Sonntag, 29. Mai 2016

Tipps vom 23.05. - 29.05.2016


 

TONI ERDMANN - "[...] Die Erfahrung bleibt aber stets bittersüß, wenn Ines sich für das Leichtfüßige und Clowngehabe ihres Vaters schämt, obgleich die Scham der Contenance halber kein Vergleich zur Misogynie der Vorstandslappen mit Wanst im Boss-Jackett darstellt. [...] Man wird aber auch sehen, dass Ines Kontrolle über die Unverschämtheiten der Männlichkeit haben kann, Biss vorweist und Ideale vertritt, doch es stehen noch zu viele Hürden der Verletzlichkeit im Raum, solange sie als Tochter ihren Vater rechtfertigen zu müssen glaubt. Also denkt der sich eine abgekoppelte Identität aus [...] Improvisatorische Impulse vermengen sich durchaus mit Alltäglichkeit und an sich schon absurdem Business-Talk, aber es wird sich gewiss nicht durch reißerische Eindrücke gehetzt, so wie ja im Folgenden nicht nur behauptet werden soll, dass sich Ines wieder dem Eigenen und Menschlichen nähert. [...] (Der Film) besitzt da reelles Feingefühl und schöpft seine Liebe abseits jedweder Genre-Regeln aus dem Unausgesprochenem, konstruiert die Katharsis in seinen Charakteren auch nicht aus vorgefertigten Wegbeschreibungen, sondern eben aus der Wertigkeit des Moments, aus Impuls und Willkür das zeigend, was man wirklich ist und was man sich zu schenken hat. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




DER NACHTMAHR - "Es stampft die Jugend im Rausch der Party voran, mit Verdrossenheit dem Alltag gegenüber, und doch mitten im Stroboskoplicht. Im Impuls des jungen Lebens wächst die Persönlichkeit aber noch und geht dementsprechend in der Clique unter, bis dann doch der Urknall des Coming of Age passiert. [...] Woher, warum und wie sind Fragen, die bewusst ausgeschlossen werden dürfen, sobald die psychotronische Beobachtung des Feierns in einem Alltag mündet, der kaum mit Individuen umgehen kann. [...] Schon das Schauspiel gibt sich rotzig in seiner Bewegung und bar jeder Hemmung, kann im Angesicht des Unwesens aber auch nicht Herr der Lage sein und erschafft somit einen Gesellschaftsjux, der umso schöner wird, je weniger er sich von einer Dramaturgie erwürgen lässt. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




DER VIERTE MANN - Wenn man abseits von Cannes schon noch nicht vorzeitig an „Elle“ herankommen dürfte, lohnt sich zumindest Paul Verhoevens Mystery-Thriller von 1983, so wie dieser einiges an jenen Ambivalenzen von Verdächtigungen, Frauen-im-Film-Modellen und überhaupt stilvoll gewählten Frechheiten aufbietet, die sich bei Verhoeven seit jeher gelingend bewährt machen. Man wird vor allem in letzterer Instanz das Gefühl nicht los, dass er einen ein Stück weit auf die Rolle nimmt, den Zuschauer und die erlebte Story aber nicht unbedingt zum Narren hält. Sein Mysterium um die vermeintliche Femme Fatale Christine (Renée Soutendijk) setzt zudem keine willkürlichen Barrieren ein, sondern unterhält mit reichlich unheilvollen Symbolen, die seinen Protagonisten Gerard (Jeroen Krabbé) zwar auf bestimmte Deutungen und dementsprechende Visionen bringen, diesem im Suff aber auch entgleiten lässt, während man selbst den Dreh bereits raus haben könnte. Der Spaß erlaubt sich einige mehr subversiv provokante und melodramatische Eindrücke, der Aufbau dorthin zeugt dennoch von legitimer Spannung. Schließlich lässt Verhoeven sein Meta-Spiel gut mit dem Charakter Gerards harmonisieren, der als Autor laut eigener Aussage besonders geschickt darin ist, sich eine Wahrheit zusammen zu lügen sowie auch sonst recht ergiebig Reelles und Fantasie in seiner Perspektive zu vermengen im Stande ist - katholisch und bisexuell ist er zudem auch. 


Die Reihe an Widersprüchen bringt aber keine Moral mit sich, eher das nötige Verständnis für seine Obsessionen binnen der heimeligen Ecken Hollands, gestrandet zwischen Bahnhof und Hotels wie einst Harry Kümels „Blut an den Lippen“. Selbst in denen schlummert aber das Böse und da lässt Verhoeven den universellen Grusel der Tiergattung Spinne schon früh den Freiraum zur kognitiven Vernetzung, zum Horror der Verlockung und zum Sex ohne Wiederkehr. Im Sphinx, dem Schönheitssalon Christines, wird Gerard sogar mehr oder weniger passiv davor gewarnt, doch solch subtile Aufforderungen kriegt er eher nicht mit, als dass er dem eigenen Wesen Richtung Eigennutz folgt, so oder so eben seine Mutter Maria finden wird, wenn er sie nur lang genug sucht und Zufälle als Schicksal stehen lässt. Dass er dabei immer mehr mit Angst und Paranoia hantiert, scheint aus seiner Position sodann sinnig, eine konkrete Auflösung bleibt aber außen vor, so dass seine letztendliche Rettung ebenso gut komplett als Hirngespinst fungieren dürfte. Die Frage nach der Verschwörung per eigener Psychologie treibt jedenfalls reichlich Reißerisches in die Augen, bis sie mehrmals aus den Schädelhöhlen schlüpfen und im Zwielicht onanieren, eine Verkettung an Omina wahrnehmen, sie entweder fürchten oder sich daran aufgeilen. Selbst der Wahn bringt eben Vor- und Nachteile, solange sich Gerards Hormone solch Temperament erlauben, wie es Verhoeven ebenso gerne nutzt.




THE WHISPERING STAR - "[...] Anders aber als die geläufige Interpretation einer Dystopie, also jene über die Schlacht unter den letzten verbliebenen Menschen und Regierenden, erfolgt hier die Ermattung im ultimativen Frieden. [...] Zen hat hier durchaus seinen Humor im Wiederholen und Strecken minimaler Prozesse, in der Ruhe liegt aber auch die Tragik einer verlorenen Lebendigkeit. [...] Der Halt an der Hoffnung in Paketform äußert sich ebenso mit Bescheidenheit – wohl auch deshalb, weil schon der kleinste Nachlass an Erinnerungen in Sonos flüsternder Zukunftsvision dermaßen geschätzt wird, dass selbst die Zugänglichkeit der Teleportation ungenutzt bleibt. Mit einer Schuldigkeit für jene Umstände mag er die Menschheit hier also nicht belegen, dafür ist die Rationalität ihrer Maschinen ja auch nicht gebaut. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




BILL & TED'S VERRÜCKTE REISE IN DIE ZUKUNFT - Der Titel zur Fortsetzung jener Abenteuer von Bill (Alex Winter) und Ted (Keanu Reeves) entpuppt sich, wie man nach nicht allzu langer Zeit feststellt, als Mogelpackung schlechthin, schließlich verschlägt es die Beiden anhand einer Verschwörung aus der Zukunft, bei der ihr Leben anhand böser Roboter-Versionen ihrer selbst auf den Kopf gestellt wird, ins Reich der Toten. Die anstehende existenzielle Krise voll surrealer Eindrücke und verselbstständigter Ängste hat es allerdings mit den Hoschis der Adoleszenz zu tun. Umso verstrahlter nimmt man das Narrativ wahr, welches unbedarften Jugend-Slang mit Steve-Vai-Riffs in der Air-Guitar durch Himmel und Hölle jagt und diese jede Prüfung des Geistes, die manch einer in den Horrorwahn treiben würde, als Kinderspiel erfüllen lässt, bis jede noch so psychotronische Skurrilität per Schlichtheit zum Abenteuer mitverwendet wird. Keine Hemmschwellen, weil kein Gehirn? Nichts da! Die metaphysischen Optionen der Telefonzeitmaschine öffnen die Tür zu Gevatter Tod, Gott und Außerirdischen, die unsere Helden so selbstverständlich zu nutzen wissen, obgleich die Wege dorthin wohl kaum von irgendeinem anderen Film bisher eingeschlagen wurden.


Gut, anfangs muss man dafür vielleicht einige Mengen an eingedämmter Dynamik hinnehmen, wenn unsere granatenstarken Freunde weiterhin keine steile Karriere vorweisen können, aber dennoch mit dem Herzen Richtung Hochzeit bei ihren Mädels aus dem Mittelalter sein wollen. Ehe sich aber wirklich Gewöhnliches einmischen kann, sind die fiesen Roboterkeulen im Anmarsch, die aber per Genre-Topoi-Umkehrung mindestens genauso flippig und dudetastisch ankommen, nur eben so destruktiv auf No-Future aus sind, wie es in der Teen-Angst auch leicht herum schwingen kann. Doch „God gave rock'n'roll to you“ (in diesem Fall wortwörtlich) und so findet der Spaß binnen des Battle of the Bands letztendlich doch noch vielerlei Tricks vom Kosmischen übers Kibernetische bis hin zum Verspielt-Paradoxen, um die Welt mit der Fetzigkeit aus Freundschaft, Liebe und Wyld Stallyns auf den Pfad der Extracremigkeit zu geleiten. Das mag die Pointen vielleicht geringer austeilen, als es ein Stephen Herek tat, doch so viel Unfassbares, wie sich diese Komödie über dem Tellerrand der Stumpfheit traut, die Katakomben der Psyche wie auch die Freiheiten der Fantasie erkundend, muss man erst mal verarbeiten. Oder man feiert es ab, wie Bill und Ted es tun.




WIND DER LIEBE - Ein australischer Hybrid aus Sportfilm, Komödie und dramatischer Romanze, der deshalb im hiesigen DVD-Regal liegt, weil eine junge (und übrigens zeigefreudige) Nicole Kidman mit am Start ist. Was Geschichten über Motivationen zum Leistungssieg und Liebe angeht, war sie ja später auch binnen der „Tage des Donners“ aktiv unterwegs, vorerst aber macht sie sich hier als Jade, die Frontsängerin einer mehr poppigen denn rockigen Band warm, obgleich diese einige tolle Soli und Riffs hinkriegen. Präsenter ist hier aber noch der Gegenpol, der den Originaltitel „Windrider“ ergibt: P.C. Simpson (Tom Burlinson), der stets den Durchblick besitzt und nicht nur mit massig „Woo's!“ die Wellen bezwingt, sondern als Tausendsassa auch den effektiven wie schelmischen Bürohengst gibt. Für die deutsche Synchro eine von vielen tollen Möglichkeiten, bestes Spruchwerk und lispelnde Sekretärinnen einzulegen, doch auch so definiert sich Vince Mortons Film mit einer Leichtfüßigkeit, die sich dynamische Perspektiven und Plot-Impulse erlaubt, um den Pop der Jugend in eine gewohnte Form der 80er Extremsportwelle zu betten – siehe auch „Thrashin' - Krieg der Kids“ oder „Rad“. Was diesen Film aber nochmal besonders interessant und verpeilt zugleich macht, sind die mehr als Macho-haften Annäherungsversuche von P.C. (abwechselnd für Power Charlie, pazifisch charmant oder eben Personal Computer stehend) sowie das fixe Gelingen derer.


Eigentlich allzu verständlich entwickelt sich die Beziehung dann aber auch so, dass P.C. ausgerechnet Jade dafür verantwortlich zu machen scheint, dass ihm nichts mehr so richtig gelingt, vor allem in Sachen Windsurfen. Eine einmalige Hai-Attacke (jenes Tier hat es laut P.C. nicht verdient zu leben!) hat sich da aber genauso eingemischt, ebenso seine eigene Nachlässigkeit in der Arbeit sowie die versagte Nähe zu seinem Vater. Sobald er das wieder auf Vordermann kriegt, wird der Handlungs-technische Knackpunkt - der Sieg gegen den in aller Welt bekannten Coyote - gelingen können, vorher hat er jedoch reichlich an sich selbst zu arbeiten, zu schmollen und eine gewisse Forderung zur Einsicht durch Bürokollegin Mrs. Dodge zu erhalten. In der Phase hat der Film etwas Schleppendes an sich, doch im Gesamtgefüge rattert er seine Stationen des Eskapismus gut weg, angefangen bei Quasi-Musikvideos schärfsten Synth-Pops bis hin zu Action-reichen Buggy-Einsätzen von Seiten P.C.'s. Ein Honk bleibt er aber so oder so, nur eben doch ein bisschen gelehrter in der Kunst der Menschlichkeit. Da wird der Dingo in der Prärie verrückt!




WARCRAFT: THE BEGINNING - "[...] Obwohl Jones konkret inszeniert und klotzend visualisiert, die Action der Vorlage ohne Spieler-Input umsetzt und teils brutaler schneidet als ein Axthieb per Orkfaust, sind ihm aber scheinbar die Hände gebunden, über das Gewöhnliche hinaus zu denken, sobald er seine Parteien um Menschen und Orks zu charakterisieren versucht. [...] Ab und an darf auch die Rücksichtnahme aufs Publikum vergessen werden, so sprunghaft (er) sich durch die Elemente des Eskapismus schlägt und die Gravitas eines John Milius hommagiert, wenn er ungeniert Ehre, Kampfgeist, Tradition und andere spartanische Werte als Gerechtigkeit herausstellt und kulturelle Eigenständigkeit gegen Sklaverei und Diktatur empathisiert. [...] Nur eben in letzter Instanz wird’s womöglich unbequem, wenn die Erwartungen in Gut und Böse, Verrat und Triumph doch über Umwege (zumindest mit Zweifeln) erfüllt werden und trotz Widersprüchlichkeiten gewiss nicht mit faschistischen Anspielungen geizen, wie sie dem Genre seit jeher anheimfallen. [...] Klingt gruselig, passt aber zu 2016 wie die Faust aufs Auge."



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

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