Hallo liebe Leser, ich wünsche Euch
einen frohen Ostersonntag! Wer meine wöchentlich designierten
Blogeinträge dieses Mal als Osterei empfinden will, darf das gerne
tun, jedenfalls werde ich wie gehabt in letzter Zeit zunächst mit
einem Kurzbericht über die vergangene Woche starten und die Filme
dazu kurz anreißen, obgleich die zentralen Sichtungen auch so mit
voller Ausstattung präsentiert werden. Wie dem auch sei, ist allen
voran ein Erfolg im Privaten zu vermelden, da ich nun eine neue Kochplatte in
der Wohnung habe und zur Einweihung endlich wieder Spaghetti machen
konnte. Bei der Inspektion zur Gerätschaft wurde zudem festgestellt,
dass nicht nur zwei Sicherungen rausgesprungen waren, sondern dass
eine davon auch rein gar keinen Einfluss auf die Stromversorgung der
Wohnung hat. Irre mysteriöse Sache, jedenfalls muss jetzt noch festgestellt
werden, inwiefern eine Eigenverschuldung bei der defekten Kochplatte
besteht - drückt mir die Daumen, dass da die Hausverwaltung die
Kosten übernehmen muss. Abseits dieser fesselnden Alltagsgeschichten
(ich hab noch im Alleingang zwei neue Poster angeklebt), kann ich
beruhigt festhalten, dass es tatsächlich doch ein Leben nach „Batman
v Superman“ (siehe unten) gibt. Der Filmabend am Freitag hat so
einige erfrischende Erkenntnisse in der Hinsicht geliefert, die wie
folgt aussehen:
Bei der Neusichtung von „Beavis und Butt-Head
machen's in Amerika“ behalten sich der krude Animationsstil und
die pubertäre 90er-Jahre-Dumpfbacken-Haltung noch immer eine gute
Menge Charme und tolle Humorsalven vor, wie sie binnen der Serie
schon erfolgreich lässiges Abhängen im Generation-X-Americana
aufbot. Was beinahe als Zwang dagegen wirkt, ist die Filmwerdung
durch einen halbgaren Crime-&-Terror-Plot, der unsere
Jungs nicht nur auf einen landesweiten Roadtrip außerhalb ihrer
Komfortzone schickt, sondern auch noch paranoide Geheimdienste auf
ihre Fährte lockt. Das zweckmäßige Prozedere mit seinen Running
Gags des Missverständnisses („Wir haben es hier mit
absoluten Profis zu tun!“) sowie einige animierte Musiknummern
als Lückenfüller können jedoch nicht kaschieren, dass ein
Abenteuer mit B&B eigentlich keine achtzig Minuten durchhält und
vor allem im dritten Akt gänzlich erschöpft, wenn den Charakteren
noch nicht mal eine Art Entwicklung widerfährt. Das wiederum würde
sich aber auch gegen den anarchischen Geist des Duos richten, von
daher könnte man hier von Konsequenz sprechen. Letzten Endes bringt
es aber vielleicht doch mehr, sich einfach je nach Belieben mehrere
Folgen der MTV-Show anzuschauen und den Witz der brachialen
Adoleszenz in Portionen einzunehmen.
Noch weit naiver gab sich sodann
das Abenteuer Schulde in Joel Silbergs „Lambada - Heiß und
gefährlich“, einer Sozialstudie nach dem Format von Silbergs
eigenem „Breakin'“ und daher durchaus in einer Parallelwelt der
frühen neunziger Jahre angesetzt, in welcher sich die
unterprivilegierten Gruppen des modernen Amerikas im
Neon-Schützengraben des Clubs No Man's Land treffen und die
Polizeikarren von der Decke sowie obskure Ohrringe hängen lassen,
während sie den titelgebenden verbotenen Tanz, Salsa und Hip-Hop
abhotten. Zwischen diesen Welten macht sich Kevin Laird, selber aus
einer mexikanischen Familie in den Mittelstand hinein adoptiert,
darin bewährt, Oberwelt und Unterwelt als Lehrer in
Mathematik zu unterrichten. Tagsüber hilft er seinen Schülern also
gewitzt mit Brille und Krawatte auf die Sprünge, nachts tanzt er
sich mit Lederjacke in die von ihm gegründete „Galaxy High“ als
Blade (!) hinein und hofft so, allen seinen Schützlingen eine
Zukunft anbieten zu können. So glatt kann es aber nicht ablaufen,
auch wenn manche Störfaktoren die hüftschwingende Erotik des
Lambadas mit sich bringen. Allen voran Schülerin Sandy entdeckt die
Funktion ihres Lehrers als Daywalker und fängt umso mehr an, von ihm
zu schwärmen, was ihm so gar nicht in den Kram passen mag und mit
der Eifersucht ihres Ex Dean einige Eskalationen aufkommen lässt.
Ramon (Shabba-Doo aus „Breakin'“), Nebenbuhler auf der
Tanzfläche, gibt sich ebenso störrisch, obgleich Blade auch an sein
Potenzial zum Großartigen glaubt. Die Konflikte zwischen Sehnsucht,
dem Glauben an das Gute und mehreren Widerständen der Gesellschaft
bringen da nicht nur querbeet bunte Eindrücke hervor, welche aus der
Sicht eines 10-jährigen entkommen zu sein scheinen, sondern auch
wilde Ausflüge in die Welt der Träume sowie spontane
Musical-Nummern im und außerhalb des Klassenraums. Dazu gesellt sich
eine lehrreiche Probe an Theorien im Billardspiel, welche schließlich
in einem groß aufgezogenen Superquiz im dritten Akt mündet, welches
das Duell um Arm und Reich ins Glück der Chancengleichheit entlässt.
Die Irrungen und Wirrungen der hier wirkenden kindlichen
Gerechtigkeit stemmen sich im Verlauf immer mehr vom Sex des Lambadas
ab, gleichsam macht das Ensemble, allen voran Sandy, eine Wandlung
zur aufrichtigen Moral durch, die bereits früh in Charakteren wie
Big Boss, dem Besitzer vom No Man's Land, auftaucht und dort
mit einer Herzlichkeit ansetzt, wo man es im Milieu allgemein eher
negativ gezeichnet sieht. Das ist sodann auch zwangsläufig mit
Handlungsentwicklungen verbunden, deren Kulturverständnis
überzeichnet und drollig wirkt, abseits dessen ohnehin nonkonform
dem amerikanischen Traum entgegen schaut. So entschieden da jedoch im
Leben gefeiert wird, Körper in ihrem auslassenden Tanz das
Selbstbewusstsein des Individuums anfeuern, mathematische Formeln
beigebracht werden und Pepsi an jeder Ecke steht, möchte man fast
hoffen, dass sich das Dasein der Menschheit wirklich mal was davon
abschaut.
Ein eher fehlgeleitetes Vorbild für den Kapitalismus (nach
der US-amerikanischen Selbstverwirklichung in „Beavis &
Butt-Head“ sowie „Lambada“ die Konsequenz schlechthin)
präsentierte sich sodann in der Ayn-Rand-Verfilmung „Ein Mann
wie Sprengstoff“, doch diesen Film von King Vidor hatte ich
bereits an jener
Stelle besprochen, wobei ich an der Meinung von einst nicht wirklich
viel ändern würde. Es wirkt eben noch immer irrsinnig, die Relevanz
der künstlerischen Integrität auf Kosten eines Baus für eine
soziale Einrichtung zu extremisieren, über deren Funktion die Stimme
des Erschaffers stehen soll. Da zudem die Einflussnahme des
Kollektivs sowie die Selbstaufgabe im Angesicht des größeren
Nutzens als Zeichen des Faschismus zu stilisieren, präsentiert ein
allzu fragwürdiges als auch widersprüchliches Verständnis von
Demokratie, das in der Dreiecksbeziehung um Howard Roark, dem idealen Mann, wiederum für
ein emotional bizarres Bild der bewussten Unterwerfung sorgt.
Menschlich gesehen liegt da so einiges im Argen, inszenatorisch
fesselt das Melodram der Architektur weiterhin, wenn auch das
ideologisch geladene Drehbuch von Ayn Rand selbst dermaßen
empathiebefreit klotzt, dass man es nicht fassen mag. Wie provokant
soll das erst ausarten, wenn sich Zack Snyder an den Stoff
herantraut? Daraufhin musste jedenfalls erstmal wieder eine Ladung
Menschlichkeit her und da eignete sich Werner Jacobs' „...denn
die Musik und die Liebe in Tirol“ ganz hervorragend zu, welchen
ich schon einmal im Detail hier
besprochen hatte.
Der folgende Sprung zu John Waters' „Pink
Flamingos“ mag da etwas drastisch erscheinen, ergibt aber
ebenso eine klare Linie von „Beavis & Butt-Head“, bis hin zu
„Lambada“ und „Tirol“, wenn sich der krasse Dilettantismus
hier von seiner bewusst schmutzigsten Seite, familiär wie ein Charles-Manson-Klan, zeigt und dabei mit
vollem Selbstbewusstsein in die Schönheit des Amoralischen springt.
Das absurde Amerika reibt sich im und abseits des White Trash
als laute Show auf, die in Haus und Heimat, manchmal auch mit keckem
Don't-give-a-fuck an der frischen Luft, eine schrille
Apokalypse der damaligen Gegenwart entwirft und weiterhin gegen alle
Formen des guten Geschmacks verstößt. Ein Genuss an
Zuschauerüberforderung und anarchischer Theatralik, der dafür auch
gerne ins Pornografische abdriftet, Ei und Huhn zugleich malträtiert,
den Wettbewerb ums Verkommene als Herzenssache der Ambition mit
Spucke, Blei und Sperma aufzeigt. Mit solchen Shocks kennt der Spaß
kein Ende und wird im Amateur-Gestus ohnehin sympathisch
überstrapaziert, hier dürfen die Untiefen der Menschheit bar jeder
aufgezwungener Moral ganz sie selbst sein und sich radikal ins
Bewusstsein ballern. Eine Mitternachtsparty, wie sie nur alle hundert
Jahre zustande kommt - Divines Einladungen sind da weiterhin geltend.
Zum Abschluss jenes Filmabends ging es aber noch ins „Feld der
Träume“ und wie sich da wiederum die Verständigung des
Individuums im großen Gefüge des Americanas äußerte, schlug
nochmals ganz andere Töne an. Solche mystischen Selbstverständnisses
verfolgen nämlich Kevin Costner, der den Anweisungen einer Stimme
aus dem Nichts folgt und im Maisfeld neben seiner Farm ein
Baseball-Spielfeld aufbaut. Die Familie ist seinem Plan gegenüber
schnell aufgeschlossen, sogar dann, wenn die Geister von Shoeless
Joe Jackson und Konsorten zum Spielen raus kommen. Damit fängt
die Reise des Unmöglichen binnen einer Realität aus Hypotheken,
entmenschlichter Wirtschaft und regressiver Bigotterie aber erst an,
so begibt sich unser naiver Held mit Vaterkomplexen auf die Pfade
Richtung Autor Terrence Mann (James Earl Jones), der sich dem
Auffinden uramerikanischer Seelen zunächst widerspenstig, doch dann
sehr gespannt anschließt. Schlussendlich haben sie sodann alle den
Blick offen für die Magie ihrer einheimischen Mythen, dessen hier
abstrakt vorgestelltes Selbstverständnis mit etwas aufgedrückter
Sentimentalität, aber nicht zu leugnenden Reizen ein
gemeinschaftliches Aufbegehren zu Güte, Glück und Seligkeit in der
Fusion von Vergangenheit und Gegenwart verinnerlicht. Da stecken
natürlich auch Bewältigung, nostalgische wie kritische
Betrachtungen der Reagonomics drin und mit der verstrahlten
Kohärenz des Narrativs sind Stimmung und Charakternähe des
Films auch nicht immer vollends zu greifen. Der Schlusspunkt des
Ganzen kommt aber auch universell im Herzen an und macht die
Inkonsistenzen einigermaßen wett, wenn auch der Weg dahin heutzutage
kaum noch von einem derartigen Mainstream-Produkt aufgenommen werden
dürfte (schade drum), aber wer weiß.
Soviel zu den kürzer besprochenen Ereignissen dieser Woche, es folgen die detaillierten Kritiken zum Filmfundus an Empfehlungen:
REMAKE, REMIX, RIP-OFF - (Gesichtet beim dokArt Filmabend #78 im Metropolis Kino Hamburg in Anwesenheit des Regisseurs)
Dass sowas noch möglich ist: Abseits von distanzierender Ironie, High-Speed-Montage und sonstiger aufgesetzter Gefälligkeit befasst sich Cem Kaya adäquat sowie anhand starker Filmförderung mit dem im internationalen Auge als Nische empfundenen Phänomen des türkischen Kinos von einst, das seine Generationen jedoch in vielerlei Hinsicht begegnete, beeinflusste und reflektierte. Es geht in diesem Dokumentarfilm, der zudem ohne Voiceover oder emotionalisierende Tonteppiche auskommt, sodann auch nicht um die Allgemeinplätze eines Spektrums und Mythos billig produzierter Genreschätze, die vom Konsens zum Auslachen freigegeben werden. Stattdessen versteht Kaya die Unmengen an medialen Erzeugnissen eben schlicht als Markenzeichen der inländischen Kultur, deren Entstehung für wahr entgegen der Allgemeinheit funktionierte, jedoch als Ausdruck der Kreation eine stetige Welle an Transformationen erzeugte. Demnach verweigert sich Kayas Film auch einem gängigen Narrativ der Detailaufzählung mit Fazit Richtung Nostalgie oder sonstigem Pathos, das womöglich noch einen Abschluss im Kreislauf des Kreierens suggerieren könnte. Der Titel „Remake, Remix, Rip-Off“ gibt dafür schon eine gute Auskunft ab, die sich auch in der Haltung der Interviewpartner wiederfindet, welche in unaufgeregter Schlichtheit Anekdoten vom eigenen Wirken sowie der Strukturen des heimischen Filmapparates erzählen, der in jenen Tagen verstärkt aus der regionalen Marke Yeşilçam entstammte und als Massenmedium konstant Ware fürs Volk lieferte.
Da macht man sich auch keine falschen Illusionen bezüglich der Unterhaltungsfunktion jener Filme, wohl aber verklären Köpfe wie Çetin İnanç und Kunt Tulgar nicht ihren persönlichen Ansporn (auch zum bloßen Lebenserhalt), genauso wenig die Schwierigkeiten und Frechheiten (u.a. gestohlene Musik und Filmmaterialien, unversichertes Stuntwork), die sich innerhalb dieses wilden Westens des Filmemachens ergaben, auf bestimmte Publikumsgruppen sowie im Verlauf auch stärker auf staatliche Zensur achten mussten. Da wollen sich auch keine Helden des Subversiven im Nachhinein bilden, doch vom Zeitgeist her findet sich ab und an zufälligerweise durchaus einiges an beachtlichem Zündstoff in den Werken ein, wie ohnehin ein Mekka an Inspirationen für eine Filmindustrie gebraucht wurde, die im frischen Wind des Kommerz reichlich ankurbeln wollte, dafür abseits der Fantasie zu bestimmten Vorbildern aber nicht unbedingt das nötige Personal, Know-How, Sorgfalt und Geschmackssicherheit vorweisen konnte. Not macht jedoch erfinderisch und so berichtet der Film auch gerne (teilweise in genialen Bildern der zufälligen Symbole) von wahnwitzigen Improvisationen der Schaffenslust, wobei auch das Risiko darin mit ungeahnten Höhen aufwartet. Das Schnellschuss-Chaos geht dabei aber nicht in Cem Kayas Gestaltung über, so findet er stets natürliche Übergänge zwischen fair vermittelten Sachverhalten, die in geballten wie effektiven Segmenten an Erinnerungen, Archiv- und Anschauungsmaterial eine löbliche Kohärenz finden und den Spaß des Ganzen bewahrheiten, der in seinen Collagen des kollektiven Geschichtendrangs ohnehin liebevoll recherchiert erscheint.
Die Teilnahme an altbewährten Story-Mustern wird zudem übergreifend mit einem knackigen Selbstbewusstsein unterstrichen, das keine Unterschiede zwischen den Genres, E- und U-Kunst sieht (Çetin İnanç und Yilmaz Güney z.B. waren befreundet und aufmerksame Zuschauer füreinander), sondern die grundlegenden menschlichen Essenzen dieser eben auch als Antrieb versteht, aus welcher Kunst & Kommerz überhaupt erst erblühen können. Die Parallelen zum heutigen Kino, an dem noch immer oft und wehleidig Remakes, Topoi und einzelne Filmkategorien von Vornherein lamentiert werden, sind dabei nicht von der Hand zu weisen. Gleichsam ist die Geschichte des Kinos dadurch natürlich auch ein Melodram; eins, das mit gesellschaftlichen Veränderungen, Geschmäckern und neuen privateren Medien sowie Extremen hadert und auch nicht davon verschont bleibt, als Maßnahme der Bevölkerungslenkung von der Obrigkeit kontrolliert, sprich ein Politikum zu werden. Vorbei sind dann allein die Tage des fehlenden Urheberrechts, besonders unter härteren Regimen und dem Wandel zum Neoliberalismus hat es die Unschuld schwer - das Aufrichtig-Kritische darin erst recht. Nicht, dass die Bedingungen vorher unbedingt viel besser waren, Wille und Weg ergeben in jedem Labyrinth noch eine Linie, wenn diese auch stets Lasten und Engpässe zu stemmen hat. Bis in die Gegenwart, nun im Wettbewerb des Fernsehens gelandet, erfordert das Schaffen eine Übermenge an Energie, die gleichsam dem Recycling an Widerständen ausgesetzt ist, wie es dem Ideenmangel der Weltgeschichte eben anheimfällt. Auch das Internet, durch Plattformen wie Youtube als grenzenlose Spielwiese initiiert, geht allmählich diesen Weg der gesetzestreuen Instrumentalisierung von Kommerz und Ideologie entlang.
Es verwundert daher auch nicht, dass Cem Kaya im letzten Akt zwar bittere Bilder der Konsequenz vom Verhältnis Realität-Fiktion zeigt, aber bar jeder Emotionalisierung die Abgeklärtheit dessen verinnerlicht, in welcher die Zukunft mit Anteilen der Vergangenheit voran schreitet, auch wenn das Erbe im Rausch der Zeit irgendwann leider stetig als verschollen gemeldet werden muss. Im Q&A, das Cem Kaya im Anschluss an die Vorstellung hält, berichtet er dann auch von der Neueröffnung eines eben noch im Film abgerissenen Kinos, das sich inzwischen inmitten eines Shopping Centers vorfinden lässt und zumindest noch einzelne Elemente des Originals inne hat. Irgendwo eben auch eine schlechte Kopie, doch mit der Tatsache allein wird der Inhalt dessen noch lange nicht pauschal entwertet. Aus etwas Altem/Bekannten etwas Neues zu machen, ist eine Kunst für sich und bringt Bewunderer hervor, die Regionales, Triviales, Profundes sowie sich selbst und eine Motivation darin wiedererkennen können - in dem Sinne: „Wenn die das können, kann ich es auch schaffen“. Jeder Künstler fängt irgendwo als Amateur an, ohne Einflüsse aus Kultur und Leben wird und wurde bisher auch kein Meisterwerk inspiriert. Deshalb bedient sich Kayas Film für seinen Schlusspunkt auch beim Ende eines „Jagd auf Dillinger“-Remakes von Çetin İnanç, dass den Zoom auf die Betitelung eines Plakats im Films als Meta-Absacker binnen blutiger Schludrigkeit einsetzt. Kurios und bezeichnend zugleich kommt hier die bittersüße Schönheit dieses speziellen kulturellen Wiederkäuens zur Geltung - ein würdevolles Statement für den Reiz eines sorgenlosen Kinos, das seine Freiheit mit Anlauf aus Vorlagen zusammen klaute.
BATMAN V SUPERMAN: DAWN OF JUSTICE - "[...] Eine neue Qualität der Brutalität überschattet das Handeln der Kontrahenten. Ihre Ursprünge verbinden sie aber auch als zwiegespaltene Waisen einer Welt, deren Szenarien Snyder und seine Autoren Chris Terrio und David S. Goyer aus einem Zeitgeist des Terrorismus, Menschenhandels, Kapitalismus und der Korruption schöpfen. Die Drastik, mit der das Politikum an der Fantasie exerziert wird, übertrifft sogar die Gewalt eines Nolan und wird in der ideologisch hantierenden Inszenierung von Nihilismus und Wut gekennzeichnet. [...] Und obgleich sich jene Reflexion allmählich dem Diskurs von Gerechtigkeit und Selbstgerechtigkeit, Macht und Missbrauch nähert, wie sie in der „Dark Knight“-Trilogie ambivalent an der Tagesordnung war, ergänzt sie in diesem Fall noch das Unikat eines anorganischen Epos, das seine Kontroversen brachial verschärft, ehe es sie deeskaliert.
[...] Snyders Frankensteinmonster eines Films, wie ein Bizarro zum eigentlichen Supermanfundus, ist gewiss auch abweisend in seinen Ambitionen, weder als Trivialunterhaltung noch als Prestigeprodukt auf Anhieb (be)greifbar, und mit Stolperschritten in der eigenen Imposanz unterwegs [...] selbst wenn Snyder die Zerstörungsrate und Kollateralschäden auf konzentrierte Portionen zurückschraubt, die Aufregung an seinem Horrorszenario des Comickriegs aber gewiss voller morbider Eindrücke und digitalem Bombast vorführt. [...] Dieses Chaos des anfänglichen Misstrauens, der Boshaftigkeit einzelner Fronten und mühsamer Einigung (erfordert) eine Menge Toleranz für ruppiges Genrekino. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
ROHR FREI! FÜR FAMILIE HOLLOWHEAD - Direkt aus einem Röhrenlabyrinth, wie es selbst in Terry Gilliams „Brazil“ nicht binnen derartiger Finsternis tropfte, treffen wir die Hollowheads, eine Bilderbuchfamilie einer Fantasiewelt, die zwischen Dystopie und Urschleimverstrahlung in einem Alltag unterwegs ist, der uns vertraut, mit seinen absurden Eindrücken aber wie vom anderen Stern scheint. Die Entstehungszeit um 1989 gibt aber den entsprechenden Nährboden für eine hierin gepflanzte Sozialsatire ab, die zeigt, mit welchen Perversitäten der Obrigkeit man sich zufrieden geben kann, wenn die Macht der Gewohnheit zuschlägt. Außerirdische würden über unsere Manieren und Gepflogenheiten wahrscheinlich ebenso verblüfft sein; die Verzerrung der Details ändert hier jedenfalls nichts am universellen Modell des Lebens unter Kapital, Herz und individuellem Ehrgeiz, stets gleich neben dem Abgrund treibend, der hier ohnehin als allgegenwärtige Barriere verselbstständigt sowie als Reiz im Wechselspiel zur Wahrung der Moral wahrgenommen wird. Gleichsam kommen einen die Typen der Familieneinheit bekannt vor, wie sie ein Reagan und andere Ewiggestrige als Ideal empfinden dürften: Die treue Hausfrau Miriam (Nancy Mette) in der Küche; drei Kinder, meist auf dem Sprung zwischen Kreativität, Streichen und Dating; zu guter Letzt der stets grinsende Vater Henry (John Glover), der entgegen seines Potenzials im mickrigen Job aufgehalten wird und sich auch dann nicht beschwert, wenn der Boss Mr. Crabneck (Richard Portnow) ihn beleidigt oder die Frau anpackt.
Regisseur Thomas R. Burman, leider nur dieses eine Mal in jener Funktion tätig und ansonsten in der Make-Up- & SFX-Branche unterwegs, weiß um den sozialen Zwang seines im Mittelstand eingeordneten Ensembles und karikiert es nicht mit zynischem Urteil, als dass er die bescheidene Sehnsucht zum Eigensinn und zur Lebendigkeit in konzentrierter Kulisse empathisiert, dennoch einen tollen Spaß aus der Selbstverständlichkeit hingenommener Absurditäten schöpft. Als stilistische Beihilfen gesellen sich da ein Soundtrack, der Gefälligkeit und seliges Stöhnen in synthetische Samples zerhackt sowie schräge Kameralinsen im Angesicht schleimiger Spezialeffekte, die so enthusiastisch beäugelt werden wie auch Unmengen an Tentakeln nur die Spitze des Eisbergs an Doppeldeutigkeiten preis geben. Das zufriedene Eigenheim gibt sich da aber immerhin auch offen mit seinem verselbstständigten Leck individueller Gelüste, vor allem in den Kids trifft man allzu bekannte Bilder der Jugend an, die in dieser Alternativrealität aber erst die wahre vergnügte Schmierigkeit des Menscheninnersten aufzeigen - allen voran der kleinste, Billy (Matt Shakman), wird da blutrünstig im Kinderzimmer sowie frech gegenüber der Hausordnung, wenn ihn sein Nachbarskumpel Joey dazu verleitet und die verrücktesten Tierchen einschleppt.
Teen-Schwester Cindy (Juliette Lewis) ist da noch etwas unschuldiger auf fesche Jungs und passende Kleider für eine naive Romantik aus, ebenso fetzt sie ab und an flotte Songs und Anziehmontagen weg, doch auch sie mag den Großvater im Keller nicht füttern wollen - eine Aufgabe, die jeder an den anderen abdrückt und genauso unangenehm ausschaut, wie einem der Greis auch irgendwo leid tut, so mitten im Dampf und Rost des Alters bugsiert. Gehört eben alles zum Tagespensum dazu und dem folgt der niedrig budgierte Film sodann binnen eines simplen Narrativs, das für Besorgungen zwischendurch zwar ebenso an der frischen pechschwarzen Luft in einen urigen Arbeiterklasse-Horror schaut, hauptsächlich jedoch die Aufregung vor dem Besuch des Firmenchefs behandelt, dem man ja bloß ein schönes Abendessen kochen will, um vielleicht mal eine Beförderung ansprechen zu dürfen. Jenes sexbesessene Raubtier der Vetternwirtschaft schert sich aber natürlich nicht um seine Untergebenen, sondern möchte sie am liebsten einer nach dem anderen verschlingen, während die Maßregel der Nettigkeit unserer Familie Hollowhead jeden Konflikt auszublenden versucht. Dass diese Beengung der Werte sodann ihre gewalttätigen Folgen hat, wirkt beinahe schon wie aus einem Grimm'schen Märchen inklusive Hardgore-Effekten.
Die Bewältigung der Familie, über ihren Horizont hinaus zu blicken, geht sogar beinahe zu Herzen, wenn Regisseur und Ko-Autor Burman denn nicht noch sicher stellen würde, dass der Kompromiss von Karriere und familiärer/moralischer Selbsterhaltung auch ein bitteres Licht auf die gutmeinenden Hollowheads wirft, die eigentlich mehr dunkle Geheimnisse als zuvor um sich bilden. Die Erzählung dieser Konsequenz ist dabei wie der gesamte Film an sich gemäß seines Produktionsumgangs nicht vollends mit Vollgas dabei - ohnehin gibt er sich im Verlauf auch ziemlich eindeutig, inwiefern er seinen Subtext an die Oberfläche zieht. Was ihm auch an geballter Schlagkraft mangelt, macht er jedoch mit einer netten Ladung Herzblut wieder wett, die sich in den surrealen Dekors wie auch im zentralen Schlagabtausch der Umgangsformen zwischen dem angepassten Ekel und dem destruktiven Ekel von oben herab widerspiegelt. Diese „schrecklich nette Familie“ wühlt als Symptom einer gescheiterten Gesellschaft eben auch im Schleim (oder der Schleimerei) der Masse herum und obwohl sie innerhalb des Schreckens der Angepasstheit mustergültig aufzugehen versucht, macht es ihre neuen Mutationen der konservativen Konzepte, jedenfalls bis zu einem gewissen Punkt, umso liebenswerter.
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