diese Woche hatte sich mir solch ein schickes Angebot an zur Besprechung tauglichen Filmen eröffnet (einige wie letztes Mal empfohlen aus dem Bestand des Heimatfilme-Kanals), dass ich kurzzeitig schon das gute alte Mikrofon aus meinem Dschungel an Tisch gefischt hatte, um mein Hirn im Monolog ausleeren lassen zu können. Sodann war im Zeichen aufgenommener Laberei bald schon eine Stunde vergangen und nicht mal die Hälfte der Birne ausgesabbelt, weil ich selbst bei weniger berauschenden Beispielen typisch extensiv ausholen wollte. Kein Limit = kein Ende in Sicht, wie anstrengend muss da erst das Rausschneiden jedes „Äh“ sein? Wenn ich das jedenfalls so bis zum Ende durchgezogen hätte, wären wir hier nach drei Stunden noch immer nicht fertig miteinander und sowieso hätte es mich selber angeödet, wieder auf solch ein verlebtes Format zurückgreifen zu müssen – was man eben immer erst weiß, nachdem es bereits angefangen wurde. Klar habe ich wie jeder andere introvertierte Schüchterling erheblichen Mitteilungsbedarf, aber fest steht: Würde ich jemals wieder die Audioschiene einschlagen, wäre mir ein Dialog weit lieber, zumindest etwas Unterhaltsameres oder Raffenderes als diesen Wendekreis mit der eigenen Stimme, wo es doch ohnehin schon soviel spannender ist, als Zuschauer mit einem Film im inneren wie äußeren Gespräch zu kommunizieren, ganz wie mit den liebsten Mitmenschen. Die haben mir diese Woche ohnehin einige glänzend schöne Stunden beschert, sei es nun das zuhause gefeierte Halloween voller Süßigkeiten, Wodkamischen, Rasierschaum an den Türklinken sowie einer Handvoll schauriger Streifen, der in längere Gespräche vertiefte Besuch unter Freunden oder eben die bis in die frühen Morgenstunden fetzende Geburtstagsparty mit Orions Buch der „1000 Sexwitze“ in der Runde. Wie sich gerade dann noch das Rückenmark der Filmbesprechung auf wöchentlicher Basis in Blogform umsetzen lässt, ist für mich jedes Mal ein neues Rätsel, aber zu dieser Ausgabe habe ich erneut ein glänzendes Mantra gefunden: Ich werfe Euch einfach ins kalte Wasser und wir schauen gemeinsam, was uns verrückten Klöpsen alles noch passieren wird, dieses Mal wirklich etwas kürzer und bündiger auf den Punkt gebracht! Nach dem 8. November wird es uns alle eh nicht mehr geben, also auf in die Schlacht:
In Chris Columbus' Märchen „Heartbreak
Hotel“ besucht ein gar nicht mal so fetter Elvis (David Keith)
um 1972 herum jenes Etablissement, um aller Leben via magischer
Selbstverständlichkeit zu verbessern. Die Sache hat nur mehrere
Haken: Er wurde vom semi-rebellischen Johnny (Charlie Schlatter)
gekidnappt, welcher mit seinen Konflikten wiederum eher in den
Jugendfilm-Konsens der 80er passt. Dieser schwärmt dem Teen-Dasein
wegen für eine kaum charakterisierte Dana Barron, trägt rauchige
Stimme und Lethal-Weapon-Frise auf, kommt wegen seiner
Garagenband à la „Zurück in die Zukunft“ nicht bei der
Jury des Talentwettbewerbs an, identifiziert sich mit Alice Cooper,
klingt aber nach Rick Springfield, wenn dieser wiederum Springsteen
emulieren würde (diese Lyrics...aiaiai, „Die Nacht der
Abenteuer“ lässt grüßen). Der Bezug zum King passiert
jedoch über die ihn (plus Schwester Pam) alleinerziehende Mutter
Marie (Tuesday Weld, menschlicher inszeniert als der Rest), der er
einer Freude machen will, nachdem der neue Beau (Chris Mulkey) blaue
Veilchen inklusive Karrentotalschaden ausgeteilt hat und dafür
später auch mehrmals auf die Nase kriegt. Johnnys Plan sucht daher
im Strudel rahmenbildender Klischees ebenso die Verbindung zu Elvis'
Mutter, die er anhand einer ortsbekannten Frittenoma rekreiert und
somit an den Aberglauben des Rockurgesteins appelliert, ehe er mit
seinen Kumpels das Chloroform auspackt. Nach einigen authentischen
Konzerteinlagen hat der Film allerdings durchaus Probleme, nicht nur
deren Esprit nachzukommen, sondern auch noch einen Spannungsbogen aus
jener Entführung der Sentimentalität wegen zu schaffen, schließlich
ist Elvis so idealisiert, dass er es kaum erwarten zu können
scheint, seinen Widerwillen abzulegen und alles tun zu wollen, um das
Leben im Heartbreak Hotel aufzupimpen. Dramaturgisch geht das
dann auch nur so weit, dass Johnny zwei Minuten lang wütend ist,
weil sein Zimmer wie alles am Haus in ein
Neon-Leopardenfell-Graceland verwandelt wird, ehe er sich
wieder mit dem King versöhnt, weil Wunscherfüllung vor
Charakterbildung an erster Stelle steht – sogar das Ende von „E.T.“
wird 1:1 übernommen, nachdem sich die Muttersöhnchen croonend
einig werden, aus welchem gleichen Holz sie geschnitzt sind. Durchaus kurios und ulkig, dieses Tohuwabohu mit der Mythologie der rockenden Americana. Das
ergibt durchaus noch ein Bündel niedlichen Eskapismus, in dem der
empathische Zuckerguss gratis sowie aus reiner Nächstenliebe
ausgeteilt wird und behauptet, wieder cool zu sein, doch den
menschlichen Kern hinter der Magie der Nostalgie sucht man lieber bei
„Peggy
Sue“.
Larry Cohen ist dann immer am besten,
wenn er die unscheinbare Satire ins High-Concept einfließen
lässt, selbst wenn dieses als B-Movie-Attraktion
an sich den puren Horror fürs Drive-In verspricht - vom durch
und durch offensichtlichen „The Stuff“ ist jetzt
ausnahmsweise trotzdem nicht die Rede, sondern von „Die Wiege
des Bösen“. Ein gutes Stück subversiver nämlich lässt er in
diesem Elternschaftsschocker anno 1974 Gefühle von Vietnam in die
Heimat einkehren, speziell eben die zu Heimkehrern, sprich den
eigenen Söhnen, die wie später auch „Rambo“ ihrer
nationalen Taten wegen verstoßen wurden. Explizit
spritzt jeder direkten Nennung dessen entgehend mehr Blut und
(Mutter-)Milch zugleich heraus, doch die Entsprechung jenes Traumas
schwebt durchweg über dem charakterlichen Pfad der Familie Davies
(John P. Ryan und Sharon Farrell), nachdem das Neugeborene ab
Entbindung als wahllos reißendes Monstrum tötet und gejagt wird.
Der Medienrummel drum herum zerfleischt allerdings erst recht den
psychischen Körper der Eheleute, die in der Belastung auferlegter
Schuld und Gerüchte dem Kind abschwören, es zum Abschuss sowie zu
weiterführenden Forschungen abgeben wollen, die innere Nabelschnur
eigentlich aber nimmer abtrennen können. Ein Kommentar zum Diskurs
der Abtreibung steckt da durchaus ebenso mit drin, ohnehin wie
stigmatisch das zeitgenössische (= ewige) Gesellschaftsbild mit
Betroffenen umgeht, diese ausschließt und erst in der Ausrottung des
menschlichen Versagens wieder involviert, während die humanistischen
Züge von Liebe und Zusammenhalt immer abstrakter an ihren sicher
geglaubten Daseinsmodellen vorbeileben. Die Wahrheit vor dem älteren
Sohnemann wird da genauso energisch verklärt wie Vater Frank auch
völlig apathisch auf die Verzweiflung seiner Frau Lenore reagiert,
an seinem Arbeitsplatz der Werbe-/Image(!)-Agentur ebenso befremdlich
ums Thema herumgefloskelt wird. Angst, Scham und
Verantwortungsgefühle zugleich reißen sich wie Bernard Herrmanns
Musik um die innere Fügung der Familie nach außen, wenn sie im
Intimen stets an den dunklen Korridoren ihrer Ideale
vorbeikommen, während unschuldige Hälse bei Tageslicht in der
Innenstadt aufgekratzt werden. Exploitation (per spartanischer
Kamera mit Weitwinkel) nimmt da trotz effektiver Genre-Kohärenz
letzten Endes jedoch die kleinere Gewichtung ein, wenn das Bekenntnis
zum Kind als Zwiespalt zwischen dem Eigenen und der Gesellschaft
fungiert, John P. Ryan selbst für die krudeste Babypuppe
aufrichtiges Bewusstsein vermitteln kann und vom Film auch nicht als
Ironie empfunden werden muss, höchstens als Dreh- und Angelpunkt
grausamer Zwischenmenschlichkeiten.
Tim Burton versucht sich mit der Reise
auf „Die Insel der besonderen Kinder“ teils allzu
pflichterfüllend ans Kontemporäre des von ihm mitbegründeten
Superheldengenres anzunähern, obgleich die Romanverfilmung nach
Ransom Riggs als solche noch reichlich Boden für die markanten Topoi
des „Beetlejuice“-Regisseurs hergibt. Beispiele gefällig?
Beliebte Motive wie wild entkoppelte Augäpfel, verständnislose
Väter mit Ornithologen- und Autorenambition zugleich sowie der Halt
zum älteren Mentor und dessen Geschichten sind gleichsam
verbindliche Faktoren für den Außenseiter-Protagonisten Jacob (Asa
Butterfield), welcher fortan zwischen den Dimensionen von Leben und
Tod, Zeit und Raum unterwegs sein wird, um Herzensdame sowie
Seelenverwandte eben dort anzutreffen. Angenehm unaufgeregt und doch
verzweigt wird sich da zu Beginn noch der Anweisung seiner
Psychotherapeutin (Allison Janney) nach auf die Spur gemacht, welch
Wahrheit in den Sagen des Opas (Terence Stamp) Richtung Wales lauert,
welch honkige Spitznamen die Hip-Hop-Atzen der Inseljugend so tragen,
genauso wann Burton endlich die entsättigten Farbfilter ablegt. Die
Auflösung folgt mit Dank in Miss Peregrines (Eva Green) Heim für
oben genannte Kids, welche mit ihren Fähigkeiten milde bis herrlich
makaber ausgestattet in einer Zeitschleife verweilen, die ab Ende
jeder Nacht den Bombeneinschlag der Nazis zurücksetzt und alle
pünktlichen Pflichten, wie die Instandhaltung der Grasskulpturen aus
„Edward
mit den Scherenhänden“,
forever young einüben lässt. Burton fühlt sich hier
selbstverständlich ebenso zuhause, lässt in seinem Nimmerland
sodann Stop-Motion frisch bleiben und das Kino der Träume aus
dem Kindskopf heraus projizieren, an dem sich schon bewusst so manch
Plot-Zukunft absehen lässt sowie diese verballhornt. Gleichsam wird
eine phantastische Romantik zum (wie Aghnar der Metabarone)
schwebenden Mädel Emma (Ella Purnell) erhofft, die nicht ohne
Zwischentöne des Horrors ausbleibt, so wie in Jacob gleichsam
unverhofft Besonderes schlummert. Das Narrativ könnte allein
damit wunderbar zurechtkommen, doch der böse Barron (Samuel L.
Jackson) mischt sich mit seinen brutalen Hollows und weiteren
typischen YA-Begrifflichkeiten ein, die Dramaturgie des Auserwählten
zu forcieren, bei dem man sich die Konsens-Werte von Teamwork und
Pläne-Vereiteln nicht undynamischer vorstellen könnte. Die Ausnahme
dazu bildet immerhin ein toller Showdown auf dem Londoner Rummel, der
Euro-Techno auf Zuckerwatte, unsichtbare Monster und reanimierte
Skelette treffen lässt. Burton bleibt seiner Jugend treu, platziert
sie mit Schalk im Zeitgeist und obwohl das Finale dann doch zu
holprig gen Pathos lahmt, ist der Kompass zum Gesamtwerk noch
souverän genug eingepegelt, ehe der Herr in Rente gehen müsste.
Eine österreichische Lolita in Form
von Marisa Mell wird Hans Söhnker in „Wegen Verführung
Minderjähriger“ zum Verhängnis, dementsprechend bietet sich
der um 1960 noch bewährte narrative Rahmen einer Gerichtsverhandlung
an, bei der Rekonstruktion sowie dem moralischen Diskurs um gewisse
Paragraphen auszuhelfen. Jener konventionelle Aufbau zu Hermann
Leitners Sittendrama ist jedoch so schnell abgehakt und später noch
mit eher obligatorischen Expertenmeinungen ausgestattet, dass
verkappte Sexploitation zum Vorschein kommt, angeleitet von
einem empathisch gezeichneten Melodram verbotener Liebe. Die
Sinnlichkeit der Haut hört nicht beim Kopfkino auf, wenn sich die
Dramaturgie an konservative Kreise richtet und trotz aller
aufgezeigter Folgen dann erregt ist, wenn sie das Gelingen der
Jugend- wie Altherrenfantasie um Dr. Stefan Rugge (Söhnker) und der
frühreifen Schülerin Inge (Mell) zeichnet. Sehnsucht zieht eben an,
erst recht in vermeintlich verhaltener Schwarz-Weiß-Optik. Der
romantische Charme am Pauker ist dabei nicht so klar auszumachen, als
dass die Umstände kontinuierlich, mehr oder weniger konstruiert zur
Näherung führen, aber auch anhand individueller Charakteristika den
Puls der Zeit fühlen: Ein beinahe sofortiger Unfalltod ihrer
Eltern, nachdem der gute Rugge Inge adoptiert; ihr engagiertes
Fachwissen gegenüber den Faulpelzen der Klasse; ihre vergangenen
Liebschaften, die sie mit feschen BRAVO-Sprüchen und
Halbstarken-Streichen wieder erlangen wollen; ihr erhoffter Wandel
aus dem ewigen Feiern im Konga-Keller hinauf zur ehrenvollen
Hausfrau (jenes Ziel soll den meisten Mädels hier übrigens zuteil
werden, was bei der dargestellten Gewichtung der Bildung schlicht
absurd klingt). Vor allem bei letzterem kann Rugge nicht anders, als
unterstützend und vorbildlich zu agieren, was ihm eine Zuneigung
beschert, die er im geregelten Familienleben kaum nötig hat (die
bereits 20-jährige Ehe wird oftmals betont), sich aber gerne darauf
einlässt, wenn er dafür ins Jazzkonzert mitkommen kann, welches
einige famose Laufzeitfüller wie „Kokosnüsse, heiße Küsse“
vorfindet. Unvermeidlich werden da das Lästern der Schulkameraden
vom Schlage Stephen Kings, erste Beischlafentsprechungen im
Federballspiel sowie das Brodeln der Gerüchteküche, an der
Rugge-Tochter Karin (Cordula Trantow) schlussendlich die Hysterie
übt. Die Spannungen sind dementsprechend scharf im Dialog des
Zwiespalts unterwegs, allerdings auch mehr kurzweilig denn rührselig
verdichtet, so vergnügt sich die Schatten der Leidenschaft anfetzen,
zwar nicht die Klischees einer Femme Fatale anpacken, die
Unschuld jedoch eher im verschämten Rugge vorfinden, der laut
Rechtsanwalt und Verständnis der Gattin schlicht von der Moderne der
Jugend überrollt wurde. Ein naives Urteil, das zuvor noch eine
ausgewogenere Beobachtung anbot, aber schon schön unterschwellig
als Schnittstelle von Schicksalsmelodram und Report-Film agiert.
Wer sich noch an den Komiker Sinbad
erinnert, verbindet damit wahrscheinlich eher weniger Glanzstunden
des Humors, so wie dieser binnen der 90er familienfreundlich von der
Hood aus die afroamerikanische Kultur formulierte, bis sein
Name allein zu einer Pointe wurde. Einen Höhepunkt des Honk-Faktors
jenes Mannes stellt allerdings „Der Hausfreund“ dar, jene
Verwechslungskomödie von Randall Miller (inzwischen wegen
fahrlässiger Tötung verurteilt), die das endlos nervöse
Improvisations-Talent seines Protagonisten im Angesicht einer
typisch nuklearen Familie beweisen will und dafür selbst binnen 100
Minuten Laufzeit einen neuen Rekord filmischer Hastigkeit
aufzustellen scheint. Nachdem Kevin Franklin (Sinbad) in seinem
Versagerdasein nämlich von über-stereotypischen Schuldeneintreibern
der Mafia mit Namen wie PAUUULY!!! und JOEEEEY!!! gejagt wird, landet
er über mehrere verrückte Zufälle im Haus der Familie Young, deren
ums Bilderbuchimage bemühter Patriarch Gary (Phil Hartman, R.I.P.)
ihn für seinen alten Schulfreund sowie begnadeten Zahnarzt Derek
Bond hält. Eine Prämisse wie geschaffen für ungehaltene
Blödeleien und Engpässe der Erklärungsnot, in der das Einmaleins
aus platten Situationskomiken und reagierenden Visagen keine Gnade
kennt, im Stakkato auf die Lachmuskeln einzuschlagen. Da freut es,
dass jene Methode glänzend hinhaut, da die amüsierenden Ambitionen
ihrem „Simpsons“-Zeitgeist geschuldet unbedarft überhöhte
Klischees des Suburbanen ballen und bewusst mit der Cartoon-Ader des
Ganzen kokettieren (siehe zu Beginn allein die Sounds, die von Kevins
Karre herrühren), was zudem durchweg am gleichsam chargierenden
Sinbad-Hartman-Kontrast festzustellen ist. Permanente Unruhe und
aufgesetzte Zufriedenheit treffen dort im teils experimentellen
High-Speed-Tempo von Schnitt und Spiel zusammen, während die
Erwartungen der jeweiligen Klassen auf den Kopf gestellt werden, die
Snobs jede (natürlich immens) absurde Erklärung des fingieren
Dereks schlucken und er ohnehin als so nett wie hilfreich empfunden
wird, dass er mehr oder weniger freiwillig für die Resolution aller
innerfamiliärer Probleme (u.a. B-Ball-Skills und
Goth-Girl-Depressionen) verantwortlich wird – ausgerechnet einem
Proto-Wigga darf
Sinbad dabei sogar die Meinung geigen. Egal, in welches Schlamassel
er sich hinein wirft und welchen Schergen er wieder entkommen muss,
ohne dass die Youngs es merken: Der Zufall wendet einen surrealen
Vorteil nach dem anderen draus und lässt die Chancen zum
eskapistischen Selbstbewusstsein (= dem bigotten Boss die Meinung
sagen) genauso wenig ungenutzt, wie der Film auch auf keinerlei noch
so beknacktes komödiantisches Kalkül verzichten will. Der Hirnriss
ist vorprogrammiert und gerade in seinem Überschwang enorm
sympathisch, vergnügt albern und manchmal sogar virtuos auf den
Marathonlauf der Hoschis geeicht, um Freundschaft in der Wahrheit
jenseits des Identitäten-Beefs, dafür eher im BBQ der
Clinton-Ära zu finden.
Ab mit der Fähre auf die Färöer-Inseln
heißt es für den jungen Hausarzt Paul (Helmut Griem), voller Ideale
und Unbedarftheit ins Herz heimeliger Dorf- und Kaffgemeinden,
nachdem der letzte Kollege dort den Tod fand. Praxis und Witwe können
gleich mitübernommen werden, meint Begleiter Mikkelsen (Hans
Nielsen) und gibt somit einen stimmigen Einstieg zum
Gesellschaftsporträt, das sich vor brachialer Urteilslust kaum
zügeln mag. „Barbara – Wild wie das Meer“ heißt Frank
Wisbars („Fährmann Maria“) Melodram mit der besonderen
Note Hinterfotzigkeit, wie schon die malerische Natur in karger Kälte
eingedeckt, was den zwischenmenschlichen Umgang angeht, wenn alle
Welt über die Unmoral der zentralen Superfrau schwadroniert und mal
mehr, mal weniger ums moralische Kollektiv besorgt nach Bestätigungen
ihrer Untreue giert. Paul steht noch neutral und keck zwischen den
Gerüchteköchen, schließlich ergibt das Treffen mit besagter
Barbara (Harriet Andersson) aber eine reißende Bekanntschaft, der er
allmählich verfallen wird. Sie gibt ihm trotz des Motivs stetig
wechselnder Tanzpartner den Vorzug vor Schwerenötern wie Cousin
Gabriel (Herbert Fleischmann), der sich erst recht den Mund über sie
zerreißt, wie der Film ohnehin im reißenden Tempo die finstersten
Sprüche binnen der Horrortristesse auffährt, die im nordischen Ambiente der Hütten und tosenden Wellen untereinander vorherrscht. Da ist es
auch nicht weit von versuchter Vergewaltigung, Scheinehe
verkuppelnden Inselvogten sowie haltlosen Saufereien, wenn sich das
Krebsgeschwür des Frusts hinter konservativen Konsens klemmt.
Barbara steht über den Dingen, entpuppt sich dennoch gerissener als
erwartet, bleibt aber dank Auslandsprospekten vor allem in der
Sehnsucht nach draußen definiert. Ab in die große Welt und daher
kaum für einen Mann allein genügsam: Das 1961 im nicht immer
dreidimensionalen Frauenbild ergänzt sich noch gut mit großspurigen
Räudenherren und Herzenstypen im Ensemble, die ihre Triebe
gleichermaßen der Dramaturgie zur Verfügung stellen und sich nach
heißen Tänzen im Beischlaf glaubend von Schafherden überraschen
lassen, sobald Barbara denen die Türe öffnet. Nur Paul gebietet sie
Einlass zur Sinnlichkeit, was nach langem Wandern binnen stürmischer
Natur erreicht und in jeder folgenden Trennung dementsprechend
beschwerlich zurückerlangt wird. Wenn er sie doch nur festhalten
könnte... Manische Eifersucht und purer Hass heben sich schließlich
einen Bruch an den Idealen und das Spektakel des Scheiterns aus
Leidenschaft nimmt seinen Lauf. Kompromiss- und skrupellos wie ein
„Sternsteinhof“
nehmen die Spannungen jetzt vielleicht nicht zu, dafür erregen sich
die Wortgefechte trotzdem kongruent zum Fieber der Herzen, an dem die
Brutalität der Sitten die Selbstzerstörung mit lanciert, daraufhin
zärtlich zerbrochen am Kamin des China-Hauses kauert. Auch der
Mikkelsen gibt sich empört, klopft dem Nachfolger aber gleichsam
dieselben Empfehlungen vom Anfang auf die Schulter. Ein perverses
Spiel der Strukturen mit ihren Gegensätzen.
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