TONI ERDMANN - "[...] Die Erfahrung bleibt aber stets bittersüß, wenn Ines sich für das Leichtfüßige und Clowngehabe ihres Vaters schämt, obgleich die Scham der Contenance halber kein Vergleich zur Misogynie der Vorstandslappen mit Wanst im Boss-Jackett darstellt. [...] Man wird aber auch sehen, dass Ines Kontrolle über die Unverschämtheiten der Männlichkeit haben kann, Biss vorweist und Ideale vertritt, doch es stehen noch zu viele Hürden der Verletzlichkeit im Raum, solange sie als Tochter ihren Vater rechtfertigen zu müssen glaubt. Also denkt der sich eine abgekoppelte Identität aus [...] Improvisatorische Impulse vermengen sich durchaus mit Alltäglichkeit und an sich schon absurdem Business-Talk, aber es wird sich gewiss nicht durch reißerische Eindrücke gehetzt, so wie ja im Folgenden nicht nur behauptet werden soll, dass sich Ines wieder dem Eigenen und Menschlichen nähert. [...] (Der Film) besitzt da reelles Feingefühl und schöpft seine Liebe abseits jedweder Genre-Regeln aus dem Unausgesprochenem, konstruiert die Katharsis in seinen Charakteren auch nicht aus vorgefertigten Wegbeschreibungen, sondern eben aus der Wertigkeit des Moments, aus Impuls und Willkür das zeigend, was man wirklich ist und was man sich zu schenken hat. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)
DER NACHTMAHR - "Es stampft die Jugend im Rausch der Party voran, mit Verdrossenheit dem Alltag gegenüber, und doch mitten im Stroboskoplicht. Im Impuls des jungen Lebens wächst die Persönlichkeit aber noch und geht dementsprechend in der Clique unter, bis dann doch der Urknall des Coming of Age passiert. [...] Woher, warum und wie sind Fragen, die bewusst ausgeschlossen werden dürfen, sobald die psychotronische Beobachtung des Feierns in einem Alltag mündet, der kaum mit Individuen umgehen kann. [...] Schon das Schauspiel gibt sich rotzig in seiner Bewegung und bar jeder Hemmung, kann im Angesicht des Unwesens aber auch nicht Herr der Lage sein und erschafft somit einen Gesellschaftsjux, der umso schöner wird, je weniger er sich von einer Dramaturgie erwürgen lässt. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
DER VIERTE MANN - Wenn man
abseits von Cannes schon noch nicht vorzeitig an „Elle“
herankommen dürfte, lohnt sich zumindest Paul Verhoevens
Mystery-Thriller von 1983, so wie dieser einiges an jenen
Ambivalenzen von Verdächtigungen, Frauen-im-Film-Modellen und
überhaupt stilvoll gewählten Frechheiten aufbietet, die sich bei
Verhoeven seit jeher gelingend bewährt machen. Man wird vor allem in
letzterer Instanz das Gefühl nicht los, dass er einen ein Stück
weit auf die Rolle nimmt, den Zuschauer und die erlebte Story aber
nicht unbedingt zum Narren hält. Sein Mysterium um die vermeintliche
Femme Fatale Christine (Renée Soutendijk) setzt zudem keine
willkürlichen Barrieren ein, sondern unterhält mit reichlich
unheilvollen Symbolen, die seinen Protagonisten Gerard (Jeroen
Krabbé) zwar auf bestimmte Deutungen und dementsprechende Visionen
bringen, diesem im Suff aber auch entgleiten lässt, während man
selbst den Dreh bereits raus haben könnte. Der Spaß erlaubt sich
einige mehr subversiv provokante und melodramatische Eindrücke, der
Aufbau dorthin zeugt dennoch von legitimer Spannung. Schließlich
lässt Verhoeven sein Meta-Spiel gut mit dem Charakter Gerards
harmonisieren, der als Autor laut eigener Aussage besonders geschickt
darin ist, sich eine Wahrheit zusammen zu lügen sowie auch sonst
recht ergiebig Reelles und Fantasie in seiner Perspektive zu
vermengen im Stande ist - katholisch und bisexuell ist er zudem auch.
Die Reihe an Widersprüchen bringt aber
keine Moral mit sich, eher das nötige Verständnis für seine
Obsessionen binnen der heimeligen Ecken Hollands, gestrandet zwischen
Bahnhof und Hotels wie einst Harry Kümels „Blut
an den Lippen“. Selbst in denen schlummert aber das Böse
und da lässt Verhoeven den universellen Grusel der Tiergattung
Spinne schon früh den Freiraum zur kognitiven Vernetzung, zum Horror
der Verlockung und zum Sex ohne Wiederkehr. Im Sphinx, dem Schönheitssalon
Christines, wird Gerard sogar mehr oder weniger passiv davor gewarnt,
doch solch subtile Aufforderungen kriegt er eher nicht mit, als dass
er dem eigenen Wesen Richtung Eigennutz folgt, so oder so eben seine
Mutter Maria finden wird, wenn er sie nur lang genug sucht und
Zufälle als Schicksal stehen lässt. Dass er dabei immer mehr mit
Angst und Paranoia hantiert, scheint aus seiner Position sodann
sinnig, eine konkrete Auflösung bleibt aber außen vor, so dass
seine letztendliche Rettung ebenso gut komplett als
Hirngespinst fungieren dürfte. Die Frage nach der Verschwörung per
eigener Psychologie treibt jedenfalls reichlich Reißerisches in die
Augen, bis sie mehrmals aus den Schädelhöhlen schlüpfen und im
Zwielicht onanieren, eine Verkettung an Omina wahrnehmen, sie
entweder fürchten oder sich daran aufgeilen. Selbst der Wahn bringt
eben Vor- und Nachteile, solange sich Gerards Hormone solch
Temperament erlauben, wie es Verhoeven ebenso gerne nutzt.
THE WHISPERING STAR - "[...] Anders aber als die geläufige Interpretation einer Dystopie, also jene über die Schlacht unter den letzten verbliebenen Menschen und Regierenden, erfolgt hier die Ermattung im ultimativen Frieden. [...] Zen hat hier durchaus seinen Humor im Wiederholen und Strecken minimaler Prozesse, in der Ruhe liegt aber auch die Tragik einer verlorenen Lebendigkeit. [...] Der Halt an der Hoffnung in Paketform äußert sich ebenso mit Bescheidenheit – wohl auch deshalb, weil schon der kleinste Nachlass an Erinnerungen in Sonos flüsternder Zukunftsvision dermaßen geschätzt wird, dass selbst die Zugänglichkeit der Teleportation ungenutzt bleibt. Mit einer Schuldigkeit für jene Umstände mag er die Menschheit hier also nicht belegen, dafür ist die Rationalität ihrer Maschinen ja auch nicht gebaut. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
BILL & TED'S VERRÜCKTE REISE IN
DIE ZUKUNFT - Der Titel zur Fortsetzung jener Abenteuer von Bill
(Alex Winter) und Ted (Keanu Reeves) entpuppt sich, wie man nach
nicht allzu langer Zeit feststellt, als Mogelpackung schlechthin,
schließlich verschlägt es die Beiden anhand einer Verschwörung aus
der Zukunft, bei der ihr Leben anhand böser Roboter-Versionen ihrer
selbst auf den Kopf gestellt wird, ins Reich der Toten. Die
anstehende existenzielle Krise voll surrealer Eindrücke und
verselbstständigter Ängste hat es allerdings mit den Hoschis der
Adoleszenz zu tun. Umso verstrahlter nimmt man das Narrativ wahr,
welches unbedarften Jugend-Slang mit Steve-Vai-Riffs in der
Air-Guitar durch Himmel und Hölle jagt und diese jede Prüfung des
Geistes, die manch einer in den Horrorwahn treiben würde, als
Kinderspiel erfüllen lässt, bis jede noch so psychotronische
Skurrilität per Schlichtheit zum Abenteuer mitverwendet wird. Keine
Hemmschwellen, weil kein Gehirn? Nichts da! Die metaphysischen
Optionen der Telefonzeitmaschine öffnen die Tür zu Gevatter Tod,
Gott und Außerirdischen, die unsere Helden so selbstverständlich zu
nutzen wissen, obgleich die Wege dorthin wohl kaum von irgendeinem
anderen Film bisher eingeschlagen wurden.
Gut, anfangs muss man dafür vielleicht
einige Mengen an eingedämmter Dynamik hinnehmen, wenn unsere
granatenstarken Freunde weiterhin keine steile Karriere vorweisen
können, aber dennoch mit dem Herzen Richtung Hochzeit bei ihren
Mädels aus dem Mittelalter sein wollen. Ehe sich aber wirklich
Gewöhnliches einmischen kann, sind die fiesen Roboterkeulen im
Anmarsch, die aber per Genre-Topoi-Umkehrung mindestens genauso
flippig und dudetastisch ankommen, nur eben so destruktiv auf
No-Future aus sind, wie es in der Teen-Angst auch leicht herum
schwingen kann. Doch „God gave rock'n'roll to you“ (in
diesem Fall wortwörtlich) und so findet der Spaß binnen des Battle
of the Bands letztendlich doch noch vielerlei Tricks vom
Kosmischen übers Kibernetische bis hin zum Verspielt-Paradoxen, um
die Welt mit der Fetzigkeit aus Freundschaft, Liebe und Wyld
Stallyns auf den Pfad der Extracremigkeit zu geleiten. Das mag
die Pointen vielleicht geringer austeilen, als es ein Stephen Herek
tat, doch so viel Unfassbares, wie sich diese Komödie über dem
Tellerrand der Stumpfheit traut, die Katakomben der Psyche wie auch
die Freiheiten der Fantasie erkundend, muss man erst mal verarbeiten.
Oder man feiert es ab, wie Bill und Ted es tun.
WIND DER LIEBE - Ein
australischer Hybrid aus Sportfilm, Komödie und dramatischer
Romanze, der deshalb im hiesigen DVD-Regal liegt, weil eine junge
(und übrigens zeigefreudige) Nicole Kidman mit am Start ist. Was
Geschichten über Motivationen zum Leistungssieg und Liebe angeht,
war sie ja später auch binnen der „Tage des Donners“
aktiv unterwegs, vorerst aber macht sie sich hier als Jade, die
Frontsängerin einer mehr poppigen denn rockigen Band warm, obgleich
diese einige tolle Soli und Riffs hinkriegen. Präsenter ist hier
aber noch der Gegenpol, der den Originaltitel „Windrider“
ergibt: P.C. Simpson (Tom Burlinson), der stets den Durchblick
besitzt und nicht nur mit massig „Woo's!“ die Wellen
bezwingt, sondern als Tausendsassa auch den effektiven wie
schelmischen Bürohengst gibt. Für die deutsche Synchro eine von
vielen tollen Möglichkeiten, bestes Spruchwerk und lispelnde
Sekretärinnen einzulegen, doch auch so definiert sich Vince Mortons
Film mit einer Leichtfüßigkeit, die sich dynamische Perspektiven
und Plot-Impulse erlaubt, um den Pop der Jugend in eine gewohnte Form
der 80er Extremsportwelle zu betten – siehe auch „Thrashin'
- Krieg der Kids“ oder „Rad“.
Was diesen Film aber nochmal besonders interessant und verpeilt
zugleich macht, sind die mehr als Macho-haften Annäherungsversuche
von P.C. (abwechselnd für Power Charlie, pazifisch charmant oder
eben Personal Computer stehend) sowie das fixe Gelingen derer.
Eigentlich allzu verständlich entwickelt sich die Beziehung dann aber auch so, dass P.C. ausgerechnet Jade dafür verantwortlich zu machen scheint, dass ihm nichts mehr so richtig gelingt, vor allem in Sachen Windsurfen. Eine einmalige Hai-Attacke (jenes Tier hat es laut P.C. nicht verdient zu leben!) hat sich da aber genauso eingemischt, ebenso seine eigene Nachlässigkeit in der Arbeit sowie die versagte Nähe zu seinem Vater. Sobald er das wieder auf Vordermann kriegt, wird der Handlungs-technische Knackpunkt - der Sieg gegen den in aller Welt bekannten Coyote - gelingen können, vorher hat er jedoch reichlich an sich selbst zu arbeiten, zu schmollen und eine gewisse Forderung zur Einsicht durch Bürokollegin Mrs. Dodge zu erhalten. In der Phase hat der Film etwas Schleppendes an sich, doch im Gesamtgefüge rattert er seine Stationen des Eskapismus gut weg, angefangen bei Quasi-Musikvideos schärfsten Synth-Pops bis hin zu Action-reichen Buggy-Einsätzen von Seiten P.C.'s. Ein Honk bleibt er aber so oder so, nur eben doch ein bisschen gelehrter in der Kunst der Menschlichkeit. Da wird der Dingo in der Prärie verrückt!
WARCRAFT: THE BEGINNING - "[...] Obwohl Jones konkret inszeniert und klotzend visualisiert, die Action der Vorlage ohne Spieler-Input umsetzt und teils brutaler schneidet als ein Axthieb per Orkfaust, sind ihm aber scheinbar die Hände gebunden, über das Gewöhnliche hinaus zu denken, sobald er seine Parteien um Menschen und Orks zu charakterisieren versucht. [...] Ab und an darf auch die Rücksichtnahme aufs Publikum vergessen werden, so sprunghaft (er) sich durch die Elemente des Eskapismus schlägt und die Gravitas eines John Milius hommagiert, wenn er ungeniert Ehre, Kampfgeist, Tradition und andere spartanische Werte als Gerechtigkeit herausstellt und kulturelle Eigenständigkeit gegen Sklaverei und Diktatur empathisiert. [...] Nur eben in letzter Instanz wird’s womöglich unbequem, wenn die Erwartungen in Gut und Böse, Verrat und Triumph doch über Umwege (zumindest mit Zweifeln) erfüllt werden und trotz Widersprüchlichkeiten gewiss nicht mit faschistischen Anspielungen geizen, wie sie dem Genre seit jeher anheimfallen. [...] Klingt gruselig, passt aber zu 2016 wie die Faust aufs Auge."
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen