Sonntag, 27. März 2016

Tipps vom 21.03. - 27.03.2016 (Nicht feiertagsfreies Ostern-Special)

Hallo liebe Leser, ich wünsche Euch einen frohen Ostersonntag! Wer meine wöchentlich designierten Blogeinträge dieses Mal als Osterei empfinden will, darf das gerne tun, jedenfalls werde ich wie gehabt in letzter Zeit zunächst mit einem Kurzbericht über die vergangene Woche starten und die Filme dazu kurz anreißen, obgleich die zentralen Sichtungen auch so mit voller Ausstattung präsentiert werden. Wie dem auch sei, ist allen voran ein Erfolg im Privaten zu vermelden, da ich nun eine neue Kochplatte in der Wohnung habe und zur Einweihung endlich wieder Spaghetti machen konnte. Bei der Inspektion zur Gerätschaft wurde zudem festgestellt, dass nicht nur zwei Sicherungen rausgesprungen waren, sondern dass eine davon auch rein gar keinen Einfluss auf die Stromversorgung der Wohnung hat. Irre mysteriöse Sache, jedenfalls muss jetzt noch festgestellt werden, inwiefern eine Eigenverschuldung bei der defekten Kochplatte besteht - drückt mir die Daumen, dass da die Hausverwaltung die Kosten übernehmen muss. Abseits dieser fesselnden Alltagsgeschichten (ich hab noch im Alleingang zwei neue Poster angeklebt), kann ich beruhigt festhalten, dass es tatsächlich doch ein Leben nach „Batman v Superman“ (siehe unten) gibt. Der Filmabend am Freitag hat so einige erfrischende Erkenntnisse in der Hinsicht geliefert, die wie folgt aussehen: 

 
Bei der Neusichtung von „Beavis und Butt-Head machen's in Amerika“ behalten sich der krude Animationsstil und die pubertäre 90er-Jahre-Dumpfbacken-Haltung noch immer eine gute Menge Charme und tolle Humorsalven vor, wie sie binnen der Serie schon erfolgreich lässiges Abhängen im Generation-X-Americana aufbot. Was beinahe als Zwang dagegen wirkt, ist die Filmwerdung durch einen halbgaren Crime-&-Terror-Plot, der unsere Jungs nicht nur auf einen landesweiten Roadtrip außerhalb ihrer Komfortzone schickt, sondern auch noch paranoide Geheimdienste auf ihre Fährte lockt. Das zweckmäßige Prozedere mit seinen Running Gags des Missverständnisses („Wir haben es hier mit absoluten Profis zu tun!“) sowie einige animierte Musiknummern als Lückenfüller können jedoch nicht kaschieren, dass ein Abenteuer mit B&B eigentlich keine achtzig Minuten durchhält und vor allem im dritten Akt gänzlich erschöpft, wenn den Charakteren noch nicht mal eine Art Entwicklung widerfährt. Das wiederum würde sich aber auch gegen den anarchischen Geist des Duos richten, von daher könnte man hier von Konsequenz sprechen. Letzten Endes bringt es aber vielleicht doch mehr, sich einfach je nach Belieben mehrere Folgen der MTV-Show anzuschauen und den Witz der brachialen Adoleszenz in Portionen einzunehmen. 

 
Noch weit naiver gab sich sodann das Abenteuer Schulde in Joel Silbergs „Lambada - Heiß und gefährlich“, einer Sozialstudie nach dem Format von Silbergs eigenem „Breakin'“ und daher durchaus in einer Parallelwelt der frühen neunziger Jahre angesetzt, in welcher sich die unterprivilegierten Gruppen des modernen Amerikas im Neon-Schützengraben des Clubs No Man's Land treffen und die Polizeikarren von der Decke sowie obskure Ohrringe hängen lassen, während sie den titelgebenden verbotenen Tanz, Salsa und Hip-Hop abhotten. Zwischen diesen Welten macht sich Kevin Laird, selber aus einer mexikanischen Familie in den Mittelstand hinein adoptiert, darin bewährt, Oberwelt und Unterwelt als Lehrer in Mathematik zu unterrichten. Tagsüber hilft er seinen Schülern also gewitzt mit Brille und Krawatte auf die Sprünge, nachts tanzt er sich mit Lederjacke in die von ihm gegründete „Galaxy High“ als Blade (!) hinein und hofft so, allen seinen Schützlingen eine Zukunft anbieten zu können. So glatt kann es aber nicht ablaufen, auch wenn manche Störfaktoren die hüftschwingende Erotik des Lambadas mit sich bringen. Allen voran Schülerin Sandy entdeckt die Funktion ihres Lehrers als Daywalker und fängt umso mehr an, von ihm zu schwärmen, was ihm so gar nicht in den Kram passen mag und mit der Eifersucht ihres Ex Dean einige Eskalationen aufkommen lässt. Ramon (Shabba-Doo aus „Breakin'“), Nebenbuhler auf der Tanzfläche, gibt sich ebenso störrisch, obgleich Blade auch an sein Potenzial zum Großartigen glaubt. Die Konflikte zwischen Sehnsucht, dem Glauben an das Gute und mehreren Widerständen der Gesellschaft bringen da nicht nur querbeet bunte Eindrücke hervor, welche aus der Sicht eines 10-jährigen entkommen zu sein scheinen, sondern auch wilde Ausflüge in die Welt der Träume sowie spontane Musical-Nummern im und außerhalb des Klassenraums. Dazu gesellt sich eine lehrreiche Probe an Theorien im Billardspiel, welche schließlich in einem groß aufgezogenen Superquiz im dritten Akt mündet, welches das Duell um Arm und Reich ins Glück der Chancengleichheit entlässt. Die Irrungen und Wirrungen der hier wirkenden kindlichen Gerechtigkeit stemmen sich im Verlauf immer mehr vom Sex des Lambadas ab, gleichsam macht das Ensemble, allen voran Sandy, eine Wandlung zur aufrichtigen Moral durch, die bereits früh in Charakteren wie Big Boss, dem Besitzer vom No Man's Land, auftaucht und dort mit einer Herzlichkeit ansetzt, wo man es im Milieu allgemein eher negativ gezeichnet sieht. Das ist sodann auch zwangsläufig mit Handlungsentwicklungen verbunden, deren Kulturverständnis überzeichnet und drollig wirkt, abseits dessen ohnehin nonkonform dem amerikanischen Traum entgegen schaut. So entschieden da jedoch im Leben gefeiert wird, Körper in ihrem auslassenden Tanz das Selbstbewusstsein des Individuums anfeuern, mathematische Formeln beigebracht werden und Pepsi an jeder Ecke steht, möchte man fast hoffen, dass sich das Dasein der Menschheit wirklich mal was davon abschaut. 

 
Ein eher fehlgeleitetes Vorbild für den Kapitalismus (nach der US-amerikanischen Selbstverwirklichung in „Beavis & Butt-Head“ sowie „Lambada“ die Konsequenz schlechthin) präsentierte sich sodann in der Ayn-Rand-Verfilmung „Ein Mann wie Sprengstoff“, doch diesen Film von King Vidor hatte ich bereits an jener Stelle besprochen, wobei ich an der Meinung von einst nicht wirklich viel ändern würde. Es wirkt eben noch immer irrsinnig, die Relevanz der künstlerischen Integrität auf Kosten eines Baus für eine soziale Einrichtung zu extremisieren, über deren Funktion die Stimme des Erschaffers stehen soll. Da zudem die Einflussnahme des Kollektivs sowie die Selbstaufgabe im Angesicht des größeren Nutzens als Zeichen des Faschismus zu stilisieren, präsentiert ein allzu fragwürdiges als auch widersprüchliches Verständnis von Demokratie, das in der Dreiecksbeziehung um Howard Roark, dem idealen Mann, wiederum für ein emotional bizarres Bild der bewussten Unterwerfung sorgt. Menschlich gesehen liegt da so einiges im Argen, inszenatorisch fesselt das Melodram der Architektur weiterhin, wenn auch das ideologisch geladene Drehbuch von Ayn Rand selbst dermaßen empathiebefreit klotzt, dass man es nicht fassen mag. Wie provokant soll das erst ausarten, wenn sich Zack Snyder an den Stoff herantraut? Daraufhin musste jedenfalls erstmal wieder eine Ladung Menschlichkeit her und da eignete sich Werner Jacobs' „...denn die Musik und die Liebe in Tirol“ ganz hervorragend zu, welchen ich schon einmal im Detail hier besprochen hatte. 

 
Der folgende Sprung zu John Waters' „Pink Flamingos“ mag da etwas drastisch erscheinen, ergibt aber ebenso eine klare Linie von „Beavis & Butt-Head“, bis hin zu „Lambada“ und „Tirol“, wenn sich der krasse Dilettantismus hier von seiner bewusst schmutzigsten Seite, familiär wie ein Charles-Manson-Klan, zeigt und dabei mit vollem Selbstbewusstsein in die Schönheit des Amoralischen springt. Das absurde Amerika reibt sich im und abseits des White Trash als laute Show auf, die in Haus und Heimat, manchmal auch mit keckem Don't-give-a-fuck an der frischen Luft, eine schrille Apokalypse der damaligen Gegenwart entwirft und weiterhin gegen alle Formen des guten Geschmacks verstößt. Ein Genuss an Zuschauerüberforderung und anarchischer Theatralik, der dafür auch gerne ins Pornografische abdriftet, Ei und Huhn zugleich malträtiert, den Wettbewerb ums Verkommene als Herzenssache der Ambition mit Spucke, Blei und Sperma aufzeigt. Mit solchen Shocks kennt der Spaß kein Ende und wird im Amateur-Gestus ohnehin sympathisch überstrapaziert, hier dürfen die Untiefen der Menschheit bar jeder aufgezwungener Moral ganz sie selbst sein und sich radikal ins Bewusstsein ballern. Eine Mitternachtsparty, wie sie nur alle hundert Jahre zustande kommt - Divines Einladungen sind da weiterhin geltend. 

 
Zum Abschluss jenes Filmabends ging es aber noch ins „Feld der Träume“ und wie sich da wiederum die Verständigung des Individuums im großen Gefüge des Americanas äußerte, schlug nochmals ganz andere Töne an. Solche mystischen Selbstverständnisses verfolgen nämlich Kevin Costner, der den Anweisungen einer Stimme aus dem Nichts folgt und im Maisfeld neben seiner Farm ein Baseball-Spielfeld aufbaut. Die Familie ist seinem Plan gegenüber schnell aufgeschlossen, sogar dann, wenn die Geister von Shoeless Joe Jackson und Konsorten zum Spielen raus kommen. Damit fängt die Reise des Unmöglichen binnen einer Realität aus Hypotheken, entmenschlichter Wirtschaft und regressiver Bigotterie aber erst an, so begibt sich unser naiver Held mit Vaterkomplexen auf die Pfade Richtung Autor Terrence Mann (James Earl Jones), der sich dem Auffinden uramerikanischer Seelen zunächst widerspenstig, doch dann sehr gespannt anschließt. Schlussendlich haben sie sodann alle den Blick offen für die Magie ihrer einheimischen Mythen, dessen hier abstrakt vorgestelltes Selbstverständnis mit etwas aufgedrückter Sentimentalität, aber nicht zu leugnenden Reizen ein gemeinschaftliches Aufbegehren zu Güte, Glück und Seligkeit in der Fusion von Vergangenheit und Gegenwart verinnerlicht. Da stecken natürlich auch Bewältigung, nostalgische wie kritische Betrachtungen der Reagonomics drin und mit der verstrahlten Kohärenz des Narrativs sind Stimmung und Charakternähe des Films auch nicht immer vollends zu greifen. Der Schlusspunkt des Ganzen kommt aber auch universell im Herzen an und macht die Inkonsistenzen einigermaßen wett, wenn auch der Weg dahin heutzutage kaum noch von einem derartigen Mainstream-Produkt aufgenommen werden dürfte (schade drum), aber wer weiß.

Soviel zu den kürzer besprochenen Ereignissen dieser Woche, es folgen die detaillierten Kritiken zum Filmfundus an Empfehlungen:




REMAKE, REMIX, RIP-OFF - (Gesichtet beim dokArt Filmabend #78 im Metropolis Kino Hamburg in Anwesenheit des Regisseurs)

Dass sowas noch möglich ist: Abseits von distanzierender Ironie, High-Speed-Montage und sonstiger aufgesetzter Gefälligkeit befasst sich Cem Kaya adäquat sowie anhand starker Filmförderung mit dem im internationalen Auge als Nische empfundenen Phänomen des türkischen Kinos von einst, das seine Generationen jedoch in vielerlei Hinsicht begegnete, beeinflusste und reflektierte. Es geht in diesem Dokumentarfilm, der zudem ohne Voiceover oder emotionalisierende Tonteppiche auskommt, sodann auch nicht um die Allgemeinplätze eines Spektrums und Mythos billig produzierter Genreschätze, die vom Konsens zum Auslachen freigegeben werden. Stattdessen versteht Kaya die Unmengen an medialen Erzeugnissen eben schlicht als Markenzeichen der inländischen Kultur, deren Entstehung für wahr entgegen der Allgemeinheit funktionierte, jedoch als Ausdruck der Kreation eine stetige Welle an Transformationen erzeugte. Demnach verweigert sich Kayas Film auch einem gängigen Narrativ der Detailaufzählung mit Fazit Richtung Nostalgie oder sonstigem Pathos, das womöglich noch einen Abschluss im Kreislauf des Kreierens suggerieren könnte. Der Titel „Remake, Remix, Rip-Off“ gibt dafür schon eine gute Auskunft ab, die sich auch in der Haltung der Interviewpartner wiederfindet, welche in unaufgeregter Schlichtheit Anekdoten vom eigenen Wirken sowie der Strukturen des heimischen Filmapparates erzählen, der in jenen Tagen verstärkt aus der regionalen Marke Yeşilçam entstammte und als Massenmedium konstant Ware fürs Volk lieferte.


Da macht man sich auch keine falschen Illusionen bezüglich der Unterhaltungsfunktion jener Filme, wohl aber verklären Köpfe wie Çetin İnanç und Kunt Tulgar nicht ihren persönlichen Ansporn (auch zum bloßen Lebenserhalt), genauso wenig die Schwierigkeiten und Frechheiten (u.a. gestohlene Musik und Filmmaterialien, unversichertes Stuntwork), die sich innerhalb dieses wilden Westens des Filmemachens ergaben, auf bestimmte Publikumsgruppen sowie im Verlauf auch stärker auf staatliche Zensur achten mussten. Da wollen sich auch keine Helden des Subversiven im Nachhinein bilden, doch vom Zeitgeist her findet sich ab und an zufälligerweise durchaus einiges an beachtlichem Zündstoff in den Werken ein, wie ohnehin ein Mekka an Inspirationen für eine Filmindustrie gebraucht wurde, die im frischen Wind des Kommerz reichlich ankurbeln wollte, dafür abseits der Fantasie zu bestimmten Vorbildern aber nicht unbedingt das nötige Personal, Know-How, Sorgfalt und Geschmackssicherheit vorweisen konnte. Not macht jedoch erfinderisch und so berichtet der Film auch gerne (teilweise in genialen Bildern der zufälligen Symbole) von wahnwitzigen Improvisationen der Schaffenslust, wobei auch das Risiko darin mit ungeahnten Höhen aufwartet. Das Schnellschuss-Chaos geht dabei aber nicht in Cem Kayas Gestaltung über, so findet er stets natürliche Übergänge zwischen fair vermittelten Sachverhalten, die in geballten wie effektiven Segmenten an Erinnerungen, Archiv- und Anschauungsmaterial eine löbliche Kohärenz finden und den Spaß des Ganzen bewahrheiten, der in seinen Collagen des kollektiven Geschichtendrangs ohnehin liebevoll recherchiert erscheint.


Die Teilnahme an altbewährten Story-Mustern wird zudem übergreifend mit einem knackigen Selbstbewusstsein unterstrichen, das keine Unterschiede zwischen den Genres, E- und U-Kunst sieht (Çetin İnanç und Yilmaz Güney z.B. waren befreundet und aufmerksame Zuschauer füreinander), sondern die grundlegenden menschlichen Essenzen dieser eben auch als Antrieb versteht, aus welcher Kunst & Kommerz überhaupt erst erblühen können. Die Parallelen zum heutigen Kino, an dem noch immer oft und wehleidig Remakes, Topoi und einzelne Filmkategorien von Vornherein lamentiert werden, sind dabei nicht von der Hand zu weisen. Gleichsam ist die Geschichte des Kinos dadurch natürlich auch ein Melodram; eins, das mit gesellschaftlichen Veränderungen, Geschmäckern und neuen privateren Medien sowie Extremen hadert und auch nicht davon verschont bleibt, als Maßnahme der Bevölkerungslenkung von der Obrigkeit kontrolliert, sprich ein Politikum zu werden. Vorbei sind dann allein die Tage des fehlenden Urheberrechts, besonders unter härteren Regimen und dem Wandel zum Neoliberalismus hat es die Unschuld schwer - das Aufrichtig-Kritische darin erst recht. Nicht, dass die Bedingungen vorher unbedingt viel besser waren, Wille und Weg ergeben in jedem Labyrinth noch eine Linie, wenn diese auch stets Lasten und Engpässe zu stemmen hat. Bis in die Gegenwart, nun im Wettbewerb des Fernsehens gelandet, erfordert das Schaffen eine Übermenge an Energie, die gleichsam dem Recycling an Widerständen ausgesetzt ist, wie es dem Ideenmangel der Weltgeschichte eben anheimfällt. Auch das Internet, durch Plattformen wie Youtube als grenzenlose Spielwiese initiiert, geht allmählich diesen Weg der gesetzestreuen Instrumentalisierung von Kommerz und Ideologie entlang.



Es verwundert daher auch nicht, dass Cem Kaya im letzten Akt zwar bittere Bilder der Konsequenz vom Verhältnis Realität-Fiktion zeigt, aber bar jeder Emotionalisierung die Abgeklärtheit dessen verinnerlicht, in welcher die Zukunft mit Anteilen der Vergangenheit voran schreitet, auch wenn das Erbe im Rausch der Zeit irgendwann leider stetig als verschollen gemeldet werden muss. Im Q&A, das Cem Kaya im Anschluss an die Vorstellung hält, berichtet er dann auch von der Neueröffnung eines eben noch im Film abgerissenen Kinos, das sich inzwischen inmitten eines Shopping Centers vorfinden lässt und zumindest noch einzelne Elemente des Originals inne hat. Irgendwo eben auch eine schlechte Kopie, doch mit der Tatsache allein wird der Inhalt dessen noch lange nicht pauschal entwertet. Aus etwas Altem/Bekannten etwas Neues zu machen, ist eine Kunst für sich und bringt Bewunderer hervor, die Regionales, Triviales, Profundes sowie sich selbst und eine Motivation darin wiedererkennen können - in dem Sinne: „Wenn die das können, kann ich es auch schaffen“. Jeder Künstler fängt irgendwo als Amateur an, ohne Einflüsse aus Kultur und Leben wird und wurde bisher auch kein Meisterwerk inspiriert. Deshalb bedient sich Kayas Film für seinen Schlusspunkt auch beim Ende eines „Jagd auf Dillinger“-Remakes von Çetin İnanç, dass den Zoom auf die Betitelung eines Plakats im Films als Meta-Absacker binnen blutiger Schludrigkeit einsetzt. Kurios und bezeichnend zugleich kommt hier die bittersüße Schönheit dieses speziellen kulturellen Wiederkäuens zur Geltung - ein würdevolles Statement für den Reiz eines sorgenlosen Kinos, das seine Freiheit mit Anlauf aus Vorlagen zusammen klaute.




BATMAN V SUPERMAN: DAWN OF JUSTICE - "[...] Eine neue Qualität der Brutalität überschattet das Handeln der Kontrahenten. Ihre Ursprünge verbinden sie aber auch als zwiegespaltene Waisen einer Welt, deren Szenarien Snyder und seine Autoren Chris Terrio und David S. Goyer aus einem Zeitgeist des Terrorismus, Menschenhandels, Kapitalismus und der Korruption schöpfen. Die Drastik, mit der das Politikum an der Fantasie exerziert wird, übertrifft sogar die Gewalt eines Nolan und wird in der ideologisch hantierenden Inszenierung von Nihilismus und Wut gekennzeichnet. [...] Und obgleich sich jene Reflexion allmählich dem Diskurs von Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit, Macht und Missbrauch nähert, wie sie in der „Dark Knight“-Trilogie ambivalent an der Tagesordnung war, ergänzt sie in diesem Fall noch das Unikat eines anorganischen Epos, das seine Kontroversen brachial verschärft, ehe es sie deeskaliert. 

 
[...] Snyders Frankensteinmonster eines Films, wie ein Bizarro zum eigentlichen Supermanfundus, ist gewiss auch abweisend in seinen Ambitionen, weder als Trivialunterhaltung noch als Prestigeprodukt auf Anhieb (be)greifbar, und mit Stolperschritten in der eigenen Imposanz unterwegs [...] selbst wenn Snyder die Zerstörungsrate und Kollateralschäden auf konzentrierte Portionen zurückschraubt, die Aufregung an seinem Horrorszenario des Comickriegs aber gewiss voller morbider Eindrücke und digitalem Bombast vorführt. [...] Dieses Chaos des anfänglichen Misstrauens, der Boshaftigkeit einzelner Fronten und mühsamer Einigung (erfordert) eine Menge Toleranz für ruppiges Genrekino. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




ROHR FREI! FÜR FAMILIE HOLLOWHEAD - Direkt aus einem Röhrenlabyrinth, wie es selbst in Terry Gilliams „Brazil“ nicht binnen derartiger Finsternis tropfte, treffen wir die Hollowheads, eine Bilderbuchfamilie einer Fantasiewelt, die zwischen Dystopie und Urschleimverstrahlung in einem Alltag unterwegs ist, der uns vertraut, mit seinen absurden Eindrücken aber wie vom anderen Stern scheint. Die Entstehungszeit um 1989 gibt aber den entsprechenden Nährboden für eine hierin gepflanzte Sozialsatire ab, die zeigt, mit welchen Perversitäten der Obrigkeit man sich zufrieden geben kann, wenn die Macht der Gewohnheit zuschlägt. Außerirdische würden über unsere Manieren und Gepflogenheiten wahrscheinlich ebenso verblüfft sein; die Verzerrung der Details ändert hier jedenfalls nichts am universellen Modell des Lebens unter Kapital, Herz und individuellem Ehrgeiz, stets gleich neben dem Abgrund treibend, der hier ohnehin als allgegenwärtige Barriere verselbstständigt sowie als Reiz im Wechselspiel zur Wahrung der Moral wahrgenommen wird. Gleichsam kommen einen die Typen der Familieneinheit bekannt vor, wie sie ein Reagan und andere Ewiggestrige als Ideal empfinden dürften: Die treue Hausfrau Miriam (Nancy Mette) in der Küche; drei Kinder, meist auf dem Sprung zwischen Kreativität, Streichen und Dating; zu guter Letzt der stets grinsende Vater Henry (John Glover), der entgegen seines Potenzials im mickrigen Job aufgehalten wird und sich auch dann nicht beschwert, wenn der Boss Mr. Crabneck (Richard Portnow) ihn beleidigt oder die Frau anpackt.


Regisseur Thomas R. Burman, leider nur dieses eine Mal in jener Funktion tätig und ansonsten in der Make-Up- & SFX-Branche unterwegs, weiß um den sozialen Zwang seines im Mittelstand eingeordneten Ensembles und karikiert es nicht mit zynischem Urteil, als dass er die bescheidene Sehnsucht zum Eigensinn und zur Lebendigkeit in konzentrierter Kulisse empathisiert, dennoch einen tollen Spaß aus der Selbstverständlichkeit hingenommener Absurditäten schöpft. Als stilistische Beihilfen gesellen sich da ein Soundtrack, der Gefälligkeit und seliges Stöhnen in synthetische Samples zerhackt sowie schräge Kameralinsen im Angesicht schleimiger Spezialeffekte, die so enthusiastisch beäugelt werden wie auch Unmengen an Tentakeln nur die Spitze des Eisbergs an Doppeldeutigkeiten preis geben. Das zufriedene Eigenheim gibt sich da aber immerhin auch offen mit seinem verselbstständigten Leck individueller Gelüste, vor allem in den Kids trifft man allzu bekannte Bilder der Jugend an, die in dieser Alternativrealität aber erst die wahre vergnügte Schmierigkeit des Menscheninnersten aufzeigen - allen voran der kleinste, Billy (Matt Shakman), wird da blutrünstig im Kinderzimmer sowie frech gegenüber der Hausordnung, wenn ihn sein Nachbarskumpel Joey dazu verleitet und die verrücktesten Tierchen einschleppt.


Teen-Schwester Cindy (Juliette Lewis) ist da noch etwas unschuldiger auf fesche Jungs und passende Kleider für eine naive Romantik aus, ebenso fetzt sie ab und an flotte Songs und Anziehmontagen weg, doch auch sie mag den Großvater im Keller nicht füttern wollen - eine Aufgabe, die jeder an den anderen abdrückt und genauso unangenehm ausschaut, wie einem der Greis auch irgendwo leid tut, so mitten im Dampf und Rost des Alters bugsiert. Gehört eben alles zum Tagespensum dazu und dem folgt der niedrig budgierte Film sodann binnen eines simplen Narrativs, das für Besorgungen zwischendurch zwar ebenso an der frischen pechschwarzen Luft in einen urigen Arbeiterklasse-Horror schaut, hauptsächlich jedoch die Aufregung vor dem Besuch des Firmenchefs behandelt, dem man ja bloß ein schönes Abendessen kochen will, um vielleicht mal eine Beförderung ansprechen zu dürfen. Jenes sexbesessene Raubtier der Vetternwirtschaft schert sich aber natürlich nicht um seine Untergebenen, sondern möchte sie am liebsten einer nach dem anderen verschlingen, während die Maßregel der Nettigkeit unserer Familie Hollowhead jeden Konflikt auszublenden versucht. Dass diese Beengung der Werte sodann ihre gewalttätigen Folgen hat, wirkt beinahe schon wie aus einem Grimm'schen Märchen inklusive Hardgore-Effekten.


Die Bewältigung der Familie, über ihren Horizont hinaus zu blicken, geht sogar beinahe zu Herzen, wenn Regisseur und Ko-Autor Burman denn nicht noch sicher stellen würde, dass der Kompromiss von Karriere und familiärer/moralischer Selbsterhaltung auch ein bitteres Licht auf die gutmeinenden Hollowheads wirft, die eigentlich mehr dunkle Geheimnisse als zuvor um sich bilden. Die Erzählung dieser Konsequenz ist dabei wie der gesamte Film an sich gemäß seines Produktionsumgangs nicht vollends mit Vollgas dabei - ohnehin gibt er sich im Verlauf auch ziemlich eindeutig, inwiefern er seinen Subtext an die Oberfläche zieht. Was ihm auch an geballter Schlagkraft mangelt, macht er jedoch mit einer netten Ladung Herzblut wieder wett, die sich in den surrealen Dekors wie auch im zentralen Schlagabtausch der Umgangsformen zwischen dem angepassten Ekel und dem destruktiven Ekel von oben herab widerspiegelt. Diese „schrecklich nette Familie“ wühlt als Symptom einer gescheiterten Gesellschaft eben auch im Schleim (oder der Schleimerei) der Masse herum und obwohl sie innerhalb des Schreckens der Angepasstheit mustergültig aufzugehen versucht, macht es ihre neuen Mutationen der konservativen Konzepte, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt, umso liebenswerter.

Sonntag, 20. März 2016

Tipps vom 14.03. - 20.03.2016

Und wieder stelle ich einen kleinen Kurzbericht meiner Eskapaden dieser Woche voran, bevor die zentralen Texte ihre Leserschaft finden. Ganz uninteressant soll dieser natürlich nicht ausfallen, deshalb stehen stets Filme im Mittelpunkt, die zwischen zig Runden auf dem Klo mit „Dr. Slump“-Bänden als Lektüre stattfanden.


Und da fing es eigentlich schon relativ früh und gut mit der Bücherhallen-Ware „Jigoku - Das Tor zur Hölle“ an, einem Gruselfilm moralischer Dilemma aus dem Jahre 1960 von Nobuo Nakagawa, der aus dem japanischen Mythos der Hölle zunächst eine Spirale von Gewalt und Zwietracht auf irdischem Boden entwickelt, welche jedoch an sich schon mit undurchsichtigen Mysterien gegen ein durchweg durchschaubares Narrativ arbeitet und den eigentlichen Charakter einer Twilight-Zone-Episode zudem mit einem Ensemble voll allgegenwärtiger, mehr oder weniger bewusster Schuld erfüllt. Mit Sympathie geizt der Film schon einigermaßen, weniger mit Leiden und dessen Quellen innerhalb etablierter Autoritätspersonen und eben solcher, die mit gutem Gewissen und weißer Weste asozial im Zeitkolorit handeln dürfen. Aber auch die Unschuld hat hier das Böse inne, ein bisschen leitet der Film dies auch aus dem Reiz zum Verruchten ab und da pumpt eine konservative Ader ebenso Blut hinein, wenn auch die ultimative Erkenntnis so ausfällt, dass jedermann Dämonen austrägt, sündigt und wider der Liebe sozialisiert. Der Nihilismus anno 1960 ist in seiner Härte ganz schön beachtlich, wie auch die Inszenierung Ungewiss- sowie Besessenheit in der Starre des Breitwandformats stärkt, doch das größte Spiel folgt erst noch in der Offenbarung der Hölle, einem suggestiven Farben- und Lichtspektakel, welches Körper und Geist in eine Verzweiflung des Verlorenseins wirft, aus deren Dunkelheit sich drastische Bilder der Folter und gefangenen Seelen sowie die Tragik einer versiegten Zukunft in all ihren übernatürlichen Ausmaßen formen. Ein Kampf ohne Entkommen, dem es in seiner Gesamtheit vielleicht an emotional vollends ankommender Kohärenz mangelt, aber wohl kaum an Konsequenz.

Am Tag darauf musste ich in der Realität auch wieder konsequent auf dem Sprung sein und bei der Postfiliale City-Nord vorbeischauen, obwohl wie gehabt eine weitere quasi direkt vor der Haustür zur Stelle gewesen wäre, von dort Pakete abholen sowie die defekte Kochplatte in meiner Wohnung von der Hausmeisterin abchecken lassen - bis jetzt ist in der Angelegenheit noch nichts weiter geschehen, ich glaub, ich muss jetzt schon seit vier Wochen ohne Spaghetti und Schnitzel im Eigenheim auskommen. Egal, am Abend selbigen Tages war ich zu einer weiteren Filmrunde eingeladen und durfte neben der Gastfreundschaft sowie Skittles und Dr. Pepper ein Nicht-Meisterwerk prämierter Güte genießen.


Die Fälscher“ von Stefan Ruzowitzky konnte 2007 den Oscar als bester fremdsprachiger Film einheimsen und bewährte sich damit gegen Nominierte wie Andrzej Wajda und Nikita Mikhalkow - was für eine Lachnummer. Die hier dargestellte Variante des Holocaust-Dramas setzt mit halbgarer Handkamera-Arbeit gewollt am Realismus an, Dialoge und Schauspiel nehmen jedoch die Position plakativer bis lachhafter Exploitation ein, ohne sich ehrlich dazu bekennen zu wollen (Karl Markovics räuspert sich den Robert DeNiro aus den Lippen; August Diehl ergießt sich als kommunistischer Idealist im filmtauglichen Phrasen-Pathos; Devid Striesow kommt als hämischer Lagerkommandant auf die Stufe eines Nazi-“Strombergs“). Stattdessen entwickelt jene Schere ein Drama in theatralischer Kulisse, dessen thematisches Potenzial (Ein übergreifendes Gleichnis zum entmenschlichenden Erfolgszwang des Kapitalismus?) irgendwo im Konsens verborgen bleibt, während die Nähe zu den Charakteren geradezu vermieden wird. Zu alledem wird jede Beobachtung und Erkennung des Sachverhalts bar angemessener Subtilität in stilistischer Reinforcierung derartig redundant durch Zooms und Musik im Affekt zu Tode akzentuiert, dass einem als Zuschauer ja jede Denkarbeit abgenommen werden soll, während sich dieser nur mit Verachtung bedanken kann. Eine halbe Handvoll wirksamer Sequenzen hilft dann leider nicht darüber hinweg, dass diese Reise in die Tiefen der Menschheit nur wenig Substanzielles zu Tage fördert, an charakterlicher Konsequenz spart und selbst Betroffenheit nur vortäuschen kann.

Danach gab es zumindest noch aufregende Diskussionen und tolle Stullen, am Mittwoch dann wurde der Tag beinahe ausschließlich auf Facebook verbracht, um die Wahrscheinlichkeit der Räudigkeit an diesem Buch zu diskutieren. Die Gruppenauseinandersetzung hat dabei ordentlich Staub aufgewirbelt und wer mir auf der Plattform zufällig folgt (oder es vorhat), findet in dem Verlauf reichlich anregende Meinungen aus verschiedenen Lagern, die ich hier nicht nochmal aufführe wegen Datenschutz und so. Alle Zeichen des Werkes deuten jedenfalls auf eine weitere Gettoisierung von Filmstoffen hin, die sich leider oftmals abseits des Mainstreams einfinden und als Klassenclowns für ironische Nerds herhalten müssen, wie es in der modernen Popkultur durch Screenjunkies, Redlettermedia oder auch Konsorten wie Chris Stuckmann angewandt wird.


Letzterer war in letzter Zeit auch einer, der „Superman IV - Die Welt am Abgrund“ auseinander zu nehmen versuchte und dabei erneut auf die Allgemeinplätze der Rezeption jenes Films zurückgriff, die anhand technischer Kleinigkeiten offenbar den schlechtesten Teil der Reihe auszumachen glauben. Was in der Kritik einzelner Sätze und Spezialeffekte natürlich immer wegfällt, ist der erhellende Kontext drum herum und da lohnt es sich, den Film, gerade im Hinblick auf den nächste Woche anstehenden Start von „Batman v Superman: Dawn of Justice“, auf eigene Faust zu erkunden. Die Cannon-Produktion unter Regisseur Sidney J. Furie hält nämlich einen kurzweiligen Ritt durch das naive Spielfeld des frühen Superheldenfilms bereit, das sich nach dem durch und durch schizophrenen „Superman III - Der stählerne Blitz“ wieder auf die zentralen Werte seines Protagonisten verlässt und somit ein herzliches Abenteuer um Wunscherfüllung per Phantastik und der bodenständigen Neigung zum menschlichen Miteinander entwirft. Fernab des Slapsticks eines Richard Lester behilft sich Teil Vier sodann eher cleverer Dialoge zur humoristischen Beobachtung des hilfreichen Aliens, das als Clark Kent durch den Alltag sowie die Gunst von Gesellschaft, Kindern und der Frauenwelt stolpert, sich entgegen dem Rat seiner Vorfahren und Erzieher in die Belange des Weltfriedens einmischt, sobald die nukleare Bedrohung ihren Siedepunkt erreicht. 

Die wahnwitzige wie aufrichtige Rede Supermans vor den Vereinten Nationen, die sich daraus ergibt, stellt dabei einen Höhepunkt des Eskapismus dar, wie er nur im Kino zustande kommen kann und gleichsam recht absurde Früchte trägt - allen voran durch die Rückkehr von Gene Hackman als Erzfeind Lex Luthor, der nun zusammen mit seinem 80's Hoschi-Neffen Lenny (Jon Cryer) einen Triumph des Zynismus anzettelt, sobald er die Profitabilität globaler Unruhe mit der Eigenkreation Nuclear Man zu erhalten versucht. Als Geschäftsmann findet er eben stets neue Wege und Hackman gibt daher auch keinen Unsympathen, sondern einen abgeklärten Privatunternehmer ab, der sich humorvoll mit dem Selbstverständnis von Gut und Böse versorgt. Clark Kent hingegen hat noch mit der Zuneigung von Lacy Warfield (Mariel Hemingway) und Lois Lane (Margot Kidder) zugleich zu hadern. Erstere versucht mit Sex, Geld und Draufgängertum das Herz des tollpatschigen Brillenträgers zu erobern, während letztere ihre Liebe hinter dem Professionellen zu verstecken versucht und dennoch allzu gerne dem Zauber des Manns aus Stahl verfällt. Beide Figuren sind basierend auf dieser Schilderung aber keine bloßen Handlungsventile, sondern sprudeln vor Lebendigkeit, wenn auch Frau Kidder manchmal kindlicher als sonst von der Beziehung des Supermans zu ihr bzw. der Menschheit ausgeht. Mit jener Grundnaivität schießt sich der Film aber natürlich nicht ins Aus, verinnerlicht er sie doch sowohl im Konflikt der Weltmächte, der übrigens auch im Kampf journalistischer Integrität gegen die Übernahme des Sensationalismus ausgetragen wird, als auch im Gemenge zwischen Superman und Nuclear Man um die Beschaffenheit unseres Daily Planets, für die auch mal die Logik von Natur, Physik, Astrologie usw. außer Kraft gesetzt wird. 

Sich aber darüber innerhalb eines Fantasyfilms zu beschweren, heißt sich dem Spaß der Fantasie verweigern zu wollen, wobei man jedoch immens an der Absicht des Films vorbeischrammen würde, der nicht nur als Aushängeschild billiger Spezialeffekte belächelt werden kann, sondern auch genuine Lachsalven im enthusiastisch verwirklichtem Verhältnis von Realität und Außerirdischem serviert. Moralische Betrachtungen abseits des Spiels mit der öffentlichen Meinung oder gar mehrere effektive Konzentrationen jener Haltung darin gelingen dem Film zwar vor allem zur zweiten Hälfte hin eher weniger, doch er versteht den eigentlichen Charakter der Reihe, die Richard Donner initiierte, dann doch mehr als Richard Lester, der sich in Teil Drei für eine nicht allzu substanzielle Melange dessen mit kontemporären Einflüssen entschied, die jedoch nicht über die blassen Modelle ihrer selbst hinauswachsen und eine Einheit mit dem Superman-Mythos bilden konnten, welcher jedoch auch dort für einige beachtlich essenzielle Momente sorgte - allen voran die süße Beziehung zu Lana Lang (Annette O'Toole), der Clark Kent mit Rat, Tat, nervösem Herzschlag und verschmitzt doppeldeutiger Spruchfertigkeit zur Seite steht; ganz zu schweigen von der Spaltung der Superman-Persönlichkeit ins Weltfeindliche, was einen grandiosen Dualismus heraufbeschwört.

Doppelt stark wurde es dann jedenfalls am Freitag im Metropolis Kino Hamburg, das zum zehnjährigen Jubiläum des Bizarre-Cinema-Programms ein Double-Feature aus Publikumsliebling „Die Todesgöttin des Liebescamps“ (für den hatte ich auch gestimmt) und Team-Favoriten „Söldner kennen keine Gnade“ bildete. Die 12 Euro an Eintritt dafür hielten aber auch einige Goodies parat, wie eine Trailershow aus Filmkandidaten, welche in der Wahl des Publikumslieblings hinter Christian Anders lagen, sowie ein Quiz für eingefleischte Besucher des Bizarre Cinemas, bei welchem man DVDs, Blu-Rays, Soundtracks und Schnaps abräumen konnte. Bei drei Fragen konnte ich dann auch als erster eine Antwort in den Saal rufen und die Ausbeute seht ihr im folgenden Foto.


Doch nun zu den Filmen an sich, obwohl schon in vielerlei offenen Zirkeln über diese berichtet wurde, weshalb ich auch nicht allzu viel mehr zu den psychotronischen Werten dieser hinzuzufügen habe.


Die Todesgöttin des Liebescamps“ beinhaltet jedoch als etwas mittellose, wenn auch ekstatische Darstellung von Sektenkult, Hedonismus und der allzu menschlichen Konsequenz der Liebe einige Wahrheiten, die im exploitativen Rahmen vielleicht eher als Unterhaltung pubertärer Reize empfunden werden, aber eigentlich auch ohne prätentiöse Betroffenheit (somit auch weniger durch eine grimmige Analyse schleppend, wie z.B. „Martha Marcy May Marlene“) den unvermeidlichen Erhalt von Ideologie und Gewalt in vermeintlich toleranten oder bewusstseinserweiternden Systemen beleuchten. Christian Anders' Regie probiert diesen Sachverhalt in durchgängiger Spekulation, seine Askese innerhalb plakativ bunter Kulissen vermittelt gleichsam aber auch den inneren Zwang, mit welchem das Hippie-hafte hier an sich selbst scheitert, die körperliche Feier eben mit tyrannischer Misanthropie anleiten zu müssen. Anders balanciert und banalisiert jedoch das Grauen in seinem Babylon und kontert daher voller Enthusiasmus mit Unmengen nackter Haut, üppiger Oberweiten und breitem Grinsen, die sich in Disco-Beats verlieren und dufte Sprüche binnen des Love Camps äußern, in welchem die freie Liebe ihren Höhepunkt findet, die Treue der Zweisamkeit jedoch bestraft wird. 

Bezeichnend dafür erscheinen die Körper geradezu stählern unter der heißen Sonne Griechenlands, allen voran Todesgöttin Laura Gemser weiß da Erotik als Macht zu gebrauchen, den Akt der Ekstase in einen geißelnden Bann zu verwandeln. Christian Anders selbst als Jünger Dorian befähigt sich da auch so einer Art von Zauber, wenn er Senatorentochter Patricia (Simone Brahmann) zur Liebe auf den ersten Blick verleitet, die derartig bedingungslos mit jugendlichem Leichtsinn glänzt, dass es für ein gereiftes Publikum schnell zur Lachnummer wird. All diese Aspekte kulminieren dann auch im Mann aller Männer, Tanga (Sascha Borysenko), der die Härte des menschlichen Bodys pausenlos verkörpert, im Stehen schwitzt und Muskeln en masse präsentiert, ruppig und fix als Entjungferungswerkzeug fungiert sowie die Treue zu seiner Meisterin mörderisch mit Sindbad-Säbel und Höllenschlucht ausführt. Als Charakter ist er an sich schon der pure Blickfang und vielleicht auch der interessanteste im Ensemble, dessen Handeln man aus der Übermacht seiner Präsenz nur stets verblüfft und entzückt, mal mit Gewissensbissen und mal vollkommen ohne Kompromisse, erwarten kann. 

Er ist auch irgendwo eine menschgewordene Pointe; ein Fick-Terminator mit urigem Bart, den Anders nur im Bild anordnen oder schweigsam durch solches gehen lassen muss, um eine Reaktion vom Zuschauer zu erwirken. Seine impulsive Kraft wird dann auch die Essenz eines Films, der sich bar aller Gefälligkeit an Sexszenen, Festmahlen und Musical-Nummern ergötzt, ohne einen sauberen Übergang derer oder gar aufwendige Ausstattungen dazu darbieten zu müssen. Das Urweltliche im Menschen äußert sich nun mal im derartigen Eigensinn und das fällt in dieser unfassbar naiven Freiheit eines aufgedrehten Eskapismus des Gespielt-Erwachsenen dementsprechend beglückend aus, wenn sich das Spektrum an Themen und veräußerlichenden Schauwerten letztendlich auch etwas klein hält und selbst in der kurzen Laufzeit von 75 Minuten Längen und teils überflüssig einfältige Stereotypen aufweist.


Ein bisschen länger, aber weit konfuser fällt sodann die deutsche Kinofassung von „Söldner kennen keine Gnade“ aus, die Tsui Harks Action-Crime-Hybrid urbaner Gewalt zu einem wankelmütigen Rausch an Eindrücken ballt, der unnachgiebiges Terrorkino erwirkt, natürlich aber auch die Sprengkraft in der Unmittelbarkeit des Originalkonzepts unter Wert verkauft. Die haltlose Wut der Jugend, wie sie dem grenzendurchstoßenden Film an sich sowie den Charakteren inhärent ist, steht somit im Wechselspiel mit einem undurchsichtigen Söldner-Plot, der in dieser Form anorganischen Filmprodukts natürlich auch fesselt, jedoch die Realität der ursprünglichen Kohärenz unterminiert. Davon abgesehen ist Tsui Harks Energie weiterhin ein virtuoser Antrieb für seine Darstellung einer gesellschaftlichen Finsternis, die ihre Apokalypse binnen fester Strukturen, derer Langeweile und dem Zynismus ihrer hingenommenen Spaltung aller selbst anzüchtet. Die Grenzen zwischen Unschuld und Absicht, Gesetz und Anarchie, verschwimmen dann auch in einer Turbulenz, die eine Identifikation oder ethische Einordnung mit den Charakteren schier unmöglich macht und deren Handeln dennoch als unfassbares Unterfangen durchs Hirn schießen lässt. 

Der Film zwingt einem in der Attacke seiner Bilder des Zerfalls sowie mithilfe seines unheilvollen (aus mehreren Quellen zusammen geklauten) Soundtracks dazu, mitzuhalten, eine Erfahrung der Angst als Zuschauer zu verinnerlichen; Gewalt, Hass und Frust auf universellem Wege zu erkennen, ohne dass für irgendjemandem im Ensemble letztendlich eine Moral oder gar Katharsis aufbewahrt wird. Alle dürfen bluten, sterben und das Massengrab aufstocken lassen. Eine Bombe des Bösen wird hier wortwörtlich in den Kinosaal geschmuggelt und lässt für eineinhalb Stunden den Horror auferstehen, den wir aus der Menschheit eigentlich trotz seiner Existenz ausblenden wollen. Tsui Harks radikalisierter Nihilismus kennt kein Erbarmen, genauso wenig schert er sich um Nuancen und Regeln, lässt daher auch reichlich schwarzen Humor, fiebrige Unterwelt, Tierquälerei, Blut und Gedärm aufkochen, die sich im Sog einer beengenden und zerrenden Bilderwelt zum Thrill türmen, aber auch eine Ermattung außer Atem fördern. Der Film war ohnehin so etwas wie der Anklang einer neuen Welle im Kino Hongkongs, das sich bis dahin eher an Wuxias, Martial-Arts und seichten Dramen orientierte, ehe es eine derartig im Zeitgeist wühlende Explosion an Genres und menschlichen Tiefen gewagt hätte. Von so einer Supernova kann man sich nur schwer erholen, aber auch heute noch schwer begeistert sein, ganz gleich wie sie für die jeweiligen Kinomärkte und Zensoren zusammen gestutzt wurde.

So, damit wäre die Übermenge an wöchentlicher Schaufreude fürs Erste chronologisiert, denn daraufhin hatte ich mich eigentlich wieder nur in meine Höhle begeben und an den Texten hier gesessen. Und weil das obige als Kurzbericht ja noch nicht genug an Lesematerial war, habe ich auch noch Einzelkritiken zu den folgenden Filmen parat und hoffe, dass bei diesem Tipps wieder so einiges an Inspiration für Euch treue Filmfreunde zur Verfügung gestellt wird. So sehet also:




ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE - Akira Kurosawa hat so einige Karten in der Hand, mithilfe derer er eine Partie von knapp zweieinhalb Stunden Länge schon mal im Ansatz kurzweilig auszufüllen weiß. Die Geschichte darin allein gibt aber auch innerhalb ihres Rahmens einen reichhaltigen Gesamteindruck vom Leben binnen finsterster Phasen wieder, dessen Apokalypse im Innern passiert und doch per Schlichtheit auf die Zwiespälte von Moral, Privileg, Schuld und Verzweiflung hinweist. Ganz natürlich scheinen da die Übergange zwischen den Genres, das Wechselspiel der Perspektiven zum Auffinden der Perspektive; einer Lösung, die letztendlich keine ist, da in ihr leider auch, wie durchweg im Film, der Austausch, das Bestehen und die Eliminierung von Existenzen erfolgen muss. Daher ist Kurosawas Film zu Beginn schon Kapitalismuskritik sowie eine Betrachtung der Folgen von Ehrgeiz. Die Philosophie einer Ayn Rand wird daher nicht bedient, wenn sich der Großaktionär einer Schuhfirma, Gondo (Toshirô Mifune), zwar für die Ethik der Qualität entscheidet, Feinde und Freunde um sich ballt, jedoch innerhalb der Struktur seiner Familie ebenso allmählich fremd und störrisch wirkt. Die Unruhe verfolgt ihn stets wie auch das Risiko einer bedeutenden Investition, mit welcher der gesamte Haushalt auf dem Spiel steht. Sympathieverschiebungen werden da sehr präsent, aber keine Plattform für Zynismus.


Die Dramatik jener Entscheidungslast bleibt in der ersten Hälfte des Films größtenteils innerhalb seines Hauses verortet, konzentriert mit der Konfrontation unter Personal, Familie sowie den Pfaden des Opportunismus spielend, welche sich dafür nicht mal absurde Spitzen ausdenken muss, um nachvollziehbar humanistische Spannung zu erzeugen. Kurosawas Kamera und die spärlichen Musikeinsätze akzentuieren die Schwere der Gefühlslage ohne melodramatischen Affekt, ohnehin fühlt sich der Zuschauer mehrfach eher dadurch einbezogen, dass der Raum des Breitwandformats mit beobachtenden oder zuhörenden Gesichtern innerhalb des Narrativ wirkender Charaktere gefüllt ist, als durch die eigentlich naheliegende Stilistik der eingezoomten Einsamkeit. Hier herrschen stattdessen kollektive Klaustrophobie und Machtlosigkeit, wenn auch die Grauzonen des Konflikts ab und an recht eindeutig, Theatralik aber noch vermeidend, im Dialog zu Tage treten. Jene Streitpunkte sind aber nur die Grundlage für Handlungsentwicklungen, die selbst für den heutigen Zuschauer weiterhin unvorhersehbar, gerade aber in ihrer Plötzlichkeit natürlich realistischer erscheinen, als ein Thriller mit Ankündigung. Entführung und Erpressung setzen sich am Gewissen fest, spannend sind da vor allem die Wechselverhältnisse von Reichtum und anstehender Armut, der Schutz des Individuums im Angesicht sowie im Zusammenspiel einer Gruppen übergreifenden Gerechtigkeitssehnsucht, die sich gleichsam bescheiden sowie niedergeschlagen geben und ebenso Mitleid empfangen.


Als Mittler der moralischen Entscheidungen hat das Gesetz hier Kompetenz und Verständnis inne, das jedoch genauso mit der Ermattung der vorhandenen Mittel zu hadern hat wie es im investigativen Verlauf der folgenden Akte sodann die Facetten des Sachverhalts sorgfältig abgleichen muss. Kurosawas Film wird dann auch ein behutsamer Krimi, jedoch keiner der Schauwerte, sondern einer, der punktgenau und doch mit Feingefühl im sozialen Spektrum unterwegs ist, sich die Öffentlichkeit und den Einzelnen zu nutze macht, um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Manche Milieus können da trotzdem etwas spekulativ erscheinen, allen voran die Drogenhölle gegen Ende hat eben den Charakter einer solchen inne, während sich der Hauptanteil des Films eher nicht mit vorgefertigten Typen umgibt, stattdessen den Komplex einer Gesellschaft auch anhand der Stück für Stück weiter greifenden Inszenierung recht offen und ehrlich schätzt. Es liegt ihm letzten Endes auch nicht daran, ein Urteil zu fällen, eine Katharsis für Identifikationsfiguren oder eben ihre gesellschaftlichen Strukturen zu erwirken, sprich die Realität eines derartigen Falles zu verklären. Von daher braucht man auch keine grandiose Erklärung allen Glücks und Übels erwarten, genauso wenig ein sperriges Statement gegen die Zuschauergefälligkeit.


Kurosawa pendelt sich dabei zwischen kohärenter Systematik und grundlegender Empathie ein, wenn sich der übergreifende Täter eigentlich schlicht aus der fairen Grundlage allen Lebens nachweislich in die Unzufriedenheit getrieben sieht, gesellschaftlich ins Abseits geschoben, mit Enttäuschung und Hass auf eine Hierarchie blickt, in der es aber ebenso Individuen gibt, die mit Barrieren, Unterstützern und Rivalen ringen - da können die Vorwürfe noch so energisch tönen: Das Gesamtbild nimmt bewusst die Höhen und Tiefen von jedermann mit. Ein konsequenter Schlusspunkt, aber kein grundlos pessimistischer, dafür ist er im Vornherein eben auch intensiv mit den Zweigen des Daseins beschäftigt, die das größere Wohl bilden wollen, für dessen Abgeklärtheit aber stets gesorgt werden muss und einfach auch keine Pauschallösung existieren kann. Das Leben ist nicht leicht, doch die Balance des persönlichen Kampfes ist immerhin gemeinschaftlich inhärent, von daher geht Kurosawas „Zwischen Himmel und Hölle“ in seiner Universalität und Ambivalenz mit wohl endloser Haltbarkeit effektiv auf.




GODS OF EGYPT - "[...] Proyas mangelt es an Konsequenz, ehe er wie Luigi Cozzi und dessen „Herkules“ in die ungestüme Palette des Eskapismus greift. Ganz unähnlich sind sich die Herren aber nicht, wenn sie voller Wahnwitz Realitätsverständnis und Mythologie zugleich durchkreuzen. [...] Die Abgefahrenheit ist derart geballt, dass selbst die heutige Computermaschinerie an ihre Grenzen stößt und teils eigentlich peinliche Ergebnisse zum traditionellen Sandalenabenteuer hinzugibt. Jene Versuche der Größe – und die Offenheit des Scheiterns – machen allerdings den größten Charme des Films aus, der im Modus permanenten Chargierens selbst einen Anti-Sympathen wie Gerard Butler mit Unterhaltungspotenzial anfüttert [...] Innerhalb der zelebrierten Stumpfheit beharrt „Gods of Egypt“ jedoch auf einem mühsamen Erzählkino, das in moderner Fantasy leider zur Gewohnheit geworden ist [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)


Bonus-Zeugs:




MARTYRS - Generell wäre es ja reizvoll, die Betrachtung des globalen Leidens, wie es in Frankreich seit der Johanna von Orleans und im Kino u.a. durch Robert Bresson kultiviert wurde, ins Hier und Jetzt des Torture Porns zu versetzen und womöglich eine Reflexion zu erwirken, die aus dem Genre mehr als Angstbewältigung und Katharsis herausholt. Regisseur Pascal Laugier lässt sein zentrales Ensemble jedoch insofern ausbluten, indem er das vielleicht wichtigste Element seiner eigentlichen Passionsgeschichte, nämlich die Empathie, auszuklammern droht, in Schauwerten vergräbt, nur für ausgewählte Figuren der Unschuld bereithält (Grauzonen und deren Kinder kriegen sie mit einer Handvoll Tränen sowie ganz dicken Einschusslöchern serviert) oder kurz darauf am Zwang von Plottwists vergessen lässt. So schafft es die brachiale Mordsschau im Hauptanteil nicht, ihren oberflächlichen Charakter zu durchbrechen, wenn ihre thematischen Werte zudem von Anfang bis Ende bis in die Belanglosigkeit hinein überstrapaziert werden. Die Grenzen des Kinos per extremer Körperlichkeit zu überschreiten, ist da grundsätzlich kein Störfaktor, schafft es in diesem Fall doch die direkteste emotionale Bindung zum Zuschauer (das Verhältnis zwischen Anna und Lucie wird höchstens angerissen) und besitzt ohnehin eine Konsequenz, die das Gegendrücken durch etablierte Tabus aussetzt.


Wird den Figuren darin jedoch jede Nuance vergönnt und stattdessen mit minimalstem Hintergrund erfüllt, der als Ventil für eine vermeintlich spirituelle Suche nach dem Göttlichen ziemlich einfältig bleiben muss, kann sich die Haltung zynischer Gafferei relativ einfach hineinschleichen, wenn daran auch noch mit unvermeidlicher Prätension ein Grundkurs von der Psychologie der Gefangenschaft probiert wird, welcher jenseits des Borderline-Syndroms und Halluzinationen relativ wenig und dann auch noch spekulativ äußert - Standard-Jumpscares und melodramatischer Soundtrack inklusive. Innerhalb der knapp hundert Minuten Laufzeit hat man es sodann mit einer Redundanz zu tun, deren narrative Abstraktion zunächst noch für effektiv gehalten werden könnte, anhand des Oberbegriffs des kollektiven Schmerzes aber auch mit Ankündigung auf der Stelle tritt und sich vom Handlungsverlauf her hingegen einige abstruse Eckpfeiler und Falltüren offen lässt, die sich mit dem grimmigen Realismus des Stils nicht so ganz anfreunden wollen.


Daran zeigt sich auch, dass die Idee des Ganzen innerhalb eines Schauplatzes Potenzial hat (ohnehin hat man manchmal das Gefühl, Laugier wollte "Das Haus der Vergessenen" bar jeder Subtilität neuverfilmen), die Ausführung dessen jedoch überflüssig gestreckt wird und dafür sogar Stück für Stück den im Intro noch vorhandenen Reiz der Suggestion ablegen muss - insbesondere in der Hinsicht, wie sich das Grauen erst den Opfern, dann dem Zuschauer zeigt und letztendlich noch ein oder zwei High-Tension...ähm High-Concept-Twists draus basteln muss. Sozialkritik durch eine Geheimgesellschaft des seligen Niederprügelns orientiert sich zeitgleich noch an derer des "Fight Clubs", die gemäß des Trends der Nouvelle Vague du Gore in Handkamera und hartem Kontrast eingefangenen Eindrücke vom "gut gemeinten" Faschismus ziehen da mitunter am Stärksten für das (streng unmissverständliche) Gleichnis einer omnipräsenten Unterdrückung des Individuums im Zeitgeist des verstärkten Rechtsrucks in Europa, welches sich in der übersteigerten Darstellung der Peinigung stimmig wiederfindet.


Laugier macht jene Erkenntnis eigentlich schnell sichtbar, lässt sie aber über neunzig Minuten lang noch auslaufen und bricht sie sogar nochmals vereindeutigend auf den primärsten Konflikt ihrer selbst runter, während dem Kontext zu Narrativ und Metaebene stetig mit Willkürlichkeit und Schockfaktor begegnet wird. Das hat zur Folge, dass die ultimative Ergründung des Märtyrdaseins als Erzeuger einer esoterischen Vision des Nirwanas wie nachgeholt daher kommt und (ähnlich wie bei Mel Gibsons "Die Passion Christi") ein vorangeganges Massaker halbgar als Pfad der Katharsis entschuldigen soll. Die Naivität darin kabbelt sich sodann durchaus mit dem angepeilten Anspruch des Films, die Härte des Lebens voller Ehrlichkeit und einer Portion Gnade in Filmform zu konzentrieren, wenn letztendlich doch eine ums Verrecken verschleierte (Gewalt-)Fantasie vermittelt wird. Hier wurde eben leider etwas zu plakativ und unausgegoren an eine recht respektable Ambition herangegangen.




DIE BESTIMMUNG - ALLEGIANT - "[...] Anstrengend erfährt der treue Zuschauer sodann das allerneuste Abspulen einer Young-Adult-Dystopie, die aus ihrer eigenen Mythologie nichts mehr zu schöpfen weiß. [...] Trotz Gewohnheit – ob in Dramaturgie, Ambiente oder Charakterzeichnung – gibt sich der Film nur wenig selbstbewusst, sondern drückt in künstlicher Aufregung auf die Tube, von seiner Zielgruppe so eindeutig wie jeder andere Genrevertreter empfangen zu werden. [...] Stereotypen und Klischees vom altbewährten Kampf zwischen Gut und Böse sind fest an der Tagesordnung, obwohl der Film in seinem Drang zur Auflösung der Übermacht ironischerweise stets wiederholt, dass die Fraktionen, sprich die Kategorisierung des Einzelnen in rein oder beschädigt, ein Ende haben müssen [...] ansonsten bleibt nur eine äußerst blauäugige Hoffnung in Geist und Gerechtigkeitssinn der Jugend. Die Moral von der Geschicht’ propagiert in Ermangelung an Originalität zudem das Misstrauen gegenüber Regierenden, während das Talent im Waffenumgang wie bereits in der „5. Welle“ gefeiert wird. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




REAL ROB - Das reiche Weichei, das mit vorgehaltener Hand angeben darf: Eine neue Spitze ungemütlichen wie spießigen Anti-Humors. Ich wollte glauben, dass vom Konzept her ein hämischer Kommentar auf die potenzielle Idealisierung des öffentlichen Bildes in Serien wie "Louie" oder eben der inszenierten Echtheit von Reality-Shows dargestellt werden sollte, so asozial und dennoch um Herzlichkeit bemüht Rob sich selbst sowie sein Millionärsleben inklusive aufreizender 29-jähriger Ehefrau repräsentiert. Im Ansatz ist "Real Rob" das tatsächlich auch. Die Extreme der Selbstgefälligkeit suppen jedoch allzu schnell und gewollt in ein Sammelsurium an zynischen Gags, Klischees und zunehmend schlaffen Story-Konzepten über, das zudem 1:1 mit Robs echtem Stand-Up-Programm aus Sexismus, Rassismus, Homophobie, Organic Food, Penisneid und Anti-Vaxxer-Shtick übereinstimmt - schließlich gibt er es auch in redundant eingeworfenen Momenten vor einer Mauer à la Seinfeld wieder (Interview-Passagen und Non-Sequiturs gesellen sich auch manchmal dazu).


Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, sprich fingierter und echter Unerträglichkeit, verschwimmen sicherlich in einem Anflug an Überspitzung, doch man möchte meinen, mit jeder möglichen Auflösung dazu noch weit weniger als überhaupt schon mit Rob (der Person, nicht der Kunstfigur) sympathisieren zu wollen, unabhängig davon, welche Absicht erzielt werden sollte (Die Anbiederung an den Humor-Bodensatz gelingt ihm jedenfalls recht souverän). Seine über Allgemeinplätze reflektierte Parodie aufs Showbiz bietet sich mit ihrem vorhersehbaren Plattmeier-Jux dementsprechend zum Fremdschämen an, das Potenzial zur Selbstironie muss sich dabei den Platz mit Unmengen an zur Unterhaltung ausgestellter Misanthropie teilen, für die Robs Charakter allerdings nur in Miniportionen die Quittung kriegt. Brüller. Teilweise geraten die Situationskomiken aber auch so haarsträubend einfältig, dass man den Reiz eines Zugunglücks empfindet, besonders in Folgen wie "Gaying in Shape" und "What's my Thing" sind derartige Qualitäten omnipräsent.



Die Blässe der Regie sowie deren Desinteresse an Timing, ebenso vom auteur d'être Rob ausgeführt, tun da ihr Übriges in diesem von Netflix finanzierten Familienprojekt, bei dem man schon wirklich beide Augen zudrücken müsste, um diesem gelungene Subversion zuzugestehen. Ob dabei nun die Entlarvung Hollywoods oder die Entlarvung der Leichtgläubigkeit des Zuschauers ins Auge gefasst wurde: Die Bandbreite an daraus ableitbaren Erkenntnissen hält sich äußerst im Grenzen. Nach Obskuritäten suchende Gesellen werden sich hier durchaus aufgehoben fühlen, wenn auch der Antrieb zum Weiterschauen nach maximal zwei Folgen ausgeschöpft ist. Masochisten wie ich wählen das Komplettpaket.

Sonntag, 13. März 2016

Tipps vom 07.03. - 13.03.2016

Da ich ein bisschen Gefallen gefunden habe an der Struktur des Blogeintrags von letzter Woche und ohnehin schaffen will, auch wirklich alle Filme zu würdigen, die mir innerhalb jener Einheiten von jeweils sieben Tagen begegnen, ich aber zeitlich gesehen nicht für alle eine voll formulierte Kritik anbieten kann, versuche ich nun mal regelmäßig eine Art kleinen Rückblick innerhalb des größeren Rahmen des Wochenrückblicks. Umständlich genug? Aller Anfang ist eben schwer, zumindest sollen zeitweise auch einige persönliche Einblicke auf diesen Wegen zustande kommen, auch wenn diese Woche bei weitem nicht so dramatisch wie die letzte verlief. Dank meiner frischen Kundenkarte bei der Hamburger Bücherhalle bin ich allerdings in den Genuss einiger Klassiker gekommen, die sich merkwürdigerweise doch schon länger bei mir aufgeschoben hatten.


Die Nacht des Jägers“ von Charles Laughton zum Beispiel, frisch und zeitlos in seiner Verkettung an Stilistiken und Genres - ein American Gothic, das voller Noir-Power und einem diabolisch guten Robert Mitchum ins Abenteuer mit kindlicher Perspektive springt sowie märchenhaften Expressionismus zur Kritik an der Leichtgläubigkeit der Gesellschaft sowie ihrer Mob-Mentalität nutzt. Charakter-technisch erlebt man daher bis zum Schluss einen regelrechten Wirbelsturm der Emotionen - Katharsis und Schock gehen da Hand in Hand zur Fabel eines ungewissen Weltverständnis auf. Was für ein toller Start, dagegen konnten zwei von drei Kinovorstellungen diese Woche nur schwer gegen ankommen. Da dies Pressevorführungen waren, bewahre ich der Fairness halber noch die Identität der Filme, zumindest kommen in Zukunft noch Texte zu denen ans Licht. Ich habe also durchaus wieder mehr geschrieben, als man hier vertreten sehen wird, aber machen wir uns nichts vor, zu folgenden Werken müsste man ja eigentlich auch was sagen: 


Bumerang“, in dem Fall Elia Kazans Justizdrama von 1947, stellt quasi die Blaupause dessen Genres dar. Das heißt, dass man als Zuschauer knapp sieben Dekaden später mindestens schon tausend weitere Filme jener Art gesehen hat und ja, Kazans Prozedere ist als auf einem wahren Fall basierendes Spannungsstück schon ziemlich zäh in seinem Drang der Beweisführung, der zuvor von einer Tätersuche ohne große Charakterstärken erfüllt wird und gen Finale dementsprechend nur wenig Bindung zulässt. Interessant sind dabei die Ansätze zur Erkennung von Korruption, eine mehr oder weniger subtil aufgespannte Vermittlung des Sachverhalts sowie die Entwertung von Vorurteilen. Im filmhistorischen Sinne also gar nicht mal so verkehrt, aufgrund der nicht von der Hand zu weisenden Didaktik allerdings nicht allzu gut gealtert. 


Obwohl die Bildsprache in „Die Reise nach Tokio“ von Regisseur Yasujiro Ozu auch schon eher an Werke aus der Frühzeit des Kinos erinnert (natürlich auch mit tollem Feingefühl beobachtet), ist die menschliche Beobachtung hier hingegen nochmal empathischer ausgeprägt, inwiefern die Bindung der Familie auf verteilter Basis funktioniert und sich in individuellen Wegen nach Verständnis sehnt. Die 130 Minuten daran machen sich mitunter etwas stark bemerkbar, dafür umfasst das geduldige Drama aber auch Stationen an Güte, Entspannung, Liebe, Verantwortung und Leiden, die nicht im Affekt geschehen, sondern im Bewusstsein einer Alltagspoesie voll stiller Konflikte ankommen wollen. Die emotionalen Brennpunkte binnen überwiegender persönlicher Bescheidenheit verfehlen da garantiert nicht ihre Wirkung, doch obwohl Melodramatisches im hier wirkenden Quasi-Neorealismus vermieden wird, lässt sich die Sentimentalität all dessen nicht verleugnen. Wie man's nimmt.


Spielerischer um die Flucht aus den Strukturen bemüht sich sodann Jan Svankmajers „Alice“, frei nach Lewis Carroll als osteuropäischer Stop-Motion/Realfilm-Hybrid in der Fantasie der Titelheldin unterwegs, die aus den Mauern der Kinderstube eine Tour bizarrer Ausmaße macht. Die Zutaten des Alltags vermengen sich hier zu neuen, teils morbiden Wesen, die vor allem in ihrer Verletzbarkeit unberechenbar bleiben, auf jeden Fall ein Spiel mit dem Realitätsverständnis an sich eingehen und als Widerstand des kindlichen Geistes genauso eigen wirken, wie es den Ursprung im Vertrauten finden. Der Film geht in erzieherischem Sinne also durchaus gegen die Vereinheitlichung von Projektionsflächen der Vorstellungskraft an, letzten Endes lässt er sich auch aus erwachsener Perspektive umso schwerer fassen, was ihn in seiner Qualität wohl auch nochmal bestätigt. Der psychotronische Zauber bleibt dabei auch Herzensangelegenheit, geballtes Ungehorsam und Ekel zugleich, mit Eindeutigkeiten brüstet er sich aber für wahr nicht.


Etwas deutlicher im Herzen der Finsternis unterwegs, zeichnet sich „Augen der Angst“ sodann auch als Genrewerk aus, das mit seinen Perspektiven maßgebliche Einflüsse hervorbrachte, die Bestie Mensch mit einem komplexen Psychogramm zeichnet, das sich aus der Obsession von Medien mit Gewalt auf die Aufnahme von Gefühlen stürzt. Die Verquickung der Macht des Zelluloids mit der geistigen Inkompatibilität wurde zum jähen Karriereende von Regisseur Michael Powell, sagte man ihm hiermit doch Pornographie nach. Fernab zynischer Exploitation ist sein Täterprofil jedoch recht ambivalent zwischen dem Grauen der Erziehung und dem Grauen ihrer Folgen verortet, innerhalb derer Focus-Puller Mark Lewis nur beschwerlich soziale Kontakte knüpfen kann. Powells Farben probieren darin auch in filigraner Verzweiflung die Feier des Lebens, doch der Tanz in den Tod setzt da meist schon früh an, während das Verständnis zum Opfer sowie dem Killer mit seinem scharfen Stativ eine delikate Positionierung wagt. Die Tragik all dessen mündet schlussendlich auch in eine Zelebration der Furcht, da steht man als Connaisseur des Mediums zwischen den Stühlen und lernt die Angst sowie ihre Sehnsucht (anno 1960 sehr mutig) zu schätzen.


Die inneren Zerrungen der Furcht (auch dank Saul Bass' Intro) noch energischer stilisierend, hat John Frankenheimers „Der Mann, der zweimal lebte“ ein für seine Zeit ungewöhnlich experimentelles Wesen inne, das dem Science-Fiction-Thriller drum herum zugrunde liegt. Beinahe ausschließlich mit Bildern der Gewöhnlichkeit schafft er die Suggestion von Körperfeindlichkeit und Bedrängung von außen, ironischerweise mit entfesselten Kameras, die sich umso mutiger um nahe wie urige Perspektiven schlagen, während das Konzept der vertauschten Identitäten aus der so ziemlich indoktrinierten Bitterkeit der Existenz heraus kafkaeske Züge trägt. Die Entscheidung fürs neue Ich bringt eben auch Sanktionen mit sich und selbst wenn das verheißungsvolle Mittendrin mit neuen Reizen punktet (und innerhalb der Laufzeit auch am wenigsten fesselt), gibt es keinen Ausweg aus den Regeln des Lebens, höchstens die zu späte Erkenntnis des vergangenen Ichs. Wo ein „Self-Less“ daraufhin die Katharsis der Befreiung durchsetzen würde, geht Frankenheimer konsequent in das Grauen des Todes, welcher so sehr aufs Geschäft bedacht ausgeführt wird, wie das Dasein als Mensch hier ohnehin als Geißel höherer Mächte oder auch dem Kapital ins Extreme veräußerlicht wird. Paul Verhoevens „Robocop“ hat sich hiervon auch so einiges zu Herzen genommen.

Das ist doch mal eine Auswahl an starken Stücken, was? Schade, dass einem (ob nun aufgrund von Arbeit oder anderen Freizeitaktivitäten) nicht immer die Zeit bleibt, um Übermengen an formulierten Gedanken zu Papier zu bringen, ich hoffe zumindest, dass auf diesem Wege einiges zumindest in Kurzform hängengeblieben ist, im Folgenden gibt es jedenfalls noch drei Texte zu bewundern, die sich etwas detaillierter mit ihren jeweiligen Filmen befassen. Falls das manch einem Leser vielleicht doch alles etwas zu kurz geraten ist, habe ich zum Schluss noch drei Geheimtipps an Musik per Youtube aufgeführt, die hoffentlich genauso viel Freude bereiten wie mir, obgleich die Filmwelt dieses Mal wieder ordentlich in meinem Herzen zugeschlagen hat.

Also dann:




GESICHTER - Man, was sind wir Menschen impulsiv! Jene grundsätzliche Eigenschaft kann einem manchmal echt leicht aus der Wahrnehmung entwischen, so gut man sich insofern mit dem Alltag arrangiert, Menschenkenntnis im positiven wie negativen Sinne fürs Profiling anwendet und insbesondere in der Reflexion per Leinwand meist mit geordnet funktionellen Idealen oder Stereotypen begegnet wird. Geschichten wollen eben eine Perspektive haben, um sich selbst vermitteln zu können, so möchte man meinen. Ein Kerl wie John Cassavetes hatte es jedoch schon vor knapp fünfzig Jahren raus, dass allein diese Flächen der Emotionen, die wir Gesichter nennen, ein Bollwerk an Filmerfahrung ausmachen, vom Titel her bereits ikonisch einschlagen können. Gut, ein Wiedersehen mit später allzu bekannten Ensemble-Visagen seines Gesamtwerkes lädt hier ohnehin ein, von Gena Rowlands bis Seymour Cassel wird es schnell heimelig, nichtsdestotrotz lassen sich hier alle auf ihre Art liebgewinnen. Beinahe wie im trunkenen Taumel lässt Cassavetes diese in seiner Variante des Cinéma vérité ganz nahe beobachten, was an Persönlichkeit, Lebenslust sowie -frust in Augen, Mundwinkeln, Lachen und Tränen zu finden ist. Die Teilhabe am menschlichen Miteinander bannt dabei den Zuschauer, ohne mit voreingenommenen Erwartungen hinsichtlich Genre oder Figureneindeutigkeit anzubiedern oder gar Katharsis im Nachhinein einreichen zu müssen.


Bei solch einem eventuell blumigen Formalismus, den man aus jener Schilderung herleiten könnte, belässt er es aber auch nicht. Obwohl es ohnehin für den Großteil von Cassavetes' besten Arbeiten gilt, bilden Unbekümmertheit und Temperament hier schon mit großem Effekt die Grundessenz aus der Gestaltung heraus. Die Kamera nimmt sich mit krassem 16mm-Korn stets Freiheiten, ebenso befreit sich das Narrativ aus konkreter Emotionalisierung, u.a. mit einem Musikeinsatz, der hauptsächlich entweder on-screen ist, gar nicht existiert oder schlicht aus der Musikalität der Charaktere kommt. Deren Handeln ist nur sekundär mit einer leichten Dramaturgie verbandelt, nicht alle Motivationen lassen sich abseits oder gar binnen der Situationsabhängigheit dechiffrieren - Daumen hoch! Stattdessen tritt nämlich ein Leben zum Vorschein, bei dem Eigensinn um Eigensinn aufeinandertrifft, bar jeder Forcierung in Euphorie und Eskalationen kippen kann, aus anfänglichen Feindseligkeiten Busenkumpel kreieren lässt oder einen schönen Abend voll brüllendem Gelächter zu Offenbarungen innerer Verletztlichkeit verleitet. Und das beste daran: Alle Richtungen können sich stets der Interaktion geschuldet wieder umkehren und Sympathien verschieben, ohne dass auch nur an einer Figur ein Urteil erwirkt wird.


Die schlichte Äußerung des Pro und Kontra in jedermann durch Cassavetes birgt schon eine beachtliche Konzentration an Verständnis, komplettiert wird der Film dabei jedoch von der Sehnsucht nach Glück, Erfüllung und Verbundenheit, eben Liebe, die nie ganz ihr Ende finden kann. So erklärt sich natürlich auch das Erlebnis mit den Charakteren, wenn diese mit Einsatz in die Auflockerung stürmen und letztendlich doch ihren Schutzschild herunterfahren, mit wie viel Ungewissheit das Dasein angereichert ist. So wie sich angesichts dessen Humor, Wut, Zuneigung und Verzweiflung beinahe permanent kreuzen, wird man von der Turbulenz restlos mitgerissen, aber auch nicht in eine irreale Hysterie, sprich überfordernde Verkettung von Extremen hinein gerissen. Cassavetes begibt sich für wahr in destruktive wie auch intime Nächte, die Erdung in humaner Begegnung kommt ihm nimmer abhanden; der Drang zu bedingungsloser Empathie könnte ihn als naiv entlarven, wenn er denn nicht gleichsam den Schmerz im Zwiespalt jener Hoffnung verinnerlichen würde; eventuelle Aufdringlichkeiten in der Vermittlung der Kunst werden mit rohem Schnitttempo, schludriger Tonaufnahme und natürlich ungebremster Spielfreude unterlaufen.


Wie man's auch dreht: Solch eine Wahrhaftigkeit wird scheinbar nur selten im Medium erzeugt - dass sich da zum Schluss der über 130 Minuten an verweigerter Kategorisierung hin keinerlei Redundanz und Trivialität ergeben, ist umso verwunderlicher. Im Gegenteil: Da packt es einen erst recht, wenn sich urplötzlich ein Gesicht ohne Leben zeigt, ganz gleich mit welchen ausgesprochenen wie unausgesprochenen Wirrungen es zu hadern hatte. Die krasse Nähe des Ganzen schwellt auch dann nicht ab, wenn das Selbstverständnis der Liebe wütend und herzlich zur Wiederbelebung ansetzt, mit der Kippe im Mund einen Galgenhumor der gegenseitigen Empfindsamkeit zusichert. „Never felt like this before“ tönt es sodann im Abspann und man möchte es nur allzu getroffen glauben, obwohl das Ganze schlicht ein Wiedersehen ist, mit einem selbst und dem Menschen an sich.




PHENOMENA - Vorhang auf für die phantasmagorischen Märchen des Horrorfilms, an dieser Stelle kuratiert von Dario Argento, welcher die Unschuld erneut mit virtuosem Effekt gegen das allgegenwärtige Übel antreten lässt. Dabei repräsentieren sich beiderlei Parteien innerhalb derselben Gestalten: Mensch, Natur, Architektur, Metall, Jugend und Reife. Urängste haben ihren Ursprung eben auch im Vertrauten und dem, was dahinter schlummern könnte. Die Differenzierung erfolgt sodann initiativ binnen Schweizer Täler, so nüchtern wie atemberaubend eingefangen, dass die Stilisierung relativ zügig Gefahr und Faszination vermengt. Argentos Schauerstücke vom Reiz der Verletzbarkeit stellen dafür gerne junge Frauen in den Fokus, auch hier wird zu Anfang eine dänische Studentin alleine in ihr unbekannten Regionen zurück gelassen und muss nach Hilfe suchen, zwischen Neugier und Überwindung über sich hinauswachsen. Sie findet ein jähes Ende in dem Ambiente, das der Film mit ätherischer Aura zeichnet, durch einen brutalen Einschnitt mit zerschellendem Glas und blitzender Klinge, welche aber bewusst noch von einem unsichtbaren Täter, vielleicht der Natur selbst, herausgeschossen zu kommen scheint. Mit ein bisschen Sex in jener Bildsprache kurbelt vor allem der Soundtrack dabei allmählich die Perspektive der Jugend an.


Argentos Filme sind zum Teil eben auch Rockkonzerte, in diesem Fall folglich Identifikationsflächen für eine Leinwandgeneration, die sich als Teens in den Achtzigern verstärkt selbst reflektiert sehen wollte. „Phenomena“ wird im Verlauf auch ein Bindeglied zwischen Verweisstücken des Übernatürlichen, des bodenständigeren Slashers/Giallos sowie den tiefen Wurzeln von Geschichte und Geschichtenerzählung - ein Abenteuer also, das aus dem weltlichen Ursprung heraus durch mehrere Adern zugleich fließt. Der zentrale Auftritt dafür gebührt Protagonistin Jennifer (Jennifer Connelly), die im Züricher Mädcheninternat geißelndes Personal, Lästermäuler und mörderische Visionen im Schlafwandeln vorfindet; gleichsam Freundschaft schließt mit Zimmergenossin Sophie, dem zurückgezogen lebenden Professor McGregor (Donald Pleasence) sowie der kleinsten aller Tierwelten, den Insekten. Die starke Kombo dieser Außenseiter lässt sodann bezeichnenderweise auch die profunde Symbiose von Leben und Tod natürlich, liebevoll und hilfreich erscheinen. Doch der Kontrast des Schreckens anhand gleicher Komponenten macht sich ebenso bemerkbar. Der Film entwickelt daher auch ein sehr eigenes Tempo, das zudem von irren Eindrücken mitten drin und abseits vom Zeitgeist überfallen wird.


T-Shirts mit Barry-Gibb-Portraits und Sprüchen wie „86 % sind gegen die Atomkraft“ lassen sich also mit einer umtriebigen Schimpansendame namens Inga messen, die sich inmitten der telepathischen Verständigung von Mensch und Tier einfindet, während Jennifer im Traumzustand durch Lichter, Flure und Wälder flüchtet, um über den Dingen zu stehen, die sie festsetzen wollen. Der Frust der Bevormundung lauert ihr dabei geradezu omnipräsent auf in diesem „Schweizer Transsylvanien“, doch dessen mystifizierter Föhn bringt in vielerlei Sequenzen auch den Rausch der Schönheit mit sich. Den fühlt man sogar zeitgleich, wenn der Ekel am Rücken hoch schleicht - symbolhaft ergänzt im mikroskopischen Blick auf Käfer, Maden und die parallele Zärtlichkeit Jennifers, jener Königin der Fliegen, wie die Internatsleiterin sie als Beelzebub zu entlarven glaubt. Die Selbstverständlichkeit dessen lässt innerhalb der knapp zwei Stunden Laufzeit sodann auch Luft für ein eher konventionelleres Whodunit, welches aber bei weitem keine konventionellen Auflösungen einhält. Die Steadicam schwebt als Fliege Hinweisen nach; Hard Rock von Iron Maiden und Motörhead trifft auf Leichentransport und Eingeschlossenheit; Inga findet die Mordwaffe im Müll; Jennifer will der Offenbarung des Täters und der fiesen Erwachsenenwelt entfliehen, doch die halten sie als Mächte des Wahnsinns in ihrem Bann.


Letzterer Punkt beweist im Umkehrschluss übrigens die Angst des Bösen vor der Kraft des Guten, wie sie sich im Rahmen des Horrors doch so gerne gegenseitig zerstören. Fernab eines kathartischen Triumphs jedoch, findet die destruktive Poesie darin dementsprechend auch ein Finale, welches Feuer auf dem Wasser ausbreitet, Mutationen des Fleisches verschlingt und Güte brachial per Metall köpft, ehe die Empathie von Mensch und Tier in Verzweiflung, Wut sowie Liebe mündet. In diesem wunderbar anorganischen Organismus passiert einfach alles und da wird es umso beachtlicher, dass Argentos Regie dies grundsätzlich über schlichte Reize vermitteln kann, einen Publikums-tauglichen Reißer italienisch à la carte entwirft und mit Naivität ins Herz eines jungen Individuums blickt. Von erwachsener Qualität mag dabei vielleicht nicht alles an Darstellerleistungen und Dramaturgie betroffen sein, doch die Angst sowie die Bewältigung derer kennt nun mal kein Alter. Wohl deshalb hält Argentos Horrormärchen auch unabhängig vom Spaß an dessen Fantasie noch immer an.


Bonus-Zeugs:




LONDON HAS FALLEN - "[...] Die Fortsetzung vom „Stirb Langsam“-im-weißen-Haus-Kandidaten „Olympus Has Fallen“ versteht ihren Protagonisten noch weniger als zuvor als Charakter, so ist dieser nun schlicht zu einem Ventil geworden, das angesichts einer Welt voller Terror und dessen komplexen Hintergründen für mehr Überwachung, Drohneneingriffe und genüssliches Verstümmeln der Feinde bar jeder Diplomatie spekuliert. Gerard Butler gibt sich mit extra dicken Eiern die Ehre, die Donald Trumps und AfD-Wähler dieser Welt anzusprechen, wenn er als Übermensch der westlichen Welt mit jedem Schuss einen blutigen Treffer landet und seinen Angreifern zuschreit, sich zurück nach „Thefuckistan or wherever you came from“ zu begeben, während er ihnen zigmal die Klinge in den Rumpf rammt. [...] Er nimmt sich und seine Katharsis aber zu ernst, als dass er als Publikums entlarvende Parodie durchgehen könnte; gleichsam greift er zu gelassen auf aktuelle Ereignisse zurück, als dass er provokativ auffallen könnte. Dass er jenen Umstand letztendlich für eine einseitige Gewaltfantasie bar jeder Konsequenz nutzt, macht ihn wiederum äußerst bedenklich und setzt zu einem Rückschritt an, den das Kino (wie auch das Publikum) lieber nicht als Norm empfangen sollte [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)


Und nun wie versprochen, drei geheime Hits, allesamt aus der Zeit der NDW stammend und so obskur, dass ihre irre Schönheit, teilweise in Lo-Fi, umso stärker scheint.