Sonntag, 28. Februar 2016

Tipps vom 22.02. - 28.02.2016 (Oscar-Special)

Die Oscars stehen an und ehe ich an dieser Stelle tatsächlich etwas über die nominierten Filme schreibe (zu einigen habe ich in der Vergangenheit schon was dargelegt), empfehle ich drei Filme, an denen man sich an diesem Sonntag bis zur Ausstrahlung vielleicht erfreuen könnte (der erste hatte seinerzeit zumindest einige Nominierungen einkassiert sowie den Academy Award für die beste Kamera gewonnen). "13 Hours" ist zwar nicht so leicht erhältlich, aber der Gedanke zählt, ok? ;)


  

SCHREIE UND FLÜSTERN - Ingmar Bergmans Ensemble wandert zwar im Zwang emotionaler Kälte umher, im Innern sengt ein Fieber es jedoch an. „Schreie und Flüstern“ kommen dem Titel entsprechend der zentralen Frauengruppe entgegen, von der eine, Agnes (Harriet Andersson), im argen Krebsleiden die Ekstasen des Sterbens erlebt, während ihre Schwestern, Maria (Liv Ullmann) und Karin (Ingrid Thulin), eine nur leidlich passive Verzweiflung eingehen. Ehe wir jedoch die genauen Figurenverhältnisse nachgesagt bekommen, gibt Bergmann acht auf unser Bewusstsein zu Umgebung und zwischenmenschlicher Interaktion. Allen voran das altertümliche Dekors in seinem gleißenden Rot gibt Auskunft über ein drakonisch eingemauertes Leben, das abseits vom Licht alsbald in der Finsternis verschwimmt und wohl nur deshalb so farbig leuchten kann, da die Menschen hier fortwährend ihr Blut, ihren Lebenssaft vergießen. Mit der Farbdramaturgie hat es hier so einiges auf sich, die Wurzel der Verklärung kommt in dem Ambiente somit besonders transparent zum Vorschein. Wie schon in „Die Jungfrauenquelle“ werden Qualen nämlich der Gewöhnlichkeit sowie des Glaubens halber erduldet, obgleich die Position im Irdischen jedermann von Innen zu verkrüppeln scheint, so wie sich Maria und Karin wider des individuellen Glücks in der Ehe befinden oder wie die Bedienstete von Agnes, Anna (Kari Sylwan), den frühen Tod ihrer Tochter hinnimmt.


Letztere setzt ihre Demut zumindest in eine bedingungslose Mütterlichkeit für Agnes um, für die ihre Schwestern nicht bereit sind, obwohl allesamt mehr oder weniger an Einsamkeit, Entsagung und Manierlichkeiten aufgewachsen sind. Umso intensiver zeichnet Bergmann deshalb die Begegnung mit Empathie und unausgesprochener Sehnsucht, wenn der Drang zu und die Angst vor Berührungen innerhalb des Figurenkreises versucht werden. Das Treffen von Haut zu Haut innerhalb der starren Gemäuer birgt durchaus Erotik, insbesondere Maria will damit reizen, allerdings geht der Film weit mehr vom menschlichen Grundbedürfnis aus, die Nähe eines anderen, sprich Verständnis spüren zu wollen - der Mangel dessen hat sodann symbolisch zum Leiden von Agnes geführt, obwohl sie die Einsamkeit der Mutter als erste derer Kinder erkannte. Ihre Schwestern sind gegenüber jener Erkenntnis allerdings gehemmt: Maria versucht sich im Geheimen an eine Affäre, wobei ihre in Eigennutz getunkte Naivität sie entlarvt und statt Glück nur Unglück erschafft. Einer eventuellen Hilfe für die Geschädigten entzieht sie sich. Karin hingegen übt sich im Schweigen (die Verknüpfungen zum gleichnamigen Film von Bergman sind ohnehin prägnant), gibt zwischen den Stationen freiwilliger Selbstgeißelung lediglich Einzelmomente nackter Wahrheit von sich preis, bis ihre Abscheu vor dem Gesamtbild der Lügen in blutiger Selbstverstümmelung mündet. Der Rückzug in die Entmenschlichung kann eben nicht auf ewig halten.


Das Rot jener Destruktion verbindet sie jedoch alle, so wie die vielen Überblendungen zu jener Farbe Figuren und Geschichten im wechselnden Zeit- und Realitätskontext verknüpft, wie ein Herzschlag pocht und ein ideologisches Urteil zugunsten gemeinsamer Ungewissheit vermeidet. Dementsprechend wird die Gefangenschaft aller, ob nun im Leben oder im Tod, nicht aufgehoben - das Innehalten der Hoffnung jedoch, selbst in Mikrozellen an Momenten, bildet bezeichnenderweise das Schlussbild des Films vor der letzten Rotblende ins Herz. Die Verkapselung dessen im Zelluloidformat erzählt schon reichlich von der einzigartigen Funktion des Mediums an sich, abseits davon wirkt Bergmans Film aber alles andere als zeitabhängig in der Darstellung einer grundsätzlichen Versöhnung der Menschheit mit ihrer Krankheit sowie der fehlenden Abgeklärtheit dazu. Das liegt nicht nur am Aussparen historischer Details seinerseits oder an den teilweise auftretenden surrealen Qualitäten seiner Dramaturgie, sondern an der Erkennung scheinbar unvermeidlicher Systematiken im Umgang mit humanen Werten. Da steht es ambivalent um Selbstgefälligkeit und Status im Angesicht zu Kontakt und Liebe, wenn eine (z.B. gesellschaftliche) Richtung das Leben und dessen Ende bestimmen kann, eine Farbe hier die Perspektiven zwischen den Schicksalen umschließt, Jesus für die Sünden aller gestorben sein soll und der Schmerz auf Erden dennoch bestehen bleibt. Wir bluten eben alle - da ist Bergmann Humanist, Optimist, Pessimist und Realist zugleich, wenn er Höhen und Tiefen der Norm sowie die Zärtlichkeiten dazwischen in „Schreie und Flüstern“ definiert.




SHOCKER - Die Verletzbarkeit von/in Träumen im Film kann beinahe synonym mit Altmeister Wes Craven genannt werden. Selbst vor seiner Ikone des Freddy Kruegers war das Auseinanderhalten von Realität und Gedankenspiel eine beliebte Eigenschaft in Werken wie „Mondo Brutale“ und „Tödlicher Segen“, welche die Vermengung individueller Perspektiven im Angesicht metaphysischer Furcht verstärkte wie auch die Sicherheit durch Autoritätsfiguren und Vormund stetig abgesetzt wurde. Versteifte Gesellschaftsverhältnisse sind dabei gerne Auslöser einer Spirale ins Extreme hinein, frei nach dem Motto „Familiarity breeds contempt“. Und so findet sich das Böse in „Shocker“ auch mitten im Alltag, geradewegs aus der Fernsehröhre wieder. Nun ist es kein Geheimnis, dass dieser Film im Auftrag der Universal Pictures als eine Art „Elm-Street“-Konkurrenz gedacht war, welche die Übernahme von mentalen Privatsphären junger Protagonisten als Reißer des Übernatürlichen nochmals überbieten sollte. Doch obwohl Craven äußerst vertraut mit den Zutaten der suburban invasion umgeht, verläuft die Hatz durch Visionen und elektrische Ströme (die hier wie so gerne im Horrorgenre ebenso als Lebenssaft einstehen und dafür Blut verschütten) alles andere als vorhersehbar.


Das unstete Prozedere basiert dabei hauptsächlich auf High-School-Sportskanone und Findelkind Jonathan (Peter Berg), dessen Familienverhältnisse sich (ganz der Craven) so spezialisiert am Rande der Disfunktionalität offenbaren, wie sie zudem im Blutrausch auf eine intensive Zelle des Überlebens destilliert werden. Das Vertrauen des Adoptivvaters Lt. Don Parker (Michael Murphy) wird immer weniger zur Garantie, je näher die Taten eines gewissen Horace Pinker (Mitch Pileggi) das Umfeld seines Sohnes treffen, welcher in der Bewältigung des Bösen unfreiwillig, doch reinen Gewissens mit involviert wird, bis Nutzung und Zerstörung des sorgsam aufgebauten Alltags die einzigen Optionen bleiben. Fairerweise sei gesagt, dass er vorher selber Opfer jener destruktiven Kraft wird, die ihm in vertrauter Atmosphäre merkwürdigerweise ebenso vertraut begegnet und ihn dennoch so verhöhnt, bis sie seine Realität zerreißt. Pinker scheint dabei als übermenschliches Übel zunächst ungreifbar und doch so massiv in Vulgarität und Brutalität, dass es Jonathans Wahrnehmung und jene des Zuschauers verwirrt, bis die Familiarität des Traumes allzu verzweifelte Gewissheit wird - soweit also ganz genre-gerecht und voll mit Verweisen auf die Bewährungsstufen der Nancy Thompson gefüttert.


Die Austreibung des Bösen bringt jedoch ein Arsenal an Tücken mit sich, das über das irdische Verständnis hinausgeht und selbst unsere Helden zu unwirklicher Methodik und Motivation verleitet. Fortan befindet sich der Film also in einer Aura der Traumlogik, die sich allein dadurch schon ankündigt, welch abschreckende Eindrücke auf jenen versammelten Flimmerkisten geballt werden, mit denen sich Pinker im Privaten umgibt. Das spricht durchaus für eine Kritik auf Macht und Verantwortung der Medien, viel mehr jedoch zeigt es eine Reflexion der Wahrheit in natura (wie der Film ebenso Gewalt über sein Medium verarbeitet), die jedoch erst im Kreislauf der Gewöhnlichkeit/Gewöhnung sowie jenseits von Nuancen zu Extremen heranwächst. Nutzung und Zerstörung jener Verhältnisse werden dem Film im Angesicht dessen entsprechend auch geläufig, wenn er narrative Muster und Erwartungen Stück für Stück aushebelt, Heavy Metal auf spröde Gefängnistrakte treffen lässt, jedes Szenario abseits von Konklusion oder Katharsis weiterentwickelt, Charaktere aus dem Nichts hinein holt und wieder entlässt, bis der Überblick einer omnipräsenten Bedrängung weicht. Es gibt kein Entkommen.


Gewiss ist Pinker das unberechenbarste Element in der Handlungsführung zwischen dem Mut und der Angst Jonathans. Es kann blitzende Effekte beschwören sowie irre Verstümmelungen und Sprüche herbeiführen. Gleichzeitig ist die Selbstverständlichkeit, mit der sich das sonstige Ensemble um sich selbst dreht und bar jeder Einweihung des Zuschauers Lösungen vorbereitet, ebenso surreal veranlagt; teilweise von einer Mythologie umgeben, die (der Zielgruppe entsprechend) durchaus von jugendlicher Grundnaivität ausgeht, aber so oder so aus der Zeit fällt. Man bedenke allein Jonathans Verhältnis zu jenem Herz-Talisman, den er seiner Freundin Alison (Camille Cooper) vermacht, im Verlauf ein entscheidendes Werkzeug wird, das über die einfache Kausalität von Liebe vs. Böses hinausgeht und sodann eine Kette an abwegigen Entscheidungen verursacht. Selbst wenn die Empathie zu Jonathan als zentrales Ventil der Bezwingung ungebrochen bleibt: Alles trägt zur Umkehr der Gewissheit, im inhaltlichen wie filmischen Rahmen bei, so wie sich auch die Modi der Sterblichkeit gegen ein Regelwerk wenden, Pinkers Geist in mehrere Körper springen lassen, die Verantwortung für das anbahnende Chaos ambivalent verteilen, sogar auf die ursprüngliche Unschuld zurückführen (eine Vorschau auf Cravens „My Soul To Take“) und letztendlich auch auf einen Trip durch die Zwischenwelten im TV-Wunderland hinauslaufen, wo unabhängig von Leben und Tod alles existiert, solange der Strom eingesteckt bleibt.


An der Filmerfahrung lässt sich also trotz der Erfüllung von Genre-Thrills und temporeichen Horror-Shots nicht allzu viel pauschalisieren, so wie sie die Belange des Hauptcharakters durch einen Albtraum unter Vertrauten peitscht und mit aberwitzigem Terror im transformativen Sender-Empfänger-Verhältnis auf die Spitze treibt. Die Bewältigung dessen kann da nur zu den Sternen (= Möglichkeiten, auch jene der Medien) schauen und sich wundern, ob das Böse für immer verbannt wurde, wenn dieses doch stets weiß, dass es bei Gelegenheit einfach nur wieder eingeschaltet werden muss, um sich zu verbreiten. Horror never dies - gleich daneben darf auch ein anderes unschuldiger erscheinendes Credo stehen: Plug and Play. So sind eben auch die Impulse des Lebens und des Mediums programmiert, woran Cravens Charaktere fiebrig zu knabbern haben, der Zuschauer aber umso verzückter einen „Shocker“ umtriebiger Filmgestaltung in Gang setzen kann.




13 HOURS: THE SECRET SOLDIERS OF BENGHAZI - "[...] Somit verlagert er waschechte Actionheroes in ein reales Krisengebiet, die ihren Verbündeten in der Bevölkerung zeigen, was sie drauf haben. Anstatt die latente Überheblichkeit jedoch in eine einseitige Schuss-und-Treffer-Euphorie münden zu lassen, beweist sich Bay erneut als Meister des Chaos. Nirgendwo passen Orientierungslosigkeit zwischen Funken, Kugeln und Explosionen, Verzweiflung und Adrenalinschub besser hinein, als in die urplötzliche Belagerung. [...] Die Faktoren der Anbiederung und manipulativen Emotionalisierung sind keine, die man nicht nur der politischen Korrektheit wegen einfach ausblenden kann. Ohnehin wird der Zuschauer erneut auf die Probe gestellt, wie die Schere zwischen Distanz und Involviertheit gemäß des filmisch umgesetzten Sujets anzusetzen ist. „13 Hours“ hat im Verlauf auch reichlich brutale Eindrücke parat, die der amerikanischen Mentalität einen Denkzettel verpassen und die Schuld nicht auf die Schultern eines Landes legen, sondern auf das forcierte Abwarten, sprich das Einhalten von Regularien. Ebenso entsteht ein Großteil der Eskalationen im Durchbrechen dieser Regularien [...] Entlastet verlässt man den Kinosaal hier nicht – erhellt vielleicht noch weniger. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Sonntag, 21. Februar 2016

Tipps vom 15.02. - 21.02.2016

Zunächst einmal eine kleine Abwechslung vom sonstigen Prozedere: Hier kommt ein Video über das Videospiel "Chibi-Robo!" von 2006, das seinerzeit vom Entwickler-Team skip Ltd. auf dem Nintendo Gamecube rauskam und jetzt von mir besprochen wird. Das Teil lohnt sich :)




Und nun zur Auswahl an empfehlenswerten Filmen:




DIE ANGST DES TORMANNS BEIM ELFMETER - Wim Wenders’ Frühwerk will bezeichnenderweise schon so on the road wie seine nachfolgenden Arbeiten sein, vorerst fängt es aber beim Menschen an sich an, der womöglich bald von seiner Sehnsucht getrieben wird, jedoch innerhalb der zeitgenössischen Verhältnisse erstmal im Zweifel zu sich selbst steht. Die Aufbruchstimmung ist eine verhaltene bei Protagonist/Anti-Held Bloch (Arthur Brauss), einem Torwart in Österreich, der rastlos durch die Stadt zieht, in Hotels unterkommt und nur flüchtige Bekanntschaften schließt. Seine Persönlichkeit gibt nicht viel von sich preis, für den Zuschauer bleibt der Mann ein Mysterium, dem man gespannt zuschaut, wie er seine Blicke ohnehin schon mit Unruhe und Ungewissheit zu Horizonten sowie Schallplaten, Münzen und Frauen zugleich lenkt, von einer Situation der Ziellosigkeit in die andere wandert. Bleiben will er nicht, aber weg kann er umso weniger. Seine wehmütigen Ansatzpunkte im Zwischenmenschlichem und einem euphorischen Lebensgefühl scheinen Anekdoten über die Mannschaft, über die einstige Tour durch die USA (er trägt sogar mehrere Dollar mit sich) und die Jukebox in jeder Gastwirtschaft zu sein. Nicht, dass die anderen Menschen tieferes abseits des Alltags auszudiskutieren haben, viele lernt man sogar nur anhand ihrer Auffassung von Berufsmethodiken und Smalltalk kennen, so wie sich das gewöhnliche Gesellschaftsbild eben im primären Umgang auch definiert. Bloch ist in seiner Funktion des jede Möglichkeit erwartenden Torwarts ebenso an eine nicht nur mentale Stelle gebunden.


Selbst die Flucht ins Kino oder in den Sex fängt Wenders zwar stets auf dem Weg dorthin ein, die Ausführung wird aber meistens abgeblendet. Die Verinnerlichung des Geisteszustandes unseres zentralen Charakters bereitet einen aber weder auf seine mörderischen Impulse vor, noch auf die Nichteinlösung einer im Kino sonst so selbstverständlichen ideologischen Haltung zu seinen Taten. In einer Charakterstudie wie dieser kommt nun mal alles von ihm aus: Bloch ist ein stiller Wanderer, Opfer und Täter im Zeitgeist, höchst wankelmütig und doch präzise, wie er Spuren verwischt und doch nur zaghaft eigentlich notwendige Auswege aufsucht. Daraus ergibt sich auch eine pointierte Schlichtheit in der Inszenierung, die kurzweilig geschnitten Nebensächlichkeiten beobachtet und jede Handlungsdringlichkeit sowie Genre-Topoi ausklammert. Wenders’ späterer Road-Movie-Pathos, das Bewusstsein zu Raum, Landschaft und Freiheit, ist dabei schon ersichtlich und von Kameramann Robby Müller entsprechend aufreizend gestaltet (Diese Farben!). Blochs Perspektive, somit auch die des Zuschauers, kann den greifbaren inneren Wandel jedoch noch nicht für sich selbst entschlüsseln - selbst wenn die Abendröte zu allen Möglichkeiten lockt, treibt sich der Torwart mit seiner Jukebox herum und landet schließlich, wohl auch mit der schleichenden Schuld im Nacken, im stillen Dörflein.


Das provinzielle und gemütliche Ambiente birgt für ihn zumindest noch alte Bekanntschaften wie jene mit der rothaarigen Pächterin Hertha (Kai Fischer) sowie eine Beschäftigung mit den kleinsten Aspekten des Lebens, anhand derer man beinahe auch die Tat unseres Hauptdarstellers vergisst, wenn denn Wenders nicht doch ins Gewissen ruft, dass das spurlose Verschwinden in dieser grundlegenden Arbeit noch keine Option ist. Zeitungen, Fernsehen und Radio werden stets, auch von Bloch, eingeschaltet und sprechen von seinem Fall sowie dem eines verschwundenen Jungen, zu denen er sich gleichsam gleichgültig verhält. Seine Nervosität kann er nicht vollständig ablegen, doch der Film denkt nicht daran, dies so zu stilisieren, dass sich ihm die Schlinge langsam um den Hals zieht. Viel mehr zeichnet er seinen gegenwärtigen Zustand beispielhaft anhand von Sequenzen an einem Standpunkt, in denen Bloch u.a. die Chance zur Romantik nutzen könnte, sich aber doch wieder grundlos ablenken lässt und wie und je Emotionen aufspart. Kamera, Schnitt und Jürgen Kniepers Musik halten dabei mit ihm Schritt, wie abstrahiert er sich zwischen den Trivialitäten und Chancen bewegt; mal scheinbar willkürlich mit Nettigkeiten glänzt, Angebote vor- und abschlägt, dann Eskalationen herbeiführt und sie gleichsam wortlos fallen lässt, vergisst und mit seinen Mitbürgern über Sachen lacht, welche insgeheim mit seiner Schuld zu tun haben.


Zudem ist er auch ein guter Zuhörer, aber keiner mit Problemlösungen in petto. Er ist stets auf dem Sprung, nie wirklich konsequent und doch scheint er selbstsicher und genügsam. Allen voran die Sehnsucht steckt ihm und Wenders in den Knochen, aber sie leben sich gemäß des inneren Zwangs der Gewöhnlichkeit noch im System aus, welches jedoch bei all den Aspekten, die sich hier anbieten, keine Dämonisierung oder Verherrlichung erfährt - Bloch ergeht es da nicht anders. Es ist wie es ist: eine komplexe Beobachtung, mit den Fingern zwischen den Jalousien steckend, die hier Frust im Offenen sowie Glück im Geschlossenen vorfindet und andersrum genauso überzeugend argumentieren kann, ohne eine Entscheidung vom Zuschauer zu forcieren. Auf diesem Wege bleibt das Ende auch unaufgelöst, doch verständnisvoll gegenüber der Zwiegespaltenheit und Vielfältigkeit menschlicher Existenz, schließt Blochs mentale Sackgasse ironischerweise mit einer luftigen Kamerakranfahrt ab. Ziemlich reife Leistung für einen einst so jungen Burschen!




POLTERGEIST - Nichts ist so ersichtlich wie das große wunderbare Tauziehen zwischen Tobe Hooper und Steven Spielberg, das dieser Melange aus suburbanem Terror und matriarchalischer Empathie zugrundeliegt. Spielbergs Handschrift scheint dabei gerne öfter die Überhand zu verinnerlichen, wohl schon seiner Funktion als Produzent und Drehbuchautor geschuldet; Cutter Michael Kahn sowie die Produzenten Kathleen Kennedy und Frank Marshall haben gewiss auch den Einfluss jenes Mannes reinforciert, dessen E.T. zeitgleich in ähnlichem Ambiente ungewöhnliche Ereignisse (und Massen an Star-Wars-Merchandise) binnen einer Familienkonstellation aufbereitete. Nimmt man zudem Hoopers frühere Werke zur Hand, also "Blutgericht in Texas", "Blutrausch", "Brennen muss Salem" oder "Das Kabinett des Schreckens", hat die leichtherzige und gewissermaßen konventionelle Vermengung von Charakterwerten, Schauspiel und Erzählform nicht allzu viel gemein mit dem stetig Unheilvollen, in siedenden Albträumen herumwanderndem Ensemblestück, das sich beim Regisseur bis dahin anbot und im Nachhinein auch wieder zur Norm wurde. "Invasion vom Mars" brachte insofern später die Erkenntnis, wie seine Version vom "Poltergeist" in konsequenterer Form ausgesehen hätte, nichtsdestotrotz bieten sich innerhalb der Spielberg'schen Idylle genug Themen an, die Hooper zusprechen dürften, wenn sie auch für seine Verhältnisse recht offen telegraphiert werden.


Von Anfang an zieht sich das "star-sprangled banner" durch den Film, hält die Familie per Fernseher bis zum Einschlafen hinein warm und beherbergt doch allzu bezeichnend das nachfolgende Spukereignis. Die im Detail aufgelöste Vorsehung des Intros gleicht sich gut mit Hoopers "Funhouse" ab, die Dastellung der familiären Verhältnisse zeigt hingegen einen herzlichen Frieden inklusive Nachbarschaftsstreichen, der zumindest in politischer Beobachtung durchaus an die Ausmaße der amerikanischen Selbstgefälligkeit im "Blutgericht in Texas" anknüpft. Das schlägt sich am ehesten am Patriarchen Steve (Craig T. Nelson) durch, der sich mit seinen Kumpels ein Footballspiel per Glotze anschauen will und durch die Fernbedienung des Nachbars gestört wird. Er ist zudem Teilhaber am Handlungsort und Wohngebiet Cuesta Verde, das identische Einfamilienhäuser aus dem Boden springen lässt, folglich sind die remote controls zum Lebens-bestimmenden TV in komischer Überhöhung ebenso eineiig. Ohnehin dreht die Komik am Rad, sobald Mutter Diane (JoBeth Willams) den verstorbenen Familienpiepmatz Tweety entsorgen muss, jedoch nicht einfach im Klo runterspülen kann, so wie Spielberg eine universelle Kindheitssituation mit den Augen Carol Anns (Heather O'Rourke) konstruiert, die ihm ein naiv ausgeschmücktes standesgemäßes Begräbnis bescheren will.


Selbst der Golden Retriever der Freelings (so der Name der Family) nimmt an der Trauerfeier im Garten teil, ehe er das Grab sofort wieder auszubuddeln versucht und Carol Ann sich urplötzlich zwei Goldfische wünscht. Der Bezug des Gewöhnlichen zur Sterblichkeit klingt gewiss nach Hooper, alle Zutaten dieser Szenerie sprechen aber eher vom drolligen Eskapismus Spielbergs als von der unterschwelligen Satire eines Hoopers. Letztere wirkt zumindest am schönsten nach, sobald die Mutter sich darüber aufregt, dass Carol Ann auf ein weißes Rauschen starrt, ehe sie mit dem Umschalten auf einen Kriegsfilm wieder beruhigt ist. Ebenso voller Hintersinn (und doch recht offensichtlich in der Funktion) blättert Vater Steve mit regem Interesse in einer Ronnie-Reagan-Biographie herum - obgleich er dabei zusammen mit seiner Gattin unbedarft Joints raucht und glaubt, die Werte des 60's-&-70's Umschwung mit konventioneller Lebensqualität verbinden zu können, wird er mit den Ausmaßen der aufkommenden Reaganomics (und gewiss auch dem kalten Krieg im Nacken) im Verlauf noch einschlagend konfrontiert. Für wahr sind diese Horrorszenarien dann die Stärke Hoopers, der den metaphysischen Horror aus Menschheit, Natur, nationaler Historie und deren Zwischenwelten herauskitzelt, mit Symbolen der Vertrautheit sowie Fantasien und Urängsten direkt die Sicherheit des Konsens in Frage stellt und angreift. Das trifft natürlich die Kleinste, Carol Ann, ein Spiegelbild des im Wunderland des Grauens krabbelnden Mädchens aus Hoopers "Blutrausch", am schlimmsten - die Angst des Verlusts und der Machtlosigkeit überkommt jedoch alle und da verknüpfen sich Hoopers und Spielbergs Sensibilitäten allmählich, wie man dem Spuk noch in aller Ermattung begegnen kann.


Spielbergs Seite schafft das in der (gemessen am Okkult-Fimmel jener Ära nachvollziehbar schnell eingeschalteten) Untersuchung durch Parapsychologen mithilfe von Empathie gegenüber dem kindlichen Gewissen (Diane erwünscht sich das auch von Steve bei einer frühen Möbel-Demonstration), die übernatürliche Welt als Teil einer möglichen Realität zu verstehen - ganz dem religiösen Glauben verpflichtet und mit "wonderment" im Auge der Treppe zum Himmel aufschauend, als wäre demnächst noch "Casper" im Anmarsch. Hooper hält aber ebenso nicht allzu lange inne, die Furcht vor dem Aberglauben wahr werden zu lassen sowie anhand seiner intensiven Farb- und Lichtdramaturgie Überforderungen der Sinne, Tränen, Geschrei und Gewalt aus dem Jenseits zu erwirken. Jene beidseitigen Qualitäten vereinen sich zudem in Medium und Quasi-Exorzistin Tangina (Zelda Rubinstein, welche in ihren Showbiz-Avancen die Ghostbusters vorwegnimmt), welche die Gesinnung der Mächte genauso hin- und herpendeln lässt wie Jerry Goldsmiths bipolarer Score, welcher aber auch recht innig von der Gefühlslage der Mutter ausgeht - und das obwohl der Film trotzdem aus vielerlei Perspektiven erzählt, was die multiple Persönlichkeit der Autorenschaft repräsentiert, aber auch die Albtraumlogik des "Texas Chainsaw Massacres" repliziert.


Spielbergs Sinnlichkeit für die Behütung im Elternhaus findet hier jedenfalls einen taffen Meister in Hoopers Vision der Hölle und obgleich ein Happy-End in Aussicht steht, geht das letzte Drittel nochmal in die Vollen, bettet die Heimsuchung endgültig in rotes Licht und kräfteringende Bewältigungen, bis nur noch die Flucht zu Punkt Null übrig bleibt und das Vertrauen in die Lügen des modernen Amerikas aus der familiären Einheit ausgeschlossen wird. Ist das letztlich ein Unentschieden im Tauziehen der Autoren? Obwohl nämlich keiner mit voller Konsequenz in seine Spezialitäten eingedrungen ist, macht das den Film an sich zu einem reichhaltigen Experiment, das die Unnachgiebigkeit Hoopers mit für ihn ungewohnt sympathischen Charakterwerten verknüpft, welche die Hoffnung nicht aufgeben wollen und am Ende doch allzu ausschöpfend gegen die Folgen des größeren Ganzen bestehen müssen. Das wirkt nicht immer geschickt, auch vom Subtext her etwas schnell ins Auge springend, aber nichtsdestotrotz menschlich to the core - selbst, wenn die Menschen zum wütendem Poltergeist-Dasein übergegangen sind. Mit Transformationen, also der Angst vor und der Empfängnis dessen, geizt der Film nun wirklich nicht (eine Art Geburt mit "Baby" Carol Ann findet auch statt), ob nun auf der realen, der surrealen Ebene oder in der schieren Absicht seiner Macher.




IM AUGENBLICK DER ANGST - Huch, jetzt wird’s Meta! Life imitates art und der ganze Kram! Sicherlich ist der erfahrene Filmfreund von heute für jede Überraschung gewappnet, die ihm das Horror-Genre zuwerfen könnte und wenn man mal für einen Moment die Vorsicht der Spoiler-Kultur ausblendet, ist Bigas Lunas Werk in seiner Gesamtheit auch eine Erfahrung, welche die meisten Nachgeborenen bereits destilliert im Intro von „Scream 2“, ferner „Scary Movie“ oder auch den jeweiligen „Blobs“ sahen: Die Vermischung der Ebenen im Schrecken, zwischen Realität und Leinwand in selbstreferenzieller Ironie ergänzend. Die Symbiose aus Film und Zuschauer ist dem Medium nun mal ureigen, Luna stellt anhand dessen also ein allzu nachvollziehbares Konzept zusammen, das mit effektivem Thrill imminent im Kintopp zuschlägt. Die oben erwähnte Ironie des Ganzen, welche die mediale Konfrontation der Urängste mit der Verwirklichung eben dieser kollidieren lässt, schlägt sich demnach weniger in einer spaßigen Erfahrung aus, als in einem doppelbödigen Terror, der im Kinosaal umso stärker nachwirken könnte, während Heimkinozuschauer nun wiederum verstärkt Kopfkino anstrengen müssen. So oder so lässt Luna schnell wissen, wie nah er an unsere Rezeptoren, sprich direkt ans Auge will und von der Verletzlichkeit zehrt, die wir gegenüber unseren Körpern oder unseren Repräsentanten im Film empfinden.


Sein Film im Film, eine für sich alleine schon verstrahlte Psycho-Variante, verbindet den Nervenkitzel eruptiver Gewalt sodann mit drastischen Blicken zur Sezierung und kommt zudem im Narrativ mit einer Hypnose an, die Mutter und Sohn miteinander verknüpft und sich wie alle audiovisuellen Eindrücke auch mehr oder weniger im Publikum auswirkt - je nachdem, wie sensibel man dafür ist. Luna überspitzt jene Unruhe der Reflexion im Verlauf zu einer Kette an Parallelen, die er weder esoterisch noch rationell zu erklären versucht, als dass sie sich eh unabhängig vor den bereitwilligen Gruppen an Zuschauern abspielt, welche wie die Mutter im Film-im-Film stets noch mehr verlangen. Dass darin Augen herausgeschnitten sowie Blicke gefangen werden (die audiovisuelle Gestaltung ist ohnehin ein triebhafter Schmaus), in jener Vermengung all dessen die transformative Verarbeitung von echter zwischenmenschlicher Zerstörung für uns Zuschauer erster Instanz stattfindet, birgt komplexe Faszinationen, obgleich Lunas Film dem Genre keine unbedingt ungefährliche Wirkung zuspricht und doch direkt in dessen Stilmerkmalen zupackt. Er geht durchaus ambivalent von einem Extremfall aus, welcher in jener Ära der Slasher-Fließbänder und Selbstjustiz-Reißer allerdings ebenso zur Norm gehörte und in der Menschenkenntnis nicht unbedingt immer die Empathie (eben auch für das Monster - Luna setzt seine Zuschauer ja auch in Relation mit dem hypnotisierten Mörder) ausstrahlte, anhand derer der Horrorfilm eigentlich am meisten glänzt.


Ähnlich funktionell wie in einem „Freitag, der 13.“ stellt uns Luna also auch eine Identifikationsfigur im Kinosessel zur Verfügung, Patty (Talia Paul), von der wir nicht viel mehr erfahren werden, als dass sie sich mit ihrer Freundin einen Film anschaut, etwas empfindlich ist und die ganzen Ausmaße des Horrors an sich erfährt. Ihre jugendliche Universalität ist beliebig wie allerdings auch ein großes Ass für den Film, der aus ihrer Unschuld und Furcht ein ideales Ventil für die Begegnung mit der Angst macht. Nichts daran ist unbedingt neu und gemessen am Gesamteindruck lässt sich Lunas Film ebenso schlicht als schniekes Genrewerk mit Gimmick rezipieren, wie es in der Welt des Kinos seit jeher gang und gäbe ist. Wenn man aber eins aus einer Lebenserfahrung an Horrorfilmen lernt, dann, dass man sie nie unterschätzen sollte, wie sie einen unversehens doch (auch im Horror des Lebens) kriegen können - Luna arbeitet da auch nur nah am Menschen (ganz gleich welcher Dimensionen), wenn er jenes Potenzial direkt an der Quelle entfesseln lässt. Da gibt’s wenig Gnade in der Unsicherheit, irgendwie muss man sich damit aber auch arrangieren und notfalls stets die Augen offen halten. Hans Schifferle sagt in seinem Buch über „Die 100 besten Horror-Filme“: „Man ist gebannt und ein wenig erschrocken von dem, was sich nicht greifen lässt. Sensation, Ritual und Magie: damit hat jede Filmvorführung zu tun.“. Regisseur und Autor Bigas Luna macht dementsprechend einige Grenzen locker.


Bonus-Zeugs:




COLONIA DIGNIDAD - "[...] Regisseur Florian Gallenberger hat sich mit Koautor Torsten Wenzel dazu entschlossen, die Geschichte der „Colonia Dignidad“ in einen Thriller zu verpacken, der nicht nur ansatzweise die Herangehensweise von „Argo“ repliziert [...] Gallenberger strapaziert die Geduld des Zuschauers mit seiner Redundanz des kaum über Standardbilder von Prügel und Peitschen ausgereizten Lageralltags – ganz zu schweigen von jener Liebesgeschichte zum Drang der Wiedervereinigung, deren Relevanz dem Zuschauer aufgrund spärlicher Charakterzeichnungen nicht allzu viel bedeuten kann. Dennoch drängt Gallenberger darauf, Spannung wiederholen zu müssen und lässt den Sachverhalt auch gerne mehrmals per Dialog und Bild erklären, damit deutlich wird, wie schlimm doch alles ist. In einem besser ausgearbeiteten Kontext würde das bestimmt auch ankommen, die Struktur dieses Films lässt jedoch nur einen blassen Eindruck zu, der sein brisantes Potenzial durch möglichst leicht verdauliche Genremuster lediglich als Hintergrund nutzt, während die Flucht schablonenhafter Liebender aus der Unterdrückung im Fokus steht. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Sonntag, 14. Februar 2016

Tipps vom 08.02. - 14.02.2016



BLUTGERICHT IN TEXAS - Um zu verstehen, warum Tobe Hoopers Film solch eine profunde Reichweite für sich behaupten kann, von der aus das Horrorkino wie wir es kennen eine neue Dimension des Schreckens erschuf, muss man nicht weiter Ausschau halten, als sich Struktur und Ursprung von Albträumen bewusst zu machen. Das „Kettensägenmassaker“ ist nicht explizit auf ein surreales Erlebnis ausgelegt, greift aber mit audiovisueller Furchtlosigkeit auf entsprechende Bahnen menschlicher Psyche zurück, wie einen die Angst vor allem zerebral überwältigen kann. Bezeichnenderweise setzt diese per Heimeligkeit an, wohlgemerkt in Texas, also behütet im Herzen Amerikas und (dem Zeitgeist entsprechend) vermeintlich fern vom globalen Terror via Vietnam und allerlei. Unsere Protagonisten sind sogar ganz gemütlich auf einer Spritztour, um beim alten Familienhaus von Sally (Marilyn Burns) und Franklin (Paul A. Partain) Halt zu machen. Alle Anzeichen vermitteln jedoch eine geballte Ungemütlichkeit, die allein daher rührt, dass lediglich schon winzige Details verschroben wirken müssen, anders als in der Erinnerung auftreten oder Fantasien greifbar machen, die man stets vermutete. Was erzählt man sich da nicht vom alten Schlachthaus, wie die Tiere einst und heute getötet werden; was hört man nicht in den Nachrichten von morbiden Ereignissen in nächster Nähe, bei denen sich die Vorstellungskraft selbst mit erweiterter Lebenserfahrung geschlagen geben muss. Die Heimat ist keine mehr und doch ist man der Wiederentdeckung wie selbstverständlich erlegen.


So ergeht es einem im Traum, so handeln auch die Charaktere in Hoopers Film, die sich auch dann nicht vom Ziel abbringen lassen, wenn der verrückte Anhalter aus dem Nichts seine Hand und die von Franklin anritzt (Astrologie langt ihnen so ziemlich als Erklärung dafür) - schließlich liegt das alte Anwesen zufällig ein paar Minuten von der letzten Tankstelle entfernt; völlig schnuppe also, dass das Benzin allmählich knapp wird. Der oben erwähnte Franklin sitzt ohnehin hilflos im Rollstuhl und ist zudem der (als solche ebenso für den Film maßgebende) delirierenden Hitze der Umwelt ausgesetzt, weshalb man in der Fokussierung seiner Umstände zunächst einen Protagonistenstatus seinerseits erkennen mag, doch wie es in einigen der besten Genrewerke (siehe „Tanz der Teufel“ oder „Nightmare - Mörderische Träume“) oder eben nach Traumlogik funktioniert, springt die empathische Rollenwahrnehmung im Verlauf auch allzu natürlich auf andere über - was auch dramaturgisch Platz für Überraschungen offen lässt, so wie die Figuren in ihren primären Funktionen schnell zugänglich sind. Schließlich mündet die Bewegung der Charaktere in eine intensive Phase der Beobachtung binnen des verschlissenen Hauses, welches finstere Ecken, Ekel und Brüchigkeit hortet, deren Anblick man mit einer Faszination folgt, wie es scheinbar nur das Kino liefern kann. Grundsätzlich liegt das aber schlicht am Menschen, wie ratlos er von klein auf seiner Verletzbar- und Sterblichkeit entgegen schaut und sich damit - entsprechend des oft erwähnten Gleichnis vom beobachteten Zugunglück - verstärkt aufhält. Selbst Franklin ist da keine Ausnahme, wie er beinahe kindisch mit der Klinge spielt, sein eigenes Blut dran vorfindet und spekuliert, warum sein Angreifer durchgedreht hat. Sowieso gönnt sich die gesamte Truppe einen wundernden Blick aufs verschmierte Blut am Van.


Dass man solchen Eindrücken auch im Schlafe begegnet und trotz Angst länger zuschaut als gewollt, ist in Hoopers Vision quasi 1:1 umgesetzt, im rohen 16mm-Korn ohnehin gleichsam unwirklich erscheinend und meistens schon in der Suggestion von Erwartungen und Befürchtungen ein schauerliches Ereignis. Wohlgemerkt geht er aber noch ein Stück weiter, als die meisten Träumer imstande sind, welche den Schrecken mit einem Aufwachen auch schnellstens unterbinden können. Hier geht er in die Ermattung ohne Wiederkehr, sobald unsere Charaktere (in Daniel Pearls leicht untersichtigen Kamerafahrten) von ihrer Faszination angezogen werden und einer Bestie in vermeintlich unschuldiger Behausung begegnen, die allerdings auch nur ein Mensch ist. Wozu der Mensch allein fähig ist, welch ekelerregende Instrumente und Dekorationen er via der natürlichen Konsequenz von Tod und Verwesung erschaffen kann, trifft umso schockierender beim Zuschauer ein und dementsprechend ausgiebig blickt er - jenseits der Logik vom Fluchtgedanken - auf die Ausmaße seiner realisierten (oder auch bisher unbekannten) Angst. Und je mehr er findet, desto fassungsloser begibt sich auch der Film in die Nacht hinein, zwischen unwirklich einkesselnden Ästen und der Gewalt der Kettensäge, deren reißende Töne sich mit den Schreien der Opfer zur Kakophonie eines Albtraums ergänzen. Dort wie auch im Narrativ des Films kann man noch so verzweifelt rennen - überall wartet die nächste Sackgasse, die nächste Eskalation, mit welcher der Körper aber auch die Angst vor dem, was noch kommen mag, an ihre Grenzen stoßen.


Symbolisch dafür (auch vorne an auf der aktuellsten Heimkino-Veröffentlichung illustriert) lässt Hooper das Auge in Großaufnahme zucken - nur wenige Organe sind essenziell und empfindlich zugleich, ein Tor der Reize und Emotionen sowie ein vorzeitiger Empfänger aufkommender Gefahr, der in diesem Fall am liebsten aus dem Schädel springen will und doch Gefangener einer Familie ist, die das Schlimmste am Menschen repräsentiert, dabei keinerlei selbsternannte Monster darstellt, sondern in ihrem Eigensinn das auslebt, was wir normalerweise in den finstersten Tiefen unserer Gehirnströme ablagern. Das alles wirkt immens nach, erst recht ohne die Zugabe einer Katharsis, die uns Hooper wie gehabt trotz halbem „Happy-End“ erspart und über den Abspann hinaus konsequent mit Unruhe, Unheil und Ungewissheit füttert, welche sich gerade erst recht ohne Tonnen an Blut und Fleisch in die Gedanken einnisten. Was man nicht sieht und nicht sehen will, feuert eben das Kopfkino an, lässt sich nicht so schnell abschütteln und verinnerlicht vielleicht am besten, warum Tobe Hoopers Film als Visualisierung dieses menschlichen Umstandes solch einen anhaltenden und im Grunde auch hilfreichen Mehrwert besitzt. Jean-Paul Sartre meinte schon, dass die Menschheitsgeschichte ein einziger Kampf dafür wäre, aus einem Albtraum zu erwachen - selten erlebt man ein derartig perfektioniertes Kunstwerk zu diesem Sachverhalt wie hier.




ATEMLOS - "[...] Für ihn heißt es freie Fahrt bei ausschließlich roter Ampel, von heißem Wind angeschoben auf der Suche nach Monica (Valérie Kaprisky), jener französischen Architekturstudentin, die ihn in unvergesslichen Nächten um den Verstand gebracht hat. Der Antrieb unseres Rebellen wird über die Inszenierung aufreizend zum Ausdruck gebracht, so euphorisch und naiv sich Jesse auf die Abenteuer des Silver Surfers stützt und Jerry Lee „Das wilde Vieh“ Lewis besingt, als stecke sein ganzer Lebenssaft in der Jugend klassischer Pop-Americana. Seinen Hang zum Träumen will McBride ihm auch nicht austreiben, stattdessen verneigt er sich vor ihm mit knalligen Panoramen der Prärie und galanten Bewegungen, die jedem seiner Hüftschwünge die richtigen Akzente verleihen: ein „Wooh!“ nach dem anderen. [...] Die Spannung zwischen Outlaw und Dame steigert sich proportional zum Drang der Verfolgung – sobald sich bei Jesse die Realität meldet, ist die Lebenslust umso ausgeprägter. Spielerische wie fesselnde Erotik lassen sodann bitten, der Atemlosigkeit beizuwohnen – und so wird auch Monica endgültig Teilnehmer am Spiel gegen die Regeln. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




HAIL, CAESAR! - Das Schönste am neuen Film der Coen-Brüder ist schlicht seine Vielfältigkeit. Das übergreifende Thema passt dabei ideal in das Werk des Duos, welches oftmals die Irren und Wirren der menschlichen Existenz in empathischen Gleichnissen aufstellt. Nun springt die Betrachtung in einen fiktiven Studiokomplex binnen der frühen fünfziger Jahre und bewandert anhand von Mogul/Halbgott Eddie Mannix (Josh Brolin), wie sich die Traumfabrik Hollywood mit Irdischem wie Überirdischem zu messen hat sowie sich Schauspiel und Persönlichkeit, Wahrheit und Lüge ergänzen. Leidenschaft, Dienstleistung, Beziehung, Leben und Tod, Kunst und Kommerz: In diesem System fängt alles mit dem kleinsten Rad an und doch weiß einerseits keiner so genau, wie und warum er es macht; andererseits kann hinter der individuellen Fassung stets etwas anderes stecken. Stars können hier genauso liebenswerte Trottel sein, von Regisseuren unterbuttert werden, obgleich diese sich auch bei Mannix melden müssen, welcher wiederum von Investoren gedeckt ist. Die Cutterin kann sich mit dem Schal im Projektor verfangen und nach dem Moment der Befreiung gleich den nächsten Zigarettenzug inhalieren - unzählbar viele Facetten stehen ganz natürlich nah beieinander. Das Ziel aller ist in ihrer Unkenntnis weniger die Macht, als das Selbstverständnis der Existenz, ferner des Konzepts Kapitalismus - ein weiterer thematischer Punkt, der in diesem Film von einer kommunistischen Aktion unterwandert werden soll, obwohl sich aus dem Kampf letztendlich auch keine Lösung ergibt, jedoch eine Spannung der Arbeit, die ebenso Mannix zufällt.


Objektiv zu bleiben ist sein Alltag (und auch die Methode der Coens) sowie für den Erhalt seines Jobs und dem der anderen sowie der Studioanlage an sich zu sorgen, die aus dem Boden heraus alles erschafft und genauso schnell scheitern kann. Dementsprechend spielen die Coens erneut mit der Umkehrung von Erwartungen, ziehen mit Mysterien an und lösen absurd auf, ehe sie zu einem nächsten Szenario schneiden. In diesem Fall begegnet man Rekreationen zeitgenössischem Eskapismus, die im Detail an die Retro-Liebe eines Joe Dante (oder auch „Hudsucker - Der große Sprung“ der Coens) erinnern und auch nur bedingt parodistische Ironie gebrauchen, wenn das Overacting einen Charme ausstrahlt, dem man genauso gut in Spielfilmlänge beiwohnen möchte. Jene Vignetten stehen als Mikrokosmen womöglich sogar etwas im Abseits vom eigentlichen Narrativ, entkräftigen in ihrer Varianz aber auch jede absehbare dramaturgische Richtung, an der man eine Ideologie hinsichtlich des Settings anheften könnte. Hollywood ist hier eben genauso Freudenspender wie Ausbeuter - eine Familie zwischen Rivalität, Geltungsdrang, Geheimnissen, Naivität und Zynismus, in der ein Kuriosum nach dem anderen hingenommen wird. Beinahe überflüssig sei dazu erwähnt, dass jenes Panoptikum an Gestalten höchst kurzweilig unterhält (auch Lachtränen hinterlässt), in vielen kleinen Momenten mit Anmaßungen, Anspielungen, Überraschungen und Dummheiten gleichermaßen entzückt, wie es nur allzu menschlich ist.


Der Krisis entkommt ebenso keiner und auch da fachen die Coens erneut den religiösen Diskurs zwischen Hingabe und Schlichtheit an, während im Raum steht, wie mit der Realität der Zeit umgegangen werden soll und wie sich diese im Medium wiederfindet, ob es nun subversiv oder zufällig geschieht beziehungsweise wie sehr man das eine dem anderen überlässt oder ob man sich für eine der Seiten entscheidet. Obwohl das durchaus schwerwiegend klingt, besitzt dieser Film gewiss noch zugänglichere Züge als die moralischen Fragen manch vergangener Coen-Werke, die ihre „Men“ aber auch hier mehrere Pfade abwägen lassen, anhand derer sie sich letztendlich in einem äußerst urigen Gleichgewicht wiederfinden. Wer da inwiefern die Kontrolle hat, ist keine allzu transparente Angelegenheit, wie eben auch Hobie Doyles (Alden Ehrenreich) Lasso in loser Bewegung, das schnell zuschnappen kann, doch im Auge des Betrachters ebenso für reichlich Spaß sorgt, zudem von einem halbwegs talentfreien und doch aufrichtigen Naivling geführt wird. Hier kann jeder, hier will auch jeder etwas sein, außerhalb und innerhalb der Wahrheit, umso mehr verschwimmen deren Grenzen (gerne auch mit musikalischer Euphorie), wie auch die Filmerfahrung an sich mehrere Gefühle abgleicht und an reichhaltiger Schönheit - zumindest bis zum nächsten Film der Coen-Brüder - eine Ausnahmeerscheinung im modernen Kino darstellt. Außerdem gibt es einen tollen Hund zu bewundern!




HÜGEL DER BLUTIGEN AUGEN - Familienduell! Wes Craven gebraucht nach „Mondo Brutale“ erneut die Plattform reißerischen Horrors für eine Betrachtung familiärer Strukturen und deren folgerichtiges Chaos in der Konfrontation mit dem Bösen, welches sich allzu bezeichnend nebenan befindet. Mit einem dem „Texas Chainsaw Massacre“ nicht ganz unähnlichen Ansatz verschlägt es unsere Bilderbuchfamilie auf ihrem Weg gen Kalifornien per Auto und Wohnwagen mitten in die Wüste. Obwohl dort eine Testanlage für Militär- und Nuklearaktionen vorherrscht, reizen die innewohnenden Silbermienen unsere Patriarchen und deren Söhne, welche als Verkörperung des gemütlichen 70's-Suburbia vom Selbstverständnis des heimatlichen Privilegs ausgehen. Mit dabei, etwas skeptisch und doch genügsam sind die mütterlichen Figuren, die zeitweise sogar romantische Anklänge in der letztendlichen Verlorenheit finden, während das männliche Geschlecht seinen Geltungsdrang im vermeintlichen Abenteuer auslebt. Der Geist der Satire schwebt durchaus über dieser uramerikanischen Station, in der sich jedermann wie im Western, somit als draufgängerischer Siedler fühlt, inklusive tollen Schäferhunden mit Namen wie Beast und Pearl im Schlepptau. Im Verlauf werden sie jedoch zu weit primitivere Zeiten zurückgeschleudert, wenn der scheinbar unprovozierte Angriff des Unbekannten geschieht. Jenes ist sodann eine mutierte Form ihrer selbst, in einzigartiger Kultur zwischen den Felsen unterwegs und ebenbürtig selbstsüchtig um ihren Besitz, ihre Heimat kämpfend.


Die angewandte Feindseligkeit äußert sich besonders brachial, doch die Ursprünge dafür lassen sich im Ansatz bereits in unseren Protagonisten wiederfinden. Deren Häuptling, der alte Vater, hält reichlich zynische Sprüche für die Randgruppen bereit, die er als Polizist im Laufe der Jahre fertig gemacht hat, umso angepisster erkennt er die Ironie, dass er aufgrund eines Unfalls durch die eigene Familie (und sich selbst, aber das ist für ihn nebensächlich) im Morast stecken bleibt. Eine Konfrontation ergibt sich daraus natürlich nicht, viel mehr wird die Situation runter geschluckt und von allen so weit es geht ins Positive verklärt, wie im Verlauf des Films ohnehin durchweg Notlügen zur Beruhigung oder Zurückhaltung aus Schamgefühl gebraucht werden - sei es die Ignoranz gegenüber den Anweisungen des Hausarzts vonseiten des Vaters, die Verharmlosung stundenlanger Abwesenheit von Familienmitgliedern oder die leidlich geäußerte Vermutung, ein Hund wäre weggelaufen, obwohl dessen Leiche schon gefunden wurde. Ehrlich ist da zumindest noch die Liebe untereinander, welche die Formation einigermaßen beieinander hält und Menschlichkeit ausstrahlt. Wenn das aber wegfällt, ist Bambule angesagt, wie es sich an der Geschichte der Widersacher illustriert, die aus ihrer grundamerikanischen Familie aufgrund ihrer äußerlichen Andersartigkeit verstoßen beziehungsweise mit Gewalt begegnet wurden, auf dass sie aus der Gegenwart des Normalen verschwinden sollten. So hat sich also ein Hass in geradezu religiöser Überzeugung binnen der Zurückgezogenheit gebildet und setzt nun gegen die vermeintlich ideelle Kehrseite der amerikanischen Familie an.


Mitten drin gibt es jedoch den Vermittler, die Aussteigerin, Ruby (Janus Blythe), mit der sich Craven gemessen an seiner Vergangenheit in einer Baptistenfamilie am ehesten identifizieren dürfte und sie auch schlussendlich schockiert zwischen den Fronten stehen lässt - gleichsam erschafft er an ihrem Verhältnis zur Mutter die Grundlage für spätere thematische Ausbauarbeiten wie „Tödlicher Segen“, „Nightmare - Mörderische Träume“ und „Der Tödliche Freund“, in denen allesamt die disfunktionalen Konflikte zwischen Kindern und ihren Eltern im Vordergrund stehen. In diesem Fall ist es jedoch ein Aspekt unter vielen, welcher der überwiegenden Dekonstruktion der familiären Sozialisierung anfällt. Die Hügelkinder können nämlich auch nicht anders, als in trauter Gemeinschaft anzugreifen und sich das zu holen, was ihnen fern ihrer Kontrolle vom Heimatland entsagt wurde. Das sieht natürlich hässlich und brutal aus, letztendlich fällt der Überlebenswillen der Gegenseite aber auch nicht minder krass und heimtückisch aus, nachdem sich die übersteigerte Selbstsicherheit des Patriarchen als höchst unwirksam erwiesen hat. Infolgedessen ist das Neugeborene, die noch unschuldige Zukunft also, in den Händen der Mutanten gelangt und so entfesselt sich in der Verzweiflung ein Kampf back-to-basics, der die stumpfe Steinzeit des Handgreiflichen heraufbeschwört, durch seine Überzeichnung aber gleichsam bewusst komische Züge trägt - allein wenn man bedenkt, wie schlau und fähig der Hund Beast als Genre-Fantasie agiert oder wie die Toten trotz emotionaler Ermattung der Lebenden für einen explosiven Hinterhalt genutzt werden, bei dem die Statussymbole der kapitalistischen Idylle ohnehin bereitwillig in die Luft gejagt werden, somit ihre Entbehrlichkeit offenlegen.


Bei Autorenfilmer Craven sind Energie und Spannung in der Inszenierung natürlich dennoch durchweg die treibenden Kräfte, die im Rahmen eines Genrewerks mit zugänglichem Antrieb punkten können und den social commentary nicht allzu vordergründig telegrafieren müssen, um einen nah am Zuschauer ankommenden Horror zu vermitteln. Seine Charakterzeichnung ist dementsprechend auch nicht zu detailliert und gleichsam nicht zu funktionell ausgefallen, so wie die Balance des Gesamtbilds ohnehin Schlichtheit bevorzugt, ohne ins Triviale auszurutschen. Es nimmt der Filmerfahrung vielleicht einiges an Dringlichkeit bei mehrmaliger Sichtung, hält aber genügend Tiefgang per Reflexion bereit, den man aufgrund der kurzweiligen Laufzeit umso inniger im Nachhinein erforschen kann. Vieles daran schöpft sich eben auch aus dem Zeitgeist, der ganz natürlich darin wirkt, das vermeintliche Ideal der amerikanischen Selbstgefälligkeit, wie es in den Fünfzigern und Sechzigern gepredigt wurde, als Fassade zu entlarven, die im Angesicht mit ihrer eigenen Schöpfung gleichsam am Bodensatz aufschlägt. Cravens kompakte und unprätentiöse Verpackung dieses Sachverhalts in ein beinahe postapokalyptisches Bild innerhalb der zeitgenössischen Gegenwart gibt da wie vieles an seinem Lebenswerk durchaus einen Geniestreich der Subversion ab, der weiterhin eine große Spannweite an Filmfreunden unterhalten kann und die eigenen Werte ambivalenter verarbeitet, als einem lieb sein mag.


Bonus-Zeugs:




DEADPOOL - "[...] Vor einer überlangen Rückblende erleben wir zunächst das akrobatische Ass in seiner mutierten Form als Supersöldner, der mit reichlich CGI-Moves, Zeitlupen-Blutbatzen und Shittalking zum forciert-zynischen Posing ansetzt und mit Blick zum Publikum eine erwachsenere Version von „Looney Tunes“, „Animaniacs“ und „Freakazoid“ zu emulieren versucht – kein Wunder, dass der Stoff vornehmlich adoleszente und hängen gebliebene Nerds anspricht. [...] Die Zugaben von Gewalt, Sexismus und Roast-Humor, mit denen er kokettiert, können nicht kaschieren, in welch anstrengendes Korsett er sich zwängt, das auf den letzten Metern immer noch nicht fertig ist, neue Nebencharaktere für ein erweitertes Universum einzuführen und allesamt in einen Höhepunkt münden lässt, der mit der Entführung der holden Maid beginnt und mit einer gigantischen Zerstörungsorgie endet. [...] Fans können damit durchaus zufrieden sein. Jenseits dieses Standardsatzes lässt sich jedoch nur wenig über die Relevanz von „Deadpool“ äußern, so sehr er sein Potenzial zur Umkehrung der Verhältnisse verpasst und sich sogar vorangegangenen, weit fieseren Genrewerken wie James Gunns „Super“ geschlagen geben muss."



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




GÄNSEHAUT - Wuchs man als Kind der neunziger Jahre zusammen mit seinem Fernseher auf, war eine Begegnung mit R.L. Stine und seiner „Gänsehaut“ kein Unding. Jene ersten „Verfilmungen“ seiner Horror-Groschenromane für Kids hatten als kanadische TV-Produktionen wenig Budget am Start, gingen anhand ihrer Anthologie des Schreckens binnen provinzieller Jugend dennoch schlicht und naiv genug unter die Haut. Die Vorlagen schauriger Literatur bemühten dafür reichlich Monstren aus mehr oder weniger gängiger Horror-Mythologie, je nachdem, wie Stine sie für seine Belange und vor allem Lokalitäten variierte. Daraus ergab sich eine unbekümmerte Sammlung an Schauergeschichten, die im Grunde stets dieselbe Formel anwendete, aber auch von Vornherein keine falschen Hoffnungen erweckte. Angemessene Mischungen aus Schreck, Spaß und „ein bisschen Charakterentwicklung für den Helden“ der Geschichte sind in dem Fall das Regelmaß, an dem sich nun auch die Verfilmung von Stines Marke durch Regisseur Rob Letterman orientiert. Die hat es sich nämlich zur Aufgabe gemacht, als Millionen-Dollar-Fantasy-Abenteuer vom Massenpublikum abgeholt zu werden und wählt dafür nicht bloß eine Episode jener Trivialgeschichten aus, sondern versucht alle deren Geschöpfe mit einem Mal wortwörtlich aus den Seiten zu reißen und Realität werden zu lassen. 
Dieser Ansatz träumt vom modernen Phänomen des Shared Universe à la Marvel, R.L. Stine hat jedoch nie in solchen Dimensionen gedacht wie Kollege Stephen King, der fortwährend um Castle Rock kreist und seine Interkonnektivität filmisch mit „Katzenauge“ und Co. auslebte. Also erdenkt sich das Narrativ die Zusammenfassung des Œuvre Stines anhand eines Rahmens, welcher den Autor selbst als Filmfigur präsentiert, die innerhalb der typisch amerikanischen Nachbarschaft reichlich Potenzial für Ghosts & Ghouls bereit hält. Ehe wir jedoch dessen Verkörperung durch Jack Black begegnen, treffen wir zunächst unseren jungen Protagonisten Zach Cooper (Dylan Minnette), der mit seiner Mutter (Amy Ryan) in ein verschlafenes Nest zieht und dort vor allem im Schulalltag von vorne anfangen muss, während er sich stets an die Erinnerungen an seinen toten Vater klammert und es dementsprechend schwierig hat, neu anzuknüpfen. Jene eher hastig etablierten Charakterwerte werden in ihrer Universalität und Funktion für den weiteren Filmverlauf so eindeutig telegraphiert, dass selbst der Score von Danny Elfman trotz aller instrumentaler Bemühungen nur als weiteres Kennzeichen der Aufgesetztheit brillieren kann. Mithilfe des Girl Next Door Hannah (Odeya Rush) gewinnen der Film und Zach allerdings noch etwas an Fahrt in dem Sinne, wo sie ihn hinführt und warum um alles in der Welt sie nicht zu den anderen Kids der High School raus darf. 


Ihr Vater (wer könnte das wohl sein?) verbietet ihr nämlich so einiges, ist ohnehin schon selber abgeschottet vom restlichen Menschenschlag und hütet ein Geheimnis, dem Zach folgerichtig auf die Spur kommen will. Mit dabei ist sein schrulliger neuer Kumpel & Schwerenöter Champ (Ryan Lee) und zusammen begeben sie sich schließlich in das Gemäuer des urigen Hausherren, das sich gleichsam mit kleinen Schocks und stumpfen Gags ausstattet, wie sich der Film durchweg relativ zu seiner Zielgruppe verhält. Durch einige Missgeschicke geschieht es dann auch: Die große Ernüchterung, dass austauschbare CGI-Monster freigesetzt werden und nun den Rest des Films über bezwungen werden müssen. Hat das noch was mit Horror zu tun, sobald der Bombast der Zerstörung, angeführt von Bauchrednerpuppe Slappy, lärmend und bar jeder Motivation alles kaputt macht? Jedenfalls sind in diesem Ausmaß durchaus noch einige grundsätzliche Ideen über die Verantwortung in der Autorenschaft des bösen Zaubers durch Meta-Ventil R.L. Stine vorhanden, werden aber ebenso auf Dialoge runtergeschraubt, die davon reden, sich den inneren Dämonen zu stellen, wodurch der Subtext im Sande verläuft.
Alles wird stichpunktartig auf dem Silbertablett serviert und durcherklärt, bevor man ja auf die Idee kommen könnte, charakterliche Entwicklungen per Gefühl im Zuschauer ankommen zu lassen. Dass sich da auch die jeweiligen Paare des Films entweder bei der Liebe auf den ersten Blick treffen oder romantisch werden, sobald das Gegenüber sie gerettet hat, ist nur allzu bezeichnend und im Grunde nichts weiter als Sexismus light. Für Wahrhaftigkeiten (selbst in diesem höchst naiven Rahmen) bleibt schlicht keine Zeit, die geballte Kreaturenschar hat nun mal Vorrang, um das (vom Film als solches vermutete) überzuckerte Publikum beisammen zu halten. Die Erwachsenen darunter können sich dabei mit allgemein gehaltenen Anspielungen auf kreatives Schreiben, Stines Rivalität mit Stephen King sowie einigen Dating-Jokes begnügen, alle anderen horchen vielleicht mal auf, wenn Youtube und Instagram als Identifizierung des Zeitgeists genannt werden. Dazwischen wird hauptsächlich entbehrliches Genre-Prozedere herausgelassen, das sich im digitalem Overkill anstrengt, auch nur eine Handvoll ungekünstelten Charme zu finden - vielleicht durch Ironie oder durch die eskalierende Dualität zwischen Kunst und Künstler, was sich beispielsweise auch in George A. Romeros „Stark“ oder auch Wes Cravens „New Nightmare“ finden lässt, um mal noch beim Thema zu bleiben.
Derartiges Potenzial erfordert jedoch ein Verständnis für die Funktion des Horror-Genres, das Regisseur Letterman (der sich 2010 schon ähnlich erfolglos „Gullivers Reisen“ annahm) schlicht nicht hat. In den besten Fällen jener Kunst geht es nämlich nicht um das Monster im Haus, sondern um die Menschen, die in dem Haus mit dem Monster leben müssen. Das Einzige, was den Charakteren hier jedoch im Wortlaut vermittelt wird, ist, dass sie lernen müssen, loszulassen. Doch selbst daraus zieht der Film keine Konsequenz und entscheidet sich zugunsten eines Happy-Ends um, anhand dessen ein Widerspruch zum Horror entsteht, dem die überforderte Flut an Computerblobs ohnehin schon ausgewichen ist. Als kindliches Sprungbrett für die Sensibilität zum Genre taugen da also eher die einzelnen Vorlagen des Herrn Stine, doch selbst als Komödie des Übernatürlichen schafft es „Gänsehaut“ nur in wenigen Momenten, clevere Pointen zu setzen. Unterm Strich bleibt also nur ein Standard-Stück entbehrlicher Kino-Unterhaltung übrig, das seine phantastischen Grundlagen durch mangelnde Konzentration fürs Wesentliche schlicht weg brüllt. Digital ist schlechter.