In Sachen Spielfilme hatte sich Luigi
Bazzoni nicht gerade oft betätigt, wenn man mal (dank einer
großspurigen neuen Edition von Koch Media) zwischen seinem
Debütwerk „LA DONNA DEL LAGO“ und dem letzten für die
Leinwand, „SPUREN AUF DEM MOND“, pendelt. Zudem lassen
sich dort beiderseits Schnittpunkte finden, inwiefern Held
beziehungsweise Heldin im schwammigen Drang der Identitätskrise auf
Spurensuche gehen und dafür, sich allmählich zwischen Zeit und Raum
verlierend, Hotels als Anlaufstelle nutzen. Die Passion des
Mysteriums ermitteln Bazzoni sowie seine jeweiligen Ko-Regisseure
Franco Rossellini und Mario Fanelli im Fokus auf individuelle
Sehnsüchte: In „Lago“ wird dafür die titelgebende Frau am See,
Tilde (Virna Lisi), vom Autoren Bernard (Peter Baldwin) gesucht, der
sich von ihrem Ideal treiben lässt, um womöglich einen Inhalt
seiner selbst zu erfüllen, sprich nicht nur Schreibstoff aus dem
Zauber der Frau zu schöpfen, an deren Erinnerung er sich über ein
Jahr hinweg bereits klammert. Das Schwarzweiß der Kamera kennt dabei
gewiss kein Erbarmen, vielleicht doch noch per Transparenz aus den
Katakomben der Seele entsteigen zu können, vertieft sich sogar in
diese, wenn in Bernards Träumen die Grenzen zwischen Wunsch und
Wahrheit verschwimmen, bis sich die Zweifel zu Extremen ballen und in
Frage stellen, wie sehr er sich von seiner reellen oder eben mehr
seiner luziden Wahrnehmung steuern lässt.
Das diffuse Spiel bleibt noch von Erzählerstimme und Schauplatz sowie wiederkehrenden Mitmenschen zwecks Anhaltspunkte und Motivationen geerdet, gerade darin konzentriert sich jedoch ein surrealer modus operandi, der Verdächtigungen und Geheimnisse, auch offene, durch einzelne Gesten aus den Fugen brechen kann, diese im Schlaf ankündigt und doch als Geständnis hinnimmt - das Medium Film zeigt es nun mal, also darf alles in jenem Rahmen wahr sein, auch die Liebe, mag sie sich noch so sehr aus der Distanz beobachten oder Zuneigung als Gefahr veräußern. Die Lust auf Geister; das Glauben des Nicht-Vorhandenen; die Sucht nach einer vergangenen Leidenschaft, die man nie wirklich erhalten, sondern fantasiert hat - sie äußern sich bei Bazzoni besonders audiovisuell, im himmlisch leuchtenden Filter auf Schnee, Friedhöfen und Spalten Richtung zart wehender Haare und delirierender Erotik, verbunden mit einem Totenchor, der seine Sirenen in einzelnen Seufzern durch die verführende Echo-Kammer jagt. Die „Spuren auf dem Mond“ sind da vielleicht sogar noch versessener auf die Auswahl eines Charakters jenseits der scheinbar persönlichen Hülle, so wie die Dolmetscherin - ein passender Beruf zur Adaption vom Eigenen und Fremden zwischen innen, außen und zurück - Alice (Florinda Bolkan) um jeden Preis herausfinden will, weshalb und wo sie bar ihres Wissens drei Tage lang von ihrer Tätigkeit fern geblieben ist.
Über Umwege gerät sie in eine malerische Gegend, deren Geografie so verstreut aus vielerlei globalen Erscheinungen zu bestehen scheint, wie sie als Person dort ohnehin mehr als eine gewisse Nicole wiedererkannt und definiert wird. Solche Umstände kündigen sich schon früh in ihrem Albtraum vom zurückgelassenen Astronauten an, den sie aus einem Film (mit Klaus Kinski) zu wissen glaubt sowie in der Strenge der Perücke, mit der Frau Bolkan ihre Figur als wahrhaftig verkörpert und die Darstellung ihrer eigentlichen Frisur wiederum als Perücke ausstellt. Bazzonis Meta-Rätsel der Wahrnehmung lässt in seinen „Spuren“ doch etwas transparenter die Hinweise auf die doppelte Identität zurück, durchaus ergiebiger auf die Farben des Ambientes schielend und vom Ensemble her einladender/romantischer, als es Bernard an jenem See der kollektiven Schuldfrage erging. Doch in beiden Fällen versuchen die Unbequemlichkeiten binnen fester Überzeugungen, unsere Protagonisten unter Hürden der Kommunikation zu erreichen sowie Offenbarungen zu leisten, welche die anfangs klaren Ideale nicht vollständig aufklären, aber soweit in andere komplexere Richtungen lenken, dass die innere Zuordnung zum Fieber gerät. Abseits der Leinwand ist es nicht anders, wenn man in der Differenzierung von Argumenten und Grauzonen über die Vergänglichkeit von Positionen und Selbstsicherheit lernt, sich ihr womöglich anfangs verweigert und doch suggestiv in den Alltag einfließen lässt, bis selbst die letztendliche Überzeugung im transformativen Prozess neue Seiten beachtet und vorsichtiger wird, sich festzulegen - mal mehr, mal weniger konstruktiv, kommt immer auf den Kontext wie auf die jeweiligen Autoritäten von einem selbst und dem Gegenüber an.
Das
macht Bazzonis Filme ebenso reizvoll wie im positiven Sinne verloren wirkend,
wenn die Pfade der Ego-Erkenntnis eben ein psychisches Chaos
offenbaren, das so versiert und mörderisch zugleich auftritt, wie es
auch omnipräsent im Zentrum der Protagonisten bleibt, so umso
dichter vom Zuschauer reflektiert wird. Man darf die Erfahrungen bei
beiden Filmen durchaus als Hypnose bezeichnen, die einen mit
unendlicher Wellenfolge vom Ufer weglockt und doch dort verharren
lässt, mehrmals diesem entlang rennt beziehungsweise daran verfolgt
wird, bis man in der Eskalation verschiedener Wahrheitsaussichten ins
Kaleidoskop hinein kapituliert, narrativ zwar nicht im Stich gelassen
wird, aber genauso gut darauf verzichten könnte, so sehr die
Spannung doch auf dem Rausch des Zelluloids und darüber hinaus
basiert. Ich persönlich hatte da sowohl Schwierigkeiten, Details
bewusst aufzunehmen, die Deutungen und Stichpunkte einer klassischen
Filmkategorisierung in einen stimmigen Mantel zu betten, weshalb ich
mich auch umso verhaltener an eine Besprechung dieser Werke Bazzonis
traute. Ich kann nicht sagen, dass es mir im Nachhinein umfassend
gelungen ist, so wie sich die Eindrücke noch immer recht urig um
meinen Kopf schnüren und einen Strom der Ungewissheiten, auch meiner
eigenen, vorführen, doch Innehalten und Hinterfragen sind nun mal
deren Bestandteile, die in der Realität auf jeden Fall ebenso ihren
Raum verdient haben, mehrfache Beobachtungen binnen jener Filme
erlauben und in diesem Rahmen sogar gar nicht mal von vorsätzlicher
Sperrigkeit gekennzeichnet sind, sich eher intrusiv in den
Rezeptoren breit machen und diese durcheinander wühlen, wenn man
nicht mit voller Konzentration dagegen hält, sofern man es denn
will. Eine schöne Herausforderung.
Eine nicht ganz unähnliche
erhält man zudem in Giorgos Lanthimos' „DOGTOOTH“, wenn
dieser auch eine stilistisch striktere Komödie schwärzester Natur
darstellt, die mit einem neuen Regelwerk von Kommunikation und
Familie entgegenkommt. Dieses scheint zwar im offenen, aber auch
abstrahierten Narrativ voll geschickter Suggestionen einer (ganz
gleich welches Ziel verfolgenden) Motivation aus Perversion und
Soziopathie entsprungen zu sein, doch als System funktioniert es
nicht minder kohärent, restriktiv und heimelig zugleich wie jede
noch so (dis)funktionale wie hingenommene Vorstellung vom Leben auf
eben diesem Planeten - eine nette Erinnerung/Kritik daran, was man
alles und warum man dieses als gegeben hinnimmt (Stephen Hereks
„Critters - Sie sind da!“ hat sich mir diese Woche ebenso
effektiv in jenem Themenspektrum gezeigt, so als Aufeinandertreffen
von gewünschter Anarchie, heimeliger Geborgenheit und der
individuellen Aufgabe mitten drin). Die Beobachtung jener
Verhältnisse - zwischen Vater, Mutter, Sohn, der älteren und der
jüngeren Tochter - nimmt Lanthimos dann auch außerordentlich
schlicht hin, umso schärfer zieht er aber noch die Spannung aus
derer Begegnung mit dem allgemeinen Verständnis von sozialer
Interaktion, Moral und vor allem Sexualität. Das Kennenlernen oder
auch Abstoßen der Kontraste ergibt den Drive des Films,
obgleich er sich stets gelassen in der Hitze, eingezäunt mit
Swimmingpool, binnen Supergärten und aufgeräumter Villa aufhält,
somit auch die Selbstverständlichkeit jener Verhältnisse als
permanenten Siedepunkt herausstellt, der von außen hin per
psychischem Missbrauch eine neue Art von Erwachsenen formt.
Diese muss mit kindischer Mentalität womöglich als Versuchskaninchen herhalten oder eben die Auswüchse der Kontrolle, ob nun familiärer oder gesellschaftlicher, als Extrem der Impulse in eine Welt setzen, welche davon eigentlich nicht mehr geschockt sein dürfte (siehe „Big Brother“). Schließlich ist der bestimmende Faktor der Macht - ob nun im Hirn oder Herz, von oben oder von einem selbst, gegen oder für etwas - ja omnipräsent und da ist diese kleine Zelle ein gutes Beispiel für, nicht nur hinsichtlich der unsichtbaren Gewalt einer behaupteten Zufriedenheit, sondern auch, wie sie sich letztendlich von innen heraus selbst zerfressen kann. Nicht, dass Lanthimos dafür eine Katharsis entwerfen würde, wie er überhaupt mehr auf Konkretes denn auf Gefälligkeiten setzt. Stärke und Brüchigkeit jeder noch so kleinen Bedingung und Klarheit sind in seinen Händen so oder so die Aufregung wert, selbst in der Gefühlsverzerrung sinnlich, in umgekehrter Logik als allzu nachvollziehbare Pointe komisch und perplex zugleich, wie sich allein am großartigen Tanz der Schwestern abzeichnet. Zähne ausschlagen zum Versprechen der Emanzipation; Hormone als Instinkt ohne Gefühl und Empfänger von Leistungen; Lehrmeister der Menschlichkeit im Biodom der Lügen, der selbst dem Nichts hinter seinen Mauern eine Bedeutung zumisst und gleichsam im Katzenblut unterdrückt: Die Indoktrination spart hier gewiss nicht mit intensiven Eindrücken, erst recht darin, wie leicht umsetzbar sie sich erfassen lässt und auch wie detailgenau ihre Insassen sie verinnerlichen. Diese Satire haut drauf!
Apropos
Draufhauen: Da gibt Russ Meyer ja recht entschiedene Signale anhand
seiner „SATANSWEIBER VON TITTFIELD“, die von der rockenden
Varla (Tura Satana) angeführt direkt in der Wüste zum Rennen heißer
Reifen ansetzen sowie mit formatfüllenden Jeans links und rechts
binnen der Kadrierung den Boden unter ihren Füßen zur Ehrfurcht
zwingen. Das Intro will meinen, dass im Zeichen der Kino-Fantasie
selbst das Wesen Frau als Hardcore-Gangster, gar unmenschlich,
agieren kann, doch es klingt wie eine entbehrliche Vorsichtsmaßnahme
zwecks Moral des damaligen Zeitgeistes, so wenig dieser es dem
weiblichen Geschlecht zutrauen wollte, Meyer jedoch durchweg die
Wahrheit von der Anarchie des Östrogens feiert. Schließlich stellt
er sie derartig voller Leben dar, bei dem die Mitstreiterinnen Billie
(Lori Williams) und Rosie (Haji) ihr frech ballerndes Vokabular auf
eine Wonne selbstbewusster Körper treffen lassen und sowieso eine
derartige vergnügte Gewalt des Individuums ausdrücken, dass es
einen nur imponieren kann sowie selbst per Easy Listening in
eine wunderbar wilde Welt entführt. Testosteron wird gegen Bikini,
Leder, lange Haare und aufrechte Staturen vom corpus delicti
eingetauscht, der in weiblicher Physiognomie durchaus als Fetisch
wirken kann, aber als Vertreter des Abtrünnigen immens am Herzen
ankommt, während er es noch raus reißt, im Blutrausch aufgeilt und
dies eben dann doch nicht aus Gefälligkeit macht, sondern wie eine
Klapperschlange erbeutet.
Der Wüstenwind brennt dann durch und schüttet Männerleichen zu, gleich mit der geknebelten Unschuld (Sue Bernard als Linda) im Gepäck dorthin, wo der schnelle Zaster zu vermuten ist. Die Konstruktion atemberaubender Krassheiten schlägt ohnehin so deftig von Backe zu Backe, so leichtfüßig in den Magen tretend durch den B-Movie-Charme träger Karren und leerer Landstraßen, dass die Sonne scheinbar niemals untergeht und an dem einen Tag schließlich so viel passiert, wie es einem ganzen Leben nicht widerfahren würde. Belastet fühlt sich die Dramaturgie dadurch nie, wenn es dann auf die Farm vom alten Mann (Stuart Lancaster) und seinen zwei Söhnen geht, von denen einer ein psychisch labiles Mordinstrument darstellt. In jener Männerhierarchie, ganz bezeichnend aus dem Herzen Amerikas, kommt wie ein frühzeitiger Verweis aufs „Blutgericht in Texas“ so einiges an Ekel, Horror und Zwietracht zusammen, versifft in fiebrigen Traumata der Geschlechterideale, die sich selbst der Ehre wegen in den Rollstuhl verfrachtet haben und fortwährend an der Unschuld nagen. Da kann das weibliche Gegenpol mit direkteren Eindrücken gegen halten, offener die dunklen Seiten jedweder Menschlichkeit ausstellen, mit diesen sogar verführen, ohne sich Schuld dafür eingestehen zu müssen. Das gibt Dampf und kräftig aufs Maul, auf dass das Blut, ob nun von Mann oder Frau, kaum noch zu unterscheiden ist, wenn es in den heißen Sand tropft oder sich im Alkohol versenkt, darin auch die Lust zueinander findet und gleichsam Switchblades an die jeweiligen Kehlen richtet.
Meyers Film ist weder Soft- noch Hardcore-Porno, doch hier wird für wahr hart gefickt, Anweisungen von All-Round-Domina Varla ausgeteilt, die ihre Mitstreiter, ihre Geiseln, die Männer, eben auch den Film und zu guter Letzt den Zuschauer als Gangleader derartig in der Hand hat, wie es nur ein Meyer mit solch ungehemmter Imposanz zu vermitteln pflegte. Selbst wenn die Eskalation die großen dramatischen Opfer fordert: Hier entsteht kein Kind von Traurigkeit, so toll die Flamme des Outlaws hier glüht und nur per ebenso feurigem Nitroglyzerin aufgehalten werden kann. Was für ein Totentanz, das setzt Zeichen! Gibt sogar die Straße frei für eine Ladung Güte und Einsicht für die männliche Verschlossenheit, inwiefern sich jenseits der Geschlechter als Menschen treffen lässt, wie tief allesamt sinken oder für aufrichtige Werte einstehen können (siehe auch aktuell „Bad Neighbors 2“). „Faster, Pussycat! Kill! Kill!“ (so der Originaltitel) kommt eben nicht darauf, aus seinen Kontrasten in monochromer Coleur auch noch ausschließlich Schwarzweiß-Malerei zu betreiben, doch die Kraft, die der Film aus dem Aufmischen dessen schlägt, ist sicherlich keine lasche Handkante, auf jeden Fall ein durchpowerndes Vergnügen als Hot Rod der Weiblichkeit.
Zum Schluss gehen wir nochmals auf ein
direktes Genre-Beispiel zu, jedoch eins, dessen narratives Spektrum im
Zeichen des Jenseits obsolet wird: Andrea Bianchis „DIE RÜCKKEHR DER ZOMBIES“, eine Höllenvision, die derartig konkret ihre
Titel-Monster an die Oberfläche spült, dass für ausbaufähige
Charakterisierungen keine Zeit mehr bleibt. Man kann auf der
Menschenseite nicht mal von funktionellen Figuren sprechen, eher
begegnet man wohl einer Gruppe an guten Freunden, die des Nächtens
in einem tollen Schloss verharren, auf einen Professor warten (der
bereits im Intro per Zauberformel die Untoten aus dem Grab geweckt
hat) und miteinander schlafen. Eine von ihnen, Janet (Karin Well)
kriegt zwischendurch die Panik anhand einer Eingebung dessen, was
demnächst geschehen wird, aber für eine Vermittlung des emotionalen
Effekts erlaubt sich der Film keinerlei Aufbauphasen, nur spätere Spaziergänge für ein unbedarftes Fotoshotting. Die größten
Charaktermerkmale spricht er aber dem Gespann aus Mutter Eveyln
(Mariangela Giordano) und Sohn Michael (Pietro Barzocchini) zu, an
dem sich innerhalb minimalistischer Selbstverständlichen Eindrücke
à la Ödipus abzeichnen, allerdings mit Schmierfaktor 100 in einer
Kombination aus gehemmter Entwicklung, übersteuerter Hormone und
destruktiver Blutlust. Selbst da lässt sich auch nicht unbedingt von
einem impulsiven Drive sprechen, so schlicht der Film zudem
seine Monster einfängt, sich ihrem Tempo anpasst und dennoch
teilweise eine externe Dynamik per Handkamera erzeugen will.
(Aushangfotos hier entnommen)
Die
Betrachtung der vielen urigen wie klobigen Masken zerrissener
Gesichter voller Maden, verschrobener Augäpfel und querbeet
wachsender Zähne - puh, so viele Adjektive - ist als Horrorschau von
einer Faszination fürs Morbide erfüllt, dass es schon (einem Luigi
Bazzoni nicht ganz unähnlich) hypnotische Qualitäten mit sich
bringt. Ohnehin lässt sich im Rausch der tranigen Vermoderung auch
ein Bogen zu Jean Rollin schlagen, so wie die Schreckensbrut am
schönen Nachmittag ihre perplexen Besucher heimsucht, im Garten um die Villa
jagt und schließlich eine Belagerung derer Flure unternimmt,
welche mit malerischen Impressionen römischer Antike auf eine
einbetonierte Vergangenheit hinweisen, die einem nun doch mit aller
Hässlichkeit nach dem Fleisch trachtet. Die Kohärenz dessen bewegt
sich durch einen sedierten Terror, aufgelöst im Strom aus
Zeitlupen, Nahaufnahmen abgestandenen Blutes sowie Hirninnereien,
stets unterlegt mit elektronischen Gedankenwellen im Zustand der
Ermattung. Im Gegenzug aber liefern gerade die Menschen Pointen in
ungelenken Handlungen, äußerst theatralische Visagen und Gebrüll
binnen des kostengünstig ausgestatteten Zeitkolorits, das sich von
der deutschen Synchronisation her zudem mit Dialogen brüstet, die voller
Naivität ums Reißerische und Offensichtliche kreisen, schließlich
gibt sich der Film auch nicht anders. Seine Existenz im klassischen
Sinne des Mediums wäre ohnehin recht fragwürdig, so sehr er eher
geradezu wirkt, als ob er lediglich seinen Aushangfotos gerecht
werden müsste (wenn man bei Google jenes Wort sucht, sind in
der Vorschau schon entsprechende Bilder von diesem Film dabei).
Eine
gewisse Schludrigkeit und Streckung simpler Szenarien muss man diesem
Herrn Bianchi ebenso zusagen, zumindest schneidet er jedes Fett weg,
um seine Schauwerte derart zu verdichten, dass man ratlos wird, was
man sich denn überhaupt gerade anschaut, so entbehrlich Narrativ und
Charaktere am Bewusstsein vorbei segeln. Man bleibt gespannt, so wie
sich eine Schreckenssituation nach der nächsten abspielt, reichlich
Effekte ausweglosen Grauens in der Netzhaut ankommen, doch eigentlich
nur wenig Spannung dafür empfunden werden kann oder gar von Bianchi
genutzt wird. Die schlichte Hingabe zum Genre, seiner Funktion und
seiner Begegnung mit dem Unmenschlichen, welches sich aus dem
Menschlichen gründet, ist aber nicht gerade ein Widerspruch
ehrlicher Kenntnisnahme. Es unterhält, weil das Bewusstsein gewisser
Regeln wie in Trance vorgeführt wird und in der Aufgabe narrativer
Komplexe ebenso des Zuschauers Hang zum Gegebenen zur Reflexion
verleitet, wie es diese Woche auch ein Giorgos Lanthimos in der
Variation der Umkehrung anwendete. Die Effektivität von Andrea
Bianchi ist im Sinne der Exploitation dann auch nicht auf
einen Knopf zwecks Nitro-Boost gelandet, was sich für einige
Genre-Kenner als Enttäuschung gedämpfter Wildheit äußern könnte,
doch gänzlich verschlafen ist seine Horde an desolaten Wandlern
nicht, so wie ihr mythischer Stumpfsinn auf Haut und Fleisch seine
inszenatorische Entsprechung findet. Das Jenseits habe ich mir
sowieso immer etwas doll trist vorgestellt, von daher...
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