ich möchte Euch hiermit zur 200.
Ausgabe meiner wöchentlichen Tipps einladen! Ganz recht, auch wenn
das vierjährige Jubiläum zum Bestehen des Blogs erst im Januar
vollzogen wird (sogar einige Wochen vor der Amtseinführung von
Präsident...Trump...), möchte ich diesen Meilenstein gerne
festhalten und mich bei Euch allen bedanken, die sich bis hierhin
jeden Sonntag aufs Neue die Zeit zum Anklicken nehmen,
Filmempfehlungen wie Verrisse meinerseits nachlesen, gegebenenfalls
Feedback geben und mich anhand dessen unterstützen, meine
Fähigkeiten weiter auszubauen bzw. zu entdecken. Schließlich gehe
ich nicht davon aus, einen Abschluss im Lernprozess zu erreichen,
zudem sehe ich ohnehin keine Tendenz zur Routine, da es andauernd
Herausforderungen und Transformationen im Schaffen sowie keinerlei
absoluten Wahrheiten zu jedem Sachverhalt gibt – also fetzt es umso
mehr, wenn wir weiterhin gemeinsam in sowie zwischen den Zeilen
unterwegs sind, um stets den Fortschritt zu probieren. Den Erfolg
dessen sehe ich allein darin, wie sich mein Schreibstil und Anspruch
seit Anfang 2013 verändert haben, falls sich diese anhand der ersten
Einträge überhaupt nachweisen lassen, im direkten Vergleich mit
vielerlei Kollegen aus demselben Sektor natürlich so oder so noch
auf Hobby-Level arbeiten dürften. Manchmal kann man Vorteile daraus
schöpfen, schließlich ist das seit jeher nicht meine berufliche
Bestimmung und mehr ein Labor of Love, das sich mitteilen
sowie in erster Linie Film verstehen will. Auch wenn ich externen
Abnehmern manch Textgut anbiete - ohne die lieben Leute von
CEREALITY.NET und DIE
DREI MUSCHELN wäre ich nie so weit gekommen! -, liegt ein
Zwang an dieser Stelle demnach höchstens bei mir selbst, welche
Inhalte Interesse und Besprechungspotenzial erwecken (deshalb die Filmauswahl zum heutigen Male), wie lang ich
die jeweiligen Texte dazu ausführen will/kann und wie einfallsreich
mein Gehirn arbeitet, um die resultierenden Zeilen lesenswert zu
machen. Ein sicheres Konzept ist bis heute nicht zustande gekommen,
was auch daran liegt, dass es bei mir wie bei wahrscheinlich jedem
Autoren eine Schere gibt, inwiefern man sich mit der reellen Stimme
face-to-face oder mit der virtuellen Stimme schwarz-auf-weiß
ausdrückt, wie man einen Film bei Erstsichtung empfindet oder im
Nachhinein durchkaut. Manchmal werde ich deswegen selber nicht das
Gefühl los, dass zwei Menschen einen Witte ausmachen und dessen
Schädel auf beiden Pfaden um Worte ringen lassen. Schwierig, aber
immens wertvoll für die Selbsterkenntnis. Der Blog ist daher einer
meiner größten Motivatoren, das Hirn stets auf potenzielle
Höchstwerte hinzuweisen, auch wenn manch einer die Inhalte
letztendlich für pseudo-intellektuell halten mag. Finde ich legitim,
schließlich habe ich erst als Quereinsteiger wirklich zum Schreiben
gefunden, vieles von bewundernswerten Kollegen emuliert und
autodidaktisch weiterverarbeitet, bis ich zumindest aus eigenem Elan
etwas schreiben konnte, was ich zumindest selber gerne lesen würde.
Deshalb habe ich die Ehrfurcht bis heute nicht abgelegt, möchte aber
zumindest ab diesem Tage stolz darauf sein, auf dieser Plattform
inzwischen 200 Ausgaben inklusive Besprechungen zu bestimmt über
1000 Filmen aus eigener Keyboard-Tätigkeit verzeichnet zu haben.
Feiern möchte ich das wie gehabt mit dem Material, was ihr von mir
erwartet: Filmkritiken! Und die gibt es auch sofort, betone im
Vornherein jedoch gerne noch obligatorisch tagesaktuell, dass die
kommende Ära des binnen dieser Woche gewählten US-Präsidenten eine
mittelschwere Beleidigung für meinen Glauben an Demokratie wie
Menschenrechte darstellt. Aber allmählich muss allen (mich
eingeschlossen) klar sein: Raus aus der Filterbubble, damit
uns weitere böse Überraschungen wie diese erspart bleiben –
insbesondere in einer Gesellschaft, die sich bei „Terror – Ihr
Urteil“ per Mehrheit für Freispruch entscheidet. Apropos,
zurück zum Eskapismus:
Könnte jedermann so drollig sein wie
Hong Sang-soo, hätte dieser Globus tatsächlich eine Chance, bis ins
nächste Jahrhundert zu überleben. Nun gut, Filme wie „In einem
fremden Land“ präsentieren fürs Erste zumindest eine ideelle
Insel an menschlichem Süßstoff, auf die man sich binnen Tagen wie
diesen retten will. Insel wäre dann aber doch der falsche Begriff,
so toll wie sich hier die südkoreanische Küstenstadt Mohang fürs
charakterliche Hin und Her anbietet, dass alle essenziellen
Telefonnummern schon auf den Ortsschildern abgebildet sind. Das lädt
zum Durchwählen ein und englisch beherrscht da offenbar ohnehin fast
jeder, was den Kontakt mit der dreifachen Protagonistin Anne
(Isabelle Huppert) angeht. Ehe der Umstand klar wird, erbaut sich der
Film allerdings noch einen zweiten fiktionalen Rahmen innerhalb
seiner künstlerischen Fassung, sobald die junge Won-joo (Jung Yu-Mi)
mit ihrer Mutter (Youn Yuh-jung) auf der Flucht vor Gläubigern
direkt vor Ort ankommt und dort ein Drehbuch über eben genanntes
Paradies schreibt. Hört der Leser da schon die Worte
„metakontextuelle Selbstreflexion zum Medium Film“ und
deren Arsenal potenziell sperriger Theorie antraben? Ich kann dich
beruhigen, mon ami, bei Hong Sang-soo ist solch Methodik eher
schlicht in der Praxis ihrer selbst präsent, als dass sie dem Ego
wegen zur verkopften Entschlüsselung auffordern muss – ganz so wie
die Präsenz Mohangs an sich selbstverständlich Charakter hat. Zudem
ist unser Autorenfilmer hinter all dem ein Freund der Alltagskomiken
und kommunikativen Verzweigungen, weshalb das Film-im-Film-Prinzip
von seinen Figuren selbst angeeignet scheint, mehr von der
Perspektive Won-joos aus Szenarien entwirft beziehungsweise aus ihrem
Erfahrungskreis die inneren Charakterkonstellationen bildet, Sie
binnen der Wechselwirkung der Ideale sodann selbst auftreten lässt.
Und so trifft man innerhalb ihrer drei Geschichten Variationen und
Dialoge gemeinsamer Themen wie Beziehungen, Affären, Grillkohle,
kaltes Meerwasser, Zelte und vor allem notgeile Regisseure wieder,
die sich allesamt um oben besagte Anne kreisen. Natürlich sind viele
davon trotzdem noch Markenzeichen des Gesamtwerks Hong Sang-soos, der
in dem Konstrukt wie gehabt ohne verkappten Pathos an der
Selbstironie kurbelt und bei dem quasi jeder Film schon aus derselben
Gestaltungsader zwischen Romantik und Selbstentlarvung des
Miteinanders zitiert. Das sind aber natürlich nicht gerade
ausschließlich Mittel zum Zweck, eben eher Projektionsflächen für
Wundertüten der Natürlichkeit, wenn sich die von Huppert
verkörperten Touristinnen aus Frankreich mit der Stadt treffen,
nicht mal diese typische Feelgood-Kulturbegegnung bemühen
müssen sowie ohnehin schon auf verstecktem Liebeskurs mit den sich
um Kopf und Kragen redenden Kerlen vertraut sind.
Im Mikrokosmos ergeben sich daher
reichlich Stimmigkeiten jenseits der Kontinuität, so wie die
menschliche Erfahrung hier mehr oder weniger aus einem Guss kommt,
Fixpunkte wie Ebbe und Flut, Leuchttürme, heimelige Pensionen sowie
Täler ringsum reiteriert und diese (Achtung, das ist entscheidend)
genießt. Wo sich bei derartigen Zyklen sonst gerne mal der Zerfall
interpretieren lässt, wird jenen abgebrühten Dramaturgien hier
stattdessen abgeschworen, der größte Spaß sowie die
kompliziertesten Spannungen meistens allein aus gebrochenem Englisch
geschöpft – Globalisierung, basically. Für Liebe, Manieren
und genuine Kindness müht sich hier jeder gerne einen ab, in
der jeweiligen Muttersprache wird gefeixt, gezankt (siehe die
schwangere Geum-hee, gespielt von Moon So-ri), aber auch der
Schönheit des Ganzen gefrönt, was keiner so gewinnend konzentriert
wie der rote Faden im Rettungsschwimmer (Yoo Jun-Sang). Gleichsam
gewitzt, dusselig, unbeholfen und obercool schafft er im Handumdrehen
Lachsalven aus Abstechern in der Kommunikation, die in ihrer
Spontanität eigentlich am Gewöhnlichsten wiedererkennbar sein
sollten, doch bei einem Hong Sang-soo erst recht lebhaft empfunden
werden, ohne dass sich dessen Stil daran erst aufzwingen muss. Ferner
noch sind andere Verehrer wie Jong-soo (Kwon Hae-hyo) oder Moon-soo
(Moon Sung-keun) abseits der Untreue ja auch keine rein miesen Säcke
- in der zweiten Episode ist Anne zudem die mit dem Ehebruch - und
nehmen sie in Schutz, agieren aber ebenso als Tolpatsche der
Intelligenzija mit Hang zum Narzissmus, welcher selbst seine
Paranoia extra-umständlich inszeniert und doch aufs Dümmste ins
Fettnäpfchen tritt. Ein Klassenkampf findet allerdings nicht
statt und von Geschlechterschelte will der Film auch nichts wissen,
überreicht er Anne doch mit die beste Pointe, wenn sie Schafe
imitiert, denen erst gar nicht einfällt, zurückzumähen – wieder
eine Situation so bekannt wie eh und je, allerdings erst in den
minimalistischen Zooms und Kamerabewegungen zur Großtat des reellen
Humors geformt. Kleinigkeiten machen im hiesigen Dreiergespann
ohnehin alles aus, wenn auch das gegenseitig austauschende Dasein im
Mittelpunkt schon kernig genug am Gemüt schraubt, dementsprechend
standhaft im Fokus bestehen kann, obwohl kaum mal eine Tiefenschärfe
(auch der tollen Umwelt wegen) auszumachen ist. Soviel Transparenz
(plus hochprozentiger Soju) schafft Leichtigkeit en masse,
selbst wenn Anne schlussendlich den Weg ins Unbekannte geht, mit dem
Regenschirm durch die Straßen schlendert, welchen sie vorher auch
schon zufällig synchron mit dem von Won-joo aufgespannt
hatte. Nach jedem Bye ein Hi, ne. Da schließen sich
eben viele Kreise so rund wie der Erdball, hätte dieser vielleicht
mal mehr als solche Inseln der Unschuld parat.
Wenn das Leben einem manchmal zu lang
vorkommt, ist eine kleine Billy-Crystal-Retrospektive binnen
des Heimkinos letztendlich dann doch keine allzu unwahrscheinliche
Wendung. Seit wann hat meiner Einer das Bedürfnis, mich mit dem
Herren zu beschäftigen? Nun, wie so oft war der Mann von der Pike
auf ein Begriff, den man am ehesten per von ihn moderierten
Oscar-Verleihungen auf den Weg mitbekam, wenn man mal von
ikonischeren Ausnahmen wie eine Handvoll „City
Slickers“-TV-Sichtungen sowie den obligatorischen „Harry
und Sally“ absieht. Viele Jahre später kann es aber eben
durchaus passieren, dass unversehens Domino-Steine der Neugier aufs
Haupt niederprasseln, wenn das Schreiberteam hinter „Eine
Wahnsinnsfamilie“ zufällig quasi als Stammautoren fürs Œuvre
Mr. Crystals zuständig scheinen. Innerhalb jener Filme, die sich aus
dieser Konstellation ergeben, findet allerdings eine interessantere,
wenn auch nicht rein positive Entwicklung statt, die dem
Berufskomiker sein Image perfektionieren und gleichzeitig in
befremdliche Beliebigkeiten gleiten ließ. Nun werde ich innerhalb
dieses Blogs nicht den Anspruch erheben wollen, eine vollständige
Reflexion zum Werk genannten Billy Boys anbieten zu können,
stattdessen werde ich spekulativ Verbindungen und Querweise innerhalb
der singulären Erfahrungspunkte aufstellen, aus denen niemand
schlauer werden dürfte – es sei denn natürlich, jemand unter den
Lesern hat zufällig ebenso reges Interesse am brandaktuellen Thema
Billy Crystal. Ich könnte es niemandem verübeln, denn der Komiker
aus russisch-österreichisch-jüdischem Hause ist eben konsistent
exzellent in dem Handwerk, das in letzter Zeit Überstunden machen
muss, um einem die Angst zu nehmen: Humor (bitte übermäßig
dramatisch lesen). Klingt pathetisch?
Nun, dann ist das eine stimmige
Einleitung zu seiner ersten Regiearbeit „Der letzte Komödiant –
Mr. Saturday Night“ (1992),
die wie oben erwähnt in Zusammenarbeit mit Babaloo Mandel und Lowell
Ganz entstand sowie als Biopic-Fiction eines alternden
Late-Night-Comedy-Urgesteins mit jiddischem Background schon
reichlich Auskunft darüber gibt, wie Crystal sein eigenes Wirken
entfernt autobiographisch reflektiert und mit welchen Zutaten jedes
seiner Narrative fortan ausgestattet wurde. Das fängt schon beim
Rollennamen an, Buddy Young. Ich schwöre, man wird selten einen
Charakter seinerseits ohne Spitznamenformat vorfinden, denn warum
Distanz schaffen, wo der kleine Mann seines Rollentypus
ohnehin schon jede Distanz trotz offensive jokes zu vermeiden
versucht? Man bemerke allein in diesem Film, auf welch verlorenen
Posten sein Buddy um die Zukunft in Beruf und Ehe hadert, die
existenzielle Krisis an der Vergangenheit festmacht, nostalgisch auf
Tuchfühlung mit dem Elternhaus bleibt und dementsprechend am
energischsten im Thema Frauen unterwegs sein will. Can a brother
relate? Das komplette Paket bietet speziell der Film noch anhand
seiner Flashback-Struktur, da Buddy zudem den Kontakt zum
eigenen Kind aus vielerlei Gründen nicht aufrechterhalten kann
(siehe auch „Steve
Jobs“), zudem ihm nahe Protegés und Bruder/Manager Stan (David
Paymer) anmault, weil liebevolle Verbindungen in der human
condition so rar scheinen wie der Erfolg jenseits ewiger
Enttäuschungen. Die Umstände sind natürlich der ideelle Nährboden
für Sarkasmus, Galgenhumor, respektlose Pointen und schlicht
beobachtendes Feingefühl fürs Grobschlächtige, sprich ständige
Begleiter in Crystals Wesen, die er an dieser Stelle aber über weite
Passagen ins Lager des Dominanten bugsiert, welcher in objektiver
Perspektive der Mitmenschen Gutes will, einen aber so exploitativ
mitschleppt, solange man im Schlagabtausch zum Anderen Witze schöpfen
kann. Ein Schutzmechanismus vonseiten Buddys flackert da erst recht
auf. Kalauer sind in Crystal Melange aus Selbstkritik und
Selbstinszenierung alles andere als Mangelware, doch jenes innere
Zerwürfnis der Identität spaltet den Film doch irgendwann in
wackelige Perspektiven vom Überleben im Business, die sich im
Schlussschlagloch wiedergutmachender Selbsterkenntnisse mit
Sentimentalität und Rückblicksfrust eindecken müssen, um eine
Zielgerade zu fingieren. Die Ambition zum Gleichgewicht ist es
durchaus wert, ungewisse Zukunft und verpatzte Chancen als
Versagensängste des einsamen Schenkelklopfers zu ballen, doch
hierfür bieten sich viel zu oft lediglich massive Ausformulierungen
im Dialog, Bad-Grandpa-Make-Up sowie Stativaufnahmen als
Aufhänger dessen an, die hoffen lassen, dass Crystal nach seinem
Regiedebüt auch irgendwann mal einen Film in Angriff nehmen würde.
Klingt harsch, hat sich aber zumindest auch so zugetragen.
„Forget Paris“ (1995) heißt
sodann der zweite Streich vom Schlage B.C., virtuoser (wieder mal)
zwischen den Zeiten pendelnd und nicht aufs eigene Milieu beschränkt,
so dass die Bahn frei wird für eine Beziehungskomödie, die alles
tut, um vielleicht auch nur einen Moment lang „Harry und Sally“
zu sein. Der abgeklärten Weitsicht eines Rob Reiners kann er gewiss
nur bedingt nachkommen, so wie sich sein Drehbuch inklusive
Mandel-und-Ganz-Input wie schon im Film zuvor auf manch
Allgemeinplätze pflanzt. Und ach ja, der Rollenname? Mickey Gordon,
jetzt gleicht sich schon die Anzahl der Silben zum Darsteller! Eine
Leidenschaft kommt jedoch addierend ins Spiel, die man ebenso
symptomatisch fürs Gesamtwerk bezeichnen darf: Der Sport! Als ob
Crystal nicht genug amerikanische Traditionen ins Feld führen
könnte, gibt es in diesem Fall Basketball oben drauf und ihn als
Schiedsrichter mitten drin. So ein Kleiner Mann und die Größen
der NBA? Das muss man nicht mal gesehen haben, um den Witz zu
verstehen! Man, ist der ein Kerl vom alten Schlage, so eine stets im
Vornherein mit dem liberalem Hollywood verbundene
Identifikationsfigur und so komisch, wenn er in seiner Wut vier
Zentner wiegt, Jahrtausende des Leidens im jüdischen Volk lakonisch
in First-World-Problems fortsetzt. Nicht falsch verstehen: Ich
lass mich gerne auf charmante Bros ein, doch wie sich sicherlich
schon heraus liest, arbeitet er auch mehr nach bestimmten Zutaten und
Typecastings seiner selbst, was nicht nur innerhalb der 90er
ohnehin Pflicht war für Leinwandwiederkehrer. Interessant wird es
erst, wenn er in Paris per Zufall auf Ellen (Debra Winger) trifft und
Stück für Stück die Liebe anbricht, dass das Happy-End in nächster
Nähe scheint. Binnen der Rahmenhandlung, die sich aus mehreren
Erzählern zur Rekonstruktion der Ereignisse heran traut, wird dann
auch mit diesen Erwartungen gespielt, doch im flotten Tempo weiter
drauf addiert, wenn sich die komplizierten Realitäten einer Ehe in
die Ideale der Individuen mischen. Kompromisse zu finden, ist für
diesen Film sodann mal mehr, mal weniger konstruiert ein Problem,
obgleich Dialoge und Regiedynamik stets geschmeidig umeinander
tänzeln, Klarinetten-Jazz als Surrogat ihrer selbst noch dazu rufen,
wenn sie die Unmöglichkeit/Unbedingtheit von Mann/Frau diskutieren.
Aus welchen Gründen allerdings? Naja, er ist seines Jobs wegen für
längere Zeit weg und das hält sie nicht aus – wenn er sich
wiederum an ihre Wünsche anpasst, ist er allerdings unglücklich.
Jenes Wechselspiel ergibt im komödiantischen Aufwind der
Mandel-Ganz-Manier durchaus eine gut balancierte Partie, natürlich
wie alles an Crystals Methodik zudem ausgerechnet von den
Erinnerungen ans Glück in Paris gequält, dem keiner gerecht werden
kann. Interessanterweise wird sich das Paar später entschließen,
sich mit Blick voraus davon abzulösen, doch merkt es der Leser
schon? Das klassische Happy-End ist gleich unter mehreren Paaren
ausgebrochen, alle Kreise schließen sich. Billy, man muss ihn
einfach lieben, aber der geschulte Blick muss langsam damit klar
kommen, dass das konservativere Americana ein festerer
Bestandteil des Multitalents ist, als ich zuvor vermutete. Ja,
zwanzig Jahre alte Filme sind nicht auf Zeitlosigkeit abonniert und
als Vorschau darf ich auch verraten, dass der spätere Crystal
zumindest die Annäherung auf neue Jahrzehnte versuchte (alter
rustikaler/armseliger Mann als Fish-out-of-Water = witzig!),
aber wie bei seinem Buddy Young hatte man schon Ende der 90er den
Eindruck, dass er aus der Zeit gefallen wäre.
Das lässt sich vielleicht an seinem
Status als mehrfacher Oscar-Moderator feststellen, aber wie
daneben ist denn z.B. schon Ivan Reitmans „Ein Vater zuviel“?
Übrigens wieder von Mandel und Ganz geschrieben, allerdings 14 Jahre
nach dem Original „Zwei irre Spaßvögel“ (1983)
neuverfilmt, wirkt die Prämisse allein zu hanebüchen für die
billigsten Witze (Nastassja Kinski lügt Crystal und Robin Williams
vor, sie wären jeweils der Vater ihres weggelaufenen und um
unglaubliche 5000 Dollar verschuldeten Sohnes, den sie unabhängig
voneinander, dann aber doch zusammen finden sollen), aber noch kurios
genug für eine inzwischen irreparable Zeitkapsel. Mel Gibson in
einem Cameo ist da vielleicht noch so unschuldig zu bewerten wie alle
Schwärmereien zu seiner Person vom Ensemble der „Tiny Toons“
und „Animaniacs!“ aus, doch wenn Robin Williams als
suizidgefährdet, manisch depressiv sowie mit Revolver im Mund
eingeführt wird, versinkt der Film unfreiwillig im Boden. Schlimmer
noch ist die Imitationsroutine, die er sodann am Wohnungsspiegel
vollführt, ob er denn als Abziehbild eines Wiggas, Gurus oder
Hippies besser beim Sohnemann ankommen würde. Man merkt: Der Film
ist so energisch um den Zeitgeist bemüht, dass er sogar „The
Impression That I Get“ von The Mighty Mighty Bosstones
auflädt – mehrmals, wohlgemerkt! Überflüssig zu erwähnen, dass
das Unterfangen sich selbst den Draht zerschneidet. Und wer ist
mitten drin am verzweifelten Anbiedern? Billy Crystal, entgegen aller
Tradition mit dem Namen Jack Lawrence aufgeführt, immerhin mit
langjährigem Sparring Partner der Lacher, Williams, gepaart,
was als Nukleus noch einen tolerablen Roadtrip aus der Sache schlägt,
in allen Belangen aber weiter zurückliegt als das Entstehungsjahr
1997. So ist er ein Anwalt, der zu viel um die Ohren hat, mehrmals
geschieden ist und in der frischen Liebe zu Julia Louis-Dreyfus trotz
ewigem Kinderwunsch mehr als nachlässig wirkt. Der Film kommt da
ganz nach ihm und kann so rein gar nichts mit ihr anfangen, wie
dieser auch Frau Kinski als frustrierendes Plot-Vehikel im
Irrationalen verharren lässt, während die Männer die ganze Arbeit
auf sich nehmen müssen, aber auch zu blöd sind, um mit der noch so
beknackten Wahrheit rauszurücken. Die schlimmste Situationskomik ist
doch immer die, wenn beim Gegenüber im Telefongespräch
Missverständnisse zustande kommen, nicht wahr? Ist es dann noch
dümmer, wenn ein Gay-Panic-Gag draus gebastelt wird? Ohne
als SJW dastehen zu wollen, möchte ich das einfach mal bejahen, aber
nicht zu sehr auf die große Waage legen, weil: damals und so, jojo,
inzwischen dürfte sich ja selbst ein Billy Crystal dazu gelockert
haben, nich'? Oh.
Naja, wie dem auch sei, kommt zwischendurch zumindest Jared Harris
vorbei und bedroht den stets flüchtenden Sohnemann mit
Original-Akzent, während Bruce Greenwood als leiblicher Vater
ebenfalls auf der Suche nach diesem irgendwo im mittleren Westen
hängenbleibt, da ein Abschleppwagen das Dixi-Klo mit ihm drin
umgeschmissen hat. Pseudo-Farrelly-Brüder zu sein, ist für 1 Ivan
Reitman 1 Armutszeugnis, aber auch k1e Vollkatastrophe. Selbst wenn
Crystal und Williams im irrealen Konzept herumturnen, ist der Frust
zu echt, um langweilig zu sein und je mehr Kopfnüsse die Spießer
austeilen, desto besser. Aber mit welcher verballerten Soße sich
Mann und Frau an allen Fronten wieder vertragen, hätte sich Crystal
als Regisseur selbst nicht mal erlaubt.
Das überließ er jemandem wie Michael
Lehmann, den ich für gewöhnlich als interessanten Regisseur
besprochen habe, doch bei „My Giant – Zwei auf großem Fuß“
wirkt „Heathers“
ehrlich gesagt wie Lichtjahre entfernt. So blödelig wie bei
„Airheads“ denkt er sich wiederum nicht in seine Prämisse,
doch als ob ein PR-Team ohne jede Filmerfahrung Mr. Crystal vollends
als Produktmarke verkaufen wollte, ist dessen Verkörperung des
erfolglosen, geschiedenen und um eine Bindung mit dem Sohnemann
bemühten Hollywood-Agenten Sammy Kanin so formelhaft ausgefallen,
dass selbst seine schlechteren Witze à la Fips-Asmussen-Niveau
eliminiert scheinen. Klar, der Voiceover mit neurotischer
Schicksalsverdrossenheit und die Klarinetten-Soli schauen noch immer
gen Himmel zum existenzialistischen Schmerz, aber oi vey, der Film
versucht hauptsächlich das Herz zu rühren, familientauglich
moralische Dilemma der gut gemeinten Notlügen und verzweifelten
Versprechungen zu entwerfen. Wie schon zuvor in diesem Kapitel
erwähnt, keine schlechte Angewohnheit an sich, das als Filmemacher
zu wollen, doch ein fataler Fehler lässt die gesamte Maschine defekt
zurück. Das Ding ist, Sammy ist in Rumänien unterwegs, wird vom
verwöhnten Filmstar-Gör entlassen, nach einem Autounfall jedoch von
Max (Gheorghe Muresan der Washington Bullets, New Jersey
Nets und Maryland Nighthawks) gerettet, der mit seinen
2,31 Metern den großen Durchbruch aus der permanenten Geldnot für
die laue Karriere Kanins bedeuten würde. Jener gütige Naivling will
jedoch nur zu seiner alten Flamme Lilliana zurück, was Sammy
insofern ausnutzt, dass er ihn mit nach Amerika zu ihr bringt, wenn
er sich für Filme und weiteres zur Verfügung stellt. Soweit, so
konfliktbeladen. Ehe der Film an sich aber eine genuine Herzlichkeit
an Max erfahren will, steuert er seinen Fokus immer wieder auf Sammy
zurück, dass die Suche nach Lilliana schließlich wortwörtlich
seine Suche zur Ehefrau bedeutet. Der Schlussakkord dazu wäre sogar
fast schon ein Cronenberg'sches Delirium der Identitäten und
Voyeurismen, in dem Kontext allerdings hat der Film einen Hang zum
Ego an sich, als ob man Crystal zur Selbsterkenntnis genauso gut ein
Meta-Gleichnis vom Schlage Magic Negro zur Seite hätte
stellen können, so sehr er auch für die Wünsche seines Freundes
einstehen will und doch allein von der Körpergröße her schon halb
am Riesen vorbei konzipiert ist – soll ja auch ein bisschen
witzig sein. Die unstimmigen Sentimentalitäten werden zu alledem
noch von niemand geringerem als Putin-Staatsbürger
Steven Seagal ergänzt, der sich selbst spielt und wie oben Gibson
schon als guter Tough Guy mit semi-asiatischem Karma
idealisiert wird. Da muss sich „Ein Vater zuviel“
geschlagen geben, da Lehmanns Film immerhin Potenzial zum Verschenken
hat, doch solch ein Lob macht eher mutlos als zufrieden zu stellen.
Nun, da die problematischen
Reibungspunkte ausgearbeitet sind, lässt sich zumindest ein Erfolg
verbuchen, da „Reine Nervensache“ daraufhin aus der Hüfte
weg bessere Zahlen und Lacher bar jeder aufgezwungenen
Sentimentalität für sich einsacken konnte. Der Film von Harold
Ramis schaffte es dabei, erstmals den Kontrast zwischen dem milden
Temperament Crystals und der Mafioso-Rolle Robert De Niros
einzusetzen, was letzterer in folgenden Jahren noch mehrmals zum
halbgaren Einstieg ins Comedy-Fach variieren würde. Hier jedoch geht
die Rechnung noch so weit auf, dass keine typischen Situationskomiken
aufeinander prallender Welten vorherrschen und zudem nicht von
Vornherein verniedlicht werden, wenn sich die Gewalt und
Einschüchterung des Unterweltapparates zur Therapie einberufen
lässt, hin und her pendelt, wie viel Boden sie dem gewaltlosen
Gegenüber zur Problembewältigung preis gibt. Die Pointen sind dann
auch meistens versteckt im Prozedere der Angstzustände wirkend, die
ein Paul Vitti (De Niro) lösen lassen will sowie Dr. Ben Sobel
(Crystal) wiederum um die professionelle Fassung bringen. Das
funktioniert vor allem deswegen, da weder Crystal noch De Niro
wirklich die Idealisierung ihrer Milieus erfahren können, der Film
den Fokus im Schlagabtausch der Gewohnheiten von Positionierungen
frei macht. Klar, Sobel ist ständig um die perfekte Eheschließung
zu seiner Zukünftigen Laura (Lisa Kudrow) bemüht, doch ehe ein
anbiedernder Schmalz draus gerät, schlägt die Rücksichtslosigkeit
Vittis zu, für die sich sein Seelenklempner schnellere Methodiken
überlegen muss und trotz aller Widerstände nicht umhin kommt, dem
Mann helfen zu wollen. Vielleicht eine konstruktivere Variante
von „Was ist mit Bob?“? Gemeinsamkeiten sind ja trotz
konträren Umgangston allmählich zu finden, wenn es um die Rolle der
Väter und das hemmende Gerecht-Werden derer geht, an denen man aber
reellere Bezugspunkte stilisiert als die Spielbergisierung von Mandel
und Ganz jemals imstande zu wäre. Beinahe zeitgleich mit den
„Sopranos“ gestartet, erfordert der Zeitgeist auch einfach
abgeklärtere Handhabung mit dem Status des Kriminellen binnen der
USA, weshalb die Daseins-Schocks Sobels des Öfteren alles auf sich
zukommen lassen und ums Verrecken beruflich zu verarbeiten versuchen,
was umso tollere Früchte trägt, wenn der Mafia-Hüne zur schlichten
Schlussfolgerung in Tränen ausbricht. Die drollige Verletzlichkeit
darin, selbst gegenüber kitschigen Werbespots, macht erst den
Menschen hinter dem Arsenal garstigen Killer-Lingos aus,
gleichwohl ein Hindernis für Sobel, der immer tiefer in die
Machenschaften seines Patienten gerät, moralisch am Scheideweg steht
und dort den Kugeln ausweichen muss. Ramis' Inszenierung verschreibt
sich dann auch eher kernigen Eindrücken mit zackigen Shootouts,
Blutbeuteln und Draufsichten ohne Überzeichnung, die mehr Bedrohung
wie Erdung als für eine Komödie gewohnt zulassen, dennoch engagiert
auf die Steigerung der Absurditäten zusteuern, inwiefern Vitti den
Doc beanspruchen kann. Es kann sich zeitloser behaupten als oben
genannte Beispiele der 90er Jahre, geht im letzten Drittel aber
gleichsam auf eine Erschöpfung der Prämisse zu, die sich zwar
weiterhin von Emotionalisierungen fern hält, auf neutralem Boden
aber auch keine Happy-End-taugliche Heilung inklusive einiger
Klischees auslässt. Das ist aber so oder so um ein Vielfaches besser
als die Fortsetzung „Reine Nervensache 2“, die ungefähr
dasselbe versucht, an der eigenen Existenz jedoch zusehends den Faden
verliert, schwache Einzelmomente im Eiltempo ballt und in beliebigen
Reiterationen der längst erreichten Substanz abflettert. Immerhin
darf Crystal da eine eigene Katharsis im Anger Management
finden, doch die Wege dahin geraten so vage, absurd und ohne Ziel
verworren, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann er wieder zu
alteingesessenen Idealen zurückkehren würde.
Auftritt für „Die Bestimmer –
Kinder haften für ihre Eltern“, ein Andy-Fickman-Film für die
ganze Familie, der um 2012 herum die schleichende Antithese für den
familiär entschiedenen Neoliberalismus politischer Korrektheiten
unter Obama darstellt. Böswillig wird hier nur bedingt auf die
antiautoritäre und pro-tolerante Handhabung der Elternschaft
aktueller Generationen geschaut, doch das altmodische Verständnis
eines Billy Crystals wird die Wogen schon glätten, wenn es vom
Narrativ her heißen soll: Make families great again. Und da
werden wahrlich alle Register gezogen, um die Charakteristika am
Crystal-Konsens so vertraut wie möglich aufzutischen, so wie er als
Baseballmoderator Artie Decker nach Jahren der Treue zum
ortsansässigen Team seiner mangelnden Social-Media-Präsenz
wegen gefeuert wird (!) und kurz vor der seligen Rente mit Ehefrau
Diane (Bette Midler) noch daran nagt, mit Tochter Alice (Marisa
Tomei) und wiederum ihrer Brut ins Reine zu kommen. Durch eine von
vielen aufgesetzten Plot-Konstruktionen geraten allesamt jedoch unter
die Aufsicht des hilflosen Opas, der im Herbst des Lebens nochmal den
Stress der Veränderungen durchmachen muss, gleichzeitig die Bindung
im Zauber der Vergangenheit findet. Berufliches Chaos in der
Verzweiflung des Abgehängten; turbulente Anpassungsschwierigkeiten
mit neuer Technik; High-Stress-Kids mit Violinenunterricht,
Sprachstörungen und geduldet eingebildeten Freunden; Baseballspiele
mit unendlich vielen Strikes sowie ohne Punktanzeige, um ja kein
Konkurrenzdenken zu fördern: Es ist unfassbar, wie hoch der Film
trotz seiner dusseligen Formelhaftigkeit inklusive radikalen
Skateboardszenen und Zuckerbomben mit Ideologie angefüttert ist, was
ihn trotz aller beliebiger Gestaltungsparameter schon wieder
interessant macht, insbesondere wie er die Empathie zur Gegenseite zu
finden versucht. Die verbrüdert sich nicht unerheblich mit der
Freiheitssehnsucht der Eltern auf der Karriereleiter (Kapitalismus
muss sein!) und lässt zudem vielerlei Fehler im Urteilsvermögen
Artie Deckers geschehen, der unter Vorbehalt verspricht, alles unter
einem Hut zu kriegen und doch scheitert, selbst wenn er noch so viele
Zingers (nicht die von KFC) aus dem Ärmel schüttelt. Blut
ist ohnehin dicker als Wasser und sucht daher Kompromisse der
gegenseitigen Ergänzung, Anteilnahme und Verteidigung, weshalb mal
sentimental von ewiger Verbundenheit geschwärmt und mal um die
Verantwortung der Millenials diskutiert wird, wie viel
Behütung und Autorität man durchgehen lassen soll. Alles pendelt
sich mehr oder weniger dennoch ins Konservative ein, so wie es
amerikanische Komödien selten vermeiden können und zur Frage
stellen, ob es einen Unterschied macht, welche festen Regeln
Familienmodelle für sich installieren oder ob sie in ihrer Grundform
so oder so aufs Bewährte angewiesen sind. Dass der Film dafür
einige äußerst ausgelutschte Klischees anwendet und trotz aller
ausformulierter Familienbande wie vom Reißbrett amerikanischer
Ideale wirkt, lässt jedenfalls auf eine möglichst baldige
Dekonstruktion hoffen, doch so wie sich die USA in Kürze vermutlich
gestalten, ist das Gegenteil wohl eher der Fall und Crystal mit
diesem Film voller spezifischer Retro-Topoi seinerseits mitten drin.
Schöner Text zum 200. Posting! Darin finde ich mich doch sehr wieder. Auf die nächsten 200!
AntwortenLöschenDanker dir, mein Lieber :D Die nächsten 200 sind auf jeden Fall in Planung, hihi ;) Liebe Grüße aus Hamburg!
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