Montag, 19. Oktober 2015

Tipps vom 12.10. - 18.10.2015

Zunächst mal gibt es auf CEREALITY.NET nochmal eine Zusammenfassung zur Retrospektive über das Werk von Hans W. Geißendörfer, welche einen schönen Überblick über alle seine Spielfilme sowie seine Serie LOBSTER anbietet:

 
http://www.cereality.net/thema/die-filme-von-hans-w-geissendoerfer-105920




FISH TANK - Eine wunderbar konzentrierte wie ungezwungene Charakterstudie in inszenatorischer Schlichtheit/Angemessenheit, bei der es geradeaus geht, während sich das dramaturgische Konstrukt in beachtlicher Natürlichkeit entwickelt. Was da aber auch an Gefühlen in der Geißelung des Alltags hochkocht; wie sich das fast dokumentarische Erscheinungsbild Realismus vorbehält und doch intensiv beobachtet, ohne auf Affekt abzuzielen; wie die beiläufige Einfuhr von Demütigungen unter die Haut geht und doch ein Familienleben bildet; wie die Sehnsucht im Geheimen schlummert und spürbar im Herzen anwächst, obwohl keine Richtung gen Ende jemals vorhersehbar wird...Da trifft einen das britische Ghetto ohne das Stigma der Betroffenheit, das Jugendliche ohne Prätention und Spekulation, die Liebe ohne Drehbuchphrasen der Etablierung und erst recht der leise Schock, dessen potenzielle Eskalationen an der Unsicherheit des Zuschauers bis zur Überwältigung hochschleichen. Wie stark ein Film dabei einfach ohne die alteingesessenen Konventionen von Film auskommt, muss natürlich nicht der Regelfall sein, aber Andrea Arnold schafft in jener Balance zum Wahrhaftigen eben die charakterliche Vereinnahmung, die ihre ganze Last in Bildern und Darstellern vereint. Nicht jede Verzweiflung und jedes Glück zeigen sich nun mal an der Oberfläche, da hat der "Fish Tank" genau den richtigen Blick für.


 

STEVE JOBS - Es ist schon von Vorteil, dass Danny Boyle diese konzentrierte Dramatisierung von drei historischen Ereignissen im Leben des Steve Jobs übernommen hat. Größer als das Leben selbst ist dessen Image, deshalb erliegt er in der Studie seines Charakters nicht den Zwängen eines bloßen Biopics und erst recht keiner Funktion der Werbung. Hier liegt der Fokus auf dem Wesentlichen, nämlich der Erfahrung "Film" und so kann sich Aaron Sorkins Drehbuch rasante Wortwechsel und geballte Geschehnisse kurz vor entscheidenden Präsentationen erlauben, wie auch Boyles Gestaltung mit einigen inszenatorischen Farben keinen absoluten Realitätsanspruch stellt und sich eher der Beobachtung zum Charakter verpflichtet. Und da ist Michael Fassbender als Übermacht auf Zack, unbarmherzig und praktisch am Werkeln, wie er sich in der Führungsposition des technischen Fortschritts selbst inszeniert und als Arschloch agiert, um voranzutreiben, zwischen Abneigung und Stress Reibung zu erzeugen.


Im Kontrast einer potenziellen Glorifizierung zeigt sich aber die Erdung durch seine Mitmenschen, die ihn ganz einfach als Bewohner dieses Planeten erreichen wollen und das Humane am Genius offen legen könnten, weshalb unweigerlich eine Ambivalenz entsteht, wenn er dies nicht zulassen kann und mit Rationalität am Image festhält. Der Ehrgeiz lässt das Innere bereits von außen hin abprallen, im Schauspiel schafft es Fassbender aber auch, das Innere ohne breite Erklärung stets ersichtlich zu machen, Räume einzunehmen und als "Dirigent" etlicher "Musiker" am Hebel zu bleiben, obgleich eine Reihe an privaten wie beruflichen Engpässen Lösungen von ihm abverlangt. So wird "Steve Jobs" im Verlauf seiner drei Ären auch zu einem Drama, das dessen Verantwortung gegenüber der eigenen Tochter auf die Probe stellt, der er sich nicht stellen kann und per Praktikabilität übertüncht.



Dass alles nur nach seiner Pfeife tanzen soll, ist aber eben auch ein Ding der Unmöglichkeit, manchmal vielleicht schon nötig, aber ebenso ein Spannungsfeld, das sich kontinuierlich damit auseinandergesetzt sieht, irgendwann doch Empathie walten zu lassen, eine Vaterrolle einzunehmen und Fehler einzugestehen. Das fängt Boyle ebenso in einem vielseitigen Spektrum des Stils ein, das sich sowohl dem Enthusiasmus wie auch der Bedrängung im Konflikt zuordnen kann, ohne wie ein Cartoon zu wirken oder im Gegenzug die blanke Wahrheit zu repräsentieren. Vor allem bietet er darin trotz seiner zwei Stunden Laufzeit enorm flinkes Kino der zwischenmenschlichen Reibung, das sowohl die "Larger-than-Life"-Komponente seiner Hauptfigur veräußerlicht, als auch diese hinterfragen lässt. Vielleicht ist er deshalb auch nicht wirklich perfekt, weil er schlicht nicht davon ausgeht, dass Menschen perfekt sein können und dennoch versteht, dass sie danach streben.




COP CAR - "[...] Jenseits der direkten Impulse eines rabenschwarzen modernen Märchens wirkt dabei aber durchweg ein Abbild vom dysfunktionalen Verständnis zu Recht und Ordnung, Anstand und Verstand, Schuld und Unschuld, das im Zeitgeist wie verankert scheint und von Watts nur mit verstörter Ruhe aufgenommen werden kann. Das Kinderspiel zieht nicht umsonst mit naiver Anarchie am Arm des Gesetzes. Letztendlich schlägt letzteres aber alles andere als gerecht zurück und entlässt die Zukunft in eine ungewisse Nacht. Nun drückt „Cop Car“ jedoch nicht so dramatisch, wie es klingen mag. Es geleitet einen stattdessen mit knapp 87 Minuten kompakt durchs Prozedere und setzt als Genrewerk von Front- bis Heckscheibe auf Praktikabilität [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




THE END OF THE TOUR - "[...] Die Krux des geselligen, intellektuellen Diskurses ist allerdings, dass Lipsky seinen Gesprächspartner wegen seiner Einsamkeit auszufragen gedenkt. Er will freundlich die Wahrheit und eine Gemeinsamkeit formen, die über das Berufliche hinausgeht. Ponsoldts Inszenierung grenzt den Erfolg dieses Plans kontinuierlich ein, obwohl zu Beginn kaum Schranken des Vertrauens gesetzt sind. [...] Ihr Roadtrip zeigt sich als charakterfokussierte, gewitzte Observation durch ein Americana on ice und stellt clevere Dialoge in den Raum. Allerdings dürfte die Spannung dessen nur bedingt erkenntnisreicher sein als das Lesen des darauf basierenden Porträts. Gemessen an den Umständen ließ Wallace niemanden an sich heran, den redundanten Hang zur Erklärung erfüllt der Film aber trotzdem unter dem Mantel einer Demut, solange diese durch zwei geteilt wird. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




THE LAST FIVE YEARS - "[...] Die Geschichte ist so einfach, wie sie nachvollziehbar und aufrichtig ist und ein Wechselbad schwieriger Entscheidungen und freudiger Verpflichtungen durch verzweigte Zeitlinien in Erinnerung ruft. LaGravenese hält seine Inszenierung dabei grundsätzlich im Rahmen und gibt sich nicht pompös, um seine Charaktere womöglich zu übertönen [...] Das gelingt mit Esprit und gewissen Kniffen der narrativen Verdichtung, die in ihrer Schlichtheit trotzdem Prätention vermeiden, da sie auf Zweisamkeit eingestellt bleiben. Weil der Film aber auch gewissenhaft seine Vorlage adaptiert und ausgesprochen flott bleibt, hält er manchmal zu kurz inne, um sich eine Pause zu gönnen. Aufgrund dessen spürt man als Zuschauer ebenso eine Erschöpfung, die ohnehin schon längst von der auflösenden Stabilität jener Ehe weiß und diese dramaturgisch nur abwarten kann. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




BLACK MASS - "[...] Die charakterlichen Details des Antihelden und seines Gefolges bleiben oberflächlich (undankbarer ergeht es nur dem weiblichen Ensemble), das Verharren auf dem Prinzip „Based on a true story“ resultiert zudem in einem trockenen Prozedere. Cooper tanzt anhand von Unwesentlichkeiten mit dem Konsens, hat aber einige Asse im Ärmel, die ihn vom bloßen Sidney-Lumet-Abklatsch abhalten [...] Die moralische Richtung hat jedoch einen roten Pfaden – nämlich den Selbstbetrug. Dies lässt nur bedingt Raum zur Identifikation, vermeidet jedoch zumindest die Glorifizierung des Untergrunds, wie es ein Martin Scorsese gerne hält und im Vergleich dennoch besser unterhält. [...] In dieser Erfahrung aber gewinnt am Ende beinahe ausschließlich das Historische, sprich die Grundlage für einen spannenden Stoff, der aber nur stückweise seinen Sinn ausleben darf. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

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