Sonntag, 7. Februar 2016

Tipps vom 01.02. - 07.02.2016 (George A. Romero Special)



Zum 76. Geburtstag George A. Romeros blicke ich auf die "Nacht", das "Morgengrauen" und den "Tag" seiner Untoten zurück. Es darf reichlich gelesen werden, die Texte zu den anderen Filmen finden sich an entsprechender Stelle.




DIE NACHT DER LEBENDEN TOTEN - Nach einer Neusichtung der ersten drei maßgeblichen Untoten-Filme von Regisseur und Autor George A. Romero hat „Die Nacht der lebenden Toten“ für mich im Vergleich mit ihren losen Nachfolgern nicht ausnahmslos die Nase vorn. Ihre „Schwächen“ lassen sich vielleicht am einfachsten (sprich: zu einfach) im Vergleich mit modernen Sehgewohnheiten erklären, jedoch ist „Die Nacht“ gezwungenermaßen zu sehr einem Konzept der „Etablierung“ unterworfen, als dass sie ihre innewohnende Vision derartig verselbstständigen kann wie es ihren Fortsetzungen gelungen ist. Und das ist bei aller skeptischer Färbung in meiner Einleitung alles andere als eine Schande - natürlich auch unter den Gesichtspunkten einer Independent-Produktion Ende der sechziger Jahre betrachtet, die ein Erstlingsregisseur wie Romero umso beeindruckender auf die Beine stellt. Abseits dieser legitimen Faktoren, also den mehr oder weniger vorteilhaften Einschränkungen, ist der Stellenwert des Films aber gewissermaßen auch ein Fall vom getroffenen Nerv der Zeit. Werke wie Alfred Hitchcocks „Psycho“ (1960) und Herschell Gordon Lewis' „Blood Feast“ (1963) hatten nämlich nicht gerade publikumsfremd die Saat für Romeros hier geschehene Synergie der Stile gelegt, also klassischen Horror und Suspense zu expliziteren Noten geführt - Romero selbst hat auch zugegeben, dass ihm Herk Harveys „Tanz der toten Seelen“ (1962) eine massive Inspiration war, welche im Endprodukt nicht von der Hand zu weisen ist. Seine „Nacht“ ist sich ihres Genres durchweg bewusst, erfüllt aber nur bedingt jene Theorie, die besagt, dass die ersten Filmemacher die Welt, wie sie sie kannten, anhand des Mediums verarbeiteten, während deren Nachkömmlinge schlicht die Welt des Kinos reflektierten. Romero liefert dafür einen gewitzten Gegenbeweis mitten aus Pittsburgh, indem er seine Grundlage in Handlung und Inszenierung nach nur wenigen Minuten aus dem Stativ-lastigen Prozedere altbackener Schauerreißer in neue Aspekte münden lässt, die seinem Publikum einst einen durchaus subversiven Schrecken bereitet haben dürften.


Sein Fundus an Archivmusik evoziert Anklänge an die vierziger Jahre, genauso wie die ersten zu sehenden Charaktere, Barbra (Judith O'Dea) und Johnny (Russell Streiner), ein allzu braves Bürgertum mit (zumindest bei Johnny) provinziell-kecker Haltung zum Horror abgeben. Genau jene breite Zielgruppe will Romero am ehesten anhand dieses Filmes mit einer neuen Ära des Genres bekannt machen, wenn sich die atmosphärisch unheimliche, aber geerdete Einführung im standhaften Schwarz-Weiß-4:3-Vollbildformat allmählich für eine höhere Gangschaltung entscheidet. So kommt die Handkamera zum Einsatz, sobald der Angriff der Untoten erfolgt und bald trifft die junge Blondine der Unschuld beim Zufluchtsort - ein scheinbar verlassenes Familienhaus - auf die Großaufnahme einer entsetzlich entstellten Leiche. Dieser Schockmoment ist schnell geschnitten, umso nachhaltiger hinterlässt die Situation aber einen Effekt bei Barbra, die fortan im katatonischen Zustand verweilt - die potenzielle Heldin, die Identifikationsfigur eines mittelständischen Amerikas, ist nicht mehr zum Handeln fähig. Mit jenem Handgriff kehrt Romero schon die Erwartungen um, mit dem rettenden Erscheinen des afro-amerikanischen Ben (Duane Jones) kommt zudem erst der wahre Protagonist zur Geltung. Von der Selbstverständlichkeit eines schwarzen Hauptdarstellers konnte zu der Zeit kaum die Rede sein und auch wenn der Film an sich im Verlauf keine allzu große Gewichtung auf jene damalige Innovation heraus posaunt, stattdessen hauptsächlich den Überlebenskampf eines Ensembles im Angesicht des Terrors zeigt, ist das Bewusstsein zur politischen Reflexion letztendlich sein effektivstes Zugpferd. Vorerst ist die Vision von wiederkehrenden Leichen als Monster in ihrer Umsetzung jedoch so radikalisiert, wie es sich ein Major bis dahin nie getraut hätte, obgleich das Phänomen des Zombies schon Jahrzehnte zuvor behandelt wurde.


Romero ist jedoch scheinbar als erster bemüht, die Gewalt daran offen zu zeigen, was er mangels finanzieller Mittel mit einer Rohheit tätigt, die sich schlicht mit der Wahrnehmung der damaligen Gesellschaft deckt. Im US-amerikanischen Spektrum wurde diese erst recht medial mit den Folgen und Eindrücken des Vietnamkriegs konfrontiert, wie auch die westliche Welt an sich auf jenem Wege Unruhen und Umdenken aus der inneren Sicherheit heraus erfuhr. Und selbst obwohl hier Untote ihr Unwesen treiben, wird man nie den Eindruck los, dass hier Menschen gegeneinander agieren - ein gedankliches Spiel, anhand dessen Romero die Schwere seiner Ära bewusst nur leicht verzerrt und umso tiefgreifender in der Verletzlichkeit des Zuschauers andockt. Sein Film kommt gleichsam Stück für Stück der frischen Richtung fürs Kino entgegen, jedoch bleibt er hier noch der einst bewährten Erzählformel des Genres treu, weshalb man in dieser „Zwischenphase“ mit reichlich Exposition gefüttert wird, die zumindest von der charakterlichen Erfahrung her mündet. Das daran erbaute Kopfkino stellt Szenarien auf, die man als erfahrener Zuschauer inzwischen zu Genüge gesehen hat, ganz abgesehen von diesem eher zeitbedingten Umstand sind Romero und seine allmählich zusammenkommende Schar an verbarrikadierenden Menschen äußerst erpicht darauf, Meinungen zur Überlebensstrategie zu debattieren und Erklärungen für das Geschehene zu finden. Romeros Geschick ist hierbei, die Funktionen seiner Figuren im Sinne der Situation effektiv aneinandergeraten zu lassen, obgleich ihre Eigenschaften eher oberflächlich bleiben (und auch die emotionale Verbindung zu Barbra ohnehin nur bedingt vom Film weiterverfolgt wird, weshalb ihr Charakter entweder zu kurz kommt oder wir alles stets aus ihrer Perspektive sehen, was ebenso schlüssig wäre).


Familienvater Harry (Karl Hardman) besitzt noch die ambivalentesten Züge, das äußere Geschehen bleibt trotz der inneren Streitigkeiten jedoch stets der Fokus der Spannung und wird sodann in mehreren Reportage-Segmenten mit äußerst realitätsgebundenem Anspruch unter die Lupe genommen. Romero geht dabei scheinbar weiterhin von Zuschauern aus, die dem Phantastischen nicht allzu vertraut sind, so ausgiebig er die vertraute Form des Fernsehens als Vermittlungsventil ins Auge fasst. Er nimmt einen da im heutigen Eindruck gewissermaßen schon an der Hand (zumindest arbeitet er einen genialen Kniff ein, als einem Nachrichtensprecher bei einer Einleitung zunächst ein „Saigon“ raus rutscht, ehe er dies mit „Washington“ berichtigt), aber eines ist sicher: Schaut man sich das als junger Filmfreund an, klebt man sich an jeder Info fest - ich spreche aus Erfahrung, kann aber auch bezeugen, dass der Effekt inzwischen abgenutzt ist. Was hingegen noch immer beeindruckt, ist die Eskalation der Gewalt, die sich nach langer Vorbereitung von Seiten Romeros zum Finale hin auf der Leinwand entfaltet. Der Mut zum Durchbrechen der Suggestion ist sodann zufälligerweise einer der einflussreichsten Schritte, welche dieser Film für sein Genre geleistet hat, so wie er im Kontext der Erfahrung für seine Zuschauer das Grauen greifbar macht, welches man sich einst kaum traute (oder verdrängte), überhaupt zu denken. Er mag nicht ganz der erste in diesem Ansatz gewesen sein, so oder so repräsentiert er damit (mit nicht gerade unverdientem Ruhm) einen Wandel in den Fähig- und Möglichkeiten des Horror- sowie unabhängigen Films im Allgemeinen.


Eingangs habe ich aber auch gemeint, dass Romero nicht nur vom Genre ausgeht, sondern auch Bezüge zur Wirklichkeit in seinem Werk verarbeitet. Die kulminieren in den letzten Minuten des Films, welche nach dem Zusammenbruch bewährter Beziehungs- und Familienstrukturen (hier ist eben niemand sicher) sowie dramaturgischer Regeln die Bürgerwehr auf die Jagd ansetzen und durch diese eine Rücksichtslosigkeit in den Gegenmaßnahmen darstellen, bei denen die Rassenunruhen jener Zeit sowie die Bereitschaft zum „offiziellen“ Morden in einem äußerst erschütternden Schlusspunkt reflektiert werden. Allzu authentisch erscheinen sodann die im Hintergrund zum Abspann laufenden Standbilder einer inhumanen Leichenentsorgung, deren Teilnehmer (scheinbar) von einem Monster ausgehen und im Gegenzug weit erschreckender als diese wirken, wenn sie ohne moralisches Zögern (und im Gegensatz zu Zombies mit vollem Bewusstsein) zur Gelegenheit schreiten, weiterhin menschenähnliche Wesen zu richten. Jene Erkenntnisse zur kontemporären Gegenwart über ein anfangs gängiges Genrewerk an ein uneingeweihtes Publikum zu vermitteln, ist in solch einer Aufmerksamkeit und Aufrichtigkeit (fernab aufdringlicher Belehrung) bis heute keine Selbstverständlichkeit geworden. Diese transformative Qualität war wie gesagt aber auch mit Hürden verbunden, die sich an Vergangenheit und Zukunft gleichermaßen orientieren wollten und mussten. Wie spannend wäre es da erst, wenn diese wegfallen würden?




ZOMBIE - Eine Dekade nach der „Nacht“ geht die Sonne auf - und diese könnte genauso gut das Licht einer Atombombe sein. George A. Romero denkt noch immer im unabhängigen Rahmen inklusive unbekanntem Cast fern der Major Studios, aber in Größenordnungen einer vollständig realisierten Apokalypse, welche die Intimität des Familienhauses übersteigen und eine gesamte Nation einnehmen. Wenn es Licht wird, sieht man eben mehr und sodann kündigen die Farben seines „Dawn of the Dead“ ein grelles Grauen mit blauen Zombies und knallrotem Blut an, das die moralischen Grundgedanken des Zuschauers ebenso anhand des beleuchteten Ensembles herausfordert. Auch die Figuren wachen eben aus der stetig eskalierenden Schlichtheit des Vorgängers auf und wachsen an Komplexität, wie wird man da nur seine Sympathien ansetzen oder verschieben? Zur Auswahl stehen dafür sogar bereits vor dem Start der eigentlichen Filmerfahrung mehrere Sichtungsvarianten, von Romero selbst und sogar von Dario Argento, der eine „europäische“ Fassung montierte, welche zumindest in bundesdeutschen Landen zusätzlich noch mehrmals geschnitten und im Grunde für mehrere Jahrzehnte aus der kollektiven Mediensozialisierung verbannt wurde. Bei Argento geht es jedenfalls flotter zur Sache, mit Goblin-Soundtrack statt Muzak, minus einigen Humor-Einlagen und Charaktermomenten der Zwiegespaltenheit, die im abstrahierten Handlungsrahmen des Eurocuts eher nebenbei, aber vom erfahrenen Filmfreund umso eindringlicher ins Auge gefasst werden. Soviel sei gesagt: Beide Versionen haben ihre Vor- und Nachteile, was den Film alleine deshalb schon reichhaltiger macht, zum Zwecke der Transparenz möchte ich betonen, dass ich dieses Mal Argentos Fassung gewählt habe.


In beiden Fällen ist die Radikalisierung der Situation im Zeichen der siebziger Jahre jedenfalls von Anfang an spürbar, so urplötzlich man mit Francine (Gaylen Ross) bekannt gemacht wird, die aus einem Alptraum erwacht, nur um in einem weiteren zu landen: Die Toten kommen (natürlich ohne Erklärung) auf die Erde zurück und nach einer Niederlage wie Vietnam ist der Zündstoff für Aggression im Schatten einer nationalen Krisis unvermeidbar, weshalb sich in jenem Fernsehstudio, in welchem Fran arbeitet, vor laufenden Kameras um Entscheidungen der Sicherheit gestritten wird, als sei man zurück im Konflikt zwischen Ben und Harry in der „Nacht der lebenden Toten“, nur dass sie eigentlich über Notunterkünfte berichten sollten. Hier werden verbal Köpfe eingeschlagen und als Maßnahmen im Umgang mit den Untoten empfiehlt man von Vornherein genau solches mit allerlei Waffengewalt. Spätere ausgestrahlte Diskussionen im Film wollen umso entschiedener die „konsequente Vernichtung“ und den vollkommen trocken vorgetragenen Vorschlag zum Einsatz der Atombombe propagieren. Romero ist mitten im Umbruch und in der Hysterie, die er begonnen hat, umso sicherer in der Inszenierung, die mithilfe des Argento-Schnitts erst recht die Traditionen in dieser post-industriellen Aura ablegt. Der erste Entschluss jedoch, der von Fran und ihrem Liebsten sowie Helikopter-Piloten Stephen (David Emge) gefasst wird, ist die Flucht, egal wohin. Dazu gesellen sich Peter (Ken Foree) und Roger (Scott H. Reiniger), zwei fähige, doch geplagte Haudegen vom Einsatzkommando, die wir ebenso mitten in der Hölle kennenlernen, als sie die Bewohner eines Blocks in Gewahrsam nehmen, nachdem sich einige Schmalspurterroristen dort versteckt hielten und alsbald ihr Ende fanden.


Ehe man sich als Zuschauer im Chaos der Situation einfinden kann, reißt ein verrückt gewordener Einsatzleiter die Türen auf und lässt Köpfe explodieren, bis er ebenso rasant das Zeitliche segnet und zu alledem noch wandelnde Leichen im Haus sowie im Keller verweilen, weil die Einwohner so „auf ihre Art an das ewige Leben glauben“ - ein verheißungsvolles Vorzeichen auf den späteren Umgang mit jenen Werten passiert, als Peter mit schwerer Miene die Waffe auf diesen Glauben richtet. Die meisten Eindrücke der Gewalt sind hier wie auch später - ähnlich wie schon einst in der „Nacht“ - zwar impulsiv, aber im Tempo des Schnitts beinahe beiläufig auftretend (auch per Musik nur gelegentlich akzentuiert). Manch hiesige Amtsgerichte haben hierbei, jeden Kontext abblendend, von einer Abstumpfung gegenüber reeller Gewalt gesprochen - knapp 40 Jahre nach Erscheinen und x-fachen Sichtungen ist der Eindruck jedoch weiterhin der eines Schockmoments, da der Einschnitt in die Wahrnehmung des Zuschauers so scharf ist, dass es schmerzt. Da ist das Argument der Verteidigung, Zombies wären ja eh keine menschlichen Lebewesen und demnach würde der Film den Zuschauer entlasten, sogar kontraproduktiv, weil im Verlauf der Dramaturgie klar wird, dass sich bei den Figuren (und dem Zuschauer) durchaus das Gewissen meldet, auch sobald sie noch größere Bestien heraufbeschwören oder selber welche werden. Der Fluchtgedanke wird nämlich keine Änderung der Gegenwart hervorrufen, wenn nicht der Neuanfang angesetzt wird (dazu kam Romero später im „Day of the Dead“). Stattdessen bestimmt das Fortbestehen unsere im Helikopter herumfliegende Truppe, die trotz aller Gelassenheit und Vorsichtigkeit im Ton wie die alleinunterhaltende Bürgerwehr am Boden ebenso ausschließlich mit Gewalt auf die Wiederkehrer reagiert, welche sich als Schleicher ohnehin nicht so energisch verbeißen. Untereinander gibt es schon die ersten Schwierigkeiten, sobald Stephen blindlings auf einen Zombie im karierten Hemd ballert, hinter dem Peter steht - darauf tönt es in bezeichnender Hypokrisie „Man richtet eine Waffe niemals auf einen Menschen, Mister! Schreckliches Gefühl, nicht?“. Dass man dennoch viele Aspekten all dieser Charaktere nachempfinden kann und gleichzeitig ebenso viele von sich distanziert, hält die Spannung natürlich in vielerlei Richtungen offen.


Bald aber finden die Vier eine neue Heimat: Anhand des stellvertretenden Markenzeichen des Kapitalismus, dem Einkaufszentrum, rekreiert Romero im Folgenden die Geschichte der ersten Siedler Amerikas. Die Ureinwohner sind in diesem Fall trotz ihres Ablebens in den vertrauten Hallen ihres ehemaligen Alltags unterwegs - aufgrund der reichhaltigen Ressourcen für unser Team im Rausch des Überlebenswillens will dieses die unliebsamen Beißer (auf ihre Art allesamt liebenswert gestaltete Charaktere) jedoch unschädlich machen. Eine Harmonie zwischen Mensch und Ex-Mensch ist nicht möglich, obwohl sie aus demselben Ursprung herrühren und das eine das andere eben nicht ausschließt - man befasst sich nicht mit den selbst erschaffenen Problemen, sondern betreibt Troubleshooting mit Blei und Klinge. Dieser innere Zustand der Menschheit, der zur Entstehungszeit zwischen Vietnam und Perestroika stets in der Ungewissheit pendelte und der fatalistischen Entladung nicht fremd war, wird hier zum Antrieb für eine ambivalente Figurenbetrachtung, die sich anhand der vier Recken aus der Behütung des modernen Lebens ins Rangeln um die Vorherrschaft über Güter versetzt. Diese Horror-Fantasie kritisiert die Strukturen der Konsumgesellschaft mithilfe ihres eigenen Hangs zur Übersteigerung, spätestens dann empfindet man den speziell angefertigten, straffen Eurocut mit seinen treibenden Goblin-Sounds als allzu stimmiges Bestandteil eines Reißertums um und vom Menschen selbst. Das amerikanische Epos hangelt sich in jener Umgebung zudem allzu geschmeidig an verschiedenen Stimmungen entlang: Furcht, die Lust am Shoppen und Untoten-Veralbern, Entschlossenheit, Risiko, kindische sowie scheinbar erwachsene Entscheidungsgewalt - und das alles schon nach dem ersten Einkauf. An der flinken Bezwingung des Kurses empfindet man als Zuschauer eine gewisse Katharsis sowie einen Genre-gemäßen Thrill, wirklich warm will man mit diesen Figuren aber auch nicht werden, obgleich man ihre Erkundung dieses Lands der Möglichkeiten nur zu gern selbst einlösen würde. Romero macht es ihnen und uns aber gewiss nicht so leicht.


Einige Beispiele: Als sich ankündigt, dass Fran schwanger ist, erklärt sich Peter sowohl als Hebamme als auch als Hilfe zur Abtreibung bereit. Fran scheint als Unschuldige auf diesem Trip den inneren Halt zu verlieren, doch ehe der Zuschauer absolute Sympathie für sie empfindet, knallt sie vom Dach aus, mit zynisch geknirschten Zähnen der Wut, die „elenden, verdammten Blutsauger“ ab. Zumindest hat sie erfolgreich daran appelliert, dass sie sich selbst verteidigen kann und nicht bloß das Hausmütterchen für die Herren spielen will. Stephen blickt trotz seiner Liebe zu ihr bockig auf diese Ambitionen, bringt ihr später aber auch das Helikopterfliegen bei. Dass sie in dieser Extremsituation auch irgendwann seinen Heiratsantrag ablehnt, ist aber nur konsequent in jenem Gesellschaftsdurchschnitt, den Romero hier konzentriert und ganz klar fernab des Wunschdenkens seiner Protagonisten ansetzt. Der erste, der jedoch von seinen Idealen überrollt wird, ist Roger, der sich in seiner John-Wayne-artigen Selbstüberschätzung gegenüber den Untoten zuerst in den Wahnsinn, dann auch ins physische Verderben verheddert - während in Fran ein Kind heranwächst, stirbt Roger schleichend dahin und trotzdem macht er im Rollwagen mit bei der Jagd auf die Menschenfleischfresser, zu denen er bald selbst gehören wird. Seine Mitstreiter tun sich entsprechend schwierig daran, das Unvermeidliche zu erkennen, nämlich, dass die Untoten so oder so ein Teil von ihnen sind. So wirkt auch der scheinbare Frieden in der ausgemerzten Mall mit ihrer Illusion eines Lebens in Freiheit, Selbstbestimmung und Zivilisation eben durchgehend ungemütlich - auch weil das eigentliche Volk, untot oder nicht, weiterhin zahlreich an der Türe steht. Die Furcht unserer Besetzer vor dem Teilen zeigt sich dann auch daran, dass sie ihre Pelzmäntel fester an sich drücken und auf der Eisbahn zur Übung Schaufensterpuppen abknallen.


Romero geht eben durchaus kritisch mit seinen Hauptfiguren um, ungefähr vergleichbar mit dem „Affe im Menschen“, der Bipolarität seiner späteren Stephen-King-Verfilmung „Stark“ oder auch dem Charakterwandel in „Bruiser“. Richtig und Falsch ergänzen sich dennoch immens kurzweilig im Verhältnis zum Konsum, welches Romero allein deshalb nicht verurteilen will, weil sich Homo sapiens und Homo zombiens gleichsam dazu hingezogen fühlen. Der Diskurs, den das Ensemble dabei durchweg hält, wie man überhaupt handeln soll, während es für die Untoten nur das Fleisch gibt, ist in seiner Divergenz ohnehin ein Quell an Menschenkenntnis. Und wer die Geschichte des jungen Amerikas kennt, hat auch schon mal vom wilden Westen gehört, nich'? Deswegen bleiben die ersten Siedler auch hier nicht die einzigen, sobald eine anarchische und schwer bewaffnete Rockerbande das Zentrum stürmen und plündern will, was einerseits die Zombies wieder in ihren Pilgerort hineinlässt, andererseits aber auch den Verteidigungswillen in den Herren des Hauses erweckt, selbst wenn ihnen nichts davon überhaupt gehört. Die Eskalation dieser Widersprüche ist im Finale natürlich eine blutige Katastrophe sondergleichen, bei der die Gewalt schlicht aus der Idee entsteht, dass Erzfeinde unserer eingekesselten Mikrogesellschaft ein Eindringen wagen und diese außerdem ohne Hemmschwelle zurückschlagen. Es ist ein Klassenkampf am Gipfel der Entbehrlichkeiten, an dessen Boden sich zerfleischt wird und an dessen Spitze sogar der Suizid in Erwägung gezogen wird, ehe man die annektierte Heimeligkeit unfreiwillig verlässt. Das letzte Stück Hoffnung fliegt aber letzten Endes doch noch in eine weitere Ungewissheit davon, anstatt das Schauspiel wie ursprünglich von Romero gedacht in der „konsequenten Vernichtung“ enden zu lassen. Hätte seinem (im US-Cut präsenteren) schwarzen Humor zwar auch irgendwo gestanden, aber es ist auch eine der wenigen Entscheidungen, die unsere verbliebenen „Helden“ richtig treffen, obwohl sie sodann mit verschmitztem Auge ins Niemandsland flattern.


Für sie wird es so oder so etwas zu erkunden geben, so wie man auch nach mehreren Jahrzehnten auf diesen Film zurückblicken und neue Aspekte vorfinden kann, die über die Nostalgie oder die schlichte Einnahme von „Kult“- und „Retro“-Dosierungen hinausgeht (obwohl ich die Gesamtheit des Films in seiner Erscheinung, seiner Energie und seinem Platz in der Geschichte des Mediums sowie des Genres grundsätzlich abfeiere und sammle). Speziell im Horrorfilm ist solch eine groß angelegte Spannweite in der Erzählung und deren Sympathieverschiebungen en masse selten so ambitioniert versucht worden - bei der noch relativ kleinen Größe der Produktion an sich ohnehin ein Wunder! Im Grunde wirkt da eine Varianz der Methode aus der „Nacht der lebenden Toten“, die sich in der Kohärenz zur Umwelt recht zentriert gab und dafür allmählich bewusst die Suggestion aus der Gewalt entfernte, während letztere hier von Anfang an aufgedeckt bleibt und die Umwelt ausgerechnet anhand suggestiver Verknappung größer wirkt. Vergleiche aufzustellen wäre hier aber fehl am Platze, so sehr die Filme zwar ihrem Autoren geschuldet, aber zweifellos auch in ihrer Zeit verwurzelt sind. Es heißt gottseidank nicht, dass man sich ganz simpel von ihnen distanzieren kann, schließlich lassen sie den gleichen Lebenssaft und dieselben Eingeweide verspritzen, die in jedem von uns wohnen sowie komplex, schön und ekelerregend zugleich unsere Existenz aufrecht erhalten. Frei nach dem Werbespruch: Es gibt keinen härteren Lieblingsfilm.




ZOMBIE 2 - DAS LETZTE KAPITEL - Der Alptraum beginnt von neuem. George A. Romero hat die Tage inzwischen zusammen mit seiner Protagonistin Sarah (Lori Cardille) am Kalender heruntergezählt, ihre Apokalypse geht in die Überlänge und ist folgerichtig in den achtziger Jahren angekommen (nebenbei: schade, dass der Meister in den Neunzigern kein entsprechendes Segment einreichte). Der „Day of the Dead“, wie sich der Film im Original nennt, bezeichnet mancherorts ein Fest für die Toten. Dementsprechend müssen sie in diesem Eintrag der losen Serie an Zombie-Geschichten keinen allzu hohen Grad an Furcht und Schrecken verbreiten, das erledigen die Menschen im Untergrund nämlich schon von alleine. Vorerst versuchen diese aber an der Oberfläche womöglich noch Überlebende zusammen zu kriegen, was mit unheimlichem Gestöhne sowie dessen zugrundeliegendem Flashmob an Untoten entschieden verneint wird. So sehr unser engagiertes Gespann an unverwestem Fleisch auch ins Horn der Verzweiflung ruft, muss es jene Großfläche des wandelnden Todes doch (quasi im Übergang vom „Dawn“) mit dem Helikopter verlassen und dort wieder landen, wo man mit den Resten der Zivilisation auskommen muss. Für Romero bedeutet das reichlich Potenzial zum Diskurs, sobald sich die Katakomben öffnen, wieder schließen und Sarah sowie Pilot John (Terry Alexander), McDermott (Jarlath Conroy) und Miguel (Anthony Dileo Jr.) durch eine Handvoll an Militär abholen lassen. Die neue Sperrspitze der Menschheit hat sich denkbar mühsam hier eingelebt, baut saubere Korridore um klobige Felsformationen auf, welche so massiv im Raum stehen bleiben wie die Umstände an sich ebenso stets präsent ihr innerlich verletzendes Gesicht zeigen.


Erst am frühen Morgen ist einer vom Militär verstorben, nun braucht es zu Forschungszwecken neue Exemplare an Untoten, die man sich gleich nebenan aus dem Schacht einfangen muss. Jene wirkende Gettoisierung wandert auf den Spuren der Ronald-Reagan-Administration, bezeichnenderweise ebenso das reaktionäre Gehabe der Militärfraktion, die sexistisch, rassistisch und handgreiflich ihre Überlegenheit ausspielt - und wer da nicht spurt, steht alsbald einer Faust oder dem Lauf einer Knarre gegenüber. Als Gegenpol sind die Experimente von Dr. Logan alias Frankenstein (Richard Liberty) auch ausschließlich im Untergrund legitim, so wie er mit morbidem Ehrgeiz das neurologische Vermögen seiner Versuchsobjekte frei legt und im Wust des Fleischs nach einer Möglichkeit der Domestizierung des Zombies forscht. Seine Methodik basiert auf reiner Logik, das heißt er fummelt unmenschlich am ehemals menschlichen Körper herum und will gleichsam eine Rückkehr zum sozialen Umgang erreichen. Solche Widersprüche sind in diesem aufgezeichneten Alltag unter Tage allgegenwärtig, entsprechend angespannt verstärken sich die Verhältnisse zwischen den Charakteren, wenn der stellvertretende Machthaber Rhodes (Joe Pilato) links und rechts mit Ultimaten um sich wirft und keine Vorbehalte macht, jeden abseits seiner Truppe erschießen zu können. In einem nationalen Klima, das stets den nuklearen Holocaust im Hinterkopf hatte, ist Romeros Konzentration der Gegenwart in die Postapokalypse - abgestiegen in eine Zone, welche zudem Massen an menschlicher Erinnerung per Medien hortet - ein ideales Spielfeld für social commentary im Genrefilm, obgleich seine letztendliche Lösung auch mit einem Stück Naivität vorgetragen wird, aber mehr an Hoffnung als bei seinen Vorgängerfilmen voraussieht.


Dem Frieden im Neuanfang streben unsere Protagonisten (da gibt es diesmal nicht allzu viele Grauzonen) mit ausgesprochener Sehnsucht entgegen und man kommt nicht umhin festzustellen, dass der Film seine sozialkritische Komponente bewusster als zuvor wahrgenommen haben möchte, was sich besonders an den Ausführungen Dr. Logans abzeichnet. Zumindest findet die Suche nach dem menschlicheren Umgang ein Gesicht in Hauptzombie Bub (Sherman Howard), der seine vergangenen Fähigkeiten allmählich wiedererlernt, während seine Hausherren untereinander immer weniger miteinander umzugehen wissen. Das Drama zieht auch seine empathischen Bahnen um Sarahs Beziehung zum Kollegen Miguel, sie selbst steht aber ohnehin im Mittelpunkt der Zuschauererfahrung, so wie sie sich als starke Frau (oder doch gleich als Mary Sue?) auf die bei Romero sehr beliebten Streitgespräche des Handelns einlässt. Der Charakter eines Kammerstücks klingt in jener Reibung der Ideologien vielleicht etwas weniger reizvoll, geht in der filmischen Erfahrung aber durchaus zum Kern der „Nacht“ zurück und auch über derer Intensität hinaus. Die emotionalen Zusammenbrüche im Angesicht der Situation häufen sich hier zudem im Einklang mit schockierenden Offenbarungen, welche die schlimmsten Vermutungen wahr werden lassen, obgleich das Vertrauen von Vornherein zahlreiche Vorzeichen ausgeblendet hat - seien es nun Miguels fragiler Geisteszustand, „Frankensteins Motivation“ für die Untoten oder die manische Konsequenz des Selbsterhaltungspsychos Rhodes.


Da wird schlicht vom Guten im Menschen ausgegangen, obwohl die humaneren Instinkte am Zaun an der Erdoberfläche herum kraxeln und Zugang zu dem haben wollen, was ihnen gehört: Das Futter und die Archive der Vergangenheit, sprich Menschlichkeit, die in jenen Höhlen lagern. Der Inhalt all dessen explodiert umso reichhaltiger in seinem Fleisch und Blut, sobald ihnen der Zutritt per Menschenhand gelingt. Die Zombies sind da als Befreier zwar eine durchaus verschrobene und schlurfende Erscheinung, ihr Biss ist jedoch im Effekt die Urgewalt schlechthin, wie auch ihre Hände zusammen Köpfe und Körper ausreißen, um an das Gemeingut zu gelangen. Wie im „Dawn“ holen sie sich ihre Rechte zurück und an erster Stelle sowieso Bub, der am ehesten seine Würde in menschlichen Gesten ausdrücken kann, während die letzte Bastion der Zivilisation ihrem passenden Ende verfällt - wenn da natürlich nicht noch unsere Protagonisten wären, die sich von den Parteien und Alpträumen des Militärs, der Wissenschaft und der Untoten ihrer Vergangenheit trennen und die Flucht nach oben ans Tageslicht wagen. Romero hat sein eigenes Rad der menschgewordenen Monster/monsterhaften Menschen damit gewiss nicht neu erfunden, sondern passt es eher wie gehabt an die Grundstimmung der Ära an. Genau das macht jeden Teil der Trilogie dann doch zu einer einzigartigen Entwicklung im Genre, so wie hier die Kreaturen auch fast ausnahmslos vom Film sympathisiert werden, wie die Protagonisten als Außenseiter für die Harmonie in der Disharmonie einstehen und sich gegen das wahre Übel im Menschen bewähren. Romero will seine Zuschauer wieder darauf vorbereiten und motivieren, dem Zynismus der letzten Jahrzehnte, welchen er in der „Nacht“ und im „Morgengrauen“ reflektiert hat, zu entsteigen. Dass er sich da ein bisschen zu erklärungsfreudig gibt, ist vielleicht ein etwas ungeschickter Makel im ansonsten geschickt zurückhaltenden Film (der sich in seiner stetigen Kohärenz diesmal jedoch jeder Suggestion entzieht), aber was wären Menschen und Menschenfresser nur ohne Makel?

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