. Obwohl selbst das alles noch
relativ liebenswert daherkommt, so wie sich die Naivität hier
aufrichtig im Gefühl aufbauen kann, ist der Film manchmal eben doch
ein gutes Stück offensichtlich im manipulativen Schmalz unterwegs,
schließlich zwischen Magie und Philosophie verniedlicht. Nicht, dass
es ihm schaden würde, doch was wohl wäre, wenn weniger Kompromisse
für die Zielgruppe und mehr Charakterwerte für die zugegebenermaßen
schlichten menschlichen Figuren vorgeherrscht hätten, müssen noch
andere Hundeliebhaber unter den Regisseuren dieser Welt herausfinden
(„Underdog“
hat's auch nicht wirklich gebracht). Dennoch ist „Fluke“
als Filmerfahrung durchaus überraschend über den Standard hinaus in
Gefilden (über-)irdischer Ambivalenz zweiter Chancen unterwegs, wenn
er sein Genre zwar in gewissen Pflichten erfüllt, in anderer Instanz
aber aufwachsen lässt.
Tja,
und dann gäbe es da noch den guten alten Todd Solondz, der in seiner
ersten Regiearbeit „Fear,
Anxiety and Depression“
höchstpersönlich als Protagonist eines bitteren Amerikas auftritt,
wie er es in folgenden Jahrzehnten stets zielsicher als Hort von
Egoisten, Nihilisten, mitleiderregenden und gleichzeitig
selbstverschuldeten Versagern sowie den eigenen Zeitgeist leugnenden
Chart-Hits zeichnete. Das macht die Sache des Drüber-Schreibens nicht unbedingt einfacher, wenn genaue Einzelheiten des Films zu jener (nicht
gerade zum ersten Mal erfahrenen) Konklusion führen, auch wenn
Solondz hier verstärkt aufs Eigene zurückgreift, um das u.a. von
Woody Allen romantisierte New-Yorker-Künstlerleben für die 80er
reeller (vielen Gesellschaftskomödien jener Zeit enorm hardcore
voraus) upzudaten. Solondz beherrscht da schon seine brutalen
Bild/Ton-Scheren auf der nimmer erfüllten bzw. wechselwirkenden
Sehnsucht zum Glück, dessen Gnade sich das Ensemble durchweg
gegenseitig entzieht, in angegangenen Vorteilen andere wiederum benachteiligt.
Beziehungen sind ein einziger, permanent unter den Füßen
bröckelnder Albtraum oder erst zu dritt am beständigsten, wobei
einer immer leer ausgeht: „Warten auf Godot“-Fan
Ira Ellis (Solondz), der sich die Sache auch selbst verbaut, weil ihm
die ihn umschwärmende Sharon (Jill Wisoff) zu manisch-aufdringlich
wird, er mit seinem herablassenden Intellektualismus aber umso blöder
auftritt, wenn er die übernihilistisch-narzisstische
Performancekünstlerin Junk (Jane Hamper) zu beeindrucken versucht.
Er war stets bemüht und doch ergibt er nicht den Archetyp des
liebenswerten Losers, dafür agiert der Schwerenöter-Opportunist beziehungstechnisch einfach zu
grausam und naiv, obgleich das Verhältnis von Kunst und Erfolg hier
als roter Pfaden noch einen Bezug zur Empathie aufzeichnet, der quasi
alle Charaktere zum ausbeuterischen wie verzweifelten Handeln binnen
NYC zwingt. Deshalb sind reine Antagonisten hier ebenso
Mangelware wie Protagonisten, so dass selbst ein talentfreier, doch
gerade deswegen erfolgreicher Broadway-Sleazeball
wie Donny (Stanley Tucci) keine Karikatur der Verlogenheit bleibt,
ebenso unterschwellig Ängste hortet wie Ira sie voller prätentiöser
Inbrunst im Laientheater ausdrücken will. Darin macht er auch seinen
Eltern Vorwürfe, will dies vor seinen Leiblichen aber verharmlosen,
sobald vernichtende Kritiken das im Klartext aufgreifen.
Ira
muss ganz wie Fluke lernen: Andere sind auch Opfer, denen es beschissen
oder noch beschissener geht, so wie seine
Sharon in der ranzigsten Burger-Bude arbeitet, auch mal im
Hintergrund von Iras passivem Beisein vergewaltigt wird und zu
alledem von ihm noch erklärt bekommen muss, dass Liebe ein Wunder
sei und ihre Beziehung eben keins. Was weiß er schon von Liebe?
Nichts, höchstens wann es Zeit ist, einen vermeintlich besten Freund
vor dessen Ex als unoriginellen Arsch zu bezeichnen, damit das
Einschleimen so richtig funktioniert und doch nicht zum Stich kommt,
wenn der attraktivere Rivale das Mädel zurückerobern will (=
zurückerobert). Die brutale Welt von Solondz arbeitet durchaus im
Karma vielfacher (Selbst-)Manipulationen, weshalb die Lacher zur
emotionalen Armseligkeit als (ab und an surreale) Pointen stets gnadenlos eintreffen
können oder mit peinlich schlecht gesungenem Liedgut (ein Topos, der
im Indie-Genre ebenso zur Seuche werden kann) zum Selbstmitleid/-hass
ansetzen. Visuell gesehen ginge das Potenzial daran noch optimaler
auszuschöpfen, so oft sich die Kamera Stefan Czapskys („Batmans Rückkehr“, „Vampire's Kiss“) auf per
Steadicam verfolgte
Zweierdialoge ausruht, gelegentlich wenigstens noch an Plansequenzen
doktert und Weitwinkel absägt, soweit es das begrenzte Production
Value zumindest hergibt. Schön
ist aber immerhin, dass Solondz die Jahre darauf auch an Qualität
und Weitsicht aufstocken durfte, wo hier noch wie in jedem Debüt die
bekannte private Komfortzone aufbereitet wurde, obgleich er sie
energisch zu zerfetzen weiß, wie es sich manch Tarantino-Nachahmer
der Neunziger schon nicht mehr getraut hätte. Soviel offenes
menschliches Gift würden wahrscheinlich selbst die meisten
Jungfilmer von heute nicht mal verkraften, so wie in ihnen allen
anfangs ein gewisses Maß an Ira Ellis vorherrscht (schließt den
Autor dieser Zeilen nicht aus), doch wenn Samuel Beckett so will,
schreibt er ihnen allen mal zurück, wohl aber auch erst dann, wenn
alle Hoffnung zum Fenster rausgeworfen, jede Ambition zerstört,
jedes Miteinander in die Tonne wurde und einem dennoch das Credo
„Weitermachen“
entgegenkommt. Solondz' Pessimismus hatte schon immer das beste
Timing.
DOCTOR STRANGE - "[...] Es wird da schon bezeichnend, dass dauernd von minimal variierten Dimensionen an parallelen Welten die Rede ist, wo hier doch das geläufige Narrativ der Heldensage/Origin-Topoi in gewohnter Manier das Abenteuer der Weltenrettung anvisiert [...] Schließlich gibt sich Derrickson in seiner Inszenierung zwar geerdeter als manch anderer Kollege aus dem näheren Umfeld, flacht anhand dessen allerdings des Öfteren in der Dynamik ab. Diese will sich grundsätzlich im Kanon der „Avengers“-Bande wissen, beißt in krampfhaft konstruierten Charaktermomenten aber erst recht auf Granit, wenn der Dialog mit eingebauten Witzen aufzutrumpfen vermag, die man eben wortwörtlich nur als eingebaut bezeichnen kann [...] Manchmal erfüllt der Film eben Erwartungen, die einem wie aus der Steinzeit des Mediums scheinen (siehe z.B. den archetypischen Hinterhalt in einer düsteren Gasse), manchmal macht er aber auch Laune, wenn Morpheus Swinton der Skepsis des selbstunterschätzenden Strange zum kontinuierlichen Learning-by-Doing verhilft, ehe der Master mit den gebrochenen Händen sein ihn auswählendes Relikt zur Rettung der Menschheit erhält. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)
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