Sonntag, 29. Mai 2016

Tipps vom 23.05. - 29.05.2016


 

TONI ERDMANN - "[...] Die Erfahrung bleibt aber stets bittersüß, wenn Ines sich für das Leichtfüßige und Clowngehabe ihres Vaters schämt, obgleich die Scham der Contenance halber kein Vergleich zur Misogynie der Vorstandslappen mit Wanst im Boss-Jackett darstellt. [...] Man wird aber auch sehen, dass Ines Kontrolle über die Unverschämtheiten der Männlichkeit haben kann, Biss vorweist und Ideale vertritt, doch es stehen noch zu viele Hürden der Verletzlichkeit im Raum, solange sie als Tochter ihren Vater rechtfertigen zu müssen glaubt. Also denkt der sich eine abgekoppelte Identität aus [...] Improvisatorische Impulse vermengen sich durchaus mit Alltäglichkeit und an sich schon absurdem Business-Talk, aber es wird sich gewiss nicht durch reißerische Eindrücke gehetzt, so wie ja im Folgenden nicht nur behauptet werden soll, dass sich Ines wieder dem Eigenen und Menschlichen nähert. [...] (Der Film) besitzt da reelles Feingefühl und schöpft seine Liebe abseits jedweder Genre-Regeln aus dem Unausgesprochenem, konstruiert die Katharsis in seinen Charakteren auch nicht aus vorgefertigten Wegbeschreibungen, sondern eben aus der Wertigkeit des Moments, aus Impuls und Willkür das zeigend, was man wirklich ist und was man sich zu schenken hat. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




DER NACHTMAHR - "Es stampft die Jugend im Rausch der Party voran, mit Verdrossenheit dem Alltag gegenüber, und doch mitten im Stroboskoplicht. Im Impuls des jungen Lebens wächst die Persönlichkeit aber noch und geht dementsprechend in der Clique unter, bis dann doch der Urknall des Coming of Age passiert. [...] Woher, warum und wie sind Fragen, die bewusst ausgeschlossen werden dürfen, sobald die psychotronische Beobachtung des Feierns in einem Alltag mündet, der kaum mit Individuen umgehen kann. [...] Schon das Schauspiel gibt sich rotzig in seiner Bewegung und bar jeder Hemmung, kann im Angesicht des Unwesens aber auch nicht Herr der Lage sein und erschafft somit einen Gesellschaftsjux, der umso schöner wird, je weniger er sich von einer Dramaturgie erwürgen lässt. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




DER VIERTE MANN - Wenn man abseits von Cannes schon noch nicht vorzeitig an „Elle“ herankommen dürfte, lohnt sich zumindest Paul Verhoevens Mystery-Thriller von 1983, so wie dieser einiges an jenen Ambivalenzen von Verdächtigungen, Frauen-im-Film-Modellen und überhaupt stilvoll gewählten Frechheiten aufbietet, die sich bei Verhoeven seit jeher gelingend bewährt machen. Man wird vor allem in letzterer Instanz das Gefühl nicht los, dass er einen ein Stück weit auf die Rolle nimmt, den Zuschauer und die erlebte Story aber nicht unbedingt zum Narren hält. Sein Mysterium um die vermeintliche Femme Fatale Christine (Renée Soutendijk) setzt zudem keine willkürlichen Barrieren ein, sondern unterhält mit reichlich unheilvollen Symbolen, die seinen Protagonisten Gerard (Jeroen Krabbé) zwar auf bestimmte Deutungen und dementsprechende Visionen bringen, diesem im Suff aber auch entgleiten lässt, während man selbst den Dreh bereits raus haben könnte. Der Spaß erlaubt sich einige mehr subversiv provokante und melodramatische Eindrücke, der Aufbau dorthin zeugt dennoch von legitimer Spannung. Schließlich lässt Verhoeven sein Meta-Spiel gut mit dem Charakter Gerards harmonisieren, der als Autor laut eigener Aussage besonders geschickt darin ist, sich eine Wahrheit zusammen zu lügen sowie auch sonst recht ergiebig Reelles und Fantasie in seiner Perspektive zu vermengen im Stande ist - katholisch und bisexuell ist er zudem auch. 


Die Reihe an Widersprüchen bringt aber keine Moral mit sich, eher das nötige Verständnis für seine Obsessionen binnen der heimeligen Ecken Hollands, gestrandet zwischen Bahnhof und Hotels wie einst Harry Kümels „Blut an den Lippen“. Selbst in denen schlummert aber das Böse und da lässt Verhoeven den universellen Grusel der Tiergattung Spinne schon früh den Freiraum zur kognitiven Vernetzung, zum Horror der Verlockung und zum Sex ohne Wiederkehr. Im Sphinx, dem Schönheitssalon Christines, wird Gerard sogar mehr oder weniger passiv davor gewarnt, doch solch subtile Aufforderungen kriegt er eher nicht mit, als dass er dem eigenen Wesen Richtung Eigennutz folgt, so oder so eben seine Mutter Maria finden wird, wenn er sie nur lang genug sucht und Zufälle als Schicksal stehen lässt. Dass er dabei immer mehr mit Angst und Paranoia hantiert, scheint aus seiner Position sodann sinnig, eine konkrete Auflösung bleibt aber außen vor, so dass seine letztendliche Rettung ebenso gut komplett als Hirngespinst fungieren dürfte. Die Frage nach der Verschwörung per eigener Psychologie treibt jedenfalls reichlich Reißerisches in die Augen, bis sie mehrmals aus den Schädelhöhlen schlüpfen und im Zwielicht onanieren, eine Verkettung an Omina wahrnehmen, sie entweder fürchten oder sich daran aufgeilen. Selbst der Wahn bringt eben Vor- und Nachteile, solange sich Gerards Hormone solch Temperament erlauben, wie es Verhoeven ebenso gerne nutzt.




THE WHISPERING STAR - "[...] Anders aber als die geläufige Interpretation einer Dystopie, also jene über die Schlacht unter den letzten verbliebenen Menschen und Regierenden, erfolgt hier die Ermattung im ultimativen Frieden. [...] Zen hat hier durchaus seinen Humor im Wiederholen und Strecken minimaler Prozesse, in der Ruhe liegt aber auch die Tragik einer verlorenen Lebendigkeit. [...] Der Halt an der Hoffnung in Paketform äußert sich ebenso mit Bescheidenheit – wohl auch deshalb, weil schon der kleinste Nachlass an Erinnerungen in Sonos flüsternder Zukunftsvision dermaßen geschätzt wird, dass selbst die Zugänglichkeit der Teleportation ungenutzt bleibt. Mit einer Schuldigkeit für jene Umstände mag er die Menschheit hier also nicht belegen, dafür ist die Rationalität ihrer Maschinen ja auch nicht gebaut. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




BILL & TED'S VERRÜCKTE REISE IN DIE ZUKUNFT - Der Titel zur Fortsetzung jener Abenteuer von Bill (Alex Winter) und Ted (Keanu Reeves) entpuppt sich, wie man nach nicht allzu langer Zeit feststellt, als Mogelpackung schlechthin, schließlich verschlägt es die Beiden anhand einer Verschwörung aus der Zukunft, bei der ihr Leben anhand böser Roboter-Versionen ihrer selbst auf den Kopf gestellt wird, ins Reich der Toten. Die anstehende existenzielle Krise voll surrealer Eindrücke und verselbstständigter Ängste hat es allerdings mit den Hoschis der Adoleszenz zu tun. Umso verstrahlter nimmt man das Narrativ wahr, welches unbedarften Jugend-Slang mit Steve-Vai-Riffs in der Air-Guitar durch Himmel und Hölle jagt und diese jede Prüfung des Geistes, die manch einer in den Horrorwahn treiben würde, als Kinderspiel erfüllen lässt, bis jede noch so psychotronische Skurrilität per Schlichtheit zum Abenteuer mitverwendet wird. Keine Hemmschwellen, weil kein Gehirn? Nichts da! Die metaphysischen Optionen der Telefonzeitmaschine öffnen die Tür zu Gevatter Tod, Gott und Außerirdischen, die unsere Helden so selbstverständlich zu nutzen wissen, obgleich die Wege dorthin wohl kaum von irgendeinem anderen Film bisher eingeschlagen wurden.


Gut, anfangs muss man dafür vielleicht einige Mengen an eingedämmter Dynamik hinnehmen, wenn unsere granatenstarken Freunde weiterhin keine steile Karriere vorweisen können, aber dennoch mit dem Herzen Richtung Hochzeit bei ihren Mädels aus dem Mittelalter sein wollen. Ehe sich aber wirklich Gewöhnliches einmischen kann, sind die fiesen Roboterkeulen im Anmarsch, die aber per Genre-Topoi-Umkehrung mindestens genauso flippig und dudetastisch ankommen, nur eben so destruktiv auf No-Future aus sind, wie es in der Teen-Angst auch leicht herum schwingen kann. Doch „God gave rock'n'roll to you“ (in diesem Fall wortwörtlich) und so findet der Spaß binnen des Battle of the Bands letztendlich doch noch vielerlei Tricks vom Kosmischen übers Kibernetische bis hin zum Verspielt-Paradoxen, um die Welt mit der Fetzigkeit aus Freundschaft, Liebe und Wyld Stallyns auf den Pfad der Extracremigkeit zu geleiten. Das mag die Pointen vielleicht geringer austeilen, als es ein Stephen Herek tat, doch so viel Unfassbares, wie sich diese Komödie über dem Tellerrand der Stumpfheit traut, die Katakomben der Psyche wie auch die Freiheiten der Fantasie erkundend, muss man erst mal verarbeiten. Oder man feiert es ab, wie Bill und Ted es tun.




WIND DER LIEBE - Ein australischer Hybrid aus Sportfilm, Komödie und dramatischer Romanze, der deshalb im hiesigen DVD-Regal liegt, weil eine junge (und übrigens zeigefreudige) Nicole Kidman mit am Start ist. Was Geschichten über Motivationen zum Leistungssieg und Liebe angeht, war sie ja später auch binnen der „Tage des Donners“ aktiv unterwegs, vorerst aber macht sie sich hier als Jade, die Frontsängerin einer mehr poppigen denn rockigen Band warm, obgleich diese einige tolle Soli und Riffs hinkriegen. Präsenter ist hier aber noch der Gegenpol, der den Originaltitel „Windrider“ ergibt: P.C. Simpson (Tom Burlinson), der stets den Durchblick besitzt und nicht nur mit massig „Woo's!“ die Wellen bezwingt, sondern als Tausendsassa auch den effektiven wie schelmischen Bürohengst gibt. Für die deutsche Synchro eine von vielen tollen Möglichkeiten, bestes Spruchwerk und lispelnde Sekretärinnen einzulegen, doch auch so definiert sich Vince Mortons Film mit einer Leichtfüßigkeit, die sich dynamische Perspektiven und Plot-Impulse erlaubt, um den Pop der Jugend in eine gewohnte Form der 80er Extremsportwelle zu betten – siehe auch „Thrashin' - Krieg der Kids“ oder „Rad“. Was diesen Film aber nochmal besonders interessant und verpeilt zugleich macht, sind die mehr als Macho-haften Annäherungsversuche von P.C. (abwechselnd für Power Charlie, pazifisch charmant oder eben Personal Computer stehend) sowie das fixe Gelingen derer.


Eigentlich allzu verständlich entwickelt sich die Beziehung dann aber auch so, dass P.C. ausgerechnet Jade dafür verantwortlich zu machen scheint, dass ihm nichts mehr so richtig gelingt, vor allem in Sachen Windsurfen. Eine einmalige Hai-Attacke (jenes Tier hat es laut P.C. nicht verdient zu leben!) hat sich da aber genauso eingemischt, ebenso seine eigene Nachlässigkeit in der Arbeit sowie die versagte Nähe zu seinem Vater. Sobald er das wieder auf Vordermann kriegt, wird der Handlungs-technische Knackpunkt - der Sieg gegen den in aller Welt bekannten Coyote - gelingen können, vorher hat er jedoch reichlich an sich selbst zu arbeiten, zu schmollen und eine gewisse Forderung zur Einsicht durch Bürokollegin Mrs. Dodge zu erhalten. In der Phase hat der Film etwas Schleppendes an sich, doch im Gesamtgefüge rattert er seine Stationen des Eskapismus gut weg, angefangen bei Quasi-Musikvideos schärfsten Synth-Pops bis hin zu Action-reichen Buggy-Einsätzen von Seiten P.C.'s. Ein Honk bleibt er aber so oder so, nur eben doch ein bisschen gelehrter in der Kunst der Menschlichkeit. Da wird der Dingo in der Prärie verrückt!




WARCRAFT: THE BEGINNING - "[...] Obwohl Jones konkret inszeniert und klotzend visualisiert, die Action der Vorlage ohne Spieler-Input umsetzt und teils brutaler schneidet als ein Axthieb per Orkfaust, sind ihm aber scheinbar die Hände gebunden, über das Gewöhnliche hinaus zu denken, sobald er seine Parteien um Menschen und Orks zu charakterisieren versucht. [...] Ab und an darf auch die Rücksichtnahme aufs Publikum vergessen werden, so sprunghaft (er) sich durch die Elemente des Eskapismus schlägt und die Gravitas eines John Milius hommagiert, wenn er ungeniert Ehre, Kampfgeist, Tradition und andere spartanische Werte als Gerechtigkeit herausstellt und kulturelle Eigenständigkeit gegen Sklaverei und Diktatur empathisiert. [...] Nur eben in letzter Instanz wird’s womöglich unbequem, wenn die Erwartungen in Gut und Böse, Verrat und Triumph doch über Umwege (zumindest mit Zweifeln) erfüllt werden und trotz Widersprüchlichkeiten gewiss nicht mit faschistischen Anspielungen geizen, wie sie dem Genre seit jeher anheimfallen. [...] Klingt gruselig, passt aber zu 2016 wie die Faust aufs Auge."



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Sonntag, 22. Mai 2016

Tipps vom 16.05. - 22.05.2016



Das nennt man mal eine prekäre Situation! Durch Regisseur Don Siegel verschlägt es Clint Eastwood binnen „BETROGEN“ während des Tumults des Bürgerkrieges als Yankee John McBurney in den rebellischen Süden. Damit nicht genug, gerät er aufgrund schwerer Verletzungen in die Arme des Southern Comfort, sobald ein Mädcheninternat im Herzen aus Sumpf und Hitze ihn aufnimmt und gesund pflegt. Von Anfang an herrscht jedoch der Zwiespalt im gegenseitigen Umgang unter jenen Kontrasten, fix symbolisiert durch den Vorspann im nostalgischen Sepia-Touch, der alsbald in Einzelmomenten des Schreckens verharrt und der Wurzel der Unmenschlichkeit in klassisch amerikanischem Ambiente ebenso eine Ballade der Kriegsverdrossenheit aufdrückt. Dem Zeitgeist der Produktionsära entsprechend, direkt in der Ungewissheit um Vietnam gespalten, erinnert Siegel damit gerne, wie Schlachten das Menschliche zerreißen, ebenso wie sinnlos sich der Drang zur Feindschaft erhält, wenn beiderseits die wahre Lebendigkeit geopfert wird. Will man schließlich nur eine weitere Leiche auf einem Foto sein; einem antiken Denkmal, das als Dokument menschlichen Versagens kaum sowas wie Ehre versprühen kann?


Siegel entmystifiziert wie er sich auch nicht einfach auf einem Gleichnis per kriegerischem Horror ausruht, sondern sodann in noch profundere Gebiete des Menschen eindringt. So nehme man das Gewissen, anhand dessen Internatsleiterin Martha Farnsworth (Geraldine Page) an der Entscheidung hapert, dem verletzten Soldaten von der gegnerischen Seite Obhut zu gewährleisten oder ihn auszuliefern, was seinen sicheren Tod bedeuten würde. Von Anfang an herrscht da auch unter den Mädchen der Diskurs vor, ob McB - so nennt ihn die kleine Amy (Pamelyn Ferdin) - nicht doch einen ideologischen Störfaktor darstellt. Dabei wird man sich aber auch schnell bewusst, dass er als einziger Mann unter Mädchen und Frauen, die für gewöhnlich von der Außenwelt abgeschnitten sind und nun unfreiwillig den Krieg am Gatter abfangen, von Grund auf einen gewissen Reiz inne hat. Letzteres gewiss auch als Objekt des Verbotenen, so schnell der Feind von Frau Farnsworth in eine Kammer gelegt wird, sie zudem die Fenster von außen zunagelt, seine Existenz weiteren Südtruppen verschweigt und sich bei ihm auch dermaßen an ihren Bruder erinnert fühlt, dass sie ihren Vertrauten nicht von ungefähr den Zugang zu McB untersagt.


Der hingegen fühlt sich schon fast wie in einer Gefangenschaft, eben eine Gastfreundlichkeit im Zwang zerschossener Beine und er ist nicht mal der einzige dort, so wie der Rabe mit gebrochenen Flügeln am Balkon per Seil festgesetzt bleibt - das Symbol daran wird nicht ungenutzt bleiben. Die Gemeinsamkeiten enden auch nicht beim schwarzen Hausmädchen Hallie (Mae Mercer), so wie sie der Ambivalenz um Alltag und Sklaverei jedoch wie in abwartender Position zwischen den sich bekriegenden Weißen annimmt. So kommt sie auch nicht gänzlich auf McB's Seite, der hingegen nicht allzu verlegen ist, sich die Gunst der Damen in jedweder Form zu erhaschen. Wie alle im Ensemble versteckt er seine Wahrheit dabei in ausgeschmückter Sprache sowie Anekdoten, welche Siegel stets direkt an deren Realität gegenschneidet und für die inneren Perspektiven seiner Individuen auch Voiceover einsetzt. Keine Seite spart hier (Selbst-)Lügen und Obsessionen aus, doch Geheimnisse ziehen sich auf jeden Fall an, sowie der charmante Nordstaatler in Eastwood'scher Form gleich mehrere Damen beeindruckt, so dass er vom Ansatz eines Vergnügens im lindernden Weinschluck aus eben allmählich auch weitere Vorteile aus der Situation zieht.


Die scheue Edwina (Elizabeth Hartman) wollte Männern eigentlich nicht mehr vertrauen, doch McB überzeugt sie schon einigermaßen von ihrer „unfairen Meinung“ gegenüber dem anderen Geschlecht und plant mit ihr das heilige Glück; die körperlichen Avancen der taufrischen Carol (Jo Ann Harris) bleiben ihm aber auch nicht verborgen. Er versucht vielerorts sein Glück, schließlich scheint sein Motiv eine reibungslose Flucht aus dem Krieg oder die Freiheit in der Promiskuität zu sein. In dem Chaos an Versprechen bringen die darin erschaffenen Gefühle aber verständlicherweise auch Konsequenzen mit sich - selbst im Herzen der voll kindlicher Naivität handelnden Amy, die ihn schließlich als erstes vorgefunden hat, wofür er ihr einen Kuss gab. Siegel spinnt dieses Netz an Schuld und gegenseitigem Nutznießens unter vorgehaltener Hand mit einer Dynamik, die selbst im geerdeten Ambiente vergangener Jahrhunderte und Manieren Spannung erzeugt, wo es von der Oberfläche her auch reichlich Optionen für simplen Kitsch gäbe. Doch mit der Kernigkeit Eastwoods bestellt man sich eben nicht nur die wahrhaftige Romantik der „Brücken am Fluss“ ins Haus, wenn ergänzend dazu noch im Krieg sowie der Rivalität darin stets Faktoren an Reibungen bleiben, die sich auch an den Parteien an Frauen abzeichnen, die mal mehr, mal weniger von ihrer konträren Sehnsucht Richtung McB wissen und um diese kämpfen. 


So wie Siegel das Bild des Bürgerkriegs entmystifiziert, entlarvt er in punktgenauer Schnitt- und Kamerafolge dann also auch die vermeintliche Unschuld, wenn die Eskalation von beiderlei Seiten herrührt, Martha sich von Visionen (und auch Projektionsflächen fester Ideale) zu Handlungen alttestamentarischer Brutalität leiten lässt, McB seiner taktlosen Männlichkeit und gleichsam bombastisch-sinnlichen Montagen der Erotik folgt und sowieso allesamt der Eifersucht verfallen, obgleich die Verantwortung nicht immer am unmittelbar Involvierten hängen bleibt, sondern am liebevoll Gefangenen McB. Er ist natürlich gleichsam Täter wie Opfer, doch die Gemeinschaft an Frauen rettet sich ebenso gegenseitig per Intrige, während die Einsicht im Innern verdrängt wird und nur dann innehält, wenn eine von ihnen mit ihm untergehen könnte. Der Schwung, dass ihn alle haben und im Endeffekt dann doch tot sehen wollen, kommt aber nicht plötzlich und behauptet, so schlummert aufgrund der Kettenreaktion an unglücklichen Ereignissen auch der Hass in McB und zerschlägt in der Gunst der vielen scheinbar friedlichen Stunden des Ödlands seine Ketten, nur um dann Wein und Haut für sich zu beanspruchen, Geliebtes und das bisschen, was noch an Vertrauen übrig geblieben ist, in den Wind zu schießen.


Man kann den Komplex an charakterlichen Unruhen noch viel weiter zurückverfolgen, schließlich baut sich Siegels Narrativ auch so formvollendet und dennoch irgendwie auf leichtem Fuße auf, wie es sich zudem eine tolle Balance aus Dramaturgie und Echtheit erlaubt, die Triebe seiner Figuren greifbar macht und nicht nur als Effekt verinnerlicht, deren Impulse kohärent und doch mit Knalleffekt vermitteln kann. Toll ist daran allein auch die Differenzierung, mit der Regisseur Siegel Gutes wie Böses aufmischt, die Grauzonen von Himmel und Hölle in solch strengen, doch heimeligen Gefilden beobachtet und Reichhaltigkeit aufbietet, die sich dem Psychologischem im Trivialen wie Universellem voller Härte und Herzlichkeit widmet. Das artet nicht mal so bipolar aus, wie ich das zu umschreiben versuche, denn Siegel weiß sich durchweg galant, aufgeregt und verspielt darin zu bewegen, wie und warum sich Dualitäten nähern und einander abprallen, wieso ein Krieg unter Menschen, Geschlechtern und Co. zustande kommt, obgleich die Mitschuld aller da ist, wie das Geständnis zu Hormonen stumm gemacht und verzerrt wird, am Ende nur noch Sieger und Verlierer feststehen, ehe das Sepia sie wieder ausbleicht.




Giulio Questi startet „TÖTE, DJANGO“ sofort mit einer Wiederauferstehung, doch solch heilige Geste wird hier nicht in den Himmel gehoben, stattdessen in einen höllischen Schmerz auf Erden geworfen, der Schutt, Staub und Blei in sich vereint. Die einzigen Elemente, die da noch von Wert zeugen, sind Blut und Gold; dem namenlosen Wiederkehrer (Tomas Milian) - nennen wir ihn der Einfachheit halber Django - schneiden sich die Momente damit umso tiefer ins Bewusstsein, sodann er sich an seinen Weg in den Tod erinnert. Zusammen mit Oaks' (Piero Lulli) Männern überfiel er als Halbblut sowie anhand seiner mexikanischen Freunde einen Goldtransport der Südstaatler („Betrogen“ lässt grüßen) und obwohl er von einer Teilung der Beute ausging, wurde die Rechnung nicht beglichen. Die Leichen, die sich schon beim Überfall stapelten, vermehrten sich binnen der Gewissenlosigkeit von Oaks und dem rassistischen Hass seiner Männer. Ein Toter, dem die Hautfarbe seiner Freunde egal ist, kommt aber wieder und die zwei ihn findenden Indios haben bereits Kugeln aus dem Gold gemacht, das sowieso alle richtet. Ein cleveres Gimmick, das Questi ohne jede Ironie, Furcht und Last aus dem Ärmel schüttelt, frühe Anzeichen eines kritischen Westerns abgibt, der zwar vom Nihilismus erzählt, aber entschieden gegen halten will. Vorerst steigt er dafür in eine verschlafene Stadt ein, die vor der Ankunft des weißen Manns als Ort des Schreckens bekannt war und ihrem Ruf noch immer alle Ehre macht, so stark sich den Banditen um Oaks schon bei der Ankunft allzu unbequeme Eindrücke bemerkbar machen.


Unterdrückung und Zorn schreien schon aus Kinderleibern, die Gemeinschaft im Saloon und anderswo fackelt auch nicht lange: Bill Templer (Milo Quesada) kriegt als einziger Wind vom Gold, die Wutbürger um ihn herum scheucht er sodann zum Lynchmord auf. Als Django ankommt, ist der Genre-übliche Weg der Rache schon so ziemlich an ihm vorbeigezogen, nur Oaks kriegt er noch im Fieber des bewusst diffus gedrehten Zwischenreichs zu schnappen, doch der stirbt erst, als die Leute ihm das eingeschossene Gold aus dem Körper pulen. Questi denkt eben: Was kommt nach dem, was die Leinwand stets als Katharsis ausstellt? Der Kreislauf aus Blut und Gold hört eben nicht auf und Django bleibt. Er hat vielerlei Gründe dafür. Zum einen lässt er selbst die ihn betrogenen Freunde nicht wie Vieh am Galgen hängen, wofür er von denen Häme erntet, die ihn vorher noch einen Helden nannten. Zum anderen bedrängen deren Gesichter die Kamera derartig, dass das Panorama des Leidens in seinen engen Ecken gequälter Gesichter auch eine Frau hinter Gittern als eine von vielen vorfindet - unerreichbar und doch von weitem schon so zerbrochen, wie es die Gnade an jenem Ort schwer hat, zu bestehen. Daher muss das Geld weg, nicht nur wenn Django es in seine Feinde schießt. Aber wie dies bewerkstelligen, wenn einer auf allem sitzt, Armut, Eifersucht und Hass um seine Mitmenschen schürt? Da wird über Leichen gegangen, nicht nur dank Nachbarsrivale El Zorro (Roberto Camardiel), dessen Verständnis von Männlichkeit von absoluter Brutalität zeugt und genauso in Innereien des Festmahls wühlt, wie in Oaks' Magen. Bei Mutproben bescheißen tut er auch noch.


Schlimmer aber noch ist der Scheinheilige im Ensemble, Hagerman (Francisco Sanz): Er mausert sich per Gottesfürchtigkeit und Verdiensten für die Stadt, kerkert sein Frau Elizabeth (Patrizia Valturri) aber ein und drückt seine Morde der Goldsucht auf andere ab, instrumentalisiert ausgerechnet in den gefühlt wenigen Totalen des Films die Massen, welche die Jagd auf einen als Freifahrtschein zum Massaker aller Farbigen empfinden. Selbst ein entschiedener Kraftakt wie Django (mit einigen tollen Eigenarten von Milian gespielt) kann da als Charakter im Verlauf nicht allzu viele befreiende Signale senden: Er kann nicht überall sein und die Quasi-Jesus abgeben, stattdessen versucht er dort zu helfen, wo er kann. Templers Sohn Evan (Ray Lovelock) z.B., der von El Zorros Bande gefangen wird und als Erpressungseinsatz selbst von der eigenen Familie im Stich gelassen wird. Templer will seine Reichtümer eben nicht preisgeben, so sehr er mit Hagerman zuvor auch den Tod der Kriminellen verlangt hat; seine Geliebte Lori (Marilù Tolo) pfeift da ohnehin auf das Leben des angehenden Stiefsohnes, wenn der Schatz im Eigennutz zum Schutze bestimmt ist. Nur Django kümmert sich um den Jungen, doch auch dessen von allen verlassene Unschuld mag in solch einer Welt nicht überleben. Questis Film hat selbst im Genre nur wenig Platz für Hoffnung übrig, doch er lässt sie um jeden Preis kämpfen, die ideologische Oberhand behalten, während der extremisierte Kapitalismus hier seine eigenen Feuer legt und sich im Gold einschmelzt, so wie Reichtum und Tod hier eine effektiv perverse Koexistenz eingehen.


Mal abgesehen von der Abkehr narrativer Konventionen sowie Pathos schafft er dies trotzdem in einem Rahmen, der sein Genre so gut bedient wie er es nutzt. Die Gitarren von Ivan Vandor klingen fast schon wie beim Dub Reggae eher sporadisch auf, so wie sie angesichts der grellen Hitze des Ambientes eben wie konzentrierte Schüsse aus dem Sand kommen, ihren Groove zeitweise aber auch mit dissonanten Einzeltönen verstreuen, sobald er sich eben mit den Bildern des Leidens kontrastiert. Gleichsam ist Django als zuschlagender und schießender Mittler zwischen wechselnden Parteien wie Templer, El Zorro, Hagerman und sogar Lori nicht unwesentlich mit der Funktion Eastwoods im gerade mal drei Jahre zuvor erschienenen „Für eine Handvoll Dollar“ verwandt (für 1967 ist Questis Drastik übrigens enorm gewagt), zwar eben weniger als Intrigant unterwegs, aber dennoch letztendlich auf das Gute bedacht, so machtlos er auch ebenso in den Bann des Sadismus gerät, mit dem der Mythos Wilder Western aus amerikanischer Sicht weniger in Verbindung stehen wollte und dort doch wie in jeder Ära der Menschheit seine Aufwartung machte (noch eine Parallele zu Siegels oben genannten Film). Questi scheut sich nicht, ihm tief in die Augen zu sehen und enorm Wert darauf zu legen, den Schrecken des kollektiven Sterbens sowie verstorbener Wesen voller Sprachlosigkeit mit Empathie zu füllen, nur kann auch er keine endgültigen Lösungen gegen das Böse finden, was in dem Fall allerdings von einer Reife zeugt, die der Wahrheit dort nachspürt, wo sie den Zuschauer über den Rand der Leinwand schauen lässt.




Gemäß des Originaltitels „Tightrope“ wird „DER WOLF HETZT DIE MEUTE“ in seiner Formvollendung erneut ein delikater Akt für Clint Eastwood. Als Cop-Thriller kommt er zwar verstärkt wie aus den Siebzigern, doch nun ein Jahrzehnt darauf sind die Milieus ein bisschen ruppiger, der Varianz sexueller Vorlieben angepasst worden. Nach William Friedkins „Cruising“ sind Regisseur Richard Toggle sowie eben sein ungenannter Vertreter Eastwood selbst nicht ganz dazu bereit, die Heterosexualität derart intensiv aufzumischen, der Balanceakt von heller und dunkler Seite bleibt aber auch hier zentral, wenn das Autoritäre in vielerlei Hinsicht ins Schwitzen kommt. In New Orleans trägt jeder irgendwo dasselbe Paar Schuhe, da fällt dem Film auch fast sofort ein schöner Schnitt ein, um Nacht und Tag zu verknüpfen: Anfangs ist die Verfolgung des Weiblichen im Dunkeln wie dem Intro der „Street Fighters“ entlehnt und auch dann nicht entspannt, wenn der Ordnungshüter im Schatten Sicherheit verspricht. Seine Tat bleibt vom Zuschauer ungesehen, doch mit allzu deutlicher Suggestion erwartet man schon das Schlimmste. Dieser Widerspruch von breitflächiger Subtilität im Kopfkino sexueller Gewalt bietet im Verlauf aber noch die gemäßigteren Spitzen, wenn man bedenkt, welche Einzelmomente daraufhin hängen bleiben. Der Kontrast macht's nämlich, wenn sich der Gegenpol von Captain Wes Block (Eastwood) eben als knackig alleinerziehender Vater von zwei Töchtern (eine davon von Eastwood-Tochter Alison gespielt) zeigt, der sich gerne auch noch mehr Schützlinge versammelt, wenn er Hunde von der Straße ins Haus lässt, um ihnen das Tierheim zu ersparen.


So ein netter Kerl gibt gerne den Beschützer, im Vergleich dazu treibt ihn sein Beruf aber umso ergiebiger in jene Gefilde, die er von seinem Eigenheim abzuschirmen versucht, schließlich trägt die Scheidung von seiner Frau schon genug Schmerzen in den Haushalt hinein. Er ist dem Untergrund aber auch nicht abgeneigt, im Gegenteil: Je tiefer die Nacht ihn zwischen Tatort und Hinweis lockt, offenbart sich sein Trieb in der S&M-Praxis - den Frauen auf der Spur durch deren mal mehr, mal weniger offensichtlichen Lockrufen. Die Erotik konzentriert ihre Blicke und Spruchfertigkeiten nicht ohne Humor, dem Sleaze entkommt aber keiner, wenn der Film auch die Ausführung expliziterer Inhalte im Ansatz bereithält. Nicht ungeschickt, wie die Reize des Körpers dabei eine Rolle spielen, aber auch nicht frei von typischen Merkmalen voyeuristischen Sündenpfuhls. Das Testosteron hält sich zumindest noch in Grenzen, um das Prozedere kriminalistischer Arbeit nahezulegen, wirklich interessant wird es dann, wenn Blocks Berufsmännlichkeit auf die Ideologie der Sitte anhand von Beryl Thibodeaux (Geneviève Bujold) trifft, die eben mehr der Würde der Frau entspricht und dementsprechend schon den Archetyp von Anti-Rape-Selbstverteidigungskursen anleitet. Jene Eckpunkte sind heute noch immens gegenwärtig, in der Verknüpfung derer erlaubt sich der Film aber noch eine spielerische Handhabung mit Roboter-Klöten, über die Block sogar schon halbwegs zum Flirt ansetzt.


Eine urige Impression, allzu passend einer durchaus ungewissen Ära, auch hinsichtlich den Konzepten um Mann und Frau entsprechend, bei der man nicht weiß, wie viel Taktlosigkeit ihr anzurechnen ist. Man beachte dann auch irgendwann den ungefähren Geschlechtsakt per Fitness-Gerätschaften, der sich in einer Szene schwitzender Sprachlosigkeit zu drollig abzeichnet. Die Hormone erfahren hier einige Punktlandungen zur kontemporären Leichtigkeit hin, gleichsam wird es wie so oft im Genre persönlich, wenn der Serienkiller nicht nur seine weiblichen Opfer in Schockmasken heimsucht, sondern allmählich auch die Routen Blocks zur körperlichen Befriedigung ins Visier nimmt. Die Lederhandschuhe schauen da schon dem Dampf im Rotlicht zu, die ständige Beobachtung lauert sodann dem Bekanntenkreis an Verführungen auf, dass sich nicht nur ihnen, sondern auch Blcok die Schlinge um den Hals zieht - insofern auch, dass er möglichst bald Resultate vorzeigen muss, wie der Film den Zuschauer zudem kontinuierlich ins Bewusstsein der Situation geißelt. Zur ersten Hälfte noch begegnet er ihm nämlich eher sprunghaft, wie auch Block selbst die Beziehung zwischen Tag und Nacht einnimmt. Die Finsternis versucht aber zu übernehmen und da ist schon von Vornherein klar, warum das Verhältnis zwischen Block und seinen Töchtern so emotionalisiert in der Behütung ansetzt, ehe klar wird, dass seine Verantwortung mehr und mehr Konzentration erfordert, sobald der Kessel der Leidenschaften ins Mörderische überschäumt. Eastwoods Statur erlaubt zwar weniger Ausbrüche der Kontrolle, dafür ballen sie sich aber gut zusammen, je mehr horrible Eindrücke einkehren (siehe seinen Besuch in der Bierbrauerei).


Jeder Anruf bedeutet für ihn eine weitere Leiche, jede weitere Offenbarung zwingt die Nähe zum Killer, bis hin zu Erkenntnissen in Albträumen, denen er auch noch folgt. Der Wahnwitz darin verdichtet sich im Zwei-Stunden-Narrativ zwar nicht, bleibt aber auch nicht ungebrochen. So sei beispielhaft jene Szene genannt, in der sich Block binnen einer Lagerhalle voller Mardi-Gras-Umzugswagen begibt, in deren Zwielicht selbst die Karikatur eines Ronald Reagan von eher zweifelhafter Vertrautheit zeugt. Symbole der Macht geraten hier so diffus, wie auch Handschellen ihre Dominanz im Krimi und im Bett äußern, die steigende Unsicherheit dazu macht auch Block eher aus Vorsicht unantastbar, während alles um ihn herum jedoch angreifbar wird. Es trifft die eigene Familie, Töchter wie Hunde, der konsequente Schock bleibt in des Filmes teils uneinigen Zügeln aber verhindert und zum Jazz Marke Lennie Niehaus abdriftend, gleichsam durchweg mit Sturmhauben, Knarren und Verfolgungsjagden im Genre-Reißertum (vergleichbar mit dem thematisch verwandten „Ein Mann wie Dynamit“). Er macht weniger den Eindruck eines Spießers, sofern psychologische Umwege im Erzählstil gefunden werden - eine gewisse Direktheit wird dennoch gescheut, wenn man Konventionelles wiedererkennt. Letztendlich ist das Verruchte eben weniger auf der Gewinnerseite anzutreffen, zumindest lässt es „Tightrope“ dennoch nicht auf einen ideologischen Stempel ankommen, wenn er sich mit Beobachtungen zu Doppelböden an Privatem wie Beruflichen umgibt und jedwede Argumente zwischen den Zeilen belässt - auch wenn jener Zwischenraum sich teilweise zu offensichtlich oder schleppend ergibt.




Weil es in Sachen Gender-Fragen ja inzwischen ohnehin noch spannender binnen der Leinwand zugeht, war mir sodann auch nicht die mehr im weiblichen Fokus stehende Fortsetzung von „Bad Neighbors“ entgangen. Zwei Jahre später pendelt man sich innerhalb des Narrativs weiterhin zwischen den Parteien von Spießertum und Anarchie ein, doch ganz spießig und zugleich direkt „BAD NEIGHBORS 2“ benannt (ursprünglich zudem „Sorority Rising“ untertitelt), zeigt sich, wie viel sich selbst in der kurzen Zeit ändern kann, wenn eben die beständige Frische der Jugend ins Auge gefasst wird. Eheleute Mac (Seth Rogen) und Kelly Radner (Rose Byrne) haben sich da wie eh und je als scheinbar lockere Mittelstandseltern eingefunden, deshalb expandieren ihre Charakterzüge nur hinsichtlich Ankunft eines zweiten Kindes sowie eines neuen Hauses, in das es hoffentlich demnächst einzuziehen gilt. Der Film ergreift nicht gerade unempathisch Partei für ihre Lage und erschafft Spannung am laufenden Band aus dem Schützengraben versus Hedonismus (mit dabei: Die Ticking Clock von gleich zwei Schwangerschaften), doch letzterer bekommt nun von Vornherein die Grundsympathie zugesprochen. Die zentralen Studenten sind in diesem Fall als Schwesternbewegung definiert und zur Selbstbestimmung motiviert, sobald sich das restriktive Regelwerk des Campus gegen ihre Freiheiten des Geschlechts wegen verschließt und sie lediglich auf Jungsfeten schickt, welche sie im Roofy-trunkenen Blacklight zu Sexobjekten degradieren.


In der Ära mutigerer Aufklärungen gegen Campus Rape, für Fairness und feministisches Verständnis ergibt sich sodann keine Schwierigkeit darin, mit einer jungen Dame voller Bodenständigkeit und YOLO-Swag wie Shelby (Chloë Grace Moretz) zu sympathisieren, wenn sie mit ihren Buddies Kappa Kappa Nu gründet, um Konventionen sowie Sexismus einen Stinkefinger im Party-Modus entgegen zu strecken. Doof nur, dass sie dafür neben dem Haus der Radners einziehen, welche noch am Versuch hängen, jenes Anwesen anderen zu hinterlassen, doch auch da ist der erste Eindruck alles! Insofern gehen sie an die Decke, als sie um lautes Feiern und weiteren Lifestyle im Zeichen der neuen Nachbarsfrauen bangen. Östrogen, so gibt der Film unmissverständlich zu verstehen, ist zudem cleverer und bissiger als das männliche Pendant (plumpe, doch effektive Sätze dazu sind keine Mangelware) und so stapeln sich allmählich die Brennpunkte der Individuen. Der Impuls dazu kommt natürlich nicht aus blauem Himmel - einerseits weil keine Seite zum Kompromiss der verdienten Ideale bereit ist, andererseits weil eine externe Macht an den Strängen mitzieht: Teddy Sanders (Zac Efron) nämlich, der Quälgeist vom ersten Teil, ist zurück und greift Kappa Kappa Nu als ewiggestriger College-Hüne unter die Arme, wo er nur kann. Jene Mitarbeit basiert auf seiner Unfähigkeit zur Einfindung in ein Leben nach dem Studium hinein, welche seine anderen Bros schon längst hinter sich haben, sogar aneinander ehelichen.


Es bleibt kaum noch Raum zum Abhängen in gewohnten WG-Zonen, für Teddy bedeutet das hinter vorgehaltener Hand sodann aber ein Freundschaftsbruch, weshalb er sein Wesen nun in der nächsten Generation fortzusetzen versucht, aber auch dort an neue Sensibilitäten anschließen muss, ehe er letztendlich doch die Stagnation, auch jene unzeitgemäßer Rivalitäten in sich selbst einsieht. Seine Wandlung treibt den Film mitunter enorm voran, höchstens noch übertroffen vom Pendel an Gerechtigkeitsgefühlen, die man den Frauen oder den Radners nachempfindet. Schließlich benutzen beide reichlich fiese Tricks, Minions und Kinderspiele, um der jeweiligen Gegenseite eins auszuwischen. Regisseur Nicholas Stoller und seine Autoren greifen dabei auf ein High-Speed-Tempo zurück, um nicht nur wie viele kontemporäre Komödien per Schuss-Gegenschuss Impro-Beleidigungen zu finden, sondern wirklich mit Situationskomiken, gerne auch inklusive Anarcho-Action und audiovisuellen Pointen zu punkten. Dass man sich bei dem Mordsduell nicht mal unbedingt mit Klischees begegnet, glänzt ebenso helle ins Herz. Sie werden stattdessen ironisch umgekehrt oder mit Hähnchenfett statt Babyöl eingerieben, um die allgemeinen Vorstellungen von Mann und Frau ad absurdum zu führen. Bros before Ho's ist Geschichte!


Trotz allen Wohlwollens muss man aber zugeben, dass dies nur bis zu einem bestimmten Punkt geht (meistens der Hormone wegen, an denen kommt Mensch eh nicht vorbei), zudem in stetiger Abwechslung mit gagreichen Beobachtungen zu Elternsorgen und Zukunftsmodellen, wie sie eben noch den normativen Grundstein bilden, auch per Überzeichnung zum Lachen bewegen, aber wie so oft im Leben vorsorglich auf die kollektive Langeweile des Eigenheims weisen. Zwischen Jugend und Adulthood kann auch hier nichts ewig halten, das gibt sich eben in Phasen, zumindest aber legt der Film entschieden Wert aufs Eigene, ehe er sich eine Moral eintätowiert. Sobald Kappa Kappa Nu nämlich die Geldknappheit erreichen und sich gezwungenermaßen wieder mit Modellen des Sexismus anbiedern müssten, um die Haushaltskasse zu füllen, stehen Würde und Freundschaft so übel auf dem Spiel, dass man beiderseits Einsicht aus der Situation schlägt und nur solche Kompromisse eingehen, welche die Selbsterfüllung des Gegenübers gewährleisten. Kappa Kappa Nu sahnt da sogar doppelt ab, während Vergebung und universelle Menschlichkeit angesagt sind, um auch den Klimax zum ebenso omnipräsenten Zwiespalt der Radners zu finden, ob sie denn als Eltern taugen und wie viel an Entscheidung sie sich in der Erziehung rausnehmen dürfen. Alle diese Punkte werden im Rahmen einer Komödie von den Emotionen her natürlich eher oberflächlich angerissen, sind aber doch zahlreich vorhanden, auch gar nicht in Sentimentalitäten sowie anderen forcierten Ernsthaftigkeiten ersoffen. Soll ja auch kein Akt sein, wer schlußendlich Gras auf suburbanem Rasen wachsen und rauchen lässt.




X-MEN: APOCALYPSE - "[...] Regisseur Bryan Singer bringt als Initiator des Ganzen gewiss den nötigen Enthusiasmus mit; zumindest kommt er an mehreren Stellen über Simon Kinbergs Drehbuch hinweg, das sich scheu mit Expositionen voll funktioneller Dialoge durch ein Mammut-Ensemble kämpft, um die eine oder andere Ladung ausgeprägter Charakterstärke zu ballen. [...] Die Vereinigung im Schmerz, jene kollektive Verarbeitung der Ausgrenzung ins Gute, wird wohl für immer überleben. Da kommt es nicht von ungefähr, wenn auch dieser Film die Familie, Verlust und Erkennung derer als thematisches Herzstück anspricht. [...] Milieuvorstellungen mit X-Men im Vordergrund werden sodann die unterhaltsamsten Schauwerte eines Zeitkolorits anno 1983, das zwischen Highschool-Masche und Ostblock-Maschendrahtzaun pendelt [...] (Singer) kann ihre Katharsis sowie ihre Furcht davor allerdings auch besser in Bilder fassen, als es Autor Kinberg mit Worten schafft [...] Zeitgleich ist auch nichts verkehrt daran, die Qualitäten oder Mängel des Konsens zu reflektieren, wenn die Moral im Innern weiterhin stimmige Argumente für Toleranz, Empathie und der dennoch nötigen Differenzierung von Macht und Gemeinschaft liefert. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




THE NICE GUYS - "[...] Der Durchschnittsfall von der vermissten Leinwandschönheit treibt sodann also das Abenteuer an, nicht allzu aufregend mit Intrigen und Konventionen durchs Nachtleben prellend, aber genug Angriffsfläche bietend, anhand derer sich der Harte und der Zarte in die Wolle kriegen, um bald gemeinsam auf die heiße Spur zu kommen. [...] Ganz sauber sind beide so oder so nicht, abseits dessen verbinden sie sich trotz anfänglicher Missverständnisse aber schnell im Pendel aus zeitgenössischem Zynismus und selbstentlarvendem Chaos, mal mehr und mal weniger fortgeschritten in Richtung Kompetenz. Sie hauen die Leute meistens jedenfalls gut übers Ohr und stecken dafür sogar die Macho-Route zurück, was umso mehr beglückt, so locker sich Gosling und Crowe nun mal die Bälle vom Kumpel-Jargon on the rocks zuspielen. [...] Es ist nun mal ein netter Film geworden, ordentlich seinem Genre verpflichtet und voller Spielspaß im Konsens unterwegs, wo sich selbst der Regisseur vom „Lost River“ auch galant zum Affen machen darf. Der Pepp geht leider nicht ganz im Laufe des Plots auf, wenn die biedere Zum-Kult-geboren-Walze ihre Belanglosigkeit streckt, für ein harmloses Minenfeld an nicht komplett forcierten Schlagfertigkeiten und Schlaghosen im Vintage-Crime zwischen Räuden- und Honkfilm kann man sich dieses Back in Black aber durchaus geben. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)