BLUTGERICHT IN TEXAS - Um zu verstehen, warum Tobe Hoopers Film solch eine profunde Reichweite für sich behaupten kann, von der aus das Horrorkino wie wir es kennen eine neue Dimension des Schreckens erschuf, muss man nicht weiter Ausschau halten, als sich Struktur und Ursprung von Albträumen bewusst zu machen. Das „Kettensägenmassaker“ ist nicht explizit auf ein surreales Erlebnis ausgelegt, greift aber mit audiovisueller Furchtlosigkeit auf entsprechende Bahnen menschlicher Psyche zurück, wie einen die Angst vor allem zerebral überwältigen kann. Bezeichnenderweise setzt diese per Heimeligkeit an, wohlgemerkt in Texas, also behütet im Herzen Amerikas und (dem Zeitgeist entsprechend) vermeintlich fern vom globalen Terror via Vietnam und allerlei. Unsere Protagonisten sind sogar ganz gemütlich auf einer Spritztour, um beim alten Familienhaus von Sally (Marilyn Burns) und Franklin (Paul A. Partain) Halt zu machen. Alle Anzeichen vermitteln jedoch eine geballte Ungemütlichkeit, die allein daher rührt, dass lediglich schon winzige Details verschroben wirken müssen, anders als in der Erinnerung auftreten oder Fantasien greifbar machen, die man stets vermutete. Was erzählt man sich da nicht vom alten Schlachthaus, wie die Tiere einst und heute getötet werden; was hört man nicht in den Nachrichten von morbiden Ereignissen in nächster Nähe, bei denen sich die Vorstellungskraft selbst mit erweiterter Lebenserfahrung geschlagen geben muss. Die Heimat ist keine mehr und doch ist man der Wiederentdeckung wie selbstverständlich erlegen.
So ergeht es einem im Traum, so handeln auch die Charaktere in Hoopers Film, die sich auch dann nicht vom Ziel abbringen lassen, wenn der verrückte Anhalter aus dem Nichts seine Hand und die von Franklin anritzt (Astrologie langt ihnen so ziemlich als Erklärung dafür) - schließlich liegt das alte Anwesen zufällig ein paar Minuten von der letzten Tankstelle entfernt; völlig schnuppe also, dass das Benzin allmählich knapp wird. Der oben erwähnte Franklin sitzt ohnehin hilflos im Rollstuhl und ist zudem der (als solche ebenso für den Film maßgebende) delirierenden Hitze der Umwelt ausgesetzt, weshalb man in der Fokussierung seiner Umstände zunächst einen Protagonistenstatus seinerseits erkennen mag, doch wie es in einigen der besten Genrewerke (siehe „Tanz der Teufel“ oder „Nightmare - Mörderische Träume“) oder eben nach Traumlogik funktioniert, springt die empathische Rollenwahrnehmung im Verlauf auch allzu natürlich auf andere über - was auch dramaturgisch Platz für Überraschungen offen lässt, so wie die Figuren in ihren primären Funktionen schnell zugänglich sind. Schließlich mündet die Bewegung der Charaktere in eine intensive Phase der Beobachtung binnen des verschlissenen Hauses, welches finstere Ecken, Ekel und Brüchigkeit hortet, deren Anblick man mit einer Faszination folgt, wie es scheinbar nur das Kino liefern kann. Grundsätzlich liegt das aber schlicht am Menschen, wie ratlos er von klein auf seiner Verletzbar- und Sterblichkeit entgegen schaut und sich damit - entsprechend des oft erwähnten Gleichnis vom beobachteten Zugunglück - verstärkt aufhält. Selbst Franklin ist da keine Ausnahme, wie er beinahe kindisch mit der Klinge spielt, sein eigenes Blut dran vorfindet und spekuliert, warum sein Angreifer durchgedreht hat. Sowieso gönnt sich die gesamte Truppe einen wundernden Blick aufs verschmierte Blut am Van.
Dass man solchen Eindrücken auch im Schlafe begegnet und trotz Angst länger zuschaut als gewollt, ist in Hoopers Vision quasi 1:1 umgesetzt, im rohen 16mm-Korn ohnehin gleichsam unwirklich erscheinend und meistens schon in der Suggestion von Erwartungen und Befürchtungen ein schauerliches Ereignis. Wohlgemerkt geht er aber noch ein Stück weiter, als die meisten Träumer imstande sind, welche den Schrecken mit einem Aufwachen auch schnellstens unterbinden können. Hier geht er in die Ermattung ohne Wiederkehr, sobald unsere Charaktere (in Daniel Pearls leicht untersichtigen Kamerafahrten) von ihrer Faszination angezogen werden und einer Bestie in vermeintlich unschuldiger Behausung begegnen, die allerdings auch nur ein Mensch ist. Wozu der Mensch allein fähig ist, welch ekelerregende Instrumente und Dekorationen er via der natürlichen Konsequenz von Tod und Verwesung erschaffen kann, trifft umso schockierender beim Zuschauer ein und dementsprechend ausgiebig blickt er - jenseits der Logik vom Fluchtgedanken - auf die Ausmaße seiner realisierten (oder auch bisher unbekannten) Angst. Und je mehr er findet, desto fassungsloser begibt sich auch der Film in die Nacht hinein, zwischen unwirklich einkesselnden Ästen und der Gewalt der Kettensäge, deren reißende Töne sich mit den Schreien der Opfer zur Kakophonie eines Albtraums ergänzen. Dort wie auch im Narrativ des Films kann man noch so verzweifelt rennen - überall wartet die nächste Sackgasse, die nächste Eskalation, mit welcher der Körper aber auch die Angst vor dem, was noch kommen mag, an ihre Grenzen stoßen.
Symbolisch dafür (auch vorne an auf der aktuellsten Heimkino-Veröffentlichung illustriert) lässt Hooper das Auge in Großaufnahme zucken - nur wenige Organe sind essenziell und empfindlich zugleich, ein Tor der Reize und Emotionen sowie ein vorzeitiger Empfänger aufkommender Gefahr, der in diesem Fall am liebsten aus dem Schädel springen will und doch Gefangener einer Familie ist, die das Schlimmste am Menschen repräsentiert, dabei keinerlei selbsternannte Monster darstellt, sondern in ihrem Eigensinn das auslebt, was wir normalerweise in den finstersten Tiefen unserer Gehirnströme ablagern. Das alles wirkt immens nach, erst recht ohne die Zugabe einer Katharsis, die uns Hooper wie gehabt trotz halbem „Happy-End“ erspart und über den Abspann hinaus konsequent mit Unruhe, Unheil und Ungewissheit füttert, welche sich gerade erst recht ohne Tonnen an Blut und Fleisch in die Gedanken einnisten. Was man nicht sieht und nicht sehen will, feuert eben das Kopfkino an, lässt sich nicht so schnell abschütteln und verinnerlicht vielleicht am besten, warum Tobe Hoopers Film als Visualisierung dieses menschlichen Umstandes solch einen anhaltenden und im Grunde auch hilfreichen Mehrwert besitzt. Jean-Paul Sartre meinte schon, dass die Menschheitsgeschichte ein einziger Kampf dafür wäre, aus einem Albtraum zu erwachen - selten erlebt man ein derartig perfektioniertes Kunstwerk zu diesem Sachverhalt wie hier.
ATEMLOS - "[...] Für ihn heißt es freie Fahrt bei ausschließlich roter Ampel, von heißem Wind angeschoben auf der Suche nach Monica (Valérie Kaprisky), jener französischen Architekturstudentin, die ihn in unvergesslichen Nächten um den Verstand gebracht hat. Der Antrieb unseres Rebellen wird über die Inszenierung aufreizend zum Ausdruck gebracht, so euphorisch und naiv sich Jesse auf die Abenteuer des Silver Surfers stützt und Jerry Lee „Das wilde Vieh“ Lewis besingt, als stecke sein ganzer Lebenssaft in der Jugend klassischer Pop-Americana. Seinen Hang zum Träumen will McBride ihm auch nicht austreiben, stattdessen verneigt er sich vor ihm mit knalligen Panoramen der Prärie und galanten Bewegungen, die jedem seiner Hüftschwünge die richtigen Akzente verleihen: ein „Wooh!“ nach dem anderen. [...] Die Spannung zwischen Outlaw und Dame steigert sich proportional zum Drang der Verfolgung – sobald sich bei Jesse die Realität meldet, ist die Lebenslust umso ausgeprägter. Spielerische wie fesselnde Erotik lassen sodann bitten, der Atemlosigkeit beizuwohnen – und so wird auch Monica endgültig Teilnehmer am Spiel gegen die Regeln. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
HAIL, CAESAR! - Das Schönste am neuen Film der Coen-Brüder ist schlicht seine Vielfältigkeit. Das übergreifende Thema passt dabei ideal in das Werk des Duos, welches oftmals die Irren und Wirren der menschlichen Existenz in empathischen Gleichnissen aufstellt. Nun springt die Betrachtung in einen fiktiven Studiokomplex binnen der frühen fünfziger Jahre und bewandert anhand von Mogul/Halbgott Eddie Mannix (Josh Brolin), wie sich die Traumfabrik Hollywood mit Irdischem wie Überirdischem zu messen hat sowie sich Schauspiel und Persönlichkeit, Wahrheit und Lüge ergänzen. Leidenschaft, Dienstleistung, Beziehung, Leben und Tod, Kunst und Kommerz: In diesem System fängt alles mit dem kleinsten Rad an und doch weiß einerseits keiner so genau, wie und warum er es macht; andererseits kann hinter der individuellen Fassung stets etwas anderes stecken. Stars können hier genauso liebenswerte Trottel sein, von Regisseuren unterbuttert werden, obgleich diese sich auch bei Mannix melden müssen, welcher wiederum von Investoren gedeckt ist. Die Cutterin kann sich mit dem Schal im Projektor verfangen und nach dem Moment der Befreiung gleich den nächsten Zigarettenzug inhalieren - unzählbar viele Facetten stehen ganz natürlich nah beieinander. Das Ziel aller ist in ihrer Unkenntnis weniger die Macht, als das Selbstverständnis der Existenz, ferner des Konzepts Kapitalismus - ein weiterer thematischer Punkt, der in diesem Film von einer kommunistischen Aktion unterwandert werden soll, obwohl sich aus dem Kampf letztendlich auch keine Lösung ergibt, jedoch eine Spannung der Arbeit, die ebenso Mannix zufällt.
Objektiv zu bleiben ist sein Alltag (und auch die Methode der Coens) sowie für den Erhalt seines Jobs und dem der anderen sowie der Studioanlage an sich zu sorgen, die aus dem Boden heraus alles erschafft und genauso schnell scheitern kann. Dementsprechend spielen die Coens erneut mit der Umkehrung von Erwartungen, ziehen mit Mysterien an und lösen absurd auf, ehe sie zu einem nächsten Szenario schneiden. In diesem Fall begegnet man Rekreationen zeitgenössischem Eskapismus, die im Detail an die Retro-Liebe eines Joe Dante (oder auch „Hudsucker - Der große Sprung“ der Coens) erinnern und auch nur bedingt parodistische Ironie gebrauchen, wenn das Overacting einen Charme ausstrahlt, dem man genauso gut in Spielfilmlänge beiwohnen möchte. Jene Vignetten stehen als Mikrokosmen womöglich sogar etwas im Abseits vom eigentlichen Narrativ, entkräftigen in ihrer Varianz aber auch jede absehbare dramaturgische Richtung, an der man eine Ideologie hinsichtlich des Settings anheften könnte. Hollywood ist hier eben genauso Freudenspender wie Ausbeuter - eine Familie zwischen Rivalität, Geltungsdrang, Geheimnissen, Naivität und Zynismus, in der ein Kuriosum nach dem anderen hingenommen wird. Beinahe überflüssig sei dazu erwähnt, dass jenes Panoptikum an Gestalten höchst kurzweilig unterhält (auch Lachtränen hinterlässt), in vielen kleinen Momenten mit Anmaßungen, Anspielungen, Überraschungen und Dummheiten gleichermaßen entzückt, wie es nur allzu menschlich ist.
Der Krisis entkommt ebenso keiner und auch da fachen die Coens erneut den religiösen Diskurs zwischen Hingabe und Schlichtheit an, während im Raum steht, wie mit der Realität der Zeit umgegangen werden soll und wie sich diese im Medium wiederfindet, ob es nun subversiv oder zufällig geschieht beziehungsweise wie sehr man das eine dem anderen überlässt oder ob man sich für eine der Seiten entscheidet. Obwohl das durchaus schwerwiegend klingt, besitzt dieser Film gewiss noch zugänglichere Züge als die moralischen Fragen manch vergangener Coen-Werke, die ihre „Men“ aber auch hier mehrere Pfade abwägen lassen, anhand derer sie sich letztendlich in einem äußerst urigen Gleichgewicht wiederfinden. Wer da inwiefern die Kontrolle hat, ist keine allzu transparente Angelegenheit, wie eben auch Hobie Doyles (Alden Ehrenreich) Lasso in loser Bewegung, das schnell zuschnappen kann, doch im Auge des Betrachters ebenso für reichlich Spaß sorgt, zudem von einem halbwegs talentfreien und doch aufrichtigen Naivling geführt wird. Hier kann jeder, hier will auch jeder etwas sein, außerhalb und innerhalb der Wahrheit, umso mehr verschwimmen deren Grenzen (gerne auch mit musikalischer Euphorie), wie auch die Filmerfahrung an sich mehrere Gefühle abgleicht und an reichhaltiger Schönheit - zumindest bis zum nächsten Film der Coen-Brüder - eine Ausnahmeerscheinung im modernen Kino darstellt. Außerdem gibt es einen tollen Hund zu bewundern!
HÜGEL DER BLUTIGEN AUGEN - Familienduell! Wes Craven gebraucht nach „Mondo Brutale“ erneut die Plattform reißerischen Horrors für eine Betrachtung familiärer Strukturen und deren folgerichtiges Chaos in der Konfrontation mit dem Bösen, welches sich allzu bezeichnend nebenan befindet. Mit einem dem „Texas Chainsaw Massacre“ nicht ganz unähnlichen Ansatz verschlägt es unsere Bilderbuchfamilie auf ihrem Weg gen Kalifornien per Auto und Wohnwagen mitten in die Wüste. Obwohl dort eine Testanlage für Militär- und Nuklearaktionen vorherrscht, reizen die innewohnenden Silbermienen unsere Patriarchen und deren Söhne, welche als Verkörperung des gemütlichen 70's-Suburbia vom Selbstverständnis des heimatlichen Privilegs ausgehen. Mit dabei, etwas skeptisch und doch genügsam sind die mütterlichen Figuren, die zeitweise sogar romantische Anklänge in der letztendlichen Verlorenheit finden, während das männliche Geschlecht seinen Geltungsdrang im vermeintlichen Abenteuer auslebt. Der Geist der Satire schwebt durchaus über dieser uramerikanischen Station, in der sich jedermann wie im Western, somit als draufgängerischer Siedler fühlt, inklusive tollen Schäferhunden mit Namen wie Beast und Pearl im Schlepptau. Im Verlauf werden sie jedoch zu weit primitivere Zeiten zurückgeschleudert, wenn der scheinbar unprovozierte Angriff des Unbekannten geschieht. Jenes ist sodann eine mutierte Form ihrer selbst, in einzigartiger Kultur zwischen den Felsen unterwegs und ebenbürtig selbstsüchtig um ihren Besitz, ihre Heimat kämpfend.
Die angewandte Feindseligkeit äußert sich besonders brachial, doch die Ursprünge dafür lassen sich im Ansatz bereits in unseren Protagonisten wiederfinden. Deren Häuptling, der alte Vater, hält reichlich zynische Sprüche für die Randgruppen bereit, die er als Polizist im Laufe der Jahre fertig gemacht hat, umso angepisster erkennt er die Ironie, dass er aufgrund eines Unfalls durch die eigene Familie (und sich selbst, aber das ist für ihn nebensächlich) im Morast stecken bleibt. Eine Konfrontation ergibt sich daraus natürlich nicht, viel mehr wird die Situation runter geschluckt und von allen so weit es geht ins Positive verklärt, wie im Verlauf des Films ohnehin durchweg Notlügen zur Beruhigung oder Zurückhaltung aus Schamgefühl gebraucht werden - sei es die Ignoranz gegenüber den Anweisungen des Hausarzts vonseiten des Vaters, die Verharmlosung stundenlanger Abwesenheit von Familienmitgliedern oder die leidlich geäußerte Vermutung, ein Hund wäre weggelaufen, obwohl dessen Leiche schon gefunden wurde. Ehrlich ist da zumindest noch die Liebe untereinander, welche die Formation einigermaßen beieinander hält und Menschlichkeit ausstrahlt. Wenn das aber wegfällt, ist Bambule angesagt, wie es sich an der Geschichte der Widersacher illustriert, die aus ihrer grundamerikanischen Familie aufgrund ihrer äußerlichen Andersartigkeit verstoßen beziehungsweise mit Gewalt begegnet wurden, auf dass sie aus der Gegenwart des Normalen verschwinden sollten. So hat sich also ein Hass in geradezu religiöser Überzeugung binnen der Zurückgezogenheit gebildet und setzt nun gegen die vermeintlich ideelle Kehrseite der amerikanischen Familie an.
Mitten drin gibt es jedoch den Vermittler, die Aussteigerin, Ruby (Janus Blythe), mit der sich Craven gemessen an seiner Vergangenheit in einer Baptistenfamilie am ehesten identifizieren dürfte und sie auch schlussendlich schockiert zwischen den Fronten stehen lässt - gleichsam erschafft er an ihrem Verhältnis zur Mutter die Grundlage für spätere thematische Ausbauarbeiten wie „Tödlicher Segen“, „Nightmare - Mörderische Träume“ und „Der Tödliche Freund“, in denen allesamt die disfunktionalen Konflikte zwischen Kindern und ihren Eltern im Vordergrund stehen. In diesem Fall ist es jedoch ein Aspekt unter vielen, welcher der überwiegenden Dekonstruktion der familiären Sozialisierung anfällt. Die Hügelkinder können nämlich auch nicht anders, als in trauter Gemeinschaft anzugreifen und sich das zu holen, was ihnen fern ihrer Kontrolle vom Heimatland entsagt wurde. Das sieht natürlich hässlich und brutal aus, letztendlich fällt der Überlebenswillen der Gegenseite aber auch nicht minder krass und heimtückisch aus, nachdem sich die übersteigerte Selbstsicherheit des Patriarchen als höchst unwirksam erwiesen hat. Infolgedessen ist das Neugeborene, die noch unschuldige Zukunft also, in den Händen der Mutanten gelangt und so entfesselt sich in der Verzweiflung ein Kampf back-to-basics, der die stumpfe Steinzeit des Handgreiflichen heraufbeschwört, durch seine Überzeichnung aber gleichsam bewusst komische Züge trägt - allein wenn man bedenkt, wie schlau und fähig der Hund Beast als Genre-Fantasie agiert oder wie die Toten trotz emotionaler Ermattung der Lebenden für einen explosiven Hinterhalt genutzt werden, bei dem die Statussymbole der kapitalistischen Idylle ohnehin bereitwillig in die Luft gejagt werden, somit ihre Entbehrlichkeit offenlegen.
Bei Autorenfilmer Craven sind Energie und Spannung in der Inszenierung natürlich dennoch durchweg die treibenden Kräfte, die im Rahmen eines Genrewerks mit zugänglichem Antrieb punkten können und den social commentary nicht allzu vordergründig telegrafieren müssen, um einen nah am Zuschauer ankommenden Horror zu vermitteln. Seine Charakterzeichnung ist dementsprechend auch nicht zu detailliert und gleichsam nicht zu funktionell ausgefallen, so wie die Balance des Gesamtbilds ohnehin Schlichtheit bevorzugt, ohne ins Triviale auszurutschen. Es nimmt der Filmerfahrung vielleicht einiges an Dringlichkeit bei mehrmaliger Sichtung, hält aber genügend Tiefgang per Reflexion bereit, den man aufgrund der kurzweiligen Laufzeit umso inniger im Nachhinein erforschen kann. Vieles daran schöpft sich eben auch aus dem Zeitgeist, der ganz natürlich darin wirkt, das vermeintliche Ideal der amerikanischen Selbstgefälligkeit, wie es in den Fünfzigern und Sechzigern gepredigt wurde, als Fassade zu entlarven, die im Angesicht mit ihrer eigenen Schöpfung gleichsam am Bodensatz aufschlägt. Cravens kompakte und unprätentiöse Verpackung dieses Sachverhalts in ein beinahe postapokalyptisches Bild innerhalb der zeitgenössischen Gegenwart gibt da wie vieles an seinem Lebenswerk durchaus einen Geniestreich der Subversion ab, der weiterhin eine große Spannweite an Filmfreunden unterhalten kann und die eigenen Werte ambivalenter verarbeitet, als einem lieb sein mag.
Bonus-Zeugs:
DEADPOOL - "[...] Vor einer überlangen Rückblende erleben wir zunächst das akrobatische Ass in seiner mutierten Form als Supersöldner, der mit reichlich CGI-Moves, Zeitlupen-Blutbatzen und Shittalking zum forciert-zynischen Posing ansetzt und mit Blick zum Publikum eine erwachsenere Version von „Looney Tunes“, „Animaniacs“ und „Freakazoid“ zu emulieren versucht – kein Wunder, dass der Stoff vornehmlich adoleszente und hängen gebliebene Nerds anspricht. [...] Die Zugaben von Gewalt, Sexismus und Roast-Humor, mit denen er kokettiert, können nicht kaschieren, in welch anstrengendes Korsett er sich zwängt, das auf den letzten Metern immer noch nicht fertig ist, neue Nebencharaktere für ein erweitertes Universum einzuführen und allesamt in einen Höhepunkt münden lässt, der mit der Entführung der holden Maid beginnt und mit einer gigantischen Zerstörungsorgie endet. [...] Fans können damit durchaus zufrieden sein. Jenseits dieses Standardsatzes lässt sich jedoch nur wenig über die Relevanz von „Deadpool“ äußern, so sehr er sein Potenzial zur Umkehrung der Verhältnisse verpasst und sich sogar vorangegangenen, weit fieseren Genrewerken wie James Gunns „Super“ geschlagen geben muss."
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
GÄNSEHAUT - Wuchs man als Kind der neunziger Jahre zusammen mit seinem Fernseher
auf, war eine Begegnung mit R.L. Stine und seiner „Gänsehaut“
kein Unding. Jene ersten „Verfilmungen“ seiner
Horror-Groschenromane für Kids hatten als kanadische TV-Produktionen
wenig Budget am Start, gingen anhand ihrer Anthologie des Schreckens
binnen provinzieller Jugend dennoch schlicht und naiv genug unter die
Haut. Die Vorlagen schauriger Literatur bemühten dafür reichlich
Monstren aus mehr oder weniger gängiger Horror-Mythologie, je
nachdem, wie Stine sie für seine Belange und vor allem Lokalitäten
variierte. Daraus ergab sich eine unbekümmerte Sammlung an
Schauergeschichten, die im Grunde stets dieselbe Formel anwendete,
aber auch von Vornherein keine falschen Hoffnungen erweckte.
Angemessene Mischungen aus Schreck, Spaß und „ein bisschen
Charakterentwicklung für den Helden“ der Geschichte sind in dem
Fall das Regelmaß, an dem sich nun auch die Verfilmung von Stines
Marke durch Regisseur Rob Letterman orientiert. Die hat es sich
nämlich zur Aufgabe gemacht, als Millionen-Dollar-Fantasy-Abenteuer
vom Massenpublikum abgeholt zu werden und wählt dafür nicht bloß
eine Episode jener Trivialgeschichten aus, sondern versucht alle
deren Geschöpfe mit einem Mal wortwörtlich aus den Seiten zu reißen
und Realität werden zu lassen.
Dieser Ansatz träumt vom modernen Phänomen des Shared Universe à
la Marvel, R.L. Stine hat jedoch nie in solchen Dimensionen gedacht
wie Kollege Stephen King, der fortwährend um Castle Rock kreist und
seine Interkonnektivität filmisch mit „Katzenauge“ und Co.
auslebte. Also erdenkt sich das Narrativ die Zusammenfassung des
Œuvre Stines anhand eines Rahmens, welcher den Autor selbst als
Filmfigur präsentiert, die innerhalb der typisch amerikanischen
Nachbarschaft reichlich Potenzial für Ghosts & Ghouls bereit
hält. Ehe wir jedoch dessen Verkörperung durch Jack Black begegnen,
treffen wir zunächst unseren jungen Protagonisten Zach Cooper (Dylan
Minnette), der mit seiner Mutter (Amy Ryan) in ein verschlafenes Nest
zieht und dort vor allem im Schulalltag von vorne anfangen muss,
während er sich stets an die Erinnerungen an seinen toten Vater
klammert und es dementsprechend schwierig hat, neu anzuknüpfen. Jene
eher hastig etablierten Charakterwerte werden in ihrer Universalität
und Funktion für den weiteren Filmverlauf so eindeutig
telegraphiert, dass selbst der Score von Danny Elfman trotz aller
instrumentaler Bemühungen nur als weiteres Kennzeichen der
Aufgesetztheit brillieren kann. Mithilfe des Girl Next Door
Hannah (Odeya Rush) gewinnen der Film und Zach allerdings noch etwas
an Fahrt in dem Sinne, wo sie ihn hinführt und warum um alles in der
Welt sie nicht zu den anderen Kids der High School raus darf.
Ihr Vater (wer könnte das wohl sein?) verbietet ihr nämlich so einiges, ist ohnehin schon selber abgeschottet vom restlichen Menschenschlag und hütet ein Geheimnis, dem Zach folgerichtig auf die Spur kommen will. Mit dabei ist sein schrulliger neuer Kumpel & Schwerenöter Champ (Ryan Lee) und zusammen begeben sie sich schließlich in das Gemäuer des urigen Hausherren, das sich gleichsam mit kleinen Schocks und stumpfen Gags ausstattet, wie sich der Film durchweg relativ zu seiner Zielgruppe verhält. Durch einige Missgeschicke geschieht es dann auch: Die große Ernüchterung, dass austauschbare CGI-Monster freigesetzt werden und nun den Rest des Films über bezwungen werden müssen. Hat das noch was mit Horror zu tun, sobald der Bombast der Zerstörung, angeführt von Bauchrednerpuppe Slappy, lärmend und bar jeder Motivation alles kaputt macht? Jedenfalls sind in diesem Ausmaß durchaus noch einige grundsätzliche Ideen über die Verantwortung in der Autorenschaft des bösen Zaubers durch Meta-Ventil R.L. Stine vorhanden, werden aber ebenso auf Dialoge runtergeschraubt, die davon reden, sich den inneren Dämonen zu stellen, wodurch der Subtext im Sande verläuft.
Alles wird stichpunktartig auf dem Silbertablett serviert und
durcherklärt, bevor man ja auf die Idee kommen könnte,
charakterliche Entwicklungen per Gefühl im Zuschauer ankommen zu
lassen. Dass sich da auch die jeweiligen Paare des Films entweder bei
der Liebe auf den ersten Blick treffen oder romantisch werden,
sobald das Gegenüber sie gerettet hat, ist nur allzu bezeichnend und
im Grunde nichts weiter als Sexismus light. Für
Wahrhaftigkeiten (selbst in diesem höchst naiven Rahmen) bleibt
schlicht keine Zeit, die geballte Kreaturenschar hat nun mal Vorrang,
um das (vom Film als solches vermutete) überzuckerte Publikum
beisammen zu halten. Die Erwachsenen darunter können sich dabei mit
allgemein gehaltenen Anspielungen auf kreatives Schreiben, Stines
Rivalität mit Stephen King sowie einigen Dating-Jokes begnügen,
alle anderen horchen vielleicht mal auf, wenn Youtube und Instagram
als Identifizierung des Zeitgeists genannt werden. Dazwischen wird
hauptsächlich entbehrliches Genre-Prozedere herausgelassen, das sich
im digitalem Overkill anstrengt, auch nur eine Handvoll
ungekünstelten Charme zu finden - vielleicht durch Ironie oder durch
die eskalierende Dualität zwischen Kunst und Künstler, was sich
beispielsweise auch in George A. Romeros „Stark“ oder auch Wes
Cravens „New Nightmare“ finden lässt, um mal noch beim Thema zu
bleiben.
Derartiges Potenzial erfordert jedoch ein Verständnis für die
Funktion des Horror-Genres, das Regisseur Letterman (der sich 2010
schon ähnlich erfolglos „Gullivers Reisen“ annahm) schlicht
nicht hat. In den besten Fällen jener Kunst geht es nämlich nicht
um das Monster im Haus, sondern um die Menschen, die in dem Haus mit
dem Monster leben müssen. Das Einzige, was den Charakteren hier
jedoch im Wortlaut vermittelt wird, ist, dass sie lernen müssen,
loszulassen. Doch selbst daraus zieht der Film keine Konsequenz und
entscheidet sich zugunsten eines Happy-Ends um, anhand dessen ein
Widerspruch zum Horror entsteht, dem die überforderte Flut an
Computerblobs ohnehin schon ausgewichen ist. Als kindliches
Sprungbrett für die Sensibilität zum Genre taugen da also eher die
einzelnen Vorlagen des Herrn Stine, doch selbst als Komödie des
Übernatürlichen schafft es „Gänsehaut“ nur in wenigen
Momenten, clevere Pointen zu setzen. Unterm Strich bleibt also nur
ein Standard-Stück entbehrlicher Kino-Unterhaltung übrig, das seine
phantastischen Grundlagen durch mangelnde Konzentration fürs
Wesentliche schlicht weg brüllt. Digital ist schlechter.
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