Da ich ein bisschen Gefallen gefunden
habe an der Struktur des Blogeintrags von letzter Woche und ohnehin
schaffen will, auch wirklich alle Filme zu würdigen, die mir
innerhalb jener Einheiten von jeweils sieben Tagen begegnen, ich aber
zeitlich gesehen nicht für alle eine voll formulierte Kritik
anbieten kann, versuche ich nun mal regelmäßig eine Art kleinen
Rückblick innerhalb des größeren Rahmen des Wochenrückblicks.
Umständlich genug? Aller Anfang ist eben schwer, zumindest sollen
zeitweise auch einige persönliche Einblicke auf diesen Wegen
zustande kommen, auch wenn diese Woche bei weitem nicht so dramatisch
wie die letzte verlief. Dank meiner frischen Kundenkarte bei der
Hamburger Bücherhalle bin ich allerdings in den Genuss einiger
Klassiker gekommen, die sich merkwürdigerweise doch schon länger
bei mir aufgeschoben hatten.
„Die Nacht des Jägers“ von
Charles Laughton zum Beispiel, frisch und zeitlos in seiner
Verkettung an Stilistiken und Genres - ein American Gothic,
das voller Noir-Power und einem diabolisch guten Robert Mitchum ins
Abenteuer mit kindlicher Perspektive springt sowie märchenhaften
Expressionismus zur Kritik an der Leichtgläubigkeit der Gesellschaft sowie ihrer Mob-Mentalität
nutzt. Charakter-technisch erlebt man daher bis zum Schluss einen regelrechten Wirbelsturm der Emotionen - Katharsis und Schock gehen da Hand in Hand zur Fabel eines ungewissen Weltverständnis auf. Was für ein toller Start, dagegen konnten zwei von drei
Kinovorstellungen diese Woche nur schwer gegen ankommen. Da dies
Pressevorführungen waren, bewahre ich der Fairness halber noch die
Identität der Filme, zumindest kommen in Zukunft noch Texte zu denen
ans Licht. Ich habe also durchaus wieder mehr geschrieben, als man
hier vertreten sehen wird, aber machen wir uns nichts vor, zu
folgenden Werken müsste man ja eigentlich auch was sagen:
„Bumerang“, in dem Fall Elia
Kazans Justizdrama von 1947, stellt quasi die Blaupause dessen Genres
dar. Das heißt, dass man als Zuschauer knapp sieben Dekaden später
mindestens schon tausend weitere Filme jener Art gesehen hat und ja,
Kazans Prozedere ist als auf einem wahren Fall basierendes
Spannungsstück schon ziemlich zäh in seinem Drang der
Beweisführung, der zuvor von einer Tätersuche ohne große
Charakterstärken erfüllt wird und gen Finale dementsprechend nur
wenig Bindung zulässt. Interessant sind dabei die Ansätze zur
Erkennung von Korruption, eine mehr oder weniger subtil aufgespannte
Vermittlung des Sachverhalts sowie die Entwertung von Vorurteilen. Im
filmhistorischen Sinne also gar nicht mal so verkehrt, aufgrund der
nicht von der Hand zu weisenden Didaktik allerdings nicht allzu gut
gealtert.
Obwohl die Bildsprache in „Die
Reise nach Tokio“ von Regisseur Yasujiro Ozu auch schon eher an
Werke aus der Frühzeit des Kinos erinnert (natürlich auch mit tollem Feingefühl beobachtet), ist die menschliche
Beobachtung hier hingegen nochmal empathischer ausgeprägt, inwiefern
die Bindung der Familie auf verteilter Basis funktioniert und sich in
individuellen Wegen nach Verständnis sehnt. Die 130 Minuten daran
machen sich mitunter etwas stark bemerkbar, dafür umfasst das
geduldige Drama aber auch Stationen an Güte, Entspannung, Liebe,
Verantwortung und Leiden, die nicht im Affekt geschehen, sondern im
Bewusstsein einer Alltagspoesie voll stiller Konflikte ankommen
wollen. Die emotionalen Brennpunkte binnen überwiegender
persönlicher Bescheidenheit verfehlen da garantiert nicht ihre
Wirkung, doch obwohl Melodramatisches im hier wirkenden
Quasi-Neorealismus vermieden wird, lässt sich die Sentimentalität
all dessen nicht verleugnen. Wie man's nimmt.
Spielerischer um die Flucht aus den
Strukturen bemüht sich sodann Jan Svankmajers „Alice“,
frei nach Lewis Carroll als osteuropäischer
Stop-Motion/Realfilm-Hybrid in der Fantasie der Titelheldin
unterwegs, die aus den Mauern der Kinderstube eine Tour bizarrer
Ausmaße macht. Die Zutaten des Alltags vermengen sich hier zu neuen,
teils morbiden Wesen, die vor allem in ihrer Verletzbarkeit
unberechenbar bleiben, auf jeden Fall ein Spiel mit dem
Realitätsverständnis an sich eingehen und als Widerstand des
kindlichen Geistes genauso eigen wirken, wie es den Ursprung im
Vertrauten finden. Der Film geht in erzieherischem Sinne also
durchaus gegen die Vereinheitlichung von Projektionsflächen der
Vorstellungskraft an, letzten Endes lässt er sich auch aus
erwachsener Perspektive umso schwerer fassen, was ihn in seiner
Qualität wohl auch nochmal bestätigt. Der psychotronische Zauber
bleibt dabei auch Herzensangelegenheit, geballtes Ungehorsam und Ekel zugleich, mit
Eindeutigkeiten brüstet er sich aber für wahr nicht.
Etwas deutlicher im Herzen der
Finsternis unterwegs, zeichnet sich „Augen der Angst“
sodann auch als Genrewerk aus, das mit seinen Perspektiven
maßgebliche Einflüsse hervorbrachte, die Bestie Mensch mit einem
komplexen Psychogramm zeichnet, das sich aus der Obsession von Medien
mit Gewalt auf die Aufnahme von Gefühlen stürzt. Die Verquickung
der Macht des Zelluloids mit der geistigen Inkompatibilität wurde
zum jähen Karriereende von Regisseur Michael Powell, sagte man ihm
hiermit doch Pornographie nach. Fernab zynischer Exploitation ist
sein Täterprofil jedoch recht ambivalent zwischen dem Grauen der
Erziehung und dem Grauen ihrer Folgen verortet, innerhalb derer
Focus-Puller Mark Lewis nur beschwerlich soziale Kontakte knüpfen
kann. Powells Farben probieren darin auch in filigraner Verzweiflung
die Feier des Lebens, doch der Tanz in den Tod setzt da meist schon
früh an, während das Verständnis zum Opfer sowie dem Killer mit
seinem scharfen Stativ eine delikate Positionierung wagt. Die Tragik
all dessen mündet schlussendlich auch in eine Zelebration der
Furcht, da steht man als Connaisseur des Mediums zwischen den Stühlen
und lernt die Angst sowie ihre Sehnsucht (anno 1960 sehr mutig) zu
schätzen.
Die inneren Zerrungen der Furcht (auch dank Saul Bass' Intro) noch
energischer stilisierend, hat John Frankenheimers „Der Mann, der
zweimal lebte“ ein für seine Zeit ungewöhnlich
experimentelles Wesen inne, das dem Science-Fiction-Thriller drum
herum zugrunde liegt. Beinahe ausschließlich mit Bildern der
Gewöhnlichkeit schafft er die Suggestion von Körperfeindlichkeit
und Bedrängung von außen, ironischerweise mit entfesselten Kameras,
die sich umso mutiger um nahe wie urige Perspektiven schlagen,
während das Konzept der vertauschten Identitäten aus der so
ziemlich indoktrinierten Bitterkeit der Existenz heraus kafkaeske
Züge trägt. Die Entscheidung fürs neue Ich bringt eben auch
Sanktionen mit sich und selbst wenn das verheißungsvolle Mittendrin
mit neuen Reizen punktet (und innerhalb der Laufzeit auch am
wenigsten fesselt), gibt es keinen Ausweg aus den Regeln des Lebens,
höchstens die zu späte Erkenntnis des vergangenen Ichs. Wo ein
„Self-Less“ daraufhin die Katharsis der Befreiung durchsetzen
würde, geht Frankenheimer konsequent in das Grauen des Todes,
welcher so sehr aufs Geschäft bedacht ausgeführt wird, wie das
Dasein als Mensch hier ohnehin als Geißel höherer Mächte oder auch
dem Kapital ins Extreme veräußerlicht wird. Paul Verhoevens
„Robocop“ hat sich hiervon auch so einiges zu Herzen genommen.
Das ist doch mal eine Auswahl an
starken Stücken, was? Schade, dass einem (ob nun aufgrund von Arbeit
oder anderen Freizeitaktivitäten) nicht immer die Zeit bleibt, um
Übermengen an formulierten Gedanken zu Papier zu bringen, ich
hoffe zumindest, dass auf diesem Wege einiges zumindest in Kurzform
hängengeblieben ist, im Folgenden gibt es jedenfalls noch drei Texte
zu bewundern, die sich etwas detaillierter mit ihren jeweiligen
Filmen befassen. Falls das manch einem Leser vielleicht
doch alles etwas zu kurz geraten ist, habe ich zum Schluss noch drei
Geheimtipps an Musik per Youtube aufgeführt, die hoffentlich genauso
viel Freude bereiten wie mir, obgleich die Filmwelt dieses Mal wieder
ordentlich in meinem Herzen zugeschlagen hat.
Also dann:
GESICHTER - Man, was sind wir Menschen impulsiv! Jene grundsätzliche Eigenschaft kann einem manchmal echt leicht aus der Wahrnehmung entwischen, so gut man sich insofern mit dem Alltag arrangiert, Menschenkenntnis im positiven wie negativen Sinne fürs Profiling anwendet und insbesondere in der Reflexion per Leinwand meist mit geordnet funktionellen Idealen oder Stereotypen begegnet wird. Geschichten wollen eben eine Perspektive haben, um sich selbst vermitteln zu können, so möchte man meinen. Ein Kerl wie John Cassavetes hatte es jedoch schon vor knapp fünfzig Jahren raus, dass allein diese Flächen der Emotionen, die wir Gesichter nennen, ein Bollwerk an Filmerfahrung ausmachen, vom Titel her bereits ikonisch einschlagen können. Gut, ein Wiedersehen mit später allzu bekannten Ensemble-Visagen seines Gesamtwerkes lädt hier ohnehin ein, von Gena Rowlands bis Seymour Cassel wird es schnell heimelig, nichtsdestotrotz lassen sich hier alle auf ihre Art liebgewinnen. Beinahe wie im trunkenen Taumel lässt Cassavetes diese in seiner Variante des Cinéma vérité ganz nahe beobachten, was an Persönlichkeit, Lebenslust sowie -frust in Augen, Mundwinkeln, Lachen und Tränen zu finden ist. Die Teilhabe am menschlichen Miteinander bannt dabei den Zuschauer, ohne mit voreingenommenen Erwartungen hinsichtlich Genre oder Figureneindeutigkeit anzubiedern oder gar Katharsis im Nachhinein einreichen zu müssen.
Bei solch einem eventuell blumigen Formalismus, den man aus jener Schilderung herleiten könnte, belässt er es aber auch nicht. Obwohl es ohnehin für den Großteil von Cassavetes' besten Arbeiten gilt, bilden Unbekümmertheit und Temperament hier schon mit großem Effekt die Grundessenz aus der Gestaltung heraus. Die Kamera nimmt sich mit krassem 16mm-Korn stets Freiheiten, ebenso befreit sich das Narrativ aus konkreter Emotionalisierung, u.a. mit einem Musikeinsatz, der hauptsächlich entweder on-screen ist, gar nicht existiert oder schlicht aus der Musikalität der Charaktere kommt. Deren Handeln ist nur sekundär mit einer leichten Dramaturgie verbandelt, nicht alle Motivationen lassen sich abseits oder gar binnen der Situationsabhängigheit dechiffrieren - Daumen hoch! Stattdessen tritt nämlich ein Leben zum Vorschein, bei dem Eigensinn um Eigensinn aufeinandertrifft, bar jeder Forcierung in Euphorie und Eskalationen kippen kann, aus anfänglichen Feindseligkeiten Busenkumpel kreieren lässt oder einen schönen Abend voll brüllendem Gelächter zu Offenbarungen innerer Verletztlichkeit verleitet. Und das beste daran: Alle Richtungen können sich stets der Interaktion geschuldet wieder umkehren und Sympathien verschieben, ohne dass auch nur an einer Figur ein Urteil erwirkt wird.
Die schlichte Äußerung des Pro und Kontra in jedermann durch Cassavetes birgt schon eine beachtliche Konzentration an Verständnis, komplettiert wird der Film dabei jedoch von der Sehnsucht nach Glück, Erfüllung und Verbundenheit, eben Liebe, die nie ganz ihr Ende finden kann. So erklärt sich natürlich auch das Erlebnis mit den Charakteren, wenn diese mit Einsatz in die Auflockerung stürmen und letztendlich doch ihren Schutzschild herunterfahren, mit wie viel Ungewissheit das Dasein angereichert ist. So wie sich angesichts dessen Humor, Wut, Zuneigung und Verzweiflung beinahe permanent kreuzen, wird man von der Turbulenz restlos mitgerissen, aber auch nicht in eine irreale Hysterie, sprich überfordernde Verkettung von Extremen hinein gerissen. Cassavetes begibt sich für wahr in destruktive wie auch intime Nächte, die Erdung in humaner Begegnung kommt ihm nimmer abhanden; der Drang zu bedingungsloser Empathie könnte ihn als naiv entlarven, wenn er denn nicht gleichsam den Schmerz im Zwiespalt jener Hoffnung verinnerlichen würde; eventuelle Aufdringlichkeiten in der Vermittlung der Kunst werden mit rohem Schnitttempo, schludriger Tonaufnahme und natürlich ungebremster Spielfreude unterlaufen.
Wie man's auch dreht: Solch eine Wahrhaftigkeit wird scheinbar nur selten im Medium erzeugt - dass sich da zum Schluss der über 130 Minuten an verweigerter Kategorisierung hin keinerlei Redundanz und Trivialität ergeben, ist umso verwunderlicher. Im Gegenteil: Da packt es einen erst recht, wenn sich urplötzlich ein Gesicht ohne Leben zeigt, ganz gleich mit welchen ausgesprochenen wie unausgesprochenen Wirrungen es zu hadern hatte. Die krasse Nähe des Ganzen schwellt auch dann nicht ab, wenn das Selbstverständnis der Liebe wütend und herzlich zur Wiederbelebung ansetzt, mit der Kippe im Mund einen Galgenhumor der gegenseitigen Empfindsamkeit zusichert. „Never felt like this before“ tönt es sodann im Abspann und man möchte es nur allzu getroffen glauben, obwohl das Ganze schlicht ein Wiedersehen ist, mit einem selbst und dem Menschen an sich.
PHENOMENA - Vorhang auf für die phantasmagorischen Märchen des Horrorfilms, an dieser Stelle kuratiert von Dario Argento, welcher die Unschuld erneut mit virtuosem Effekt gegen das allgegenwärtige Übel antreten lässt. Dabei repräsentieren sich beiderlei Parteien innerhalb derselben Gestalten: Mensch, Natur, Architektur, Metall, Jugend und Reife. Urängste haben ihren Ursprung eben auch im Vertrauten und dem, was dahinter schlummern könnte. Die Differenzierung erfolgt sodann initiativ binnen Schweizer Täler, so nüchtern wie atemberaubend eingefangen, dass die Stilisierung relativ zügig Gefahr und Faszination vermengt. Argentos Schauerstücke vom Reiz der Verletzbarkeit stellen dafür gerne junge Frauen in den Fokus, auch hier wird zu Anfang eine dänische Studentin alleine in ihr unbekannten Regionen zurück gelassen und muss nach Hilfe suchen, zwischen Neugier und Überwindung über sich hinauswachsen. Sie findet ein jähes Ende in dem Ambiente, das der Film mit ätherischer Aura zeichnet, durch einen brutalen Einschnitt mit zerschellendem Glas und blitzender Klinge, welche aber bewusst noch von einem unsichtbaren Täter, vielleicht der Natur selbst, herausgeschossen zu kommen scheint. Mit ein bisschen Sex in jener Bildsprache kurbelt vor allem der Soundtrack dabei allmählich die Perspektive der Jugend an.
Argentos Filme sind zum Teil eben auch Rockkonzerte, in diesem Fall folglich Identifikationsflächen für eine Leinwandgeneration, die sich als Teens in den Achtzigern verstärkt selbst reflektiert sehen wollte. „Phenomena“ wird im Verlauf auch ein Bindeglied zwischen Verweisstücken des Übernatürlichen, des bodenständigeren Slashers/Giallos sowie den tiefen Wurzeln von Geschichte und Geschichtenerzählung - ein Abenteuer also, das aus dem weltlichen Ursprung heraus durch mehrere Adern zugleich fließt. Der zentrale Auftritt dafür gebührt Protagonistin Jennifer (Jennifer Connelly), die im Züricher Mädcheninternat geißelndes Personal, Lästermäuler und mörderische Visionen im Schlafwandeln vorfindet; gleichsam Freundschaft schließt mit Zimmergenossin Sophie, dem zurückgezogen lebenden Professor McGregor (Donald Pleasence) sowie der kleinsten aller Tierwelten, den Insekten. Die starke Kombo dieser Außenseiter lässt sodann bezeichnenderweise auch die profunde Symbiose von Leben und Tod natürlich, liebevoll und hilfreich erscheinen. Doch der Kontrast des Schreckens anhand gleicher Komponenten macht sich ebenso bemerkbar. Der Film entwickelt daher auch ein sehr eigenes Tempo, das zudem von irren Eindrücken mitten drin und abseits vom Zeitgeist überfallen wird.
T-Shirts mit Barry-Gibb-Portraits und Sprüchen wie „86 % sind gegen die Atomkraft“ lassen sich also mit einer umtriebigen Schimpansendame namens Inga messen, die sich inmitten der telepathischen Verständigung von Mensch und Tier einfindet, während Jennifer im Traumzustand durch Lichter, Flure und Wälder flüchtet, um über den Dingen zu stehen, die sie festsetzen wollen. Der Frust der Bevormundung lauert ihr dabei geradezu omnipräsent auf in diesem „Schweizer Transsylvanien“, doch dessen mystifizierter Föhn bringt in vielerlei Sequenzen auch den Rausch der Schönheit mit sich. Den fühlt man sogar zeitgleich, wenn der Ekel am Rücken hoch schleicht - symbolhaft ergänzt im mikroskopischen Blick auf Käfer, Maden und die parallele Zärtlichkeit Jennifers, jener Königin der Fliegen, wie die Internatsleiterin sie als Beelzebub zu entlarven glaubt. Die Selbstverständlichkeit dessen lässt innerhalb der knapp zwei Stunden Laufzeit sodann auch Luft für ein eher konventionelleres Whodunit, welches aber bei weitem keine konventionellen Auflösungen einhält. Die Steadicam schwebt als Fliege Hinweisen nach; Hard Rock von Iron Maiden und Motörhead trifft auf Leichentransport und Eingeschlossenheit; Inga findet die Mordwaffe im Müll; Jennifer will der Offenbarung des Täters und der fiesen Erwachsenenwelt entfliehen, doch die halten sie als Mächte des Wahnsinns in ihrem Bann.
Letzterer Punkt beweist im Umkehrschluss übrigens die Angst des Bösen vor der Kraft des Guten, wie sie sich im Rahmen des Horrors doch so gerne gegenseitig zerstören. Fernab eines kathartischen Triumphs jedoch, findet die destruktive Poesie darin dementsprechend auch ein Finale, welches Feuer auf dem Wasser ausbreitet, Mutationen des Fleisches verschlingt und Güte brachial per Metall köpft, ehe die Empathie von Mensch und Tier in Verzweiflung, Wut sowie Liebe mündet. In diesem wunderbar anorganischen Organismus passiert einfach alles und da wird es umso beachtlicher, dass Argentos Regie dies grundsätzlich über schlichte Reize vermitteln kann, einen Publikums-tauglichen Reißer italienisch à la carte entwirft und mit Naivität ins Herz eines jungen Individuums blickt. Von erwachsener Qualität mag dabei vielleicht nicht alles an Darstellerleistungen und Dramaturgie betroffen sein, doch die Angst sowie die Bewältigung derer kennt nun mal kein Alter. Wohl deshalb hält Argentos Horrormärchen auch unabhängig vom Spaß an dessen Fantasie noch immer an.
Bonus-Zeugs:
LONDON HAS FALLEN - "[...] Die Fortsetzung vom „Stirb Langsam“-im-weißen-Haus-Kandidaten „Olympus Has Fallen“ versteht ihren Protagonisten noch weniger als zuvor als Charakter, so ist dieser nun schlicht zu einem Ventil geworden, das angesichts einer Welt voller Terror und dessen komplexen Hintergründen für mehr Überwachung, Drohneneingriffe und genüssliches Verstümmeln der Feinde bar jeder Diplomatie spekuliert. Gerard Butler gibt sich mit extra dicken Eiern die Ehre, die Donald Trumps und AfD-Wähler dieser Welt anzusprechen, wenn er als Übermensch der westlichen Welt mit jedem Schuss einen blutigen Treffer landet und seinen Angreifern zuschreit, sich zurück nach „Thefuckistan or wherever you came from“ zu begeben, während er ihnen zigmal die Klinge in den Rumpf rammt. [...] Er nimmt sich und seine Katharsis aber zu ernst, als dass er als Publikums entlarvende Parodie durchgehen könnte; gleichsam greift er zu gelassen auf aktuelle Ereignisse zurück, als dass er provokativ auffallen könnte. Dass er jenen Umstand letztendlich für eine einseitige Gewaltfantasie bar jeder Konsequenz nutzt, macht ihn wiederum äußerst bedenklich und setzt zu einem Rückschritt an, den das Kino (wie auch das Publikum) lieber nicht als Norm empfangen sollte [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
Und nun wie versprochen, drei geheime Hits, allesamt aus der Zeit der NDW stammend und so obskur, dass ihre irre Schönheit, teilweise in Lo-Fi, umso stärker scheint.
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