Und wieder stelle ich einen kleinen
Kurzbericht meiner Eskapaden dieser Woche voran, bevor die
zentralen Texte ihre Leserschaft finden. Ganz uninteressant soll
dieser natürlich nicht ausfallen, deshalb stehen stets Filme im
Mittelpunkt, die zwischen zig Runden auf dem Klo mit „Dr.
Slump“-Bänden als Lektüre stattfanden.
Und da fing es eigentlich schon relativ
früh und gut mit der Bücherhallen-Ware „Jigoku - Das Tor zur
Hölle“ an, einem Gruselfilm moralischer Dilemma aus dem Jahre
1960 von Nobuo Nakagawa, der aus dem japanischen Mythos der Hölle
zunächst eine Spirale von Gewalt und Zwietracht auf irdischem Boden
entwickelt, welche jedoch an sich schon mit undurchsichtigen
Mysterien gegen ein durchweg durchschaubares Narrativ arbeitet und
den eigentlichen Charakter einer Twilight-Zone-Episode zudem mit
einem Ensemble voll allgegenwärtiger, mehr oder weniger bewusster
Schuld erfüllt. Mit Sympathie geizt der Film schon einigermaßen,
weniger mit Leiden und dessen Quellen innerhalb etablierter
Autoritätspersonen und eben solcher, die mit gutem Gewissen und
weißer Weste asozial im Zeitkolorit handeln dürfen. Aber
auch die Unschuld hat hier das Böse inne, ein bisschen leitet der
Film dies auch aus dem Reiz zum Verruchten ab und da pumpt eine
konservative Ader ebenso Blut hinein, wenn auch die ultimative
Erkenntnis so ausfällt, dass jedermann Dämonen austrägt, sündigt
und wider der Liebe sozialisiert. Der Nihilismus anno 1960 ist in
seiner Härte ganz schön beachtlich, wie auch die Inszenierung
Ungewiss- sowie Besessenheit in der Starre des Breitwandformats
stärkt, doch das größte Spiel folgt erst noch in der Offenbarung
der Hölle, einem suggestiven Farben- und Lichtspektakel, welches
Körper und Geist in eine Verzweiflung des Verlorenseins wirft, aus
deren Dunkelheit sich drastische Bilder der Folter und gefangenen
Seelen sowie die Tragik einer versiegten Zukunft in all ihren
übernatürlichen Ausmaßen formen. Ein Kampf ohne Entkommen, dem es
in seiner Gesamtheit vielleicht an emotional vollends ankommender
Kohärenz mangelt, aber wohl kaum an Konsequenz.
Am Tag darauf musste ich in der
Realität auch wieder konsequent auf dem Sprung sein und bei der
Postfiliale City-Nord vorbeischauen, obwohl wie gehabt eine weitere
quasi direkt vor der Haustür zur Stelle gewesen wäre, von dort
Pakete abholen sowie die defekte Kochplatte in meiner Wohnung von der
Hausmeisterin abchecken lassen - bis jetzt ist in der Angelegenheit
noch nichts weiter geschehen, ich glaub, ich muss jetzt schon seit
vier Wochen ohne Spaghetti und Schnitzel im Eigenheim auskommen.
Egal, am Abend selbigen Tages war ich zu einer weiteren Filmrunde
eingeladen und durfte neben der Gastfreundschaft sowie Skittles und
Dr. Pepper ein Nicht-Meisterwerk prämierter Güte genießen.
„Die Fälscher“ von Stefan
Ruzowitzky konnte 2007 den Oscar als bester fremdsprachiger Film
einheimsen und bewährte sich damit gegen Nominierte wie Andrzej
Wajda und Nikita Mikhalkow - was für eine Lachnummer. Die hier
dargestellte Variante des Holocaust-Dramas setzt mit halbgarer
Handkamera-Arbeit gewollt am Realismus an, Dialoge und Schauspiel
nehmen jedoch die Position plakativer bis lachhafter Exploitation
ein, ohne sich ehrlich dazu bekennen zu wollen (Karl Markovics
räuspert sich den Robert DeNiro aus den Lippen; August Diehl ergießt
sich als kommunistischer Idealist im filmtauglichen Phrasen-Pathos;
Devid Striesow kommt als hämischer Lagerkommandant auf die Stufe
eines Nazi-“Strombergs“). Stattdessen entwickelt jene Schere ein
Drama in theatralischer Kulisse, dessen thematisches Potenzial (Ein
übergreifendes Gleichnis zum entmenschlichenden Erfolgszwang des
Kapitalismus?) irgendwo im Konsens verborgen bleibt, während die
Nähe zu den Charakteren geradezu vermieden wird. Zu alledem wird
jede Beobachtung und Erkennung des Sachverhalts bar angemessener
Subtilität in stilistischer Reinforcierung derartig redundant durch
Zooms und Musik im Affekt zu Tode akzentuiert, dass einem als
Zuschauer ja jede Denkarbeit abgenommen werden soll, während sich
dieser nur mit Verachtung bedanken kann. Eine halbe Handvoll
wirksamer Sequenzen hilft dann leider nicht darüber hinweg, dass
diese Reise in die Tiefen der Menschheit nur wenig Substanzielles zu
Tage fördert, an charakterlicher Konsequenz spart und selbst
Betroffenheit nur vortäuschen kann.
Danach gab es zumindest noch aufregende
Diskussionen und tolle Stullen, am Mittwoch dann wurde der Tag
beinahe ausschließlich auf Facebook verbracht, um die
Wahrscheinlichkeit der Räudigkeit an diesem
Buch zu diskutieren. Die Gruppenauseinandersetzung hat dabei
ordentlich Staub aufgewirbelt und wer mir auf der Plattform zufällig
folgt (oder es vorhat), findet in dem Verlauf reichlich anregende
Meinungen aus verschiedenen Lagern, die ich hier nicht nochmal
aufführe wegen Datenschutz und so. Alle Zeichen des Werkes deuten
jedenfalls auf eine weitere Gettoisierung von Filmstoffen hin, die
sich leider oftmals abseits des Mainstreams einfinden und als
Klassenclowns für ironische Nerds herhalten müssen, wie es in der
modernen Popkultur durch Screenjunkies, Redlettermedia oder auch
Konsorten wie Chris Stuckmann angewandt wird.
Letzterer war in letzter Zeit auch
einer, der „Superman IV - Die Welt am Abgrund“
auseinander zu nehmen versuchte und dabei erneut auf die
Allgemeinplätze der Rezeption jenes Films zurückgriff, die anhand
technischer Kleinigkeiten offenbar den schlechtesten Teil der Reihe
auszumachen glauben. Was in der Kritik einzelner Sätze und
Spezialeffekte natürlich immer wegfällt, ist der erhellende Kontext
drum herum und da lohnt es sich, den Film, gerade im Hinblick auf den
nächste Woche anstehenden Start von „Batman v Superman: Dawn of
Justice“, auf eigene Faust zu erkunden. Die Cannon-Produktion unter Regisseur
Sidney J. Furie hält nämlich einen kurzweiligen Ritt durch das
naive Spielfeld des frühen Superheldenfilms bereit, das sich nach
dem durch und durch schizophrenen „Superman III - Der stählerne
Blitz“ wieder auf die zentralen Werte seines Protagonisten
verlässt und somit ein herzliches Abenteuer um Wunscherfüllung per
Phantastik und der bodenständigen Neigung zum menschlichen
Miteinander entwirft. Fernab des Slapsticks eines Richard Lester
behilft sich Teil Vier sodann eher cleverer Dialoge zur
humoristischen Beobachtung des hilfreichen Aliens, das als Clark Kent
durch den Alltag sowie die Gunst von Gesellschaft, Kindern und der
Frauenwelt stolpert, sich entgegen dem Rat seiner Vorfahren und
Erzieher in die Belange des Weltfriedens einmischt, sobald die
nukleare Bedrohung ihren Siedepunkt erreicht.
Die wahnwitzige wie
aufrichtige Rede Supermans vor den Vereinten Nationen, die sich
daraus ergibt, stellt dabei einen Höhepunkt des Eskapismus dar, wie
er nur im Kino zustande kommen kann und gleichsam recht absurde
Früchte trägt - allen voran durch die Rückkehr von Gene Hackman
als Erzfeind Lex Luthor, der nun zusammen mit seinem 80's
Hoschi-Neffen Lenny (Jon Cryer) einen Triumph des Zynismus anzettelt,
sobald er die Profitabilität globaler Unruhe mit der Eigenkreation Nuclear Man zu erhalten versucht. Als Geschäftsmann findet er
eben stets neue Wege und Hackman gibt daher auch keinen Unsympathen,
sondern einen abgeklärten Privatunternehmer ab, der sich humorvoll
mit dem Selbstverständnis von Gut und Böse versorgt. Clark Kent
hingegen hat noch mit der Zuneigung von Lacy Warfield (Mariel
Hemingway) und Lois Lane (Margot Kidder) zugleich zu hadern. Erstere
versucht mit Sex, Geld und Draufgängertum das Herz des
tollpatschigen Brillenträgers zu erobern, während letztere ihre
Liebe hinter dem Professionellen zu verstecken versucht und dennoch
allzu gerne dem Zauber des Manns aus Stahl verfällt. Beide Figuren
sind basierend auf dieser Schilderung aber keine bloßen
Handlungsventile, sondern sprudeln vor Lebendigkeit, wenn auch Frau
Kidder manchmal kindlicher als sonst von der Beziehung des Supermans
zu ihr bzw. der Menschheit ausgeht. Mit jener Grundnaivität schießt
sich der Film aber natürlich nicht ins Aus, verinnerlicht er sie
doch sowohl im Konflikt der Weltmächte, der übrigens auch im Kampf
journalistischer Integrität gegen die Übernahme des
Sensationalismus ausgetragen wird, als auch im Gemenge zwischen
Superman und Nuclear Man um die Beschaffenheit unseres Daily
Planets, für die auch mal die Logik von Natur, Physik, Astrologie
usw. außer Kraft gesetzt wird.
Sich aber darüber innerhalb eines
Fantasyfilms zu beschweren, heißt sich dem Spaß der Fantasie
verweigern zu wollen, wobei man jedoch immens an der Absicht des
Films vorbeischrammen würde, der nicht nur als Aushängeschild
billiger Spezialeffekte belächelt werden kann, sondern auch genuine
Lachsalven im enthusiastisch verwirklichtem Verhältnis von Realität
und Außerirdischem serviert. Moralische Betrachtungen abseits des Spiels mit der öffentlichen Meinung oder gar
mehrere effektive Konzentrationen jener Haltung darin gelingen dem
Film zwar vor allem zur zweiten Hälfte hin eher weniger, doch er
versteht den eigentlichen Charakter der Reihe, die Richard Donner
initiierte, dann doch mehr als Richard Lester, der sich in Teil Drei
für eine nicht allzu substanzielle Melange dessen mit kontemporären
Einflüssen entschied, die jedoch nicht über die blassen Modelle
ihrer selbst hinauswachsen und eine Einheit mit dem Superman-Mythos
bilden konnten, welcher jedoch auch dort für einige beachtlich
essenzielle Momente sorgte - allen voran die süße Beziehung zu Lana
Lang (Annette O'Toole), der Clark Kent mit Rat, Tat, nervösem
Herzschlag und verschmitzt doppeldeutiger Spruchfertigkeit zur Seite
steht; ganz zu schweigen von der Spaltung der Superman-Persönlichkeit
ins Weltfeindliche, was einen grandiosen Dualismus heraufbeschwört.
Doppelt stark wurde es dann jedenfalls
am Freitag im Metropolis Kino Hamburg, das zum zehnjährigen Jubiläum
des Bizarre-Cinema-Programms ein Double-Feature aus Publikumsliebling
„Die Todesgöttin des Liebescamps“ (für den hatte ich auch
gestimmt) und Team-Favoriten „Söldner kennen keine Gnade“
bildete. Die 12 Euro an Eintritt dafür hielten aber auch einige
Goodies parat, wie eine Trailershow aus Filmkandidaten, welche in der
Wahl des Publikumslieblings hinter Christian Anders lagen, sowie ein
Quiz für eingefleischte Besucher des Bizarre Cinemas, bei welchem
man DVDs, Blu-Rays, Soundtracks und Schnaps abräumen konnte. Bei
drei Fragen konnte ich dann auch als erster eine Antwort in den Saal
rufen und die Ausbeute seht ihr im folgenden Foto.
Doch nun zu den Filmen an sich, obwohl schon in vielerlei offenen Zirkeln über diese berichtet wurde, weshalb ich auch nicht allzu viel mehr zu den psychotronischen Werten dieser hinzuzufügen habe.
„Die Todesgöttin des Liebescamps“
beinhaltet jedoch als etwas mittellose, wenn auch ekstatische
Darstellung von Sektenkult, Hedonismus und der allzu menschlichen
Konsequenz der Liebe einige Wahrheiten, die im exploitativen Rahmen
vielleicht eher als Unterhaltung pubertärer Reize empfunden werden,
aber eigentlich auch ohne prätentiöse Betroffenheit (somit auch
weniger durch eine grimmige Analyse schleppend, wie z.B. „Martha
Marcy May Marlene“) den unvermeidlichen Erhalt von Ideologie und
Gewalt in vermeintlich toleranten oder bewusstseinserweiternden
Systemen beleuchten. Christian Anders' Regie probiert diesen
Sachverhalt in durchgängiger Spekulation, seine Askese innerhalb
plakativ bunter Kulissen vermittelt gleichsam aber auch den inneren
Zwang, mit welchem das Hippie-hafte hier an sich selbst scheitert,
die körperliche Feier eben mit tyrannischer Misanthropie anleiten zu
müssen. Anders balanciert und banalisiert jedoch das Grauen in
seinem Babylon und kontert daher voller Enthusiasmus mit Unmengen
nackter Haut, üppiger Oberweiten und breitem Grinsen, die sich in
Disco-Beats verlieren und dufte Sprüche binnen des Love Camps
äußern, in welchem die freie Liebe ihren Höhepunkt findet, die
Treue der Zweisamkeit jedoch bestraft wird.
Bezeichnend dafür
erscheinen die Körper geradezu stählern unter der heißen Sonne
Griechenlands, allen voran Todesgöttin Laura Gemser weiß da
Erotik als Macht zu gebrauchen, den Akt der Ekstase in einen
geißelnden Bann zu verwandeln. Christian Anders selbst als Jünger
Dorian befähigt sich da auch so einer Art von Zauber, wenn er
Senatorentochter Patricia (Simone Brahmann) zur Liebe auf den ersten
Blick verleitet, die derartig bedingungslos mit jugendlichem
Leichtsinn glänzt, dass es für ein gereiftes Publikum schnell zur
Lachnummer wird. All diese Aspekte kulminieren dann auch im Mann
aller Männer, Tanga (Sascha Borysenko), der die Härte des
menschlichen Bodys pausenlos verkörpert, im Stehen schwitzt und
Muskeln en masse präsentiert, ruppig und fix als
Entjungferungswerkzeug fungiert sowie die Treue zu seiner Meisterin
mörderisch mit Sindbad-Säbel und Höllenschlucht ausführt. Als
Charakter ist er an sich schon der pure Blickfang und vielleicht auch
der interessanteste im Ensemble, dessen Handeln man aus der Übermacht
seiner Präsenz nur stets verblüfft und entzückt, mal mit
Gewissensbissen und mal vollkommen ohne Kompromisse, erwarten kann.
Er ist auch irgendwo eine menschgewordene Pointe; ein Fick-Terminator
mit urigem Bart, den Anders nur im Bild anordnen oder schweigsam
durch solches gehen lassen muss, um eine Reaktion vom Zuschauer zu
erwirken. Seine impulsive Kraft wird dann auch die Essenz eines
Films, der sich bar aller Gefälligkeit an Sexszenen, Festmahlen und
Musical-Nummern ergötzt, ohne einen sauberen Übergang derer oder
gar aufwendige Ausstattungen dazu darbieten zu müssen. Das
Urweltliche im Menschen äußert sich nun mal im derartigen Eigensinn
und das fällt in dieser unfassbar naiven Freiheit eines aufgedrehten
Eskapismus des Gespielt-Erwachsenen dementsprechend beglückend aus,
wenn sich das Spektrum an Themen und veräußerlichenden Schauwerten
letztendlich auch etwas klein hält und selbst in der kurzen Laufzeit
von 75 Minuten Längen und teils überflüssig einfältige
Stereotypen aufweist.
Ein bisschen länger, aber weit
konfuser fällt sodann die deutsche Kinofassung von „Söldner
kennen keine Gnade“ aus, die Tsui Harks Action-Crime-Hybrid
urbaner Gewalt zu einem wankelmütigen Rausch an Eindrücken ballt,
der unnachgiebiges Terrorkino erwirkt, natürlich aber auch die
Sprengkraft in der Unmittelbarkeit des Originalkonzepts unter Wert
verkauft. Die haltlose Wut der Jugend, wie sie dem
grenzendurchstoßenden Film an sich sowie den Charakteren inhärent
ist, steht somit im Wechselspiel mit einem undurchsichtigen
Söldner-Plot, der in dieser Form anorganischen Filmprodukts
natürlich auch fesselt, jedoch die Realität der ursprünglichen
Kohärenz unterminiert. Davon abgesehen ist Tsui Harks Energie
weiterhin ein virtuoser Antrieb für seine Darstellung einer
gesellschaftlichen Finsternis, die ihre Apokalypse binnen fester
Strukturen, derer Langeweile und dem Zynismus ihrer hingenommenen
Spaltung aller selbst anzüchtet. Die Grenzen zwischen Unschuld und
Absicht, Gesetz und Anarchie, verschwimmen dann auch in einer
Turbulenz, die eine Identifikation oder ethische Einordnung mit den
Charakteren schier unmöglich macht und deren Handeln dennoch als
unfassbares Unterfangen durchs Hirn schießen lässt.
Der Film zwingt
einem in der Attacke seiner Bilder des Zerfalls sowie mithilfe seines
unheilvollen (aus mehreren Quellen zusammen geklauten) Soundtracks
dazu, mitzuhalten, eine Erfahrung der Angst als Zuschauer zu
verinnerlichen; Gewalt, Hass und Frust auf universellem Wege zu
erkennen, ohne dass für irgendjemandem im Ensemble letztendlich eine
Moral oder gar Katharsis aufbewahrt wird. Alle dürfen bluten,
sterben und das Massengrab aufstocken lassen. Eine Bombe des Bösen
wird hier wortwörtlich in den Kinosaal geschmuggelt und lässt für
eineinhalb Stunden den Horror auferstehen, den wir aus der Menschheit
eigentlich trotz seiner Existenz ausblenden wollen. Tsui Harks
radikalisierter Nihilismus kennt kein Erbarmen, genauso wenig schert
er sich um Nuancen und Regeln, lässt daher auch reichlich schwarzen
Humor, fiebrige Unterwelt, Tierquälerei, Blut und Gedärm aufkochen,
die sich im Sog einer beengenden und zerrenden Bilderwelt zum Thrill
türmen, aber auch eine Ermattung außer Atem fördern. Der Film war
ohnehin so etwas wie der Anklang einer neuen Welle im Kino Hongkongs,
das sich bis dahin eher an Wuxias, Martial-Arts und seichten Dramen
orientierte, ehe es eine derartig im Zeitgeist wühlende Explosion an
Genres und menschlichen Tiefen gewagt hätte. Von so einer Supernova
kann man sich nur schwer erholen, aber auch heute noch schwer
begeistert sein, ganz gleich wie sie für die jeweiligen Kinomärkte
und Zensoren zusammen gestutzt wurde.
So, damit wäre die Übermenge an wöchentlicher Schaufreude fürs Erste chronologisiert, denn daraufhin hatte ich mich eigentlich wieder nur in meine Höhle begeben und an den Texten hier gesessen. Und weil das obige als Kurzbericht ja noch nicht genug an Lesematerial war, habe ich auch noch Einzelkritiken zu den folgenden Filmen parat und hoffe, dass bei diesem Tipps wieder so einiges an Inspiration für Euch treue Filmfreunde zur Verfügung gestellt wird. So sehet also:
ZWISCHEN HIMMEL UND HÖLLE - Akira Kurosawa hat so einige Karten in der Hand, mithilfe derer er eine Partie von knapp zweieinhalb Stunden Länge schon mal im Ansatz kurzweilig auszufüllen weiß. Die Geschichte darin allein gibt aber auch innerhalb ihres Rahmens einen reichhaltigen Gesamteindruck vom Leben binnen finsterster Phasen wieder, dessen Apokalypse im Innern passiert und doch per Schlichtheit auf die Zwiespälte von Moral, Privileg, Schuld und Verzweiflung hinweist. Ganz natürlich scheinen da die Übergange zwischen den Genres, das Wechselspiel der Perspektiven zum Auffinden der Perspektive; einer Lösung, die letztendlich keine ist, da in ihr leider auch, wie durchweg im Film, der Austausch, das Bestehen und die Eliminierung von Existenzen erfolgen muss. Daher ist Kurosawas Film zu Beginn schon Kapitalismuskritik sowie eine Betrachtung der Folgen von Ehrgeiz. Die Philosophie einer Ayn Rand wird daher nicht bedient, wenn sich der Großaktionär einer Schuhfirma, Gondo (Toshirô Mifune), zwar für die Ethik der Qualität entscheidet, Feinde und Freunde um sich ballt, jedoch innerhalb der Struktur seiner Familie ebenso allmählich fremd und störrisch wirkt. Die Unruhe verfolgt ihn stets wie auch das Risiko einer bedeutenden Investition, mit welcher der gesamte Haushalt auf dem Spiel steht. Sympathieverschiebungen werden da sehr präsent, aber keine Plattform für Zynismus.
Die Dramatik jener Entscheidungslast bleibt in der ersten Hälfte des Films größtenteils innerhalb seines Hauses verortet, konzentriert mit der Konfrontation unter Personal, Familie sowie den Pfaden des Opportunismus spielend, welche sich dafür nicht mal absurde Spitzen ausdenken muss, um nachvollziehbar humanistische Spannung zu erzeugen. Kurosawas Kamera und die spärlichen Musikeinsätze akzentuieren die Schwere der Gefühlslage ohne melodramatischen Affekt, ohnehin fühlt sich der Zuschauer mehrfach eher dadurch einbezogen, dass der Raum des Breitwandformats mit beobachtenden oder zuhörenden Gesichtern innerhalb des Narrativ wirkender Charaktere gefüllt ist, als durch die eigentlich naheliegende Stilistik der eingezoomten Einsamkeit. Hier herrschen stattdessen kollektive Klaustrophobie und Machtlosigkeit, wenn auch die Grauzonen des Konflikts ab und an recht eindeutig, Theatralik aber noch vermeidend, im Dialog zu Tage treten. Jene Streitpunkte sind aber nur die Grundlage für Handlungsentwicklungen, die selbst für den heutigen Zuschauer weiterhin unvorhersehbar, gerade aber in ihrer Plötzlichkeit natürlich realistischer erscheinen, als ein Thriller mit Ankündigung. Entführung und Erpressung setzen sich am Gewissen fest, spannend sind da vor allem die Wechselverhältnisse von Reichtum und anstehender Armut, der Schutz des Individuums im Angesicht sowie im Zusammenspiel einer Gruppen übergreifenden Gerechtigkeitssehnsucht, die sich gleichsam bescheiden sowie niedergeschlagen geben und ebenso Mitleid empfangen.
Als Mittler der moralischen Entscheidungen hat das Gesetz hier Kompetenz und Verständnis inne, das jedoch genauso mit der Ermattung der vorhandenen Mittel zu hadern hat wie es im investigativen Verlauf der folgenden Akte sodann die Facetten des Sachverhalts sorgfältig abgleichen muss. Kurosawas Film wird dann auch ein behutsamer Krimi, jedoch keiner der Schauwerte, sondern einer, der punktgenau und doch mit Feingefühl im sozialen Spektrum unterwegs ist, sich die Öffentlichkeit und den Einzelnen zu nutze macht, um dem Verbrechen auf die Spur zu kommen. Manche Milieus können da trotzdem etwas spekulativ erscheinen, allen voran die Drogenhölle gegen Ende hat eben den Charakter einer solchen inne, während sich der Hauptanteil des Films eher nicht mit vorgefertigten Typen umgibt, stattdessen den Komplex einer Gesellschaft auch anhand der Stück für Stück weiter greifenden Inszenierung recht offen und ehrlich schätzt. Es liegt ihm letzten Endes auch nicht daran, ein Urteil zu fällen, eine Katharsis für Identifikationsfiguren oder eben ihre gesellschaftlichen Strukturen zu erwirken, sprich die Realität eines derartigen Falles zu verklären. Von daher braucht man auch keine grandiose Erklärung allen Glücks und Übels erwarten, genauso wenig ein sperriges Statement gegen die Zuschauergefälligkeit.
Kurosawa pendelt sich dabei zwischen kohärenter Systematik und grundlegender Empathie ein, wenn sich der übergreifende Täter eigentlich schlicht aus der fairen Grundlage allen Lebens nachweislich in die Unzufriedenheit getrieben sieht, gesellschaftlich ins Abseits geschoben, mit Enttäuschung und Hass auf eine Hierarchie blickt, in der es aber ebenso Individuen gibt, die mit Barrieren, Unterstützern und Rivalen ringen - da können die Vorwürfe noch so energisch tönen: Das Gesamtbild nimmt bewusst die Höhen und Tiefen von jedermann mit. Ein konsequenter Schlusspunkt, aber kein grundlos pessimistischer, dafür ist er im Vornherein eben auch intensiv mit den Zweigen des Daseins beschäftigt, die das größere Wohl bilden wollen, für dessen Abgeklärtheit aber stets gesorgt werden muss und einfach auch keine Pauschallösung existieren kann. Das Leben ist nicht leicht, doch die Balance des persönlichen Kampfes ist immerhin gemeinschaftlich inhärent, von daher geht Kurosawas „Zwischen Himmel und Hölle“ in seiner Universalität und Ambivalenz mit wohl endloser Haltbarkeit effektiv auf.
GODS OF EGYPT - "[...] Proyas mangelt es an Konsequenz, ehe er wie Luigi Cozzi und dessen „Herkules“ in die ungestüme Palette des Eskapismus greift. Ganz unähnlich sind sich die Herren aber nicht, wenn sie voller Wahnwitz Realitätsverständnis und Mythologie zugleich durchkreuzen. [...] Die Abgefahrenheit ist derart geballt, dass selbst die heutige Computermaschinerie an ihre Grenzen stößt und teils eigentlich peinliche Ergebnisse zum traditionellen Sandalenabenteuer hinzugibt. Jene Versuche der Größe – und die Offenheit des Scheiterns – machen allerdings den größten Charme des Films aus, der im Modus permanenten Chargierens selbst einen Anti-Sympathen wie Gerard Butler mit Unterhaltungspotenzial anfüttert [...] Innerhalb der zelebrierten Stumpfheit beharrt „Gods of Egypt“ jedoch auf einem mühsamen Erzählkino, das in moderner Fantasy leider zur Gewohnheit geworden ist [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
Bonus-Zeugs:
MARTYRS - Generell wäre es ja reizvoll, die Betrachtung des globalen Leidens, wie es in Frankreich seit der Johanna von Orleans und im Kino u.a. durch Robert Bresson kultiviert wurde, ins Hier und Jetzt des Torture Porns zu versetzen und womöglich eine Reflexion zu erwirken, die aus dem Genre mehr als Angstbewältigung und Katharsis herausholt. Regisseur Pascal Laugier lässt sein zentrales Ensemble jedoch insofern ausbluten, indem er das vielleicht wichtigste Element seiner eigentlichen Passionsgeschichte, nämlich die Empathie, auszuklammern droht, in Schauwerten vergräbt, nur für ausgewählte Figuren der Unschuld bereithält (Grauzonen und deren Kinder kriegen sie mit einer Handvoll Tränen sowie ganz dicken Einschusslöchern serviert) oder kurz darauf am Zwang von Plottwists vergessen lässt. So schafft es die brachiale Mordsschau im Hauptanteil nicht, ihren oberflächlichen Charakter zu durchbrechen, wenn ihre thematischen Werte zudem von Anfang bis Ende bis in die Belanglosigkeit hinein überstrapaziert werden. Die Grenzen des Kinos per extremer Körperlichkeit zu überschreiten, ist da grundsätzlich kein Störfaktor, schafft es in diesem Fall doch die direkteste emotionale Bindung zum Zuschauer (das Verhältnis zwischen Anna und Lucie wird höchstens angerissen) und besitzt ohnehin eine Konsequenz, die das Gegendrücken durch etablierte Tabus aussetzt.
Wird den Figuren darin jedoch jede Nuance vergönnt und stattdessen mit minimalstem Hintergrund erfüllt, der als Ventil für eine vermeintlich spirituelle Suche nach dem Göttlichen ziemlich einfältig bleiben muss, kann sich die Haltung zynischer Gafferei relativ einfach hineinschleichen, wenn daran auch noch mit unvermeidlicher Prätension ein Grundkurs von der Psychologie der Gefangenschaft probiert wird, welcher jenseits des Borderline-Syndroms und Halluzinationen relativ wenig und dann auch noch spekulativ äußert - Standard-Jumpscares und melodramatischer Soundtrack inklusive. Innerhalb der knapp hundert Minuten Laufzeit hat man es sodann mit einer Redundanz zu tun, deren narrative Abstraktion zunächst noch für effektiv gehalten werden könnte, anhand des Oberbegriffs des kollektiven Schmerzes aber auch mit Ankündigung auf der Stelle tritt und sich vom Handlungsverlauf her hingegen einige abstruse Eckpfeiler und Falltüren offen lässt, die sich mit dem grimmigen Realismus des Stils nicht so ganz anfreunden wollen.
Daran zeigt sich auch, dass die Idee des Ganzen innerhalb eines Schauplatzes Potenzial hat (ohnehin hat man manchmal das Gefühl, Laugier wollte "Das Haus der Vergessenen" bar jeder Subtilität neuverfilmen), die Ausführung dessen jedoch überflüssig gestreckt wird und dafür sogar Stück für Stück den im Intro noch vorhandenen Reiz der Suggestion ablegen muss - insbesondere in der Hinsicht, wie sich das Grauen erst den Opfern, dann dem Zuschauer zeigt und letztendlich noch ein oder zwei High-Tension...ähm High-Concept-Twists draus basteln muss. Sozialkritik durch eine Geheimgesellschaft des seligen Niederprügelns orientiert sich zeitgleich noch an derer des "Fight Clubs", die gemäß des Trends der Nouvelle Vague du Gore in Handkamera und hartem Kontrast eingefangenen Eindrücke vom "gut gemeinten" Faschismus ziehen da mitunter am Stärksten für das (streng unmissverständliche) Gleichnis einer omnipräsenten Unterdrückung des Individuums im Zeitgeist des verstärkten Rechtsrucks in Europa, welches sich in der übersteigerten Darstellung der Peinigung stimmig wiederfindet.
Laugier macht jene Erkenntnis eigentlich schnell sichtbar, lässt sie aber über neunzig Minuten lang noch auslaufen und bricht sie sogar nochmals vereindeutigend auf den primärsten Konflikt ihrer selbst runter, während dem Kontext zu Narrativ und Metaebene stetig mit Willkürlichkeit und Schockfaktor begegnet wird. Das hat zur Folge, dass die ultimative Ergründung des Märtyrdaseins als Erzeuger einer esoterischen Vision des Nirwanas wie nachgeholt daher kommt und (ähnlich wie bei Mel Gibsons "Die Passion Christi") ein vorangeganges Massaker halbgar als Pfad der Katharsis entschuldigen soll. Die Naivität darin kabbelt sich sodann durchaus mit dem angepeilten Anspruch des Films, die Härte des Lebens voller Ehrlichkeit und einer Portion Gnade in Filmform zu konzentrieren, wenn letztendlich doch eine ums Verrecken verschleierte (Gewalt-)Fantasie vermittelt wird. Hier wurde eben leider etwas zu plakativ und unausgegoren an eine recht respektable Ambition herangegangen.
DIE BESTIMMUNG - ALLEGIANT - "[...] Anstrengend erfährt der treue Zuschauer sodann das allerneuste Abspulen einer Young-Adult-Dystopie, die aus ihrer eigenen Mythologie nichts mehr zu schöpfen weiß. [...] Trotz Gewohnheit – ob in Dramaturgie, Ambiente oder Charakterzeichnung – gibt sich der Film nur wenig selbstbewusst, sondern drückt in künstlicher Aufregung auf die Tube, von seiner Zielgruppe so eindeutig wie jeder andere Genrevertreter empfangen zu werden. [...] Stereotypen und Klischees vom altbewährten Kampf zwischen Gut und Böse sind fest an der Tagesordnung, obwohl der Film in seinem Drang zur Auflösung der Übermacht ironischerweise stets wiederholt, dass die Fraktionen, sprich die Kategorisierung des Einzelnen in rein oder beschädigt, ein Ende haben müssen [...] ansonsten bleibt nur eine äußerst blauäugige Hoffnung in Geist und Gerechtigkeitssinn der Jugend. Die Moral von der Geschicht’ propagiert in Ermangelung an Originalität zudem das Misstrauen gegenüber Regierenden, während das Talent im Waffenumgang wie bereits in der „5. Welle“ gefeiert wird. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
REAL ROB - Das reiche Weichei, das mit vorgehaltener Hand angeben darf: Eine neue Spitze ungemütlichen wie spießigen Anti-Humors. Ich wollte glauben, dass vom Konzept her ein hämischer Kommentar auf die potenzielle Idealisierung des öffentlichen Bildes in Serien wie "Louie" oder eben der inszenierten Echtheit von Reality-Shows dargestellt werden sollte, so asozial und dennoch um Herzlichkeit bemüht Rob sich selbst sowie sein Millionärsleben inklusive aufreizender 29-jähriger Ehefrau repräsentiert. Im Ansatz ist "Real Rob" das tatsächlich auch. Die Extreme der Selbstgefälligkeit suppen jedoch allzu schnell und gewollt in ein Sammelsurium an zynischen Gags, Klischees und zunehmend schlaffen Story-Konzepten über, das zudem 1:1 mit Robs echtem Stand-Up-Programm aus Sexismus, Rassismus, Homophobie, Organic Food, Penisneid und Anti-Vaxxer-Shtick übereinstimmt - schließlich gibt er es auch in redundant eingeworfenen Momenten vor einer Mauer à la Seinfeld wieder (Interview-Passagen und Non-Sequiturs gesellen sich auch manchmal dazu).
Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion, sprich fingierter und echter Unerträglichkeit, verschwimmen sicherlich in einem Anflug an Überspitzung, doch man möchte meinen, mit jeder möglichen Auflösung dazu noch weit weniger als überhaupt schon mit Rob (der Person, nicht der Kunstfigur) sympathisieren zu wollen, unabhängig davon, welche Absicht erzielt werden sollte (Die Anbiederung an den Humor-Bodensatz gelingt ihm jedenfalls recht souverän). Seine über Allgemeinplätze reflektierte Parodie aufs Showbiz bietet sich mit ihrem vorhersehbaren Plattmeier-Jux dementsprechend zum Fremdschämen an, das Potenzial zur Selbstironie muss sich dabei den Platz mit Unmengen an zur Unterhaltung ausgestellter Misanthropie teilen, für die Robs Charakter allerdings nur in Miniportionen die Quittung kriegt. Brüller. Teilweise geraten die Situationskomiken aber auch so haarsträubend einfältig, dass man den Reiz eines Zugunglücks empfindet, besonders in Folgen wie "Gaying in Shape" und "What's my Thing" sind derartige Qualitäten omnipräsent.
Die Blässe der Regie sowie deren Desinteresse an Timing, ebenso vom auteur d'être Rob ausgeführt, tun da ihr Übriges in diesem von Netflix finanzierten Familienprojekt, bei dem man schon wirklich beide Augen zudrücken müsste, um diesem gelungene Subversion zuzugestehen. Ob dabei nun die Entlarvung Hollywoods oder die Entlarvung der Leichtgläubigkeit des Zuschauers ins Auge gefasst wurde: Die Bandbreite an daraus ableitbaren Erkenntnissen hält sich äußerst im Grenzen. Nach Obskuritäten suchende Gesellen werden sich hier durchaus aufgehoben fühlen, wenn auch der Antrieb zum Weiterschauen nach maximal zwei Folgen ausgeschöpft ist. Masochisten wie ich wählen das Komplettpaket.
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