Neue Woche, neues Glück. Richtung
April war die Ausbeute in dem Sinne vielleicht nicht ganz so
beachtlich, mal abgesehen von den Kinobesuchen, zu denen demnächst
noch Texte folgen werden (es handelt sich um „The Whispering Star“
und „Wild“, soviel schon mal als Vorschau), doch über manche
will ich trotzdem das ein oder andere Wort verlieren. Vorerst aber
möchte ich auf meine Hauptarbeit der Woche hinweisen, in welche ich
rund 9500 Wörter/13-DIN-A4-Seiten investiert und dank praktischer
Aufnahmetechnik ins Audiowiedergabeformat gewandelt habe. Es handelt
sich dabei um eine hoffentlich unterhaltsame
Batman-gegen-Superman-Geschichte, bei der ich mir so einiges an Spaß
mit etablierten Charakteren erlaubt habe - Dramatische Vorlesung
meinerseits und schnieke Musikuntermalung inklusive. Wer 70 Minuten
Zeit hat und/oder was zum Nebenbeihören braucht, kann sich also
gerne mit der DC-Show begnügen - ich bin stets gespannt, wie es
ankommt.
Zurück vom kreativen Schreiben lässt sich sodann erneut feststellen, dass ich nicht sehr oft aus dem Haus gehe. Zumindest am Freitag ging es wieder in die Bücherhalle und dort habe ich mir erneut zehn Filme ausgeliehen, die in den nächsten Wochen bestimmt an dieser Stelle Erwähnung finden. Gute Freunde, Milchkaffee und Bockwurst mit Brot und Senf waren ebenso zugegen. Vom Start der Woche aus hinüber zum Wochenende lassen sich aber noch über folgende Filme berichten:
„Contaminator - Die Mordmaschine aus der Zukunft“ habe ich mir nicht zum ersten Mal einverleibt, doch im Bruno-Mattei-Gesamtwerk hat das in einer Bierbrauerei und ab und an in Venedig gedrehte „Aliens“-Plagiat arge Probleme, einen einvernehmenden Ansporn im Zuschauer zu mobilisieren, so blass sich das Handlungsprozedere durch kaum auseinanderhaltbare Korridore läuft; mit Schablonencharakteren auch nicht mehr macht, als die videotaugliche Action hergibt. Löbliche Ausnahmen sind da ein blonder Surfer-Hühne im Soldatenformat mit Hoschi-Sprüchen sowie die Präsenz von urigen Ungeheuern, die in einem Luigi-Cozzi-Film zur Hauptattraktion erhoben worden wären. Stattdessen bleiben sie vom Narrativ her trotz Bedrohungsfaktor derartig lose im Raum zwischen den Anspielungen auf kaum variierte Vorbilder hängen, dass schließlich noch ein Terminator auftaucht und es bei aller wunderlicher Idiosynkrasie dennoch ebenso schwer hat, in der beliebigen Bilder- & Handlungssuppe hervorzustechen. Eben ein Low-Budget-Abenteuer, das sich aufs Äußerste in seiner Action streckt, ohne eine halbwegs fordernde Grundlage zur Involvierung bereitzustellen. Enttäuschend, selbst für die gewohnten Verhältnisse italienischen Trivialkinos. Lediglich die halbgare Öko-Message weist noch auf die altbekannt tollen Intentionen von Drehbuchautor Claudio Fragasso hin, doch Saft und Kraft sind ihm hier deutlich entglitten.
Etwas besser gestaltete sich sodann das Doppelpacket an Unterwasser-Horror-Thrillern aus dem Jahre 1989, die durchaus im Fahrwasser von „The Abyss“ (ebenso von James Cameron) erschienen. „Leviathan“ und „Deep Star Six“ sind dabei relativ ähnlich geraten und beidesamt Musterbeispiele für sorgfältig konventionelle Drehbucharbeit, besonders inwiefern die jeweiligen Ensembles mit möglichst natürlichen Alltagspersönlichkeiten gezeichnet werden und Motivationen/Zukunftsaussichten im Kontext ihrer Lage darlegen. Beide Filme besitzen auch so ziemlich denselben Schlusspunkt, hinein in die Liebe und weg vom infernalischen Zwang des Kapitalismus, wie dieser binnen der Reagan-Ära Humanes sowie Ethisches gegen Profitabilität einzutauschen versuchte. „Leviathan“ ist da expliziter in seinen Mechanismen der corporate identity verankert sowie in einer aus „Alien“ und „Das Ding aus einer anderen Welt“ zusammengebastelten Plattform an Filmerfahrung. Sean S. Cunninghams „Deep Star Six“ hat in seiner Vermittlung des Creature-Horrors sodann weniger Lust auf die Darlegung direkter Inspirationsquellen und entwirft eher die Spannung einer unbekannten Katastrophe, die sich zudem eher in den menschlichen Konflikten an Bord widerspiegelt, bei denen das Rücksichtslose mit seinen Impulsen des Vorstoßens immer größere Spalten schürft. Fehlgeleiteter Ehrgeiz bestimmt hier die interne Auseinandersetzung, bei „Leviathan“ wäre man hingegen mit der Rückkehr nach oben schon allgemein zufrieden, doch ein Bündel an schleimig heimtückischen Sci-Fi-Transformationen gilt es als Herausforderung oder eben als Ersatz für Charakterentwicklungen zu bezwingen. Das Misstrauen eines „The Thing“ hält sich da z.B. in Grenzen, eher wirkt ein Troubleshooting unter Kollegen nach, wie es als Gleichnis des Arbeitsalltags unter reißerischem Imperialismus nur allzu eindeutig auf den kleinen Mann im Zuschauersessel zukommen will. Jener Film von George Pan Cosmatos wie auch „Deep Star Six“ kriegen gemessen an ihrem konzentrierten Ensemble aber im Verlauf nicht genügend Luft, um sich abseits ihrer schemenhaften Drehbücher zu bewähren, so wenig auch der Terror des Ausweglosen vom Gefühl her akzentuiert wird, stattdessen ein High-Concept zur Erfüllung seiner selbst im Vordergrund steht. Es bleiben gefällige Abenteuer, welche ihre 90 Minuten praktisch durchhalten, in der Theorie allerdings auch zu lange im Kalkulierbaren herumtreiben, ehe die bekannten Muster vom Wer-stirbt-als-nächstes am Meeresspiegel hochsteigen.
Weiter in ähnlichen Genre-Gefilden
geht es wieder zurück nach Italien, diesmal zu „Alien - Die Saat
des Grauens kehrt zurück“, der sich nicht entschiedener als
Rip-Off ausgeben könnte. Seine archaische Umsetzung birgt aber noch
einige interessante Beobachtungen, die bei einem „Contaminator“
binnen gelangweilter Optiken verlaufen wären. Dabei scheint das
Budget hier noch kleiner ausstaffiert zu sein, so wie sich Cast und
Crew zunächst an Astronauten-Archivmaterial orientieren, bald jedoch
garantiert ohne Drehgenehmigungen Los Angeles einnehmen, also als
Mini-Filmapparat im Geheimen mitten drin ein Figurennetz aufspannen.
Jenes besticht nicht unbedingt durch dramaturgische Spitzen und
Tiefen, eher aber besitzt das Grüppchen an Höhlenforschern eine
kollegiale Leichtfüßigkeit, in die man sich als Zuschauer ebenso
gerne hinein verliert, sobald der Roadtrip in die herzliche
Belanglosigkeit sowie zu den netten Bekanntschaften unterwegs begibt,
die von der Inszenierung gleichsam schludrig abseits von
Deutungsabsichten wirken. Einige Aspekte kündigen dabei aber schon
die kommende Spannung an, obgleich die plumpe Handhabung ebenso mit
einer drolligen Grundnaivität arbeitet, die mit ihren blutigen
Schocks und Mysterien vor allem als jugendliches Gemüt Vergnügen
bereitet. Protagonistin Thelma (Belinda Mayne) zum Beispiel wird von
Visionen und telepathischen Fähigkeiten geplagt, der spärliche
Einsatz dessen bringt sie aber nur bedingt weiter, auch im späteren Kampf
gegen die außerirdische Bedrohung, während sie im Rahmen
der Exploitation auch nackt im Zelt schlafen darf. Zur Ripley gerät
sie da nicht, doch nach dem lässigen Arsenal an Zeitkolorit und
Hörspiel-artigen Hau-Drauf-Dialogen im Berliner Format erhöht sich
das Kinematische am Film durchaus im Betreten der Tropfsteinhöhlen,
in deren Dunkelheit die Lichter unserer Recken wie Sterne fallen und
Ridley Scotts Version vom unbekannten Terrain effektiv emulieren.
Ganz langsam geht es sodann auf die zentralen Gore-Effekte des
außerirdischen Grauens zu und tatsächlich wird da auch schon auf
eine Körperübernahme mit brachialen Entlarvungen hingearbeitet, wie
sie John Carpenter einige Jahre später mit dem „Thing“
perfektionierte. In den Gängen dazwischen bietet sich hingegen
reichlich Leerlauf an, der sich offensichtlich auf legitime
Spielfilmlänge quält, ehe einen seine Pointen des Schreckens wieder mit hervorspringenden Effekten abholen. Deren direkt in die Kamera fliegenden
Charakter sowie die Perspektiven in finstere wie obskure
Steinformationen hinein könnten sich dabei auch als 3D-Variante
mausern, in etwa wie Werner Herzogs „Höhle der vergessenen
Träume“. Abseits dessen ist die Suggestion auswegloser Leere darin
gar nicht mal abzustreiten, insbesondere sobald Thelma in den finalen
Minuten noch durch ein menschenleeres L.A. läuft, obgleich die
Drehumstände frühmorgendlicher Aufnahmen kein großes Geheimnis um
die Erzielung dieses Effekts machen. Ciro Ippolitos & Biagio
Proiettis Film ist eben ein Werk der Sparsamkeit, der Score von Guido
und Maurizio de Angelis spiegelt das Minimale ebenso wieder, und das
macht das Gesamtprodukt sympathisch, inwiefern es sich allzu locker
mit Potenzial und Inhalten durchschlägt. Einiges an Aufwand,
insbesondere in den Effekten, ist da durchaus vorhanden, doch im
Grunde macht es aufstrebenden Filmemachern Mut, mit wenigen
Ressourcen ein schlichtes Werk auf die Beine stellen zu können,
obgleich es mit ein wenig mehr Sorgfalt schönen Boden für Charakterwerte
und Einfälle binnen des Gewöhnlichen aufbieten könnte. Kein Brecher unter
den Rip-Offs, aber noch lange kein Brechmittel, so naiv das Werk
durch simpel definierte Selbstverständlichkeiten wandert.
Den Kurzbericht dieser Woche möchte
ich dann auch mit einem weiteren Vertreter des italienischen Films
abschließen, ebenso meine Einführung in die streitbaren Leistungen von
Regisseur Mario Siciliano, dessen „Der Tag des Söldners“ in den letzten Tagen binnen Schnittberichte.com die Runde
machte und zudem die Rede davon war, dass sich seine vorangegangen
Filme durchaus an Räudigkeit ergänzen. Obgleich ich eigentlich mit
„Häutet sie lebend - Unternehmen Wildgänse“ einsteigen wollte,
kam ich zunächst nur an „Stacco“ von 1977 ran, der als asozialer
Reißer aber schon einen bleibenden Eindruck hinterlässt. Lee van
Cleef ist darin der Protagonist eines zynischen Weltbilds, innerhalb
dessen er nach wenigen Minuten schon von seiner Herzensdame verraten wird
und einem missglückten Rennbahnüberfall zufolge einige Jahre lang im Knast
einsitzen muss. Daraufhin wird er jedoch von einem Hippie-artigen
Mafia-Boss beauftragt, weiter zu töten, was Regisseur Siciliano
in ausgesprochen deftiger Montage schon so zeigt, dass Van Cleef mit
seinem Scharfschützengewehr und Stelvio Ciprianis Grooves jemanden
abknallt, woraufhin ein Flugzeug hochfliegt/landet und sich jene
Wiederholungen der Prozedur für den Zuschauer an beiden Händen abzählen lassen. Der letzte Auftrag gilt
jedoch einem von Van Cleefs alten Freunden und da lässt er von ab, weil ein
Altherren-Ehrgefühl äußerst männlicher Schule noch in seinem
Nihilismus vergangener Jahre überlebt hat. Doch die neue Generation
an Killern, sprich Robert Widmark aka „ein blondes Arschloch“,
ballert alles und jeden mit fiesem Grinsen ab, weshalb auch Van Cleef
allmählich grundlos ins Kreuzfeuer der Auftraggeber gerät. Seinen
Widersacher spielt er dabei immer wieder clever und kaltschnäuzig aus,
doch die Konsequenzen der Anarchie türmen sich ebenso im
Wechselspiel der europäischen Arschloch-Haltung. Sleaze ist dabei
das Streckenpferd von Sicilianos Thriller, also lässt er die
Angelegenheit in finster spekulierte Milieus münden, welche ihren
frühen Höhepunkt in einer Transvestiten-Bar finden, wo Van Cleef
noch abgeklärt Aufträge empfängt, seinen Verfolger Widmark aber in
eine Hütte schmeißt, in welcher dieser sodann von den Männern in
Frauenkleidern vergewaltigt und angeschlitzt werden soll. Die
Konfrontation dessen fällt dementsprechend grenzwertig aus und wird
symptomatisch für dieses dirty picture, bei dem sich die inhärente
Coolness im Charakterdarsteller Van Cleef allmählich auch mehr mit
ruppigen Impulsen in die Hässlichkeit bugsiert. Schließlich erfolgt
dann auch die Begegnung mit seiner alten Flamme, die ihn einst aufs
Kreuz legte und sich nun noch weniger an emotionale Bindungen denn an
den Opportunismus des Überlebens hält. Wahre Freundschaft gibt es
da für Van Cleef nur noch bei Ausweisfälscher, Vogelliebhaber,
Barbesitzer und Kriegskamerad Benny (John Ireland), der aber ebenso
vom gnadenlosen Widmark der Zerstörung überlassen wird. Um Van
Cleef herum können sich nur Leichen versammeln, auch wenn er als
Marmorstatue der Y-Chromosome unverhofft Diana Polakov (aus
„Supersonic Man“) anlockt und zumindest eine gewisse Hoffnung im
Hedonismus anklingen lässt, obgleich Siciliano diese selige Naivität
an Freiheit und Lust bald ebenso unter heißer Sonne absterben lässt.
Der Krimi-Plot drum herum befähigt sich dann auch eher schleppender
Groschenroman-Dramaturgie um Verrat, Zwietracht und Mordkomplotten,
ehe die Konsequenz des Ganzen nochmals mit desillusionierter Wut
Kugeln hageln lässt sowie mit Easy-Listening globales Übel
hinnimmt. Ein Räudenfilm, wie er im Buche steht - ich bin gespannt,
wie weit es Siciliano noch trieb.
Bis dahin sind die Nebenerscheinungen
der Woche somit abgedeckt, im Folgenden kommen sodann vier Werke zu
Wort, die ich grundsätzlich und formvollendet besprochen zur
Sichtung empfehlen möchte. Nach den ganzen Alien-Rip-Offs und
Italo-Reißern geht es nämlich übergreifend ums Coming-of-Age sowie
um Querelen/Gleichnissen menschlichen Miteinanders in:
HÄSCHEN IN DER GRUBE - (Gesichtet im Rahmen des BIZARRE CINEMAS im Metropolis Kino Hamburg, 35mm, besonders rotstichig)
„Unmoralische Auswüchse zu vergeben!“ Roger Fritz erzählt von der Perversion der Unschuld, die von ihrer Korrumpierung binnen jugendlicher Naivität zunächst nichts wirklich zu wissen scheint. Leslie (Helga Anders) ist in dem Sinne auch keine Lolita, sprich eine bewusste Spielerin der Verführung, sondern ein Kind auf dem Pfad zur Adoleszenz, dessen oberflächliches Erwachsensein von der Außenwelt sexualisiert und ausgenutzt wird. Schon früh gibt ihr Stiefvater Maurice (Anthony Steel) dem Zuschauer eben solche Anzeichen der Zuneigung durch, welche Mutter Francine (Françoise Prévost) mit subtilem Frust zu übersehen scheint. Regisseur Fritz setzt dabei aber nicht auf einen expliziten Reißer zum Sachverhalt, dafür ist er grundsätzlich eher dem Zeitgeist zugetan, welcher mit der Hippie-Welle ein neues Verhältnis zu Liebe, Natur und Sozialstatus probierte, ohne jedoch die Moral des Einzelnen entwerten zu wollen. Den Idealen der Ära entsprechend bewegt sich die inszenatorische Beobachtung also zunächst ebenso drollig durchs sonnige Italien, in Zufriedenheit der Bevölkerung entlang, ob nun an der Gemüsehändlerin oder lachenden Kindern vorbei, hinein ins Engagement der Kunst, Oper und Ballett. Sobald Leslie jedoch von jenen durch ihre Eltern entschiedenen Pfade abdriftet, bricht Fritz seine Suggestionen stetig mehr in Eindeutigkeiten auf.
Seine Gestaltung konzentriert sich da zunächst vor allem auf den Sound, der im Intro bereits Autogeräusche durch merkwürdiges Surren ersetzt und die Ungewissheit mit Uli Rövers träumerischer Musik umso stärker fördert. So ist Leslies Spaß im Umgang mit ihrer Umwelt und den Avancen des jungen Kommunen-Schönlings Brian (Ray Lovelock), inklusive kleinem Karnickel im Korb, zwar hervorstechend für eine sinnliche Aura der Gemütlichkeit und Freiheit – die gleichsam stechend kontrollierenden Augen von Maurice halten die Laune jedoch an der Leine. Was zunächst als väterliche Fürsorge nach konservativem Format ausschaut, äußert sich allmählich als drakonischer Missbrauch, der im Verlauf auch zur Kritik an der heuchlerischen Fassade der höheren Gesellschaft beiträgt, so wie diese in ihrer Ideologie die Unterwerfung verlangt, um sich dem Eigennutz hingeben zu können. Die politische Ader von Fritz spricht da durchaus entschiedene Töne, statt Didaktik lässt sie aber eindringliche Bilder und Charakternähe vorantreiben, wenn die Kontrolle des Mannes über der Weiblichkeit wie schon bei „Mädchen: Mit Gewalt“ zum Diskurs steht. Diese trifft sowohl auf Maurice als auch auf Brian zu, obgleich letzterer natürlich eher vom Frust der forcierten Verweigerung her energisch ausartet, während Maurice stets den Willen seiner Tochter maßregelt und gleichsam ihre Mutter mit der Einwilligung dazu emotional erpresst, da er diese sonst verlassen würde. Von Francine wird da also ein Kompromiss eingegangen, der ihre gesellschaftlichen Vorteile inklusive Butler beibehält, ihre Moral jedoch bis zum Äußersten verzerrt, solange sie (schon viel zu lange) die Schmierigkeiten ihres Ehegatten duldet. Da muss sich was ändern!
Wider besseren Wissens macht auch Leslie noch das Spiel des Altbewährten mit, doch mit der Aussicht auf neue Perspektiven und Reaktionen erhält ihr Charakter subtile Signale zur Wandlung, die Fritz innerhalb der glühend schönen Sonne mit durchgängiger Natürlichkeit der Hormone einbaut. Das Drama kommt hier also nicht mit Anlauf auf einen zu, Fritz' Methodik geht aber wie gehabt aufrichtig auf Eskalationen zu, die in kurzer, aber einwirksamer Wucht die Reflexion der Verhältnisse erwirkt - weniger ein Urteil an Einzelpersonen, da diese ohnehin eine Einsicht erfahren. Da bewährt sich Helga Anders zentral genauso stark und verletztlich zwischen Anthony Steel und Ray Lovelock, wie es ihr an Klaus Löwitsch und Arthur Brauss widerfuhr. Hier nimmt sie sich jedoch durchaus ihre Zeit, bis sie sich der Schwere ihrer Lage bewusst werden kann, was aber nun mal an der hier extremisierten Autorität der Erziehung liegt, die ihr Coming-of-Age ausschließlich für sich beanspruchen will und damit fast durchkommt, wenn letztendlich nicht doch noch das menschliche Gewissen zur Selbstbestimmung (auch im Weltgeschehen nebenan) obsiegen würde. Wider der Anpassung, aber hin zur Empathie schafft das „Häschen in der Grube“ also seine dramatische Fesselung mit beachtlicher Leichtigkeit und natürlich einigen zeitbedingten Schrulligkeiten (man beachte auch Ray Lovelocks Songeinlage) sowie einer galanten, teils pointiert drastischen Beobachtung am Zusammenspiel, Höhen und Tiefen von Lokalität, Jugend, Masse und Individuum. Ein weiterer Kandidat zur filmhistorischen Wiederentdeckung.
THE JUNGLE BOOK - "[...] Gewalt gegen Gewalt, das ist natürlich auch hier keine Lösung – oder zumindest erst dann, wenn es darum geht, das funktionell zubereitete Böse zu bezwingen. [...] Berechenbar, wenn auch effektiv, geht die Geschichte vonstatten, die man nun als „Dschungel-Action-Abenteuer“ betiteln könnte, so wie das Tempo vor allem im ersten Akt mehr an einer Parade der Schauwerte als an einer behutsamen Figurenentwicklung gemessen wird. Doch obwohl die in Los Angeles über digitale Mimikry entstandene Dschungelgeschichte ein potenzielles Desaster entsafteter Totkalkulation ergeben könnte, lockert sich das Geschehen zu einer Energie auf, die Jung und Alt gleichermaßen angemessen „frisch“ mit dem alten Stoff bekannt macht. Die Kompetenz Favreaus setzt in der audiovisuellen Ebene vor allem auf kohärente und farbenfrohe Unterhaltung, vielmehr besticht jedoch sein Umgang mit den Darstellern (ob nun mit oder ohne Binärfell), der einen natürlichen Dialog voranstellt, gerne aber auch einige kollegiale oder hippe Floskeln benutzt, den Zuschauer jedenfalls grundsätzlich glaubwürdig im Spiel einnehmen kann. [...] Die Moral von der Geschicht’ bindet sodann auch das Selbstverständnis vielfältiger Kulturen und deren Einflüsse in eine Persönlichkeit, die fernab der Kategorisierung in Spezies einen Frieden finden kann und nicht bloß das Feuer des Hasses schürt. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
UNRUHIGE TÖCHTER - In seiner Gefühlswelt drastisch, wenn auch dramaturgisch konsequent setzt dieser Film von Hansjörg Amon auf einem Pfad zwischen Exploitation und Drama Aspekte der Emanzipation um. Direkt aus dem Jahr 1968 basiert dieses Spiel aus Intrigen und der Schere zwischen freier und fester Liebe binnen Bern auf einem waschechten Kolportageroman aus der „Quick“ von Ilse Collignon, dementsprechend sprunghaft hat man es trotz geradlinigem Narrativ mit einem Episoden-Ensemble an Gehörnten zu tun, welche der freimütigen Susanne auf den Leim gehen. Ihre Jugend ist ihr Kapital zum Vorankommen ihrer Persönlichkeit, im Vergleich dazu werden die konservativen Pfade des Coming-of-Age kontinuierlich ausgehebelt, obgleich Sue in ihrer Abgeklärtheit das nötige Verständnis für jedermann in wirksamen Portionen abliefert. Auch wenn sie ganz frech einen Button mit dem Slogan „J'aime les hommes“ im Klassenzimmer trägt, geniert sie sich auch nicht vor dem gleichen Geschlecht, im Gegenteil. Nur Abenteuer mit Jungs ihres Alters werden bewusst, auch vom Film, ausgeklammert. Der älteren Generation spendiert sie demnach Frische, eben eine Abwechslung, mit der sie laut eigener Aussage aufzeige will, dass es auch anders geht als mit den etablierten Modellen des Lebens. Das Treffen mit einem solchen Freigeist erweckt jedoch erst recht die Sehnsucht in ihren verdrossenen Teilzeitliebhabern, doch einem darin unvermeidlichen Weg in die erneute Bindung verweigert sie sich entschieden, was durchaus zur Tragik der von ihr Verbliebenen führt.
In erster Linie nutzt sie den jugendlichen Leichtsinn darin gewiss zur Förderung der Karriere, sogar hinein ins Filmgeschäft sowie anderen Vorteilen in jener Ausnutzung der versteckten, doch mit Anlauf ausgeführten Amoral ihrer Herrenbekanntschaften. Dass der Film aber natürlich auch aufzuzeigen versucht, wo die Grenzen von Modern und Altbacken liegen, wie angeblich ethisch unvereinbar sie letztlich davon treiben, ist nicht ganz unproblematisch. So erleben wir ihren Lateinlehrer (Jöns Andersson) zunächst als Verteidiger der Ideale, der sich dem liberalen Lehransatz verschreibt und dennoch treu auf seinen Haushalt schwört, bis er Sues Verführung zur Freiheit wahrnimmt und der Hormone wegen selbst im Angesicht der potenziellen Konsequenzen jede Verpflichtung des Lehrkörpers sowie der Ehe über Bord wirft. Den Vollzug zum Geschlechtsverkehr traut er sich nicht zu, damit geht Sue ebenso d'accord und hakt die Sache als Abenteuer ab. Erwin jedoch verliebt sich in sie, was er zu reinforcieren versucht, bis ihm der Skandal in der Beziehung zu Halse steigt und nochmals jede Konsequenz aufgeben lässt. Sue hätte mitgemacht, sie kümmert das öffentliche Bild nicht, sie bleibt so oder so für sich frei und bar jeder Herzensverpflichtung. Die Härte kriegen auch andere Herren zu spüren, die sie simultan um ihre Gunst versammelt, wenn diese sie nun mal als sexuelle Eroberung per Pelzmantel erreichen wollen.
Beim ihr schon länger vertrauten Gönner Pit (Eduard Küber) ist der sexuelle Profit der Beziehung offenbar so einvernehmend abgeklärt, dass er dem Ende dieser kaum hinterher trauert und mit ihrer Entscheidung einverstanden scheint, während einer wie der aufdringliche Regisseur Rex Bingen (Ruedi Walter) - bei dem Pit zudem als Kuppler fungiert hat - seine gehegten Aussichten mit ihr wehmütig in Scherben zerschellen sieht. Die Balance des Einfinden in der Jet Generation hat hier nun mal, einigermaßen im Realismus geerdet, lichte wie dunkle Seiten, die Inszenierung des Ganzen feiert den Sex und beobachtet das Missverständnis an Gefühlen sodann mit ein und demselben musikalischen Leitmotiv von Walter Baumgartner. Die Leichtigkeit dessen unterstreicht mit seinen Orgeln und treibenden Beats anfangs noch das Chillen am See mit Speedboat und die luftigen Autofahrten durchs nächtliche Bern, später akzentuiert es dann noch die Euphorie des Sex und schlussendlich die Reise im Fortschritt eines Individuums, von dessen vermeintliche Liebe sich andere unter Tränen verabschieden müssen. Gleichsam stellt der Film das Gift in solchen heraus, die ihre Missgunst gegenüber dem Fortschritt in Hass und Erpressung münden lassen (siehe den nerdigen Schüler Harry) oder mit puritanischer Enthaltsamkeit über das Schicksal misslicher Lagen zu urteilen glauben, die in ihrer Ideologie nur eine strenge Lösung kennen lernen dürften. Zeitweilige Nutznießer teilen hier in ihrer Doppelmoral ohnehin auch gerne schlechte Noten aus.
Sues sonntägliche Schülerinnenrunde (die Authentizität dessen sei mal dahingestellt) offenbart da einiges, vor allem im Bezug zur Geschichte der Mitschülerin Monika, die zwischen Abtreibung und gekaufter Heirat steht sowie hinsichtlich Ruth, die für Sue schwärmt, auch traumatische Schmerzen aufnimmt und von ihr liebevoll aufgelesen wird, obgleich diese sich nicht viel draus macht. Im Nachhinein versucht sie sie sogar mit einem tendenziell homosexuellen Jungen zu verkuppeln, woran der Film zwar keine grenzwertig naive Lösung letztendlich gefundener Liebe versucht, in seinem Gesellschaftsmodell aber durchaus nicht frei von Plakativität und Klischees vom Merkwürdigen ist. Die Konstruktion um solche Stereotypen unterminiert die Wahrhaftigkeit im Gesamteindruck, mit den Ansätzen der Leichtigkeit im Verständnis von Selbstbestimmung und Sex wird diese Trivialproduktion von Erwin C. Dietrich, auch mithilfe des charmanten Zeitkolorits, aber ebenso gehaltvoll wie auch anhand der Ambivalenz zur Reflexion der Gefühle der Zweisamkeit, an der zudem die Sympathie mit Sue stets zwischen den Stühlen steht. Viele Ideale werden daran kranken, bestätigt oder entgegen der heutigen politischen Korrektheit kritisch hinterfragt - das ideologische Spektrum positioniert sich weder ausschließlich zur verblendeten Fantasie, noch zur spaßbefreiten Verklemmtheit. Ein ziemlich diskutables Wesen, welches dieser Film aus der Mitte ausstrahlt, aber zumindest etwas, was ihn aus dem fix verdaulichen Standard heraushebt.
HIGH-RISE - "[...] Die Perversion des Komplexes folgt der Beibehaltung von Establishment und Arbeiterklasse, selbstverständlich mit geringen Aufstiegschancen, und ist demnach auf Konfrontation aus. [...] Missgunst macht sich breit und verschärft sich selbst in trivialen Treffpunkten wie Kindergeburtstagen und Supermarktbesuchen, bis die Herausforderung, wer die besseren Partys schmeißt, das Übel aller weckt. Die Blindheit vor dem Wesentlichen schafft umso energischer die Abgrenzung von Idealen und Empathie. [...] Solche Sachverhalte fängt Wheatley effektiv in audiovisuellen Collagen ein, die manchmal die übergreifende Bewandtnis des Ganzen und deren Abläufe abstrahieren und mit schwarzem Humor voll verziertem Horror auftrumpfen. Der Style des nahenden Untergangs muss sich manchmal aber mit allzu eindeutigen Phrasen arrangieren, die den Inhalt der zwischenmenschlichen Beziehungen und anderer Subtexte in selbsterfüllender Prophezeiung zusammenfassen. [...] Ben Wheatleys Betrachtung des menschlichen Wahns, die er schon mit „Sightseers“ und „A Field in England“ ansetzte, schafft auch hier [...] die Stärke vom (im filmtauglichen Sinne) kohärenten Aufbau in soziologische Tiefen. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
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