wir dürfen uns gegenseitig auf die Schulter klopfen, da wir es geschafft haben, eine weitere Woche lang zu überleben. Jede Sekunde zählt nämlich auf der Zielgerade über das horrende Schaltjahr '16 hinaus, dass man froh sei kann, wenn man beim ganzen Pessimismus und dessen Angstzuständen noch in der Lage ist, zumindest von Nacht zu Nacht einzuschlafen. Ich kann gewiss nicht für jeden sprechen, aber unabhängig von allen aktuellen Faktoren ist der späte Herbst an sich stets eine brutale Probe im Jahresrhythmus geblieben, auf eine Ära der Glücklichkeit zu hoffen, was sich sodann auch an den Klickzahlen dieses Blogs abzeichnen lässt. Die 200. Ausgabe von letzter Woche hat leider nicht ganz die hohen Wellen geschlagen, die ich mir binnen kühnster Träume erhofft hatte, was bei derer Filmauswahl dann wiederum doch nicht so verwunderlich war, denn wie kann es eine Feier zum Wesen des Blogs werden, wenn Billy Crystal fast jedes zur Besprechung ersonnene Beispiel anführt? Sicher wurde er dabei so unter die Lupe genommen, dass mir in der Kontinuität zu seinem Werk nicht unbedingt an den Oscar-Moderationskünsten jenes Mannes gelegen war, doch diese eine von vielen Baustellen einseitigen Elends hat mitunter auch die Mischung vermissen lassen, die ich so sehr am Medium Film schätze. Nun also halte ich eine Wiedergutmachung für nötig, so wie vieles innerhalb der letzten Tage erneut gute wie gütige Mengen an Optimismus, Familie (u.a. die lieben Eltern) und Freundschaft ins Spiel gebracht
hat, das Motto vom geteilten Leid bestätigte und einige Sorgen für
die nächste Zeit getilgt hatte. Ich bin mir sicher, vielen von euch
ist es ähnlich ergangen, deshalb halte ich diesen Text so dramatisch
vage, um die tighte Connection untereinander am fly sein zu lassen.
Das kritische Resümee zu einer scheinbar wahllos zusammengetrommelte
Filmreihe ist demnach genau das richtige, um relevante Gedanken
innerhalb zufällig prophetischer Werke zu erläutern, wobei ich mich
besonders bei Siegfried Bendix bedanken muss, der seinen Filmabend
diesmal wieder so umwerfend kuratierte, dass im kreativen Schreiben
erneut Überlänge angesagt war (lediglich der letzte Film von 8
wurde außerhalb dessen gesichtet). Im Folgenden werden wir alle also
auf die unterschiedlichsten Zelluloid-Memoiren diesseits wie jenseits
der Erhältlichkeit treffen, deren Gemeinsamkeiten mindestens so
erstaunen wie das emotionale Spektrum zwischen 1950 - 2016
hochexplosive Umstellungen erfordert. Die bei mir beliebte Wortgruppe
„Wechselbad der Gefühle“ bringt hier also die große
Nummer, aber ich will euch nicht lange aufhalten - lest selbst und
macht euch am Besten eine Checklist reiterierter Termini oder
oberstarker Empfehlungen, wenn Der Witte wirklich ausnahmslos alles
aufdeckt, was hoffentlich auch einige Leute außerhalb der jeweiligen
Nischen wissen wollten.
Mit knapp einem Jahr Verspätung kam binnen dieses Septembers auch hier Jon M. Chus Verfilmung der Hasbro-Zeichentrickserie
„Jem and the Holograms“ an und es stünde durchaus zur
Debatte, warum jener Film in hiesigen Kreisen nur auf DVD gelandet ist,
während sein Neustart vom August, „Die
Unfassbaren 2“ eigentlich eher dort verweilen sollte. In den
USA von ehemaligen Fans verprellt, ohnehin kassentechnisch wie
kritisch ein Misserfolg, stellt das Abenteuer binnen des
Songwriter-Familienkonflikts nämlich zweifellos den besseren Film
dar und spielt den Vorlieben jenes Regisseurs ohnehin stimmiger zu,
wo dieser doch bei klassischen Auflösungen recht verloren wirkt, im
musikalischen Terrain jedoch souverän aufzumucken versteht. Wenn
auch nicht von jeder Austauschbarkeit enthoben, kommt der kuriose Mix
aus geläufiger Rise-Fall-Rise-Dramaturgie,
Musikindustrie-Spekulation, Social-Media-Clipshow, Romanze und
Daddy Issues via Roboter (!) entsprechend wild an,
spaßfördernd und naiv, teilweise kurzatmig am Durchhängen, aber
später wiederum eine Konkurrenz für den „Neon
Demon“ oder Musikvideos/Filme eines Xavier Dolan. Die kleine
Wundertüte dreht sich dabei um die Kleinstadt-Waise Jerrica Benton
(Aubrey Peeples), die mit ihrer leiblichen Schwester Kimber (Stefanie
Scott) sowie den Pflegegeschwistern Aja (Hayley Kiyoko) und Shana
(Aurora Perrineau) unter der Fittiche von Tante Bailey (Molly
Ringwald) haust. Als jedoch angekündigt wird, dass das Haus
innerhalb eines Monats zur Zwangsvollstreckung freigegeben wird,
hören die quer durch den Raum geworfenen Buzzwords Geil,
Krass, Instagram und Fressnarkose mit ihrem #YOLO-Jam auf und
legen innerhalb der fix etablierten Eigenschaften aller
Familienmitglieder (Aja kann hacken, Kimber Pics snappen, etc.) fest,
dass etwas dagegen getan werden müsse.
Prompt (und beachtlich fixer als „Sing
Street“) wird ein Musikvideo geplant, weshalb man sich zufällig
auch an der vor essenziellen Utensilien strotzenden Garage der
Ersatzmom bedient, über die Spiegelreflex der Girls sodann schon
früh klar wird, wie intensiv (und redundant) sich neue Medien mit
dem filmischen Rahmen vermengen werden. Ein Jaume Collet-Serra dürfte
sich freuen, das Spiel mit den Formaten blickt aber auch zur VHS
zurück, wenn Jerrica dem Zusammensein mit dem Vater hinterher
trauert, bis hierhin schließlich auch wenig Lust hat, am Video
mitzuwirken. Des Nächtens ergreift sie jedoch der Mut und lässt sie
für eine Soloperformance an der Gitarre derart in Schale werfen,
dass man die Szenerie mit „Le
Berceau de Cristal“ verwechseln könnte. Im Selbstzweifel will
sie das Video löschen, doch Kimber lädt es spontan auf Youtube
hoch, wo es im viralen Wirbelwind zur absoluten Sensation aufsteigt,
bald das erste Angebot von Plattenfirma Starlight Enterprises
(ein Name so platt, dass er nur aus den 80ern stammen kann) und deren
Chefin Erica Raymond (Juliette Lewis) aufkreuzt. Die Zeit zum
Verhandeln drängt, doch eine Bedingung kann man Jerrica nicht
abstreiten, nämlich jene, mit ihren „geilen Schwestern“
zusammen in die Starvilla aufzusteigen. Erica geht damit
konform, doch das Problem am Ganzen reckt schon früh seinen Kopf
heraus, da die Marketingkampagne die jeweiligen Identitäten in der
Truppe der Öffentlichkeit gegenüber geheim halten soll. Der Titel
„Jem“ allein soll als eines der letzten Geheimnisse der
Welt eben diese erobern, ferner die Personen dahinter beliebig
austauschbar machen. Vorerst jedoch fetzen die Mädels ihre massiv
besuchten Geheimkonzerte im permanenten Impromptu-Modus weg
(Ankleide- und Hairstyling-Montagen inklusive), während Jerrica vor
allem mit Aufpasser Rio (Ryan Guzman, „The
Boy next door“ und wie dort für viele Honk-Momente eingesetzt)
anbandelt und zudem herauszufinden versucht, auf welchen Pfad die
Hinweise des vom Vater gebauten Roboters Synergy sie führen
wird.
Vor allem letzteres hat klassischen
Jugendfilm-Charakter, was sich dann noch mit einer Spontanität zum
A-capella unter dem geschlossenen Rummelplatz ergänzt, wie es
nur knapp hinter „Pitch
Perfect“ stehen dürfte, gefolgt vom moralischen Konflikt im
Haus-rettenden Solovertrag, der so alt wie das Duell Faust v Mephisto
nachhallt, in der Enttäuschung der Mitstreiter aber auch eine
Performance herausholt, die mit ihren Symmetrien und
Neon-Bombast-Choreographien einen tollen Kontrast
zelebrierend-schmerzlicher Selbstaufgabe ergibt. Selbst die
VHS-Aufnahmen von früher treten dabei trauernd vom Geschehen ab,
eine tolle transformative Montage (weniger glücklich übrigens die
Einbindung einiger Viral-Videos,
die den Soundtrack bestimmen sollen, aber noch als Quellennachweis
aufpoppen, siehe auch Google Earth für Szenenübergänge)!
Der Pfad der Selbsterkenntnis („Sei du selbst“, „Finde
deinen Weg“ und Konsorten) über die Fesseln der Industrie
hinaus bleibt Jerrica natürlich dann doch vergönnt, wenn zig
Insta-Clips die Inspiration ihrerseits sowie die unterstützenden
(megasimplen) Lyrics betonen, die Schwesternschaft wegen
Love/Friendship/Family nimmer aufgibt und posthume Motivation
vom Vater ohnehin direkt an den Herzenssträngen zupft – Tearjerker
deluxe! Effektiv in der Ausführung, vielleicht dennoch etwas zu
glatt auf vielerlei Standards hinsteuernd, kommt das Finale dann auch
dort an, wo man's vermutet, hat für die Katharsis leider sogar den
schwächsten Song parat, dafür aber auch ein drolliges Gesamtpaket
der Einigkeiten und erfüllten Wunschträume, wie es für 2015 und
dessen Präsenz an Kindgebliebenem beinahe schon selbstverständlich
war. Nostalgie dafür zu empfinden ist doch noch nicht zu früh,
oder?
Nicht minder naiv scheint sich Rick
Kings „Rollerboys“ von außen hin anzukündigen, schon im
Intro mit hippen Skateboard-Tricks und Corey Haim auf besagtem Brett
angereichert, dass eine honkige Sause anno 1990 anstehen sollte. Die
Bahnen, die der Film daraufhin aber anfährt, sind von der Unschuld
der „Jem“-Truppe jedoch in weite Ferne gerückt, denn der
junge Dude auf Rollerblades lebt in einer Dystopie des modernen
Amerikas, die prophetischer denn je nachklingt. Unter Gitarrenriffs
der Marke „Stone
Cold“, mit den Stars and Stripes im Hintergrund, hält
der in blonder Vokuhila, silbernem Blazer und Immobilienmarktwerten
verpackte Anführer der Rollerboys, Gary Lee (Christopher
Collet), via TV eine Ansprache ans heruntergekommene L.A. über die
Macht seiner Gefolgsleute, ihren geplanten Wiederaufbau Amerikas
sowie deren Position zu „niedrigen Rassen“. Ausgerechnet
der blue state Kalifornien hat nebenbei auch ständig mit den
extremsten Ausmaßen an Bandenkriegen und ökonomischer Verrohung zu
hadern, die im urbanen Kreise eine Postapokalypse nach
Bartertown-Manier heraufbeschwören, Obdachlose in
Konzentrationslager stecken, Elite-Unis mit jedem einzelnen
Ziegelstein nach Japan pflanzen und zu alledem noch korrupte Bullen
im Innern horten, um nur einige Faktoren der dampfenden Kacke zu
benennen. Die Urängste der USA bei Anbruch der 90er, selbst vor
Rodney King um Aufstände und Neonazis fürchtend, sind hier
maßgeblich für die brutale Zukunftsvision, welche neben
kontemporären Republikanersorgen wie Wirtschaftsübernahmen aus dem
fernen Osten, Prostitution und Drogen auch die Xenophobie im Mantel
des Kapitalismus ballen, was innerhalb jener Nation scheinbar zeitlos
geblieben ist.
Schwere Zeiten also für Griffin
(Haim), der mit seinem kleinen schlagfertigen Bro Miltie (Devin
Clark) inmitten der Unruhen ringsum wohnt, zumindest bei dem alten
schwarzen Vaterersatz Speedbagger (Julius Harris) untergekommen ist
und sich doch nur mit einem Pizzalieferantenjob über Wasser hält,
um in einem Zelt (!) wohnen zu können. Kein Wunder also, dass die
Verführung im Umbruch durch die Rollerboys einem schwer auf die
Pelle rückt, überall deren „Day of the Rope“ via
Graffiti angekündigt wird, ihre Superdroge Nebel im Umlauf
ist und Gewalt bei Nacht zur Tagesordnung gehört, so erhaben
hasserfüllt sie in Gruppenformation durch die Straßen skaten und
Partys feiern. Das „Uhrwerk Orange“ als
pseudolegitimisierter Bote der Infrastruktur ist angesagt, doch
obwohl Griffin Gary Lee noch als Freund von einst kennt, hegt er nur
wenig Gegenliebe fürs kriegerische Gehabe im
nationalistisch-anarchistischen Pre-Siegestaumel. Dennoch überredet
ihn die Polizei unter Chief Jaworsky (J.C. Quinn), undercover
in die Machenschaften der Warriors-in-spe einzusteigen, um zum
einen seinen beeinflussbaren Bruder aus dem Drogenhandel der Boys
rauszuhalten, subversiv das politische Gewissen des Zuschauers
durchzusetzen und zum anderen an die kesse Maus Casey (Patricia
Arquette) ranzukommen. Die gibt sich von außen hin leicht zu haben
und wirft sich in zig verrückte Kostümierungen, ist aber ebenso als
verdeckt ermittelnder Cop unterwegs, hadert als Kontakt für Griffin
also stets hin und her, wie sie seine Annäherungsversuche („Bumsen
wär viel geiler.“) aufnimmt bzw. in den Wind schießt.
Der Nebenplot hält sich jedoch bis zum
Schluss etwas doll vage in seiner Motivation dessen, mehr Zeit wird
hingegen dem Erkunden der Roller-Hierarchie gewidmet, ob nun in
mörderischen Mutproben, Breaking-Bad-ähnlichen
Drogenlabor-Wohnmobilen, Geldeintreibungsmanövern mit heuchlerischem
Charity-Aspekt oder Fascho-Brandreden in finsterer Halfpipe.
Durchaus starke Signale politischer Satire/Ängste von einem trotz
allem reißerischen Produkt seiner Zeit, das dieser Tage im Grunde
als Young-Adult-Stoff eingeschätzt werden könnte, wenn denn
nicht noch die exploitativen Eindrücke aus Sex und Gewalt mitspielen
würden, nicht unweit vom Paul-Verhoeven-Level abgetrennte
Gliedmaßen, bestialische Kopfschüsse und Minderheitenmassaker
auffahren. Das sorgt für einige abgebrüht spontane Schockmomente im
mehr oder weniger jugendorientierten Narrativ, deren Kernigkeit im
Straßenkämpfer-Chic hat dennoch mehr was von einem Bubblegum-Faktor
innerhalb der mittelmäßig budgierten Heldensage, die im Verlauf
einiges an Tempo, Schlagkraft und Kompromisslosigkeit einbüßt,
obgleich Griffin als Charakter da nicht gänzlich auf gut oder böse
definierbare Wege zufährt. So entwickelt er ein Vertrauen, sich in
seinem Status unter Rollers zeitweise beinahe wohl zu fühlen oder
dieses Gefühl gegenüber Vertrauten wie Speedbagger zu leugnen,
zudem das Vergangene an Gerry Lee finden zu wollen, doch die
Opportunistenphase legt er allein in der Sorge zum Bruder gleichsam
schnell wieder ab („American History X“ lässt grüßen),
ehe das rechtschaffene Action-Finale seine Skater-Skills und
ethischen Werte abseits des Martialischen verlangt. In dem Kid steckt
Hoffnung, im Film dazu eine grelle (nicht ineffiziente) Dynamik über
die Auswüchse des Sozialpessimismus und wie cool der Widerstand dazu
aussehen kann.
So ziemlich in der Endphase unserer
hier schon des Öfteren aufgetretenen Cannon
Group, genauer gesagt zwischen 1986 bis 1988, schafften
Produzenten Menahem Golan und Yoram Globus binnen ihrer ohnehin
obskuren Filmographie die Reihe der Cannon Movie Tales. Diese
brachte klassische Märchen als eher minder erfolgreiche Verfilmungen
einer ungesättigten wie ungefragten Marktlücke für Kinderspektakel
zustande, die im Budgetrahmen jener israelisch-amerikanischen Marke
entstanden und somit trotz mancher Starbesetzung ordentlich damit zu
kämpfen hatten, irgendwie Fuß zu fassen – ein Kernsatz für die
Geschichte der kurzzeitigen Filmmogule. „Hänsel und Gretel“
von Len Talan ergibt in jener Fassung sodann ein Paradebeispiel für
große Ambitionen sowie dafür gescheute kreative Mühen. Letzteres
kann man nicht unbedingt dem Produktionsdesign anlasten, doch wenn
man dieses schon mal hat, wird es derartig auf die Laufzeit
ausgewalzt, wie man es dem Cannonen-Tempo anhand kurioser
Einfälle dann doch stets selten ansieht. In diesem Fall jedoch
bleibt das Prozedere an einem inzwischen verzweifelten Wunschdenken
des Mithaltens unter Hollywood sowie zielgruppengerechter
Originaltreue gebunden, obgleich man auch versucht, die an sich kurze
Vorlage auf 90 Minuten zu biegen und brechen. Jede Umsetzung versucht
ja andere Wege, wie man das Geschwisterduo (Hugh Pollard und Nicola
Stapleton) letztendlich in den Wald sowie zum Ofen der Hexe (Cloris
Leachman) führt; im Cannon-Kanon hat man dafür eine relativ
harmlose Variante gewählt, die sich ihren Eskapismus zudem aus der
Musical-Umsetzung von Engelbert Humperdinck zieht und dessen
schrecklich platte Songs ins Geschehen einbaut.
So schleppen sich die Nummern schon
durch eine Anfangsphase, in welcher der arme Vater und Holzfäller
Stefan (David Warner) die Kids zum Bäcker in die Stadt mitnimmt,
dort seines mangelnden Durchsetzungsvermögen wegen um die volle
Auszahlung geprellt wird, immerhin aber noch einige lausige
Kuchenkrümel für die Kleinen abbekommt. Letztere hingegen
verbringen ihre Zeit damit, zuzusehen, wie der Bäckergehilfe
heimlich am Inventar nascht (Vorschau auf kommende Ereignisse!),
finden am ehesten noch Spaß darin, dem Kasperle-Theater vor Ort
beizuwohnen, welches ihnen zumindest ein Stück humaner
Freundlichkeit auf den Weg mitgibt. Ansonsten haben sie davon gewiss
nicht viel parat, was sich vor allem an Gretels erschöpfter Mimik
abzeichnet sowie in der Mutter (Emily Richard) den Gipfel des Frusts
findet. Weil es z.B. kaum was zu essen gibt und das Vorhandene dann
auch noch der Aussage Hänsels entsprechend nach Waschwasser
schmeckt, schickt diese ihre Brut mit den Worten „Betet, dass
ihr einschlaft und nie wieder aufwachen müsst“ ins Bett. Als
der Nachbar eines Tages aus Mitleid Milch sowie Kuchen mitbringt und
Hänsel aus Versehen den ebenfalls mächtig hungrigen Esel ins Haus
reinlässt, platzt der Mutter dann völlig der Kragen, weshalb sie
ihre Kinder zum Beerensammeln im Wald verdonnert, obwohl sie selbst
schon genug in den Korb gesemmelt hat. Von hier aus entwickelt sich
die Mär dann nach gewohnter Manier in die empfangenden Arme des
kinderfressenden Bösen, obgleich die Darstellung zynischer Armut
zuvor am Meisten zusetzen wird, was man vom Film schließlich
mitnimmt. Sie stellt nämlich zur Frage, warum ein Frank
Capra den Stoff nie in Angriff genommen und somit eines der
deprimierendsten Medien aller Zeiten hätte schaffen können, wenn
man sich die verzweifelte Abhängigkeit vom Geld innerhalb der
Familie anschaut, anhand derer allesamt ermattet ihr Dasein fristen.
In der zweiten Phase des Films jedoch
kommt man ins Überlegen, ob der einst bei Cannon vertraglich
untergekommene Tobe Hooper nicht den ideelleren Macher fürs
Horrorszenario der bösen Hexe abgegeben hätte, so wie unter Len
Talan nur noch wenig Gruselpotenzial stilisiert bleibt, obgleich
weiterhin originalgetreu um den Durchmesser von Hänsels Finger
gefeilscht wird, Gretel unter Hypnose in der Maloche Richtung
Brudermästung ihr Sozialelend reiteriert und Hänsels Hungerstreik
nur von kurzer Dauer währt, wenn die Hexe das Mordsmesser über der
schlafenden Schwester hält. Die Inszenierung steht dafür zu blass
im Licht, streckt sich wie erwähnt in müden Konventionen aus,
schneidet zudem mehrmals irrelevant zum suchenden Vater, dessen
Begegnung mit üblen Geisterstimmen noch am Ehesten als Albtraum
ankommt und bietet zu alledem noch eine Synchronisation, die
besonders in den Kinderrollen unfreiwillige Lacher hervorruft (Hänsel
„nüscht“ sich nur so einen ab). Die eindrücklicheren
Setpieces dieses um Stimmung bemühten Films sind dann auch
ausgerechnet außen vor zu finden, sprich im Vorgarten voller
Lebkuchenkinder, die sich so bewegen wie der Schneemann aus der
1954-Version,
sogar dicke Tränen weinen und auf den Prüfstand stellen, ob die
Hexe überhaupt Kinder isst, wenn sie diese insofern präserviert.
Klingt leicht verwässert, doch die dickeren Flüssigkeiten kommen
wie aus einem Vulkan geschossen, sobald die Hexe selbst im Ofen
landet, blutroten Schaumstrahl aus dem Haus heraus über den Hof
fluten lässt, weshalb dann noch gelbe und rote Farbeimer
mitspritzen, damit Erinnerungen an „Shining“, „Story
of Ricky“ und Co. nur vage erweckt werden. Mal ab davon bleibt
vielleicht noch eine bewährt bösartige Hexen-Performance, die im
verschleppten Prozedere aber auch nur dem genügsamen Standard
entgegenkommen kann, was sich aber auch allen Aspekten zur Last
gelegt werden kann – und das bei solch einem Grimm-Märchen
haushohen Gräuels, wurde dieser Film etwa für Kinder gemacht?
Als anspruchsvoller Cine-Coinasseur
sollte man stattdessen mitunter den „Blood Father“ in
Betracht ziehen, eine Art Comeback-Vehikel für den Darsteller Mel
Gibson, das sich erträglicher als das Gros von Regisseur Mel Gibson
anschauen lässt. Der auf einem Roman von Peter Craig basierende
sowie von Jean-François Richet inszenierte Thriller gibt sich sodann
dafür die Sporen, geradlinig durch New Mexico zu jagen, Vater und
Tochter auf dem gemeinsamen Weg der Rehabilitierung im Kugelhagel zu
versöhnen. Reichlich Stoff für politische Ambivalenzen gibt es
angesichts des Schauplatzes und der Vergangenheit des zentralen
Darstellers durchaus und da ist sich der Film nicht zu schade, genau
diese explizit zu verarbeiten, das Image wieder auf Kurs zu
bringen, ohne allzu sehr zu romantisieren, wie fehlerbehaftet das
Konterfei/Private des Mad Mel um sich selbst zu ringen scheint. Der
Exorzismus binnen der Kunst ist kein neues Konzept, bei einer
bipolaren Persona non grata wie Gibson zumindest als Ventil
verbaler wie brutaler Sprengkraft brauchbar, das hier
Verantwortungsparameter des elterlichen Gewissens auf die Spitze
treibt. Die Umstände sind dementsprechend noch kerniger auf der
Todesliste unterwegs als „Hänsel und Gretel“, sobald sich
die 16-jährige Lydia (Erin Moriarty) aus den Fängen ihres
kriminellen Beaus und Kartelllakaien Jonah (Diego Luna) befreit,
diesen allerdings mit offener Schusswunde am Hals zurücklässt und
somit auf der Flucht vor seinen Schergen untertauchen muss.
Zeitgleich hängen zig „Vermisst wird“-Plakate mit ihrem
Gesicht drauf an den Wänden John Links (Gibson), der nach einer
Scheidung sowie jahrelangem Strafvollzugsaufenthalt und
Alkoholmissbrauch versucht, wieder auf die Beine zu kommen und den
Kontakt zu seiner Tochter zu re-etablieren. Trotzdem steckt er wie
ein Eremit im kargen Trailer Park fest, den Bewährungsauflagen
Folge leistend innerhalb seines Wohnwagens mit Tattoo Shop,
den er quer gegenüber seinem Sponsoren Kirby (William H.
Macy) geparkt hat und in nächster Zeit bestimmt nicht wegkommen
wird/will.
Hoffnung ist Mangelware im Wüstenstaat,
umso länger wächst Links Bart, bis er dann doch Meldung kriegt von
seiner Filia, die innerhalb seiner Behausung auch allmählich auf
einen Entzug gefasst sein muss. Die zwischenmenschlichen Spannungen
finden da schon aufbrausendes Gesprächsgut im Strudel verschleppter
Distanzen, suchen aber den gegenseitigen Schutz, sobald Gangs und
Sicarios sie aufsuchen und alles anballern, was in nächster
Nähe noch dem Überleben zugute bereitsteht. Was dabei an Richets
Gestaltung heraussticht und trotz pragmatischer Handkamera vom
Konsens vieler familiären Hetzjagdgeschichten à la „96 Hours“
unterscheidet, ist der Verzicht auf sentimentales Kalkül, welches
hier stattdessen in direkten Konflikt sowie
Survival-Vertraulichkeiten mündet, die sich vor allem von
Seiten des „Blood Fathers“ als angestaute Plattform
entladener Wut und Schlagkraft äußern, geradezu tierisch um die
Fassung seines Nachkommen Sorge tragen. Im zynischen Milieu weiß man
sich eben anzupassen, gleichsam passiert die Balance durch Lydia,
wenn der Zustand Amerikas insgesamt dazu infrage gestellt wird, wo
der Film ohnehin schon potenziell zwischen den Stühlen steht, wie
der kriminelle Anteil von Südamerika aus im Verhältnis zu dessen
Bevölkerung steht. John hat lapidare Vorurteile parat, Sie dagegen
Argumente mit dem Selbstverständnis der Menschlichkeit als
Rückendeckung, weshalb das Prozedere ebenso noch vielerlei Grautöne
weg von xenophoben Feindbildern aufnehmen wird. Durchaus ein
differenzierter Gegenentwurf zu einem Amerika, das auf dem bestem
Wege ist, horrende Spaltungen seiner selbst zu vollziehen.
Entschiedene Signale setzt man hier
dann auch in der Begegnung mit dem sogenannten Preacher
(Michael Parks), einen alten Weggefährten aus Links zweifelhaftem
Umfeld der Unterwelt, der sein Geld damit verdient, Nazi-Memorabilien
und Waffen an die „Loser“ (Zitat, Link) zu verhökern, was
schlussendlich unter Einberechnung weiterer verächtlicher Handlungen
mit einem schlichten Kopfschuss quittiert wird. Das Abknallen ist
hier ohnehin eine Kunst/Katharsis für sich, ruppig im Einsatz und
mit schicker Aufbaudynamik, gerne auch per Harley, am Zersieben –
Knochenbrüche inklusive, in der Choreographie schön dreckig und
brachial. Das bleihaltige Gorefest wird jedoch nimmer der Fokus in
einem Gebilde der Flucht im eigenen Land, das sich über Umwege dann
doch auszukennen weiß, für die Sicherheit der Tochter inhaftierte
Kontakte abklappert und Kugeln austeilt, die wahre Schätzung jenes
Menschen in der Intensität der Lage aber erst zum Schlussakkord hin
einigermaßen ausdrücken kann, dann aber doch glaubwürdig knapp
bleibt, wenn die Aufholarbeit in dem Rahmen kaum
vervollständigt sein kann. Link hat es z.B. gerade erst hinbekommen,
sich seinen Bart abzurasieren! Das ist alles erfrischend
unzeremoniell aufbereitet, konkret durchs Fieber rasend sowie mit
reichlich „Fucks!“ angeschrien, zumindest trotz manch
konstruiertem Prozedere in der Milieubeobachtung eine kurzweilige
Therapiesitzung im Kaputten mit Kaputten und denen, die sie
liebhaben; ergo ein herzliches Abenteuer, das mit einem energischen
Patriarchat zwischen den Fronten von White Trash und La eMe
ums gegenseitig Verbindliche
chargiert - nicht schlecht.
Um mal ein bisschen von den ganzen
Daddy Issues der letzten Filme wegzukommen, sollte auch mal
Sam Weismans „George – Der aus dem Dschungel kam“
gewürdigt werden. Die Disney-Komödie von 1997 hat jetzt
vielleicht nicht derartig viel Substanz unter dem Schirm, wenn sie
Brendan Fraser in perfekter Besetzung als besagter George auf eine
Reise zur Fish-out-of-water-Situationskomik nach San Francisco
schickt. Bis dahin bekommt man allerdings einen Dschungelurlaub
geliefert, der in seinem unnachgiebigen Honkfaktor vielleicht zu den
Höhepunkten des Blödelkinos gezählt werden darf. Das fängt schon
mit der Erzählerstimme Jürgen Thormanns an, die mit voller Power
durch ein Arsenal an Alliterationen kaspert und im Verlauf auch für
Meta-Gags und filmische Insider-Kommentare sorgen wird, ehe man
vollends die Umstände begreift, die Ursula Stanhope (Leslie Mann)
und ihren Verlobten, den ausgewachsenen Schleimscheißer Lyle Van de
Groot (Thomas Haden Church), binnen des Herzen Afrikas zu dem
surrealen Spektakel führen, das bei George und Konsorten
veranstaltet wird. Schließlich ist das Tempo aller Pointen dermaßen
auf der Überholspur, dass die Verballhornung der Etepetete sowie die
Montage aus übertriebenen Reaktionen, niedlichen Tieren, trotteligen
Handlangern und sich darüber amüsierenden Fährtenlesern
einheimischer Herkunft höchstens die Beilage zum Kern des
Aberwitzigen ergeben. Nachdem das Titelthema in seiner
Ohrwurmqualität nämlich klar stellt, dass George mit seiner Liane
immer wieder in einen Baum krachen wird, ist die Tarzan-Parodie erst
recht im Aufwind, sobald sich seine tierischen Begleiter per
Bongophon (eine von vielen ortsgebunden beknackten Ideen
dieses Films) versammeln und als reeller Cartoon dem Zuschauer
stellen.
Ein gruselig per Spät-90er-CGI
kreierter Elefant, der sich für einen Schoßhund hält, ist daher
genauso vertreten wie ein hochintelligenter sprechender Gorilla
namens Ape (John Cleese), der den gestrandeten George von Kindheit an
mit erzogen hat, obgleich sich dieser seit jeher trotzdem nur per
Urwald-Lingo verständigen kann, immerhin stets strahlend mit der
Mähne auftrumpft. Wichtiger wiegt jedenfalls, dass er Ursula mit
einigen tollen Tricks vor einem bösen Löwen retten kann, was sich
ein (wie alle Tiere hier drollig vermenschlichtes) Kapuzineräffchen
erfolgreich zum Vorbild nimmt und vor allem romantischen Eindruck bei
Ursula schindet. Jetzt könnte man anhand dieser Beschreibungen
meinen, dass es recht vereinfacht herauszufiltern wäre, was in
diesem Film vor sich geht, doch die Sinnesattacke, die Weisman drum
herum am Zuschauer vollzieht, wäre bei einem Jodorowsky keineswegs
schlecht aufgehoben, so viel übersteuerter Schabernack mit dem
Medium und den Topoi des Abenteuerfilms getrieben wird, dass man kaum
noch ein und aus weiß, Ursula dann auch George statt Lyle mit nach
Hause nimmt, welcher währenddessen vor Ort in Haft genommen wird.
Wie das genau zustande kommt, möchte ich an dieser Stelle nicht
verraten, ist es doch im Detail so abstrus und voller
Unfassbarkeiten, dass man es schlicht erlebt haben muss, als es
neutral erläutern zu können. Etwas nüchterner entfaltet sich
hingegen die Ankunft in den USA, wo George innerhalb des modernen
Chic als aufregender Supermann gehandelt wird, obgleich seine
naturalistische Güte durchaus über seinem Grips steht.
Er ist in jenen Kreisen vielleicht ein
Sexobjekt, aber stets ein Unschuldslamm, was diesen durch und durch
naiven Film ohnehin auszeichnet, wenn seine größte politische Note
darin besteht, dass reiche Ignoranten schlichte Witzfiguren sind.
Dumm nur, dass ausgerechnet Ursulas Mutter Beatrice (Holland Taylor)
jene Gruppe vertritt und auf die Hochzeit mit Van der Groot besteht,
der Tochter den Kontakt mit dem mitgebrachten Gast verbieten will,
nachdem George seine Fähigkeiten auf den gigantischen
Großstadtdschungel umgesetzt hat. Als der treue Tukan Tuki George
jedoch die Nachricht überbringt, dass Ape gekidnappt, nein,
geapenappt wurde, reist er schnurstraks nach Afrika zurück und
Ursula ihm hinterher, um einen Showdown anzuleiten, der in seiner
bewusst absurden Ballung an Beklopptheiten ein Meisterwerk der
komödiantischen Steigerung abgibt. Wie für Komödien gewohnt,
sollte man den Witz nicht von Vornherein auflösen, deswegen lasse
ich die Konstellationen zu diesem ungeniert irren Spektakel offen und
verweise meine Leser stattdessen auf das garantierte Erfolgsrezept,
Weismans Film in eine gute Runde an Freunden zu schleusen, die (am
besten mitten in einem Filmabend ernsthafter Auswahl) völlig
unverhofft mit dieser Bombe konfrontiert werden könnten. Ihr werdet
es nicht bereuen, nüchtern oder gar mit einem Schüsschen Wermut im
Bäuchlein in diese für Kinder erdachte und über-engagierte
Supershow an Totalquatsch hineingeraten zu sein!
Der Western stirbt. Wann? Jetzt
offenbar auf jeden Fall, aber eigentlich immerzu. Die Geschichte
wählt ihre beliebtesten Zyklen wie binnen einer Favoriten-Playlist
aus, drum bleibt ein Film wie „Gefährliches Dreieck“ aka
„Exposed“ anno 1983 zeitlos im Raum aller politischen
Dilemma hängen, die jede Generation durchzumachen hat: Terrorismus,
Wohlstand, nationale wie internationale Spannungen, die Spaltung
zwischen Bildung und Beruf sowie das Verständnis der Geschlechter.
James Toback kriegt sie alle unter einem Hut und zeichnet hier den
Weg vor, wie sich das Gewöhnliche in die Tragödie des Universellen
hinein verlieren kann, Dualitäten gleichzeitig in Schönheit und
Grauen münden. Um obengenannte These zu untermauern, wird dafür
schon im Intro ein Restaurant im beschaulichen Paris zerbombt, mit
Gliedmaßen und Toten gefüllt, ehe der Sprung in die USA nur
scheinbar eine Entfernung von dieser Unmittelbarkeit suggeriert,
welcher das Bildungswesen in der Theorie nahezukommen versucht, ohne
seine Sicherheit aufs Spiel setzen zu müssen. Toback selbst ist da
als Lehrer unterwegs, der den Zerfall des Gegebenen durch die
Reflexion in der Kunst und dem Verbleib in der romantischer Liebe
geglättet sieht, dazu auf Goethes „Leiden des jungen Werthers“
und dessen Todessehnsucht verweist, die den Schulterschluss mit der
Einleitung sowie dem Ende des Films üben wird. Die Verknüpfungen
zur Wahrheit werden sich noch ergeben, so prophetisch sie über dem
Narrativ hängen und doch lose angegangen scheinen, wenn sich
Elizabeth Carlson (Nastassja Kinski) als Bindeglied des Ganzen
anbietet. Die ist als junge Studentin ein Wirbelwind der Ambitionen,
ziellos, fordernd und höchst aufnahmefähig im Frust der stets
zusteckenden Prozesse des Lernens und Erfahrens verankert, auf dass
sie ihren Lehrer übertrifft, der die Amour im Intellekt sowie
in geteilten Vorlieben vorbetet, aber genauso vulgär mit der flachen
Hand zuschlägt, wenn sich die Erwartungen straucheln.
Also heißt es für sie vorzeitig
zurück ins Elternhaus nach Wisconsin, wo das Patriarchat noch eisern
vorherrscht, im Zeitalter des Postfeminismus wie noch lange davor zu
verharren scheint und Elizabeth weiter nach New York ziehen lässt –
dem hin- und hergerissenen Zuspruch der Mutter (Bibi Andersson) sei
Dank. Das klassische Coming-of-Age zeigt hier natürlich auch
seine Niedergänge auf, wenn sie zunächst ausgeraubt wird, in
schäbigen Hotels unterkommt und verzweifelt auf Jobsuche gehen muss,
doch innerhalb dessen offenbaren sich Muster im existenziellen
Umgang, die sich Toback immer wieder zu eigen machen wird:
Faszination, Begegnung und Offenbarung - in der Reihenfolge, mehrmals
hintereinander. Im gehemmten wie losgelösten Eigensinn ihrer selbst
- auf permanenter Tuchfühlung mit Enttäuschung und Chancen - zeigt
jene Frau Carlson ihre überqualifizierten Talente und
Anpassungsfähigkeiten zum Zwecke der Mietzahlung auf; sogar
Schichten, die sie selbst nicht an sich erkennen mag, ein
Mode-Fotograf wie Szenegröße Greg Miller (Ian McShane) aber umso
deutlicher. Nicht, dass der Film selbst drauf aufmerksam machen
müsste, so wenig er mit Nahaufnahmen arbeitet, eine Diskrepanz
zwischen Mensch und Umwelt stilisiert, stattdessen erst in den
Abzügen des Fotorealistischen Wahrheiten festhält und diese - wie
überhaupt im Selbstverständnis des Mediums - per Künstlichkeit
greifbar macht. Elizabeth steht fortan Modell, zeigt und lebt den
erfolgreichen Verrat an einem selbst als kommerzielle Anmut
projiziert, welche eine natürliche Schönheit wie Frau Kinski im
Kontrast dazu freier lebt, zu Rock aus den 50ern abhottet und frei
Schnauze ohne Etikette oder Gepose ins Business des Styles rutscht,
auf dass die wahren Verehrer am meisten Gefallen an ihr finden, wenn
kein Make-Up aufgetragen wird. Der echte Mensch hinter ihr trifft
sodann auf den geheimnisvollen Daniel (Rudolf Nureyev) - wie sie ein
Sammelsurium aus verschiedenen Herkunftsadern, Fähigkeiten und
Interessen über Gegenwart wie Standort hinaus.
Der Reiz daran animiert sie in
geballten Zufälligkeiten und wortwörtlichen Einbrüchen zum
Entdecken, was ohne falsche Bescheidenheit auf hocherotische
Entblößung hinausläuft, aber auch Wunden öffnet, die sich nun auf
eine globale Ebene einstellen müssen. Elizabeths Lernprozess
verleiht dem Fremden eine stets transformierende Identität, derer
sie sich mit einem Flug nach Paris anschließen mag. Erst dort kommen
dann die echten Namen und Motive zum Vorschein – ein Wandel, den
sie nach dem ersten Schock zur Nutzung ihres Image
verinnerlicht, da sie sich via Liebe oder schlichten Nervenkitzel in
die Terrorzelle begibt, die ihr Beau seit längerem zu zerschlagen
versucht. Die ideologische Fassade vermengt sich mit dem Status aus
ihrem Abbild, was im Untergrund kurioserweise nicht anders läuft –
erst recht, wenn Geld als ewige Konstante eine Rolle spielt. Die
Anziehungspunkte mögen im Kontext der bloßen Synopsis einer vagen
Logik folgen, doch wie Toback selbst in manchen
Interviews erläutert, bietet das übergreifende Weltbild eben solche
Konstellationen, in denen die unerfahrene Unschuld eine Anlaufstelle
im Extremen, gar im Terrorismus vorfindet, erst recht, wenn die
Zündung des politischen Bewusstseins Europa als Ort historischer
Schmerzenszyklen herausstellen bzw. den Westen angreifbar machen
kann. Kein Wunder also, dass der Terror hier nicht in Moscheen haust,
sondern genauso gut bei McDonalds zu den Tönen von „Felicita“
diskutiert/motiviert wird, ehe der Besuch beim Anführer Rivas
(Harvey Keitel) stattfindet, der bereits seinen nächsten Coup voller
unschuldiger Toter plant, um ein Zeichen zu setzen. Die Eitelkeit
kommt ihm selbst im Bomben gegen den Kapitalismus nicht abhanden,
wenn er um seine Erscheinung in der internationalen Berichterstattung
nachfragt, was aber auch eine fortgeschrittene Stufe zum Arrangement
Elizabeths darstellt, das sie mit den Verkäufern/Käufern ihrer
selbst eingegangen ist, weshalb sie auch umso leichter in den
Widerstand hineinpassen kann.
Konträre Seiten der selben Medaille
begeben sich sodann auf die Suche nach der Rechtschaffenheit im
Gegeneinander, im Ausbluten und Demaskieren unter Männer und Frauen,
mit allen brutalisierten Mitteln zurück zur Wahrheit und Zerstörung
mit (allenfalls erhofftem) anschließendem Wiederaufbau. Wie gesagt
ein Prozedere, das sich innerhalb unserer Präsenz auf diesem
Planeten ständig zu wiederholen droht und in dem selbst Elizabeth
als Einzelne den kleinsten, doch einflussreichsten Fixpunkt eines
globalen Komplexes ergibt, in dem Jahrhunderte der Politik, Künste,
Menschen und Ängste zusammenfließen, Leben und Tod allgegenwärtig
im Nebeneinander wandern lassen. So selbstverständlich und ominös
nimmt sich der Film dann schließlich auch seiner Schnittstelle New
York – Paris an, wenn er über die Inszenierung von Tunneln,
Bomben, Revolverkugeln, Blut und Regen die Leichtigkeit des Unwissens
mit dem mörderischen Potenzial des Wissens (ob nun mit oder ohne
Doppelbödigkeiten) bindet. In der Konsequenz wird anhand dessen
Zeitgeschichte geschrieben, Farben auf die konkrete, letzte Wahrheit
im Schwarz-Weiß hinunter gepegelt, so bitter das einem auch
erscheinen mag und viele Beziehungen innerhalb des Plots
verlieren/verloren lässt, womit allerdings auch alles gesagt ist.
Wichtig dabei ist jedenfalls, dass Leben wie Film dadurch trotzdem in
Bewegung bleiben, nachwirken, rekonstruiert werden können,
vielleicht ein grausam permanentes Dasein aus Existenz und Sterben
ergeben, aber auch feststellen, wo wir bereits waren, wo es uns
hinführt so wie das Ich, mehrere Ichs und das schlichte Wir darin
leben können. Fragt sich nur, ob Toback und Goethe mit dieser
Weitsicht gerne leben oder gleich sterben wollen/wollten.
Zum Sterben ist es jedenfalls nie zu
früh, wie uns Larry Cohen mit einem weiteren Besuch nach New York
zeigt, auch wenn der deutsche Verleihtitel „Hollywood Kills“
einen anderen Schauplatz verspricht, aber dann doch die öffentliche
Wahrnehmung des Mediums Film reflektiert, das unter der brillanten
Oberfläche ebenso mit Gewöhnlichkeiten und menschlichen Tiefen zu
tun hat. „Special Effects“ als Originaltitel arbeitet dann
doch subversiver in die Perversionen skrupellosen Filmemachens
hinein, wenn man den Kontext dazu erhält, doch ein Cohen ist weniger
vorwurfsvoll in einer Kritik zur eigenen Branche unterwegs, als dass
er die Spekulationen eines potenziell Außenstehenden überspitzt
sowie trotz Anti-Exploitation-Gerüst in einen exploitativen
Todesrausch umsetzen lässt. Allzu passend für einen Film von 1984
fängt dieser dann auch in einer Kulisse des Oval Office an,
wo das Model Andrea Wilcox (Zoë Lund, „Die
Frau mit der 45er Magnum“) ihren Körper in Posen via Red,
White and Blue für einen Ring an Kameras und zynischen Sprüchen
hergibt, ganz dem Arbeitsethos der Reaganomics bzw. dem des
Präsidenten ab 2017 entsprechend. Nur einer funkt dazwischen:
Ehegatte Keefe (Brad Rijn), der seine Frau an die Amoral und
verruchte Porno-Industrie der Stadt verloren glaubt und alles daran
setzt, sie wieder ins Familienleben mit Sohnemann zurückzuholen.
Dass beide Optionen in graupeligem Winterschleier eingedeckt sind und
ein verschlissenes Amerika zeichnen, ist dann nur einer der Gründe,
weshalb sie sich energisch weigert, mit ihm mitzugehen, ihm überhaupt
zu begegnen, so aggressiv Keefe um die vergangene Liebe kämpft, dass
er als Bösewicht häuslicher Gewalt durchgehen könnte. Er wird sich
später zudem nur schwer als Sympathieträger beweisen dürfen, auch
innerhalb des Narrativs, das die Skepsis ihm gegenüber als
Spannungsvehikel und Objekt medialer Projektion ausnutzt, was
wiederum mit Regisseur Chris Neville (Eric Bogosian) zusammenhängt.
Der große Name mit dem jüngsten großen Flop am Nervenkostüm ist
das Thema der Stunde ringsum, gleichsam fix einen Anlass für Andrea
ergibt, Keefe eifersüchtig zu machen, was für schweinische
Karrierechancen sie sich bei Neville ergattern kann, dass sie
daraufhin auch zu diesem hin flüchtet.
Der lässt sie sogar rein und wie es
sich für ambitionierte/verzweifelte Schauspielerinnen schickt,
landet sie für den Casting-Prozess in seinem Bett, obgleich der Mann
nach seiner letzten Pleite eigentlich gar nichts zu reißen hat, mit
seinem Milieu allein jedoch verführt. Die Verführung nimmt jedoch
einen fatalen Ausgang, so symbolisch wie Neville die Dornen der Rose
beibehält und mit aufs Bett legt sowie über einen durchsichtigen
Spiegel die Kamera laufen lässt, während er Andrea zu Tode erwürgt.
Er hat seinen ersten Spezialeffekt, seine Inspiration mit dazu
eingeblendeter Title Card, seine unfreiwillige Darstellerin
hingegen eine Leichenstarre auf dem Sitz ihres Wagens, mitten auf dem
eingeschneiten Rummelplatz (der Kreis zu „Jem“ schließt
sich erneut) von Coney Island. Besonders beachtenswert dazu auch die
Musik von Michael Minard, die in solchen Phasen an die bitteren
Erkenntnisse aus „Safe“
herankommt, ansonsten aber synthetischen Slasher-Konsens pur
abliefert. Der Konsens für die Kripo ergibt jedoch zunächst den
(durchaus verhärteten) Verdacht, dass Keefe der Mörder Andreas sei,
was wir als Zuschauer besser einschätzen können, Neville ebenso,
der in seinem kreativen Feuer jedoch die Kaution für den
Verdächtigen auszahlt und diesem vorschlägt, sich in einer Art
Doku-Fiction selbst zu spielen, so die Vorgänge zu Andreas Mord zu
rekonstruieren. Daran mag sich die Polizei unter Leitung von
Lieutenant Phillip Delroy (Kevin O'Connor) gerne als technische
Berater beteiligen, um was vom Fame abzustauben sowie den
verwirrten Keefe zu überführen, zeitgleich kommt dieser als
Comeback-Sujet Nevilles in arge Gewissensbisse der Ausbeutung, die im
Castingprozess umso ambivalenter nachwirken, als er ein genaues
Ebenbild seiner Frau in Heilsarmee-Mitarbeiterin Elaine (ebenfalls
Zoë Lund) vorfindet - auf jeden Fall eine passendere Besetzung als
das eine Portfolio mit Tootsie vorne dran (einer der klassisch kecken
Meta-Gags Cohens, der später noch ein Cameo bewältigt).
Im gemeinsamen Spiel verschwimmen
demnach allmählich die allseits bekannten Grenzen von Realität und
Fiktion, die einen vorbelasteten Keefe aggressiver erscheinen lassen,
ihn zur Leidenschaft mit Double Elaine treiben; Neville
hingegen einen inszenatorischen Vorteil verschaffen, die Schuld von
sich zu schieben und seine eigenen Taten auf Keefe umzusetzen, bis
der zweite Mord an Andrea auf der Dispo steht. Cohens
Wechselspiel setzt dafür seinem Budget gemäß meist auf karge wie
effektive Eindrücke der Low-Budget-Filmindustrie, begibt sich
als unverbesserlicher Zelluloid-Guerilla oftmals auf die Straßen,
unter die Menschen, in die Krisengebiete NYCs, um an deren Wurzeln zu
ziehen, mit der Faszination zur ratternden Kamera zu locken und diese
sodann einzubauen. Er bereichert sich dabei am urbanen Untergang,
zeigt das Filmemachen an sich aber mit zwinkerndem Auge als Aufzucht
der Unmenschlichkeit, mit der sich Autoritäten bestechen lassen und
Freundschaften lediglich als Mittel zum Zweck dienen, ehe
Neville seine Mitwisser per 35mm die Luftzufuhr abschnürt. Das fiese
Werk bettet diese Satire in eine effektive, nicht immer clevere
Suspense ein, spart aber genauso wenig an Herzblut, wenn sich
die familiäre Psyche Keefes nach Heilung sehnt, Cohen wie ein Voyeur
sodann auch in die Beziehung mit Andrea/Elaine Einblick erhält, zwar
den zärtlichen Sex fokussiert, aber ebenso die verwahrlost kalten
Apartments drum herum. Die Tristesse findet ihren brutalen Höhepunkt
dann auch im zackigen Prunk der Erfolgsversprechungen binnen Nevilles
Domizil, wo das Sujet seinen Regisseur aber letztendlich gleichsam
kunstvoll überwältigen kann, bis sich ein vollkommen neuer Auteur
am Abspann bewähren kann, den filmischen Rahmen vollends zur Farce
seiner selbst macht. Hollywood wurde gekillt – warum auch nicht?
Obacht, es gibt wieder einen Höhepunkt
aus dem Archiv des berühmt-berüchtigten
„Heimatfilme“-Youtube-Kanals
zu empfehlen, nämlich Eugen Yorks toll wandlungsfähiges Drama
binnen des Hamburger Milieus, „Schatten der Nacht“ von
1950. Mitten in der Nachkriegszeit fängt die Reise wie
erwartet in besagter Nacht an, genauer mit fingiertem
Mord-Selbstmord-Pakt in Wachsstellung, welcher Zuschauer in etwa an
die selbstzerstörerischen Impulse vom Ende der Nazi-Zeit erinnert,
ehe sich die Insassen des Bunkers wieder ans bundesdeutsche
Morgengrauen trauen. Für Spießgesellen wie Richard Struwe (Carl
Raddatz) kündigt sich innerhalb dessen schon das nächste heiße
Ding an, indem man eine Ladung Koks aus der Asservatenkammer der
Davidswache entnimmt, während die Damen nebenan im
Wachsfigurenkabinett/Räuberhöhle an der Umkleide arbeiten, für
Freier sowie feine Gesellschaft die Reize einpacken. In solch einem
Untergrund ist das glucksende Glück aber auch eher nur überspieltes
Leid, wenn man auf die mitgehangene Elga (Hilde Krahl), die von
Struwe ständig hingehalten wird, am Scheideweg zwischen Kriminalität
und grenzenloser Sucht nach Liebe steht. Kann man ihr ansehen, muss
nicht mal verkitscht werden – stattdessen findet Regisseur York wie
so oft in seinem Werk die Sympathie zu seinen Gaunern, zur
Zwischenwelt der Dirnen und Kneipen, die gerade im Zwielicht dem
Freudentaumel erliegen können. Deshalb heißt es „Bäumchen
wechsle dich“, wenn ordentlich Bewegung in nächtlichen
Aktionen stattfindet, manch Witzbold auf der Feier allen Frauen mit
derselben Geschichte Herz wie Brieftasche stehlt, während Struwe und
Konsorten mit Hängeleiter den Einbruch ausüben, Straßenbeamte
einen zur Ablenkung auch mal für eine Säufernase halten müssen.
Letzteres geht nach hinten los, doch
der Drahtzieher entkommt mit austauschbarem KFZ-Kennzeichen, stiftet
seine Elga stattdessen dazu an, den reichen Ernst Magnus (Willy
Fritsch) in eine Falle zu locken, damit er dessen Geldbeutel
erleichtern kann. Bei der Begegnung eröffnet ihr sich jedoch
wortwörtlich ein Strudel der Schuld und Verzweiflung, der
kameratechnisch ebenso ins Delirium übergeht und gewiss nicht die
letzte Versinnbildlichung Yorks ergeben wird, wenn er ab hier die
kadrierte Sinnlichkeit aus Film Noir und Schicksalsmelodram in
die Wege leitet. Ihr Gewissen zum Fremden, der ihr zutraulich die
Sorgen ansieht und zur Aussprache motivieren will, nagt besonders,
wenn sie ihn zur verabredeten dunklen Gasse führt, ist nach dem
Spannungsmoment der Erwartungsrotation pro Hausnummer aber umso
befreiter an ihn gebunden, da Struwe rechtzeitig gefasst wurde, aber
selbst dann den kumpeligen Schnack zu Tage fördert. Für Elga geht
es nun denn auch ans Tageslicht, mit Magnus in kunstvoll raffender
Montage in ein bereichertes Leben, das weiterhin an den guten Seelen
des Wachsfigurenkabinetts festhält, aber bereits von neuen Freunden
wie Edgar Elsberg (Hermann Schomberg, gerne auch mit nacktem
Aktmodell anbei) in Stein modelliert werden darf. Das hält auf ewig,
möchte man meinen, wie die Symbole der Bourgeoisie um ihren Kopf nur
so flirren - von der Überblendungstechnik, reißenden Kamerafahrten
und Wolfgang Zellers Musik her auf eine neue Stufe des Glücks
gestellt, das sich auch noch einen Ausblick auf stürmende Wellen und
heimelige Strandhäuser leisten darf. Doch unverhofft kommt oft, da
die Jahre vergangen sind und Struwe seine Rückkehr vollzieht,
hämisch und mit steigender Bedrohung Elgas neuem Reichtum hinterher
rennt.
Für ihn hat sich die Zeit nicht
fortbewegt, weshalb er nicht an ihre Liebe zu Magnus glaubt, eher den
geschickt eingefädelten Deal an ihr erkennt, für den er eine
Erpressung nach der anderen anleiert, damit die Motive von einst
nicht aus den Schatten treten. Infolgedessen bleibt jedoch der
Schatten Struwes an ihr kleben und verlangt Kapital, das mehrmals in
seine geisterhaften Hände landet und die Frau soweit in Bedrängnis
bringt, dass sie ihren eigenen Unfalltod vortäuscht! Und wieder
springt der Film dabei kurzweilig durch die Jahre, kullert sogar mit
Vorderantrieb am Nebel der Fluchten, Trauer und Abstiege entlang, der
in diesen Dimensionen alle Parteien ins gewohnte Minus bringt,
schließlich wieder zum Wachsfigurenkabinett führt. Untergetaucht
als Prostituierte Nelly gelangt Elga sodann an den Punkt, der Fremde
und Bekannte zu einerlei macht, Tag für Tag an der Vergangenheit
zerbricht, diese aber trotz ihrer Präsenz als gestorben hinnehmen
muss. Magnus ist Jahre später auch nicht über dieses morbide
Verständnis hinweg, auch wenn sein Elsberg ihn doch eloquent darum
bittet, sich die Gedanken von einer netten Deern wegbumsen zu lassen.
Yorks Stoff nach Otto-Heinz Jahns Drehbuch hat durchaus einige
Derbheiten, tolle Frechheiten und kernige Realitätseinblicke für seine Entstehungszeit
parat, die brutal und doch in reflektierender Klangmalerei auf das
Unterdrückte und Leidvolle jenseits des Standes achten, in
verschämten Rollenspielen sogar einen grandiosen Schutzmechanismus
organisieren, der bei Elga/Nelly noch mehr Überraschungen
herausholt, als man vom Film ohnehin schon erhalten hat.
Schließlich brennt die menschliche
Flamme in jeder Begegnung aufs Neue auf, dass Abzüge aus Wachs und
Stein zu unwahrscheinlich lebendigen Erinnerungen mutieren und Magnus
in seinem Verlust sodann - mit wortwörtlich kreisenden Erinnerungen
unvergessenen Kopfkinos - den Irrglauben in Kauf nimmt, dass Nelly
nicht seine verschiedene Gattin sei, als Imitation jedoch den Schmerz
lindern könne. Dieser Kreislauf aus einer wohl nimmer abgeklärten
Vergangenheit und ungewissen Zukunft, addiert mit der stets
dazwischen geballten Tristesse fehlender und doch präsenter
Menschen, kann aber auch nicht die Folgen verhindern, die Elga einst
ebenso dem reanimierten Struwe zuteil werden ließ: Das Ablehnen der
Existenz, die Verklärung der Wahrheit, die Verzweiflung im letzten
Ausweg. Wo York dann sein Ende findet, ist logischerweise nicht
wirklich eins in Sicht, über diesem filmischen Wege somit ebenso
keine Entlastung fürs deutsche Gewissen im Zuge der Zeiten gegeben -
eine Ehrlichkeit, die für mahnende Empathie jenseits wie innerhalb
des Eskapismus sorgt, auch anhand unmittelbarer Topoi vom Kino des
dritten Reichs und dessen Gefühlsbildern in vergängliche
Ideale/Ausreden blickt, die jederzeit dem verfolgenden
Schuldbewusstsein sowie der Selbstaufgabe wegen entrissen werden
können. Falls also mal wieder die Wiederholung des menschlichen
Versagens droht, lässt sich aus Yorks Film, der nach seinem
„Morituri“ (erster dt. Spielfilm über den Holocaust) von
1948 entstand, ein Kernmotiv herleiten, ohne dass man den Humor an
seinem Genre-Mix zu verlieren glauben muss: Gegen das Vergessen und
für die Wahrheit, ehe es mit der Einsicht zu spät ist.
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