Sonntag, 1. Mai 2016

Tipps vom 25.04. - 01.05.2016

Die Abenteuer eines Filmbegeisterten führen ihn jede Woche erneut auf unbekannte Wege und so kommt es, dass man neben all den Möglichkeiten, seine Freude über dieses oder jenes Werk zu äußern, manchen davon nicht die volle Aufmerksamkeit an Berichterstattung bieten kann - sei es aus zeitlichen oder anderweitigen Gründen. Ein Glück für mich, dass ich da wieder auf das Konzept des Kurzberichts zurückgreifen kann, um mehrere Filme der vergangenen Woche Revue passieren lassen zu können. Also wollen wir mal mit dem Spaß beginnen!


Nachdem sich „10 Dinge, die ich an dir hasse“ nun auch für mich als beglückendes Teenie-Abenteuer aus den Neunzigern herausgestellt hat, das sich aus Herr Shakepeares Vorlagen in muntere bis clevere Gags sowie eine ganz glänzende Romantik hineingestürzt hat, bei welcher die Selbstbestimmung selbst binnen Intrigen als Sieger heraussticht und sogar die Oberräuden beinahe liebenswert wirken, hatte es Ken Russells „Valentino“ etwas schwieriger, um bei mir wirklich Fuß zu fassen. An Spaß mangelte es dem Biopic vom Exzess des frühen Hollywoods nicht, insbesondere hinsichtlich des verschmitzten Charakters Rudolf Nureyevs, der den Protagonisten womöglich charismatischer als das Original darzustellen im Stande war. Regisseur und Koautor Russell denkt seine Betrachtung zu Wesen und Leiden des stetig industrialisierten Sexsymbols aber dann doch etwas zu kurz, als dass sich von Anfang bis Ende emotionales Potenzial draus schöpfen ließe. Seiner Methodik aufbrausender Theatralik im Externen könnte man da die Schuld geben, wenn sie denn nicht bewusst in exaltierter Offenheit auf die Barrikaden gehen würde, um die mehr oder weniger freiwillige Machtlosigkeit des Menschlichen gegenüber der Sensationsgier im Gewissen ankommen zu lassen - Valentinos erotische Tango-Künste sind im Kontrast dementsprechend die wenigen, normal für sich einstehenden Begebenheiten dieses Films. Nur eben die letztendlich konventionelle Kapitelstruktur von überspitzten Anekdoten Richtung Zwei-Stunden-Narrativ macht da einen Strich durch die Rechnung, lediglich das letzte Drittel vom Boxkampf Valentinos gegen die Presse schafft es, anhand des Prinzips der Abstraktion mit Gefühl auf einen Punkt zu kommen. Der Einsicht wird Russell etwas zu spät bewusst, obgleich er durchweg die Mechanismen des Showbiz bunt zu entlarven versucht, gleichsam ihre Glorie sowie die Empathie zum Draufgänger feiert, auch wenn er wohlverdient zur Diva wird. Letztere äußert sich zudem im sexuellen Machtspiel mit Minderwertigkeitskomplexen, Sehnsüchten und Hemmungen, doch wie so oft im Sinne Hollywoods bleiben wahre Tiefen der reißerischen Oberfläche halber aus oder eben nur dem Spaß am Deftig-Zwischenmenschlichen zugetan. Das kann sich eben nicht allzu lange auf den Beinen halten, es ist wohl wirklich zu viel des Guten, obwohl nichts wirklich schlecht daran ist.

Schließlich war am Freitag aber wieder Filmabend angesagt und da hatten sich ganze sieben Bomber fürs energiegeladene Wochenendevent geeignet. Einige waren meinerseits nicht unbekannt, doch ich will trotzdem mal versuchen, ihnen allen eine Platz an dieser Stelle zu bieten:


Umberto Lenzi legt es mit seinem „Großangriff der Zombies“ schon früh darauf an, Genre-gerecht an eine sozialkritische, gar ökologische Botschaft anzuknüpfen, dennoch begnügt sich der Veteran zig variierter Brutalo-Reißer nicht unbedingt mit der Disziplin der Kohärenz, so wenig Geld und Zeit ihm wohl auch zur Verfügung standen. Sei es drum: Die nicht von ungefähr eingeschlagene Albtraumlogik seines Horror-Szenarios mutierter, von Menschenhand erschaffener sowie diese zerfleischende High-Speed-Zombies hält mit reichlich Bleigewitter drauf, um die Laune ausgelassener Schmierigkeit hoch zu stapeln. Vorne dran rennt und telefoniert sich Hugo Stiglitz als Journalist Dean einen ab, schwadroniert derartig passioniert über die Pressefreiheit, wie es bei Lenzi sonst immer die Bullen über ihre Auffassung von direkter Gerechtigkeit tun. Seine Freundin Anna (Laura Trotter) hält in übersichtlichen Portionen ebenso philosophische Vorwürfe zum menschlichen Zustand bereit, was dem in solchen Genrezeiten sonst so vernachlässigten weiblichen Geschlecht wenigstens mal ein gewisses Mitspracherecht zuspricht. Ohnehin ist es sympathisch anzusehen, dass die Männer auch in den noch weiter drum herum gewickelten Subplots ständig die Frauen, Ehegattinnen und Töchter an der Leitung haben wollen und sich Sorgen um ihr Wohlergehen binnen einer sich anbahnenden Katastrophe machen, während diese eben ihren eigenen Job, ob nun im Krankenhaus oder zuhause, erledigen. Natürlich lassen sich solche Ansätze dann immer schnell entwerten, wenn sie ausgerechnet dort, selbst beim Picknick außerhalb der vorangekündigten Sicherheit, angegriffen werden und Lenzi spart ohnehin nicht an exploitativen Einlagen hinsichtlich Nacktheit und der blutigen Zerstörung all dessen. Diese Eindrücke ergeben dann meist Momentaufnahmen, wie sie ein Knallerbild für ein Comic ergeben könnten, in deren Ballung ergibt sich aber nur selten eine richtige Sequenz, so wie sich aus den Sequenzen des Films auch nur schwer ein Film ergibt. Der marginale rote Pfaden bringt immerhin noch genügend Kurzweil mit, um die drei parallelen Episoden des Schreckens temporeich wie sprüchegeladen unter Beihilfe von extremen Schauwerten als Schaufenster für spritzigen B-Movie-Splatter gelingen zu lassen. Wahre Spannung darf man da zwar woanders suchen, doch Lenzis dringliche wie schludrige Atmosphäre seines Euro-Grauens trifft noch voller Aufregung die richtigen Töne einer Apokalypse der Stumpfheit.


Als nächstes meldete sich „The Trust - Big Trouble in Sin City“ zu Wort und wenn man auf eine Qualität vertrauen möchte, nämlich die Spielfreude von Hauptdarsteller Nicolas Cage, dann lässt sich hier eine gute Anlage bauen. Ohnehin dürfte er per Improvisation die gelungensten Momente dieses Films der Gebrüder Brewer aufbieten, welche die Existenz ihres kaum jenseits konventionellen Heist-Kinos operierenden Thrillers nur schwer motivieren können. So sehr er sich anfangs um eine ehrliche, doch furchtbar undynamische Spur Humor bemüht, so simplistisch nimmt er sodann Korruption und Moral ins Visier, um sich binnen des Mini-Budgets sogar noch unnötig ausstrecken zu können. Zum Glück kann er auf die Absurditäten des Crazy Cage zurückgreifen, denn ansonsten kippen die Unmengen an Gewöhnlichem einen allmählich ins Tal der Lustlosigkeit um. Wieder in die Gegenrichtung steuernd, machte Greg Beeman als Meister des Honkfilms mit „Mom und Dad retten die Welt“ seine Aufmachung, den ich hier nicht zum ersten Mal empfehlen würde. Ich wüsste spontan nicht, was ich noch hinzufügen könnte, was dieses kosmische Abenteuer eines allzu vertrauten Mittelstandpaares noch schmackhafter machen könnte, aber manche Qualitäten halten eben ewig: Bei dem duften Aufwand in Sachen Maske, Kulisse, per Inszenierung sowie Schauspiel vermittelter Energie können heutige Komödien nur schwer mithalten, ohne auf einen durchgehenden Austausch an obskuren Beleidigungen zu setzen. Wohlgemerkt sind Zoten und naive Pointen hier natürlich keine Seltenheit, schließlich ist Spango ein Planet voller Idioten. Unmengen an Tiermenschen und eine durchgehend drollige Romantik addieren darin aber stets ein Enthusiasmus zusammen, der dem Alltag eine ordentliche Schippe voll intergalaktischem Wahnwitz ins Getriebe knallt. Da vor kurzem endlich eine deutschsprachige DVD erschienen ist, sollte der Zugang zu diesem durch und durch an die Neunziger gekoppelten Spaßgaranten leichter denn je zu bewerkstelligen sein. Darüber hinaus lässt sich in diesem Kurzbericht vielleicht nicht viel mehr hierzu sagen, doch zumindest als Energiespritze macht Beeman erneut eine ausgezeichnete Figur.


Wenn man sich danach aber „Das Mädchen von Hongkong“ von Jürgen Roland einprogrammiert, muss man wieder einige Stufen an Glück zurückstellen, wobei die Erfahrung gewiss kein Unglück abgibt. Es ist eben nur ein unglaublich trivialer Ausflug in die Vergangenheit, der sich als Kolportage recht zweckdienlich bewährt und spekuliert sowie einen offensichtlich sich selbst spielenden Blacky Fuchsberger aufbietet. Letzterer bringt zwar durchaus immer kecken Drive mit sich mit und hat von Natur aus den Schlag bei den Frauen weg, doch immer wenn's um diese geht, gibt sich der Film besonders einfältig, hantiert unfassbar leichtsinnig mit der Schlagfertigkeit angedrohter Vergewaltigung und zeichnet besonders besagtes „Mädchen von Hongkong“ als leichtgläubige Nudel und doofe Nuss, an der die Zeigefreudigkeit des weiblichen Körpers aber gewiss nicht aufhört. Als Gegenspieler geben sich Arthur Brauss und mit Kauderwelsch unterlegte Handlanger vom Rollenformat K wie Klischee die Ehre, doch ihre Gegenmaßnahmen halten den Film eben gerade mal beliebig zusammen, wenn sein Krimi-Plot auch noch lange nicht so scheißegal einwirkt wie der von „The Trust“. Erst der bittersüße Schlusspunkt putzt dabei etwas von der Naivität derartigen Trivialkinos aus dem Reich hingerotzter Zelluloid-Touristik weg, abseits dessen bleibt dennoch ein einigermaßen flotter und farbenbetonter 70er-Jahre-Dampfkessel an Blassem und Überspitztem über.

 
Daraufhin John Waters' „Desperate Living“ anzuschauen, kommt einer Explosion gleich. Geschmacklosigkeiten und Hysterie verknüpfen sich hier erneut zu einer pausenlosen Supershow, die im positiven Sinne kontinuierlich das Gehirn wegschmelzen lässt und vielerlei Kosten scheut, um mühelos sogar dann noch zu überraschen, wenn man auch bereits „Pink Flamingos“ und Konsorten kennen möge. Mink Stole rastet vielleicht so stark wie sonst nirgends aus, als sie zusammen mit Jean Hill von den oberen Zehntausend wegbricht, in denen sie mehr Perversionen und Gewalt sieht, als tatsächlich oder nur in Mengen vorhanden war. Ihre manische Melodramatik ist da schon eine wunderbare Beigabe zu Kinderstreichen und Doktorspielchen, welche in ihrem Auge die Hölle von Vietnam rekreieren und zur übersexten Schwangerschaft führen. Waters lässt sich da nur an wenigen Tabus aufhalten, seine neckische Provokation kommt dann auch bald im Perma-Modus an Verdorbenheit und Fiesheit an, sobald die Flucht aus Baltimore nach Mortville von statten geht. Dann geht die Zwischengesellschaft der Subkulturen unter der Tyrannei von Edith Massey nämlich richtig in die Vollen und wirft so genüsslich Geschlechter und Schönheitsideale durcheinander, dass man dem daraus entspringenden Anarchismus an Gebrüll und Geficke nur allzu gebannt folgen kann - selbst, wenn sich alles im Chaos verliert. Denn manche Pointen an Gemeinheiten und Widerlichkeiten kommen inszenatorisch zu einem Kurzweil, den Waters bei seinen Flamingos noch nicht so ganz drauf hatte. Vielleicht kann man das aber trotz aller Freigiebigkeiten im dargestellten Wahnwitz als Gefälligkeit betrachten, als bewussterer Schock nach einer Reihe ähnlich gelagerter Filme, der eben nicht ganz verschleiern kann, dass er im Verlauf einige anstrengende Phasen mit sich bringt. Selbst „Pink Flamingos“ hatte ja auch seine Momente der urigen Empathie, „Desperate“ verschluckt selbst diese als Attacke des kotzwütigen Nonsens. Das ist nur konsequent und schön, vielleicht aber nicht auf die Dauer auch dementsprechend effektiv. Ganz ab davon sieht man hier genug Sachen, die sich nirgendwo sonst anbieten würden, so wie sich das „Living“ schamlos in allen seinen abgefuckten Facetten suhlt, dem Zuschauer dabei die Augen ausdrückt und Ohren auseinander reißt. Das Verständnis zum Untergrund ist wie eh und je in all seiner Over-the-Top-Wonne abgedeckt und ein verkorkstes Märchen im Kampf gegen die Monarchen des White Trash gesellt sich ohnehin dazu.


Es kam aber noch doller - gut, dass der Wein schon in aller Munde war, denn Mario Bianchi kam mit seiner „Provinz ohne Gesetz“ daher, einem Bullenreißer, der als Krimi nochmals die Schludrigkeit von „Die Ungreifbaren“ überbietet und seinen Groschen-Plot um Erpressung sowie Mafia-Syndikat (angeführt von Richard Harrison) sogar weit inkohärenter abfetzt. Der in Ungnade gefallene Kommissar Sereni (Calogero Caruana) ergibt dabei einen Kotzbrocken von Protagonist, der in seiner Kaltschnäuzigkeit so dermaßen abhonkt, wie sich auch die Inszenierung konfus durch Schauwerte prügelt, als wäre eine Dekonstruktion des Poliziottesco ins Lächerliche angesagt. Schmieriger könnte dessen Münchener Synchro voll übertriebenem Gossenjorgan dann auch nicht klingen, umso vergnügter lässt man sich dabei in einen Exzess stürzen, der sich „Stumpf ist Trumpf“ mit Sicherheit auf die Brust gekritzelt hat. Sein zu Beginn wunderbar überschwängliches Tempo drosselt der Film Richtung zweite Hälfte zwar einigermaßen, das sprunghafte Konstrukt binnen Charakterverständnis, Zwischenmenschlichkeit und pappig verkörperter Kernigkeit bleibt aber bis zum Ende bestehen. Bianchi verballert sich gehörig ins Herz des Zuschauers hinein, wenn Sereni den Macker ohne Grenzen gibt, auf Dächern springt und Gangster abknallt, in Schmalspurmontur den Bronson mimt, aber kindisch rüber kommt, wenn er als kleiner Mann in übergroßen Schlaghosen dauernd Frauenliebschaften wechselt (sobald ihm eine wegstirbt) und mit stets mürrischer Fresse suspendiert das sehr locker definierte Gesetz in die eigene Hand nimmt. Kindisch scheint aber auch Bianchi zu denken, weshalb er trotz mangelhafter Ressourcen umso entschiedener die Genre-Aufregung durchexerziert, voll taktloser Exploitation jedes mögliche Weltbild aushebelt, weil es im Kino nun mal geht. Nichtsdestotrotz könnte sein Sleaze nicht stärker durchschleimen, wenn unbescholtene dralle Frauen mit K.O. Tropfen unfreiwillig in die Porno-Szene involviert werden und um die soziale Stellung ihrer Gatten bangen müssen, wobei Bianchi gewiss mehr auf Busen als auf Mitgefühl setzt. Aber selbst wenn das Drehbuch irgendeine Ideologie an diesen Prozessen ausmachen wollte: Bianchi wüsste nicht, wie und was er da vermitteln sollte, also deeskaliert sich sein Film ständig in eine Unschuld des vollkommen transparenten Posings, das knallhart und zynisch tun will, aber eigentlich als ganz niedlich in Empfang genommen wird, was zweifellos an der beinahe dadaistisch strukturierten Krassheit von Narrativ und Ensemble liegt - ganz zu schweigen von den knalligen Unmengen an durch und durch provinzieller Action, die vielleicht ein Mal so etwas wie eine Kadrierung auf die Beine stelle kann. Echt liebenswert, der Mario - wie ein Hund, der laut bellt, sich aber ohne Weiteres streicheln lässt.


Als Abschluss des Abends gingen „Hänsel und Gretel“ unter der Leitung von Walter Janssen in den Wald. Die westdeutsche Märchenverfilmung nach den Gebrüdern Grimm ließ aber gewiss nicht locker, sich mit den vorangegangen Eindrücken der bis dato erlebten Filmauswahl zu verbünden. Mit überchargiertem Spiel und umso keimigeren Agfacolor dürfte die Mär aus dem Jahre 1954 nicht nur Kindern Angst machen, betrachtet man dazu allein das expressionistische Set-Design voll furchteinflößender Fratzen - ganz gleich, ob sie voller Unbedarftheit Sonne, Mond und Blumenbeet verkörpern sollen; wer hätte gedacht, dass man soviel Schiss vor Lebkuchen und Schornsteinen haben könnte? Selbst die Eulen hinterlassen hier weniger stechende Blicke. Die Ausgangslage ist aber auch ein schweres Stück, ganz besonders im Hinblick auf die Nachkriegszeit, deren Einfluss das Narrativ um Hänsel (Jürgen Miksch), Gretel (Maren Bielenberg) und ihre mittellosen Eltern noch um einige Zwischenstops vor der Hexe verlängert sowie Armut und Verzweiflung dichter in der Figurenerfahrung ankommen lässt, wenn sich diese mehrmals im Nadelwald verlaufen, aus dessen Dunkelheit der Nacht sodann horrormäßig kostümierte Tiere schlüpfen. Gretel schreit dann voller Tränen in die Kamera hinein, sobald sie vollkommen alleine unter den Tannen kauert, als wäre sie im Delirium à la Harlan, wobei jener Name einem öfter in Erinnerung gerufen wird, so fies der dickwänstige Besitzer ihrer Hütte Drohungen ausspeit und wie polemisch auch die Hexe (Barbara Gallauner) ihre morbiden Schreckenstaten blutrünstiger Willkür ankündigt. Vollends verstrahlt erlebt der Film schon zur Mitte hin per Schneemann das Höchstmaß an Grusel, möchte man meinen, doch je tiefer es in den Wald geht, Lieder erklingen und die bunteste Behausung einen Höllenschlund des Missbrauchs offenbart, desto ruheloser empfindet man die eigentlich als harmlos angedachte Märchenstunde auf dem Pfad zum genuinen Mitternachtsspuk. Hier türmen sich geradezu die bizarren Eindrücke, deren Licht- und Kulissengestaltung eher „Suspiria“ oder den Horror von Geißendörfers „Die Eltern“ vorwegnehmen - da hilft die letztendliche Katharsis nicht allzu befreiend drüber hinweg, wenn man bei Hänsel, Gretel und vielleicht auch sich selbst posttraumatische Belastungsstörungen voraussieht. Kurzum: Dieses Goldstück kindlich gestalteten Grauens aus den an sich schon nicht ganz so sauberen fünfziger Jahren ist trotz aller augenscheinlicher Unschuld so gefühlsintensiv in den Tiefen der Furcht sowie des Unberechenbaren unterwegs, wie man ihnen selbst mit farbigster Fantasie nicht begegnen (wollen) würde. Ein irgendwie verstecktes Kuriosum in einem etablierten Kinder-Klassiker.

Nun denn, das wären jene Filme, die sich diese Woche in kurzen Eindrücken verewigen ließen, abgesehen davon habe ich drei Filme jedoch etwas genauer betrachtet, von daher ohne Umschweife direkt zum triumphierenden Trio an Tipps:




DIE WEISSE BESTIE - Hunde im Film zu vermenschlichen, ist im Grunde keine allzu seltene Disziplin, allerdings hauptsächlich in die Richtung des Niedlichen gelenkt, wie „der beste Freund des Menschen“ nun mal gerne idealisiert wird. Es gibt im Spektrum der Filmgeschichte aber ebenso genug oberflächliche Extremfälle in die Gegenrichtung à la „Cujo“ und Co., doch meistens bleiben die Tiere dabei schlicht Ventile für die Bezwingung purer Bösartigkeit. In beiden Fällen bleibt außen vor, dass selbst Tiere weder gut noch böse geboren werden und dass mehrere äußere Faktoren das Innere bestimmen, erst recht beim Haustier, wenn die Nutzung der Instinkte dort entschieden wird. Solche Prozesse lassen sich ebenso gut, sogar noch weit dichter vermenschlichen (siehe auch „Zum Beispiel Balthazar“), also hat Samuel Fuller jene Gunst bei „Die weiße Bestie“ genutzt, um aus dem Konzept Hundetraining eine recht essenzielle Perspektive zu konzentrieren. Bei seinem weißen deutschen Schäferhund handelt es sich ausgerechnet um solch einen, der beinahe schicksalhaft dazu abgerichtet wurde, Schwarze anzugreifen. Die Rolle, die ihm auferlegt wurde, gilt es im Verlauf sodann per Lernprozess auszutreiben - so geradlinig direkt am Hass operierend, dass die bescheidenen Anflüge an Katharsis umso bittersüßer schmecken. Es gibt keine Garantie für einen Erfolg, aber der Versuch ist es wert, anstatt vom Vornherein zur Zerstörung anzusetzen, eben in Konventionen der Extreme zu denken.


Fuller lässt ein Urteil schlussendlich auch dementsprechend aus, wie er den Heilungsprozess ebenso ambivalent als alternativloses wie nötiges Machtspiel an Manipulationen klar macht, das zudem unter hermetischen Umständen keine absolute Sicherheit versprechen kann, obgleich die Hoffnung bestehen bleibt. Er gewichtet diese recht klein gehaltene Situation ohnehin intensiv im Sinne des Universellen, die menschlichen Verhältnisse drum herum geben trotz ihrer eigentlich minimalistischen Ausstattung reichlich Hinweise, inwiefern ihr Zustand in Wechselwirkung mit dem sozialen Status des Hundes zusammenhängt. Fuller konnte als engagiert Unabhängiger binnen Hollywoods ein Lied davon singen, selbst dieser Film kam in den jeweiligen Zirkeln recht kontrovers sowie nicht allzu zugänglich an. Dabei ist Schauplatz L.A. natürlich schon an sich spannend gewählt, wenn der amerikanische Traum dort im Showbiz vom Stellenwert des ersten Eindrucks lebt und klare Modelle dafür ausstrahlen lässt, die sich je nach Trend stets verändern. Die Konsequenzen davon werden nicht explizit parallelisiert, der „White Dog“ kommt aber durchaus als Opfer seiner Umstände in einem Umfeld an, in welchem das Trauma des indoktrinierten Hasses erst in vollends krasser Unvereinbarkeit offenbart wird.


Adoptivfrauchen und angehende Schauspielerin Julie (Kristy McNichol) möchte in ihm zunächst die Unschuld sehen, die Empathie zum Schock seiner wahren Gestalt hin wirkt erst recht hin und hergerissen, so sehr sie eine einschlagende Erfahrung im Besuch einer Hundeauffangstation verinnerlicht hat. Die Gefahr des tierisch Unberechenbaren wie Unvermeidlichen ist da, doch die Mechanismen der Schuldfrage daran interessieren Fuller mehr als Genre-Gefälligkeiten, obgleich sein Film sich durchaus bei Stilistiken bedient, die den Konflikt der vom Mensch geformten Kreatur in Bezüge der Empathie zu z.B. „Frankenstein“ erdet - ganz zu schweigen von Ennio Morricones Score, der sich allzu passend mit den Nahaufnahmen und Zooms von Fullers visuell unmittelbarer Gefühlsdynamik deckt, ohne als Reißer aufzutrumpfen. Ohnehin entfernt sich der Film stetig mehr vom identifizierbaren Zeitgeist der Achtziger, greift in eine profunde humanistische Politik hinein, die noch von Grundrechten wie Würde, Chancengleichheit und Toleranz ausgeht, sodann aber quasi an der Wurzel von allem von vorne beginnen muss. Die religiösen Hinweise auf Vergebung, Noahs Arche und unnachgiebiger Hoffnung, nach der jeder gerettet werden kann, sind da durchaus gegeben, allerdings besitzt die Atmosphäre nicht grundlos Schmerz im Zwang einer Gefangenschaft, aus der ein gesellschaftsfähigeres Individuum neu geboren werden soll.


Es wird dann auch archaisch, wenn eine von langer Hand angelegte, per Instinkt angewandte Gewalt umerzogen werden soll und da können sich die Methoden von Betreuer Keys (Paul Winfield) in diesem Fall schlicht nur auf die Macht der Gewohnheit berufen, wenn man dem Individuum eine vollends persönlichkeitszerstörende Lobotomie ersparen will. Aber auch dann bleibt das Restrisiko familiarity breeds contempt, gerade so, dass die Belehrung in eine neue Gewalt ausschlagen kann, zwischen den Stühlen verstörter Erfahrungen verharren muss. Fullers Film ist daher auch nicht perfekt in der Darstellung eines derartig speziellen Komplexes, aber es passt sich zu gut dem zentralen Tierprotagonisten (Mega-Performance übrigens) an - einem Charakter, den man emotional so stark reflektiert, da die Verletzlichkeit in seiner Willenlosigkeit keineswegs beiläufig eingefangen wird. Im Gegenteil: Die geschickte Spannung Fullers beim Zusammenspiel aus Tier und Mensch funktioniert dank pointiertem Schnitt und einem straff packenden Drehbuch auch dann, wenn die menschliche Komponente mit der Repetition erziehen muss oder angesichts der Eskalationen ihre Agenden und Motivationen den dramaturgischen Funktionen wegen nur behaupten kann.


Nicht jeder Dialog kann seine Deutungsabsicht ablegen, nicht jede symbolhafte Handlung (allen voran fast jedes Szenario mit dem multiplen Gefälligkeiten hinterherjagenden Mogul-Pendant Carruthers) besitzt das ideale Feingefühl, unterstützt zeitweise höchstens eine märchenhafte Willkür Richtung Genre-Kalkül. Mit Imperfektionen ist zu rechnen, wenn man jenseits der Oberfläche schaut, das gehört zu allem irdisch Erfahrbaren dazu. Der Kontext des Films erlaubt diese Argumentation ja auch, ehe man alle Fehler grundlos verzeihen müsste; in der psychologischen Logik des Ganzen bleibt manch Naivität aber ebenso nicht aus. Was Fuller aber wirklich entschieden ballen sowie beim Zuschauer ankommen lassen kann, ist das Gleichnis vom Humanismus binnen des Tierreichs, das aufzeigt, wie destruktiv sowie austauschbar Vorbestimmtes schlicht vom Oberflächlichen aus schon einwirken kann, auch wie sich eine Gegenrichtung der Liebe daraus manifestieren lässt, obgleich das ebenso keine ultimative Einbahnstraße ergibt. Ungewissheiten und Verzweiflung bleiben dieser wie vergangener Tage eben niemandem vorbehalten, umso wichtiger wiegt dann eine Differenzierung im allgemeinen Verständnis durch Filme wie diese, bevor man die Vernichtung von vorverurteilten Feindbildern ganz gleich welcher Seite der Medaille gut heißt.




FIREFLASH: DER TAG NACH DEM ENDE - Wie viele seiner zeitgenössischen Genre-Regiekollegen hat sich auch Sergio Martino als Dienstleister mehrerer Identitäten durchgeschlagen. Unter anderem im Western, im Giallo, im Poliziottessco, bei Kannibalen, Sexfilmen sowie darüber hinaus durfte er sich stets als Dynamo des mehr oder weniger Trivialen beweisen. Kein Wunder also, dass er im Trend der filmischen Postapokalypse Anfang der Achtziger ebenso ein Wörtchen mitzureden hatte. „Fireflash: Der Tag nach dem Ende“ verkörpert aber letztendlich dann doch ein bisschen mehr als die reine Eskapismus-Schlachtplatte, obwohl jene gewiss nicht zu knapp auftritt. Das Narrativ allein ist nämlich schon ein Schmelztiegel zahlreicher populärer Quellen, bei denen es inzwischen müßig wäre, sie aufzuzählen. In ihrer Vermengung ergeben sie aber ein buntes Angebot, das in seiner Essenz recht wehmütig auf die Wilden der Menschheit zurückblickt, während an ihnen die „große Desinfektion“ voran getrieben wird. Die Trompeten von Jericho, hier bespielt von einem alten verstrahlten Schwarzen, sind da schon zu spät dran, wenn New Yorks Horizont eine einzige Ruine im Zwielicht ergibt. Dies setzt als Intro schon eine harte Markierung, die folgende Voiceover-Geschichtsstunde legt den Schrecken sodann der brutalen Vereinheitlichung von Eurakern zugrunde, die Europa, Asien und Amerika unterjocht haben.


Ihr Auftreten im Verlauf des Films schwankt sodann zwischen mehreren Ären, quasi universell als Amalgamation der Kreuzzüge, der Gestapo und einer spekulativen Zukunftsvariante dessen wirkend. Sie suchen dabei nach dem Wesen, das durch ihre atomare Auslöschung nicht unfruchtbar gemacht wurde: Lediglich eine einzige Frau, die noch Kinder gebären kann - ganz wie das spätere Konzept der „Children of Men“. Ansonsten bestimmt der Tod den Alltag, sowohl im Kampf der abgewrackten Subkulturen als auch im Geschäfswesen zwecks globalen Machtstatus. Das ergibt zwar keine Satire des Zynismus wie bei Paul Bartels „Death Race 2000“, nicht minder absurd stellt Martino aber die Mechanismen seiner Endzeit da, wenn sich Flash im Kettenhemd (Michael Sopkiw, im Original Parsifal genannt!) binnen eines tödlichen Derby als Protagonist herauskristallisiert, in rasanter Reihenfolge sodann von einem mechanischen Clown Tötungscredits mit Rocker-Braut erhält, diese nach einer Minute in die Freiheit entlässt und im Gegenzug von den Drohnentruppen des Präsidenten Richtung Alaska geflogen wird. Martino und sein Koautor Ernesto Grimaldi zischen eben wie der Blitz durch reißerische Szenarien, direkt ihren einheimischen Comics entsprechend auch in die Hauptmission, laut welcher Flash die besagte Frau aus New York herausholen muss, um im Gegenzug einen Platz auf der Raumfähre weg von der Erde zu erhalten sowie den Fortbestand der Menschheit im Neubeginn zu gewährleisten.


Das flotte Jungskino darin lässt dabei so fix das Vorhandensein von Replikanten à la Ridley Scott rüberwachsen wie es auch die „Legende von Adam und Eva“ als Gleichnis in den Raum wirft - schön aufgeregt dargeboten im Arsenal der Abenteuersprache, nicht unbedingt im Rausch der Macho-Sprüche. Vieles daran ist natürlich auch schlicht zweckmäßige Exposition, dementsprechend dreht Martino vornehmlich praktisch gedacht innerhalb quasi-futuristischer Brauereien, Kiesgruben und womöglich von „The Riffs“ übrig gebliebenen Sets - manchmal immerhin auch in den Wüstengegenden von Arizona. Die Kompensation erfolgt dabei stets in der Varianz an Effekten zwischen Luigi Cozzi und Lucio Fulci sowie einer Unmenge an Rauchmaschineneinsätzen. Auf jeden Fall wirkt es dann doch gar nicht mal so aufwandsfrei; beachtlicher wird dann noch das Tempo, anhand dessen Flash sowie mithilfe seiner Begleiter Bronx (Paolo Maria Scalondro) und Racket (Romano Puppo) ins besetzte Manhattan eindringt, dabei ein reichhaltiges Spektrum an obskuren Banden vorfindet. Das wären nämlich unter anderem Ratten aufspießende Mutantenpunks, gefolgt von den eher friedfertigen Zwergen in der Kanalisation sowie den im Untergrundzirkus herumtollenden Affenmenschen, angeführt von Big Ape (George Eastman).


Totschlag und Vergewaltigung gehören außerhalb der Zwergengemeinschaft zur Tagesordnung, allen voran die blonde Ausnahmefrau Giara (Valentine Monnier) gerät da des Öfteren in Schwierigkeiten, doch Flash funkt gerne dazwischen, auch wenn er sie sich später laut Reglement der Affenmenschen als „Preis“ verdient, die Trophäenhaltung ihm gegenüber für sie zu dem Zeitpunkt aber kaum noch nötig ist. Schließlich ist auch niemand der Brutalität der Euraker gewachsen, die als beständige Bedrohung einfach alle auslöschen, Flash und Co. sodann gefangen nehmen und sie per Folter zum Reden bringen wollen, während Picassos Genozid-Gemälde an der Wand hängt. Daran wird auch initiativ diskutiert, inwiefern der Planet davon gelernt hat oder nicht. Die Flucht mit Lasern und Zacken ist da nicht weit entfernt, ebenso eine Etablierung von impulsiven Hauptbösewichten wie Ania (Anna Kanakis). Neben der Action bleiben weitere Anspielungen auf Märchen wie Dornröschen, Schneewittchen sowie Die Schöne und Das Biest auch nicht aus, was im Dialog der Figuren als „gebildet“ herausgestellt wird, aber natürlich nur bedingt eine Art Subtext unterstützt. Zumindest beweist Martino in dem Kontext höhere Ambitionen als der sonstige Genre-Standard, die treibende Musik von Guido und Maurizio De Angelis übertüncht sodann auch manch inszenatorische Schlichtheit, die sich irgendwie immer selbst zu überholen versucht.


Das Spektakel voller Facetten der Postapokalypse gelingt aber ohnehin einfach auch durch eine in ihrer Grundidee Blockbustermäßig-packende Dramaturgie, die zudem empathische, wenn auch überdramatisierte Spitzen vorweist, die teilweise über den Schatten der Naivität zu springen in der Lage sind. Die kommen sowieso meistens aus Charakteren, an denen man es zunächst nicht vermutet hätte, so wie sie davor oder danach mit bestimmter Haltung auftreten, schließlich aber das Weiterleben der Mutationen sichern - siehe Big Ape, für den auch das Mad-Max-Pendant Flash eine entscheidende Menge Güte und Verständnis vorzeigt. Martino euphorisiert hieran durchaus die Vielfalt, die er an seiner Karriere erfahren hat, sein Drehbuch somit nicht nur aus Versehen mit reichlich abwegigen Referenzen und Eindrücken anfüttert. Vieles daran gelangt auch gen Exploitation, zum Verkeimten, auch zu fürs Genre leider gewöhnlichen Mengen an Tiersnuff. Ohnehin steht Vertrauen hier hoch im Kurs, vielleicht als wichtigste Währung unter Trümmerkriegern und nur scheinbar selbstsicheren Oberhäuptern (an Willkür und Überraschung spart Martino da auch nicht). So wie der Film jedenfalls seine urigen Verhältnisse als Action-Rollercoaster verdichtet, muss man der Fahrt dem Adrenalin wegen einfach sein Vertrauen schenken, wenn man schon drin hängt. Auch wenn der Reiz daran nicht ganz sicheren Ansprüchen gerecht wird, zieht die Erfahrung einen damit dennoch irgendwie hypnotisch an. Das ist wohl die Kunst des Trivialen.




KIDNAPPING - EIN TAG DER GEWALT -Das Italien der siebziger Jahre muss offenbar eine unfassbar schlimme Zeit gewesen sein, wenn man die Reflexion dessen in stetig grenzüberschreitenden Filmen der Ära betrachtet. Ein Pier Paolo Pasolini hat mit den „120 Tagen von Sodom“ gewiss schon gute Vorarbeit in der Fühlbarkeit des Schocks geleistet, ehe die Polizeifilme mit selbstgerechtem Zynismus gegen das Verbrechen zuschlugen. Luigi Petrini aber denkt sich für sein „Kidnapping“ noch jeden Ansatz von Katharsis weg und steigt von Vornherein in die Initiative grundloser Gewalt ein, die hier von einer vollkommen entmoralisierten Jugend ausgeht. Ein Pasolini hätte sich da unter Umständen noch eine psychologische Beobachtung der zwei Nihilisten im Gangster-Rausch erlaubt, Petrini aber schlägt diese Option aus. Verständnis will er den Tätern nur minimal gönnen, kann sich aber nicht verwehren, deren ausweglose Abenteuer im Detail einzufangen. Direkt und schroff trifft man sodann Paolo (Mario Cutini) bei einer Party im Bett, schon rieseln die asozialsten Sprüche jenseits der Unterwelt aus seinem Bart (sowie von den umstehenden Gästen), als gieriger Anmacher vom Dienst ist ihm jede Frau ohnehin nur Frischfleisch. Auch wenn er fesche Jeans-Klamotten trägt: Wer kann so eine Type schon ausstehen? Jo (Marco Marati), der zunächst schüchtern wirkende Professorensohn, der erst richtig aus sich raus kommt, als er mit Paolo einen Joint durchzieht.


Eine Reihe misogyner Sprüche sowie die Belästigung eines Obdachlosen später lässt er sich dann auch dazu überreden, seiner Freundin Anna (Maria Pia Conte) zu beweisen, dass er kein Schlappschwanz ist. Ab diesem Zeitpunkt dürfte der Film jede noch so tolerante Zuschauergunst verlieren, denn die Handhabung der Vergewaltigung, bei der zudem eine Nachbarin mit involviert wird, entledigt sich nicht gerade voyeuristischen Eindrücken, auch wenn die Schmierigkeit dessen derartig überzeichnet ist, dass jedes Filmverständnis selbst bei erfahrenen Genre-Freunden in die Knie gezwungen wird. Dann setzt nämlich die Phase ein, bei der man vor Unfassbarkeit schlicht loslachen muss, schließlich glaubt Petrini nicht daran, die Show an spekulativen Horror-Impulsen binnen seiner extremisierten Variante der „Ausgebufften“ (1974) aufzuhalten. Nicht umsonst trägt der Film hierzulande den Untertitel „Ein Tag der Gewalt“, so methodisch die Wege des Räudenduos weiterhin beobachtet werden. Beinahe wie nebenbei gedreht, beklauen und drangsalieren sie die Stadt, kommen sich auch mehr als Komplizen denn als Freunde näher, wie weit sie ihre offenbar lang aufgebaute Wut sowie ihre desillusionierte Zukunftsaussicht in den Untergang noch treiben wollen.


Petrini sieht ihnen dabei größtenteils nur einen leeren Nihilismus an, Jo wird anhand seiner Imitation eines Kängurus folgerichtig bewusst umso nerviger für den Zuschauer. Doch das Gesetz schläft nicht und so zieht sich allmählich die Schlinge um diese verdorbenen Gören, weshalb sie über Milieu-Umwege zu Knarren kommen und als einzigen Ausweg nur noch eine Geiselnahme inklusive Lösegeldforderung sehen. Wie diese Schlussfolgerungen zusammenkommen, kann man sich als Zuschauer nur mit jugendlicher Naivität - die nichts zu verlieren hat - erklären, jedenfalls gibt es dann erst recht kein Halten mehr für die Ausbrüche fiesester Neigungen zwischen vulgärer Provokation und Sadismus unmenschlichster Coleur. Das ist ungefähr „Blutiger Freitag“ mal 100, von Regisseur Petrini im Verlauf aber auch entschieden unangenehm inszeniert. Obwohl der Faktor des Kostengünstigen zweifellos in seiner Exploitation mitschwingt, sind die Gefangenen von Jo und Paolo ziemlich intensiv in der Verzweiflung und Angst angekommen, im Terror zwar um den Diskurs bemüht und dennoch so machtlos, dass es auch den Zuschauer würgt. Ganz ohne Effekt vermittelt Petrini seine Spirale der Brutalität ja nicht; was er dagegenhält, ist aber durchaus unglaublich platt.


Die Maßnahmen von Inspektor Aldobrandi (Mario Bianchi, selbst ein Regisseur deftiger Schmierigkeiten) weisen auf das stets so gern im Genre gesehene harte Durchgreifen der Polizei hin und die Pressefreiheit mischt sich da ebenso unbeliebt ein - Aldobrandis Beziehung zu seiner Ex, die hier wieder aufgerollt wird, ist zudem an inszenatorischer Schludrigkeit wohl kaum zu überbieten. Ebenso nur bedingt an der Wahrheit kratzend offenbaren sich die Motivationen der eskalierten Schmalspurgangster, denn die fallen so oberflächlich aus, dass sie eben gar nicht vorhanden sein müssten - also nochmal eine Stufe tiefer als zum Beispiel die vom IS. Bei Jo geht der Gehalt insofern nur so weit, dass er vom Elternhaus der oberen Zehntausend kaum beachtet/zu sehr verwöhnt wurde und daher zur tickenden und impotent aggressiven Zeitbombe wurde. Solche Profile waren zu der Zeit sicherlich in aller Munde (expliziter hätte man noch auf den kontemporären linken Terror eingehen können - siehe „Bewaffnet und Gefährlich“ von 1976), doch Petrini greift gewiss nicht tief in die Psychologie dessen, höchstens unter die Gürtellinie - allerdings als Narrativ auch derartig bitter, zudem mit Fokus auf eben jene zwei mehrmals als „Tiere“ bezeichneten Täter verdichtet, dass selbst ihnen im Inneren eine desolate Verzweiflung anzusehen ist, so von alleine in die Sackgasse getrieben und, wie sich ohnehin schnell abzeichnet, zum Abschuss freigegeben.


Aldobrandi gibt da auch gerne seinen Senf dazu, bis der Kochkessel überläuft, vollends kritisch betrachtet der Film aber dennoch nicht die Reflexionen von Gewalt und Gegengewalt, Ursache und Wirkung sozialen Empathieverlusts, reißt sie höchstens an. Der unvermeidliche Schlusspunkt gegen das Böse bringt dann zumindest auch keine Feier mit sich, stattdessen den ambivalent überwindbaren Schock. Weil Petrini sein zufällig gelingendes Moment aber nur halbgar mit Taktgefühl erfüllen kann, brennen sich letztendlich die Cop-Grooves wieder in den Abspann ein, immer weiter auf der Suche nach dem nächsten Siedepunkt, der die Gesellschaft bedroht. Um die Lösungen an der Wurzel darf sich jemand anderes kümmern, „Kidnapping“ ist zumindest noch ein beinahe gänzlich versagter Versuch, ein wenig hinter die Beweggründe soziopathischer Gewaltbereitschaft zu schauen. Da wechselt sich der Spaß an der filmischen Taktlosigkeit manchmal eben auch mit allzu echten Portionen an Furcht und Spannung ab, woran man noch immer sicher gehen kann, dass die Gefühle in einem selbst nicht abgestumpft werden. Seine ideologische Keimigkeit wird der Film so oder so nicht los, ganz gleich, wie man zu solch einem Werk nun steht oder distanziert betrachten kann.

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