Sonntag, 8. Dezember 2013

Tipps vom 02.12. - 08.12.2013



DER STACHEL DES BÖSEN - Das war ein Fest! Die Davis ist zwar hier, im Jahre 1949, beim letzten Film ihrer 'goldenen Ära' unter Warner Bros. angelangt (danach wurde sie im gemeinsamen Einvernehmen von ihrem Vertrag mit Jack Warner nach 18 Jahren Zusammenarbeit freigelassen), prescht aber genauso viel Kraft in diesen perfiden Krimi, wie knapp 2 Jahre später in ihrem nächsten Durchbruch 'ALLES ÜBER EVA' - gibt hier mit voller Inbrunst das großmäulige, herrlich-zynische und nach einem prunkvolleren Leben gierende Miststück Rosa Moline.

 
In einem kleinen, verschnarchten Kaff in Wisconsin langweilt sich diese nämlich zu Tode als Ehefrau des beliebten, aber schwachen Hausdoktors Louis (Joseph Cotten), welcher die hasserfüllten, scharfzüngigen Tiraden seiner Frau über sich ergehen lassen muss - sie betrügt ihn zudem mit einem flapsigen, reichen Junggesellen aus Chicago, Neil Latimer (David Brian), mit dem sie am Liebsten ganz weit weg davon fahren und heiraten will. Bei soviel Naivität lacht er Rosa zwar leichtsinnig aus, bekommt von ihr dafür aber auch ein paar saftige Backpfeifen serviert.

 
Schließlich ist sie drauf und dran, den Mief des Kuhnests zu verlassen, starrt mit unausgesprochener Sehnsucht und weit ausgestreckter Brust auf den einzigen Bahnhof des Ortes, der tagaus, tagein durch Chicago dampft. Rosas innerlicher Wunsch frisst sie regelrecht auf und lässt sie unter der plättenden Sonne Wisconsins in ihrer persönlichen, vom ereignisfreien Landleben angewiderten, Hölle braten.

 
Diese fiebrige Entschlossenheit lässt auch nicht in der Nacht nach, schließlich strahlt dort das ständig berstende Feuer des Sägewerks wie eine Atombombe über die kleine Gemeinde - lässt in ihr die finsteren Flammen der Leidenschaft bis zum Anschlag erglühen!


Schließlich schafft Rosa es eines Tages, ihrem Louis ein paar Hundert Dollar aus der Tasche zu leiern und so reist sie zu ihrem Liebhaber nach Chicago, erhält dort aber von ihm eine drastische Abfuhr, da er sich tatsächlich in eine Andere verliebt hat. Zutiefst getroffen und ratlos-verzweifelt in Hinblick auf ihre Zukunft rennt sie durch den stechenden Regen der unbarmherzigen Großstadt und muss sich mit aller Macht durch einen durchgeknallten Sündenpfuhl nach dem anderen durchschlagen.


Ihr bleibt keine andere Wahl, schweren Herzens wieder zu ihrem echten Mann zurückzukehren, dem sie jetzt wieder eine gewisse Form von Liebe vorgaukelt, aber jeden Augenblick merklich hasst, erst recht da sie mit ihm schwanger wird. Als sich aber Neil wieder in der Gegend blicken lässt und der ihr versichert, dass seine letzte Flamme erloschen ist, ist Rosa drauf und dran mit ihm die Fliege zu machen, doch einer seiner versoffenen Kumpels aus dem Dorf kriegt Wind von der Sache und will sie an ihren Mann verpfeifen.


*AB HIER EIN PAAR SPOILER* Aber Rosa lässt sich nicht so leicht abschrecken und nutzt die Gelegenheit bei einem Jagdausflug, den alten Kerl über den Haufen zu schießen. Nach einem langem Prozess im Dorf, wo sie von der naiven Honkytonk-Jury freigesprochen wird, will Neil erstmal Gras über die Sache wachsen lassen und 'verdammt' Rosa dazu, weiter bei ihrem Mann zu bleiben, dem sie daraufhin den Mord selbstherrlich 'beichtet' und weiterhin malträtiert - versucht sie doch u.a. heimlich die Scheidung einzureichen und sich sogar das Leben bzw. das ihres Babies zu nehmen, weil sie es nicht mehr bei ihm aushält!

 
Doch nach ihrem letzten Selbstmordversuch ist sie ans Bett gefesselt und fängt sich eine Art Fieber ein, dass offenbar aus ihrer eigenen, brennend heißen Ausbruchswut gekommen zu sein scheint. Ganz ehrlich, der Film ist zwar in Schwarz-Weiß gehalten, aber die überbordende, schwüle Hitze & Erotik dieses Szenarios und dieser Frau ist selbst in monochromer Farbgebung so unermesslich und packend spürbar, dass einem ab und an der Atem stockt.

 
Wie hypnotisiert von der eruptiven Lust des höllischen Feuers ihrer Seele bewegt sie sich in der letzten Nacht, welche wie immer stets im grellen, nun dröhnend lauten Schein der Sägewerk-Flammen aufleuchtet, in ihrer letzten Hoffnung auf den Bahnhof und seiner pechschwarzen Lok zu, welche sie mit heißem, zischenden Dampf der Verführung anlockt und sie alleine zurücklässt - zumindest ihren Körper, denn Rosas Seele ist mit dem Zug nun endgültig davon gefahren. *SPOILER ENDE*

 
King Vidor inszeniert sein genüsslich-diabolisches Sittenbild mit einer visuellen Spannung und einer siedend kochenden Bette Davis als zentraler, omnipräsenter Nukleus der gesamten, filmischen Erfahrung in DER STACHEL DES BÖSEN, dass man darauf ein Steak braten könnte - blutig versteht sich, denn hier macht der moralische Zeigefinger Urlaub, lässt sich nur kurz als leicht mahnende Texttafel im Vorspann blicken, welche die schwächsten Mitglieder im Publikum (und damit ist durchaus die Männerwelt gemeint) zu warnen versucht: diese Frau macht euch gleich die Hölle heiß, schneidet euch mit ihrem vergifteten Stachel ins Herz und es wird eine fantastische Show! Femme fatale galore, baby...




MEINE LIEBE RABENMUTTER - Zwar allein vom stark subjektiven Konzept her verhältnismäßig spekulativ und oberflächlich-exploitativ, aber vom Unterhaltungsfaktor her, bei all seiner stetigen Hysterie und Panik, ein fantastisch-knalliges, fies-extatisches Powerdrama! Ist nach diesem Film das letzte Wort zur Person Joan Crawford gesprochen? Nicht ganz, dafür erforscht der Film nicht allzu sehr, warum sie so handelt, jedenfalls nicht wirklich im Rahmen des Narrativs.

 
Und wahrscheinlich war zwischen den 'Episoden' nicht immer so ein extrem angespanntes Verhältnis zwischen Mutter & Tochter vorhanden. Da spendiert sich MEINE LIEBE RABENMUTTER zugegebenermaßen auch einige ruhige Passagen, bietet aber im Gesamtgefüge eine weit höhere Menge an geradezu-selbstverständlichen, 'speziellen Momenten' im permanenten Worst-Case-Szenario-Rausch.

 
Dass es zu solchen Auswüchsen kam - welche ich hier nicht näher erläutern will, da dies die zentrale Sehenswürdigkeit des Films unterminieren würde - mag ich aber nicht komplett bestreiten (nicht nur weil die Dunaway quasi genauso durchgeknallt spielt wie Crawford in ihren brachialsten Rollen), kennt man nicht bloß aus jener Zeit schon ähnlich schlimme Geschichten über Rabenmütter, sondern auch etliche obskure Details aus Crawford's Leben an sich.

 
Und dennoch: selbst wenn der Film davon ein recht kritisches, wenn auch verzerrtes, dramatisiertes Bild präsentiert, ändert es jedoch auch nicht allzu viel an meiner Meinung von der 'Schauspielerin' Crawford, welche ich durchaus klasse finde - der Mensch dahinter ist aber sicherlich eine ganz andere Geschichte.

 
Ein tatsächlich geschicktes oder wirklich eindringliches Biopic kann und sollte man hier jedenfalls nicht erwarten (man bemerke u.a. das recht zynische Ende inkl. selbstgerechter Katharsis-Suggestion der Tochter - bloß nix mit Vergebung, war hier das Motto), da ist RABENMUTTER ungefähr so Realitäts-bezogen und subtil wie 'GREAT BALLS OF FIRE', den Großteil über im Grunde auch Schmutzige-Wäsche-waschen auf hohem Niveau (und wieder mal die ewige Sage vom 'Goldenen Käfig').

Rockt trotzdem ausserordentlich und lässt die 2 Stunden Laufzeit, kontinuierlich aufregend, wie im Flug vergehen. Und man kann wieder mal froh sein, dass das eigene Leben und die eigene Mutter weit, weit weg von solchen Zuständen war. Schick-sick!




VIER SCHLÜSSEL - An diesem Krimi-Reißer mit Home-Invasion-Elementen von Jürgen Roland gibt es weit mehr als nur 4 Eckpunte der cineastischen Unterhaltung zu bewundern: er ist zum einen knallhart-präzise und genüsslich-zynisch aufbereitet, macht bereits von Anfang an klar, wie der Hase läuft, indem er per Off-Sprecher verlautbart, ein Begräbnis von 104 Minuten Länge mit ebenso 104 rasanteren Minuten der vorangegangenen Ereignisse jenes Begräbnisses darzulegen, ganz profan des Kino-Nervenkitzels wegen. Holla!

 
In seinem Plot um die perfekt geplante Ausraubung eines Bankdirektors in Hamburg macht der Film aus seinem Konzept einen wahren Spaß- & Spannungsgaranten, gelingt der Raub doch erst dadurch, die titelgebenden 4 Schlüsselträger hintereinander ausfindig und unschädlich zu machen, vor der alltäglichen Polizeikontrolle, um an den großen Schatz zu gelangen. Warum unternimmt unsere Gruppe an Ganoven jenen Teufelsplan, inkl. entführter Tochter des Bankenbosses als Druckmittel?

 
Na weil sie, wie sie dem Bankdirektor in süffisanter Direktheit und maßgeschneiderten Anzügen ganz gemütlich (mit vorgezogener Knarre natürlich) ans Herz legt, nicht allzu viel vom Wirtschaftswunder abbekommen hat - sich deshalb auch keinen feuchten Furz um Pathos und Politik schert, welche mit ihren Parolen von Souveränität und Sicherheit unserem geplagten Bankboss in dieser Situation recht unbehilflich sind. Was ein schöner Schabernack!

 
Da bezieht der Film zudem einen gewitzten zeitgenössischen Bezug, wurde seine Drehzeit doch nicht nur u.a. in die Zeiten des wahren Wahlkampfs verlagert, um möglichst viele politische Plakate und Banner günstig auf Zelluloid abzustauben und die Message greifbar ins Mark des Zuschauers zu schneiden, sondern auch noch um den Besuch der ROLLING STONES in Hamburg und andere populäre Ereignisse, wie Fußballspiele, Premierengalas und TV-Prominente konstruiert.

 
Alles beinahe 'dokumentarisch' und exploitativ-zweckmäßig aufgefangen - aber hey, wenn man schon die Möglichkeit hat, auf die Art sein Hauptthema, den fließenden Wandel vom selbstgefälligen Scheinheilig-Altbackenen in moderne, ausgefuchstere Verhältnisse darzustellen, so wie ihn unsere unbarmherzig-schlagfertigen Edel-Gangster beispielhaft an den Tag legen, warum nicht? Da bin ich mit dem Roland auf einer Wellenlänge, bietet sich Hamburg gerade für sowas immer am Besten an.

 
Durchweg reibungslos kann sich sein gegensätzliches Spannungsfeld natürlich nicht vertragen, das wäre ja zu einfach - vieles verläuft nicht gerade nach Plan und genug starrköpfigen, erschwerenden Widerstand gibt es sowieso. Doch so wie alteingesessene Parteien alle paar Jahre wieder ihre schicken Pamphlete und Kürzel für die Öffentlichkeit schmackhaft abfeiern, ohne dass sich dafür im Lande großartig was ändert, schreitet auch das kriminelle Vorhaben unserer nihilistischen Verbrecherbande mit abgefuckt-pragmatischen Methoden voran - ganz einfach, weil das nun mal der Lauf der Dinge ist und der Film sowieso seine Priorität festgesetzt hat, zum Schluss hin wieder am Begräbnis anzukommen.

 
Insgesamt bietet 4 SCHLÜSSEL sowieso keinerlei große Hoffnungsschimmer, gibt konsequent und rücksichtslos Vollgas, hält seine Bildgestaltung zwar im kontrastreichen Schwarz und Weiß, siedelt sein Figurengefüge aber in der ambivalenten Grauzone an, dass man in keiner Instanz von Unschuldigen sprechen kann. In dieser Gesellschaft der jungen BRD muss man nun mal damit rechnen, dass jeder exzessive Auswuchs, ob 'legaler' oder 'illegaler' Natur, selbstverständlich sein kann und seine Berechtigung erhält.

 
Insofern wird in dieser Lage die Demokratie in jeder Hinsicht zwar allzu locker ausgelegt, doch erlaubt sich der Film letztendlich kein Urteil darüber - bleibt wie die überall auftauchenden Schaulustigen des Szenarios ganz neutraler Beobachter der ewig-währenden, menschlichen Horrorshow und zieht daraus seine spannende, deftige Kraft im knackigen Rampenlicht. Eben ein klassischer Jürgen Roland!




DER VERSTEINERTE WALD - Im Grunde nicht mehr als routiniert auf Film gebanntes Theater bzw. Kammerspiel, ohne großartige, visuelle Verschnörkelung. Vom Inhalt her dennoch eine schöne Abhandlung über den Status Amerikas - seiner erdrückend-belanglosen Gemütlichkeit am Rande der Mittelklasse-Trostlosigkeit, welche sich sodann am sehnsuchtsvoll-romantischen Ausbruchswillen ins Exotische und Edle sowie an einer verherrlichten Art des Outlaw-Mythos anhängen möchte, welche sich jedoch ebenfalls als perspektivlos und wenig glorreich entpuppen.

Hierarchisch zwiegespalten und dennoch 'fair' am Abgrund in Schwarz und Weiß, selbst unter den Schwarzen, die sich im Angesicht der errungenen Freiheit von der Sklaverei noch immer zwischen den wenig verheißungsvollen Fronten bewegen. Alles innerhalb einer einsamen Tankstelle inmitten der weiten Wüste, welche die Spannungen zusammen mit peitschenden Sandstürmen aufzuwirbeln vermag, aber auch trostlos-zynisch alle Träume davonfegt, die innerhalb des ereignisreichen Tages aufgebaut wurden.

 
Quasi in Echtzeit schreitet Archie Mayo hier mit seinem konzentriert-reduzierten Thriller in die Nacht des Verbrechens hinein, der unsere Protagonisten mit einigen ausgefuchsten Tricks und Verhandlungen zu entkommen versuchen, um sich schließlich dennoch im 'American Dream' persönlich entfalten zu können. Jene Figuren stehen natürlich im Fokus dieser filmischen Erfahrung, bersten davor ihre Gefühle und Pläne in deren unaufhaltbaren Dringlichkeit durchweg auszusprechen - was vom Konzept und der Ausführung her weit schwerer wiegt als die visuelle Stringenz des VERSTEINERTEN WALDES.


Ein Glück also, dass dieses Ensemblestück von einem hervorragenden Cast (Leslie Howard, Humphrey Bogart, Bette Davis, etc.) ausgefüllt wird. Es zieht einen mit seiner geschickten Glaubwürdigkeit in das staubig-stationäre Szenario hinein und zieht die Luft des Zuschauers im Verlauf erfolgreich zu, dass die anstehende, gewaltsame Auflösung der sozialen Wunschträume immer spürbarer wird, wo sich dann auch der bisher gemächlich-nüchterne Inszenierungsstil allmählich rasender und gefährlicher umklammert.

Am Ende hat sich für jene Menschen, die sich mit dem dysfunktionalen Status Quo zufriedengegeben haben, nichts geändert - jene, die allerdings nach Größerem gestrebt haben, wurden verschlungen, enttäuscht, liegen gelassen. Für einen Augenblick jedoch konnten sie das Licht der Erfüllung erkennen, danach greifen und hoffen - wenn auch nur kurz und im Endeffekt unbarmherzig schmerzvoll. DER VERSTEINERTE WALD, der kleinste gemeinsame Nenner und dennoch größte Fleck des modernen Amerikas, lässt für seine Bewohner nun mal nicht viel mehr zu. Das haut rein.
 



DER BETTENSTUDENT oder: WAS MACH ICH MIT DEN MÄDCHEN? - So ein Film begegnet einem nicht alle Tage: eine Erotik-Satire von Michael Verhoeven, welcher im selben Jahr, 1970, mit seinem kontroversen Vietnam-Drama 'O.K.' für Furore sorgte, hier die kuriosen Abenteuer eines Münchener Studenten in der Ära der 'freien Liebe' bewandert.

 
Seine lust-fokusierte Achterbahn der jugendlichen Körper-Action gestaltet sich aber im Vergleich zur Erwartungshaltung gegenüber dem Filmtitel überraschenderweise nur wenig anzüglich und auch nur bedingt exploitativ, entlädt sich aber dennoch in einem luftig-hedonistischen Lebensrausch zwischen Bett und Immatrikulationsbüro. Da lässt Verhoeven das Geschehen sodann mit einer fast schon dokumentarischen und gleichsam psychotronischen Kamera einfangen, macht freie Bahn für ausgelassene Frechheiten innerhalb des vergammelt-grantigen Establishments. 

Da kommt unser junger, aufgedreht-verpeilter BETTENSTUDENT Christoph zum einen nicht dazu, sich für die Betriebswirtschaftslehre anzumelden, wird dann aber von seinem neuen Kumpel "Sportsfreund" (Karl Dall) unter die Arme gegriffen, dass sie einen saufen gehen können, nächtliche Lall-Anrufe tätigen und in der modernen Wohnung seiner hippiesken Cousine (Hannelore Elsner) ein Fress- & Saufgelage untereinander vollführen - wobei ihm auch langsam klar wird, dass sie ein steiles Auge auf ihn geworfen hat. Was übrigens vollkommen ok ist, da sie eine recht offene Beziehung zu ihrem Mann hält.


Doch für solche Liebeleien hat Christoph in den Irrungen und Wirrungen seines anstehenden Erwachsenensein nur wenig Zeit, denn er weiß nicht wohin mit seinem Kopf - rangt sich noch immer darum, endlich einen Studienplatz zu erhalten, weshalb er selbst außerhalb der Anmeldezeiten vor den Türen der Universitätsleitung kampiert und abgefahrene Alpträume erlebt, nur leider trotzdem die Anmeldefrist immer wieder verpennt. Da fängt er stattdessen im Schlichtbüro seines "Sportfreundes" an, wo die meiste Zeit eh lieber 'Schiffe versenken' gespielt, denn sich um die Belange der Studenten gekümmert wird.


Viel mehr wird wiederum für das Wohlergehen verschiedener Mäuse gesorgt, die über den ganzen Film verteilt auftauchen und so naturalistisch-ungeschönt von der Kamera umspielt werden, dass es schon an die klinische Morbidität ähnlicher Szenarien in Veit Harlan's 'HANNA AMON' erinnert, jedoch stets von mütterlicher Duldsamkeit zeugt. Ähnlich ist da auch das Verhältnis zu Kindern in diesem Film, welche mit vergrinster Selbstsicherheit Polizisten (Josef Moosholzer) mit Wasserpistolen nass spritzen können, da sich diese darüber höchst köstlich beömmeln. Da werden ihnen sogar ganz freche Streiche verziehen, höchstens mit dem Kneifen der Nase bestraft.


Nur die ganz alten Mitbürger setzen dem frivolen Treiben einen Keil in den Weg, leben sie doch in einer verdammt bornierten Vergangenheit, verwirrt und nervend-hasserfüllt im Besserwisserwahn ethnischer Sauberkeit. Dem kann man nur mit irren, grotesken Schreckgespenstern entgegenkommen, dass man sich schlussendlich auf die Fahne schreiben kann: "Frechheit siegt!" und sodann seine ersten unbeholfenen, doch niedlich-ulkigen Schritte in die aufkeimende Sexualität angeht.


Dass der Spaß für Verhoeven in diesem Szenario an erster Stelle steht, bleibt kaum zu bezweifeln, feiert er doch die neu gefundene Freiheit der gesellschaftlichen Entklemmung genauso leichtfüßig ab, wie er seinen auf Fun konzentrierten Narrativ aneinanderwürfelt: beständig am Puls des Spontanen, der Lockerheit. Lässt Wunschvorstellungen jugendlicher Hormondrüsen und bumsfideler Anarcho-Späße wahr werden, zieht uns in diese anhand eines ehrlich-lausbubigen Voiceovers mitten hinein und scheut auch nicht vor irreal-infantilen, Sketch-artigen Bewältigungsmethoden zurück. Und wenn das nicht reicht, lädt einen die visuelle Ebene zwischen gemütlich-tollpatschiger Provinz, sämiger Flur-Kälte und weitwinkeliger Honk-Hysterie zum sympathischen Genuss ein.

Weiße Mäuse auf dem Klavier und nackte Brüste - Mensch, was waren das Zeiten, da wäre man gerne wieder jung.




THE SILENCE BENEATH THE BARK - Sauknuffiger und kreativer Animations-Shortie mit betörendem Design und ätherisch-klimpernden Musikschönheiten - geboren aus Schneeflocken, in Liebe und Spiel vereint, zwar im Endeffekt durch Wind entzweit, aber dem Himmel sei gedankt nur scheinbar. Abstrakte Bewältigung von Verlust & Tod oder die hoffnungsvolle Offenbarung vom Gesamtgefüge der allumfassenden Natur? You be the judge:





MASKIERTE HERZEN aka EISKALTE RACHE - Da verliebt sich unsere schon etwas ältere Bühnenautorin Myra Hudson (Joan Crawford) in den noch recht jungen Schauspieler Lester Blaine (Jack Palance), der ihr geschickt den Hof macht und sie romantisch umgarnt - einfach nur perfekt erscheint diese Pärchenbildung, auferstanden aus einem kleinen Streit über die Besetzung ihres letzten Broadway-Erfolges.


Es kommt sogar soweit, dass die Beiden heiraten, Myra nun erstmals so viel Liebe und Glück empfindet, wie in ihrem ganzen Leben noch nie zuvor. Doch hinter seiner Liebe steckt ein perfider Plan, an ihr Vermögen ranzukommen, arbeitet er doch zusammen mit seiner Geliebten im Hintergrund an eine mörderische Tat, mit der sie ihr Erbe einsacken wollen.

 
Als Myra plötzlich einen zufällig aufgezeichneten Mitschnitt dieses Plans aus ihrer heimischen Stereoanlage heraushört, zerbricht ihre schöne, heile Welt in tausend Stücke - ihre Blicke münden sodann in totales Entsetzen und tränenreiche Enttäuschung, während die Tonaufnahme immer perfidere Wahrheiten in ihr goldig ausgestattetes Wohnzimmer aussendet. Zudem vernimmt sie daraus, dass man sie zu irgendeinem noch nicht festgelegten Zeitpunkt umbringen und dies wie einen Unfall aussehen lassen müsste. Da wirkt nun endlich der Originaltitel des Films, SUDDEN FEAR, am Härtesten:


Sie verfällt in hysterische Furcht, verkrümelt sich ratlos & verstört ins Bett und erlebt grausame Visionen ihres Todes, muss sie doch nun jede Minute mit dem Schlimmsten, mit dem plötzlichen Ableben rechnen, im Zusammensein mit einem Mann, den sie einst liebte und welcher jetzt nur noch extrem-gefährlicher Schein denn Sein ist - der hinter seinem Lächeln schon die Klinge verstecken könnte. Da muss Myra ihm aus unaufhaltbarer Angst auch noch vorspielen, als ob sie nichts wüsste, genauso wie er es mit ihr hält. Eine horrible, schlaflose Vorstellung!

 
Dabei hätte sie es von Anfang an wissen müssen, wollte sie ihn doch schon nicht für ihr Bühnenstück besetzen, weil sie glaubte, dass er als romantischer Liebhaber einfach nicht glaubwürdig genug erscheinen kann (denn wir reden hier immerhin von Jack 'Eisenwangen' Palance). Dennoch gab sie ihm eine zweite Chance, fühlte sie doch, dass sie vielleicht ein bisschen harsch zu ihm war und wollte doch noch seine andere, humanere Seite außerhalb der Schauspielerei kennen lernen. Jetzt hat sie den Schlamassel.


Da hilft nur noch eins: eine Art Gegenschlag in die Wege zu leiten. Schweigsam, jenseits vom Gesetz, berechnend und dennoch voll nervös-dringlicher Inbrunst. Doch auch wenn sie jetzt genauso minutiös vorausschaut und manipuliert wie ihr Gatte, unterlaufen ihr ebenso wie ihm unvorhergesehene Abweichungen vom Masterplan. Da kann sie auch beinahe nur noch vollends furchtsam zitternd im Dunkeln verharren, ohne Aussicht darauf, wie es weitergehen könnte. Den Lauf der Dinge kann sie jedenfalls nicht mehr aufhalten, das Feld zum schicksalhaften Mord verengt sich wie von selbst.


Bis zum Anschlag gefüllt mit innerer und äußerer Spannung schlägt sich SUDDEN FEAR durch knapp 2 Stunden nervenzerfetzender Angst, hin zu einem Showdown, in welchem sich die Fronten mit vorgehaltener Maske voreinander verstecken und in ihrer Manie nur erahnen können, wer wer ist.

In seinem knallharten Komplex der Mordgefahr konzentriert der Film seine visuelle Kraft auf das einkesselnde, abwürgende Dunkel, in welchem die strebsame Methodik zum Ausbruch aus der psychischen Qual in seiner Verzweiflung immer höher steigt - auch dank einer Tonspur, die in den heftigsten Momenten jede Musikuntermalung ausklammert, die verhängnisvollsten Geräusche und rastlos-japsende Atemzüge der zentralen, darstellerischen Eigenmacht Joan Crawford verstärkt. Bei so einem charismatischen, hypnotisch-kantigen Killer wie Jack Palance bleibt einem aber auch nichts anderes übrig.

Klassisches und wortwörtlich eindringendes Genrekino als plötzliche, schier furchteinflößende Inanspruchnahme der Sinne.




DAS HAUS AUS KLEINEN SCHACHTELN - Da ist das Haus extrem nah am Wasser gebaut - und der Zuschauer ist es am Ende natürlich auch. Erinnert dabei an die ersten Minuten von PIXAR's 'OBEN', nur dass das Haus/Leben des alten Herren hier nicht in die Luft emporsteigt, sondern seine schönen und schmerzhaften Erinnerungen rückwärts, tief verborgen in den stetig aufsteigenden und ruhevollen Tiefen des Meeres abarbeitet. Und dennoch überlebt der Wille, weiter über Wasser zu bleiben - denn ob oben oder unten: überall spielt das Leben. Sehr schön!





REISE AUS DER VERGANGENHEIT - Herzerwärmendes Bewältigungs-Melodram über die Selbsthilfe-Emanzipation einer unterdrückten und dysfunktional-unselbstständigen Frau (Bette Davis), welche unter der Fuchtel ihrer tyrannisch-kalten Mutter steht - sich schließlich eingestehen und überwinden muss, psychische Hilfe zu akzeptieren und auf den steinigen Weg zur kathartischen Selbstfindung zu gelangen.

 
In seiner Ausführung ist der Film durchweg sehnsüchtig geprägt und ein humanistisches Liebesmärchen mit Zigarettenüberfluß, rührt gut und gerne zu Tränen und zeichnet seine Antagonistin, die Mutter, besonders giftig-uneinsichtig. Dennoch offenbart er sich als offenherziges Plädoyer für die menschliche Hilfe, der frühen Erkennung von krankhaften Symptomen für das Seelenheil des geschundenen Mitmenschen.

 
Ein durchaus nobles Anliegen und eine schöne Geschichte über das Erlangen der persönlichen Freiheit und Selbstachtung, wenn auch etwas oberflächlich in seiner Behandlung. Geht vollkommen in Ordnung, hätte aber für meinen Geschmack ruhig noch ein Stück todtrauriger sein können (das letzte Drittel hätte auch ein bisschen stringender, die visuelle Ebene eindrücklicher sein können) - an und für sich aber eine runde, sentimentale Sache.




RAIN - Nun, wie reibungsvoll kann es wohl werden, wenn eine junge, aufreizende Joan Crawford im unaufhaltbaren Regen (alà RASHOMON) von Honolulu ein Hotel mit einer selbstgefälligen Gruppe puritanischer Christen teilen muss? Wo menschliche Natur, Religion und die wahre, göttliche Natürlichkeit den ultimativ-konfliktreichen Showdown durchziehen.

Wo das freimütige Mädel Sadie Thompson aus dem vermeintlichen Paradies vertrieben werden soll, weil ihre Sexualität zu unbequem für die einmarschierenden Moralapostel ist. Wo sie sich schlussendlich den einflussreichen Verführern des Glaubens wie unter Hypnose fügt, weil ihre Schuld doch zu groß zu wiegen scheint.

Lewis Milestone inszeniert dieses exotisch-schwüle Moralstück als spannungsgeladenes Kammerspiel, welches zwar in seiner Balance teils zu oft auf eine allzu hysterische Theatralik im Dialog setzt, dennoch eine herausragende, eindrückliche Bildebene anbietet, die in ihrer packenden Umtriebigkeit der atmosphärische Dollyfahrten und Nähe der starren Gesichter voller Wut und Egomanie vollends einschlägt - den religiösen Wahnsinn als Seelen-zerstörenden Unterwerfungsapparat entlarvt. Als Beweis dafür gebe ich ein paar Beispiele als Bilderreihe wieder, welche die ansteckende Reise des Films einwirksamer wiedergibt, als dass ich es könnte:


Ironischerweise verfällt der Mann der Religion, welcher Sadie vor ihren Sünden 'retten' wollte, seiner Leidenschaft, die sich im Taumel der durchweg feuchten Natürlichkeit seiner Umgebung und dem animalischen Ritus der Nacht aufgestockt hat. Beinahe so, als ob Sadie es so geplant hätte. Was danach geschieht, sei hier nicht verraten - gibt aber deutlich den Ton dafür an, dass das Biegen und Brechen von Menschen seine Konsequenzen mit sich bringt und der extremen, selbstgefälligen Auslegung des Glaubens schlussendlich die Luft rauslässt.

Das wird im Rahmen von RAIN alles nur sehr suggestiv vermittelt und zum Ende hin ein Stück weit kryptisch behandelt, aber auch nur um eine wirklich kathartische Wirkung von Rachegelüsten zu vermeiden - da blieb Milestone durchaus angenehm zurückgenommen und objektiv, ohne emotionalisierenden Score, bloß mit einer ehrlichen, direkten Bildsprache und dem eruptiven Körperspiel seines Ensembles. Sauber!




MORD IM NACHTCLUB - Da kommt so mir nichts, dir nichts die neue Leitung ins Geschäft und will den Laden zur besseren Vermarktung aufwendig-exotisch aufdröseln und Arbeiter rausschmeißen/konzentrieren, um effektiver Kunden anzulocken. Ein Szenario, welches in der Welt des Kapitalismus gang und gäbe ist, seit Jahrhunderten schon. Wie immer gibt's auch auf der anderen Seite den Widerstand der Arbeiter, im Dienste des Gemeinschaftssinns und des fairen Marktes, meistens auch verbunden mit einer Gewerkschaft.

 
Dieses System macht auch in diesem Film, welcher den alteingesessenen Konflikt im umtriebigen Nachtclub-Milieu allzu offensichtlich stellvertretet, Schule. An der Spitze des Arbeiteraufstandes, von den schaffenden Frauen jener Etablissements: Bette Davis als aufreizende Hardboiled-Hostess Mary Dwight, die es faustdick hinter den Ohren hat und dem neuen Boss der Unterwelt, in seiner Funktion als wirtschaftlicher, rücksichtsloser Umgestalter des profitablen Markes, Paroli bietet - sich mit ihren verbraucht-abgeklärten, um die Zukunft bangenden Mitstreitern verbündet.


Doch die neuen Machthaber haben harte Tricks parat, um ihre Stellung in der Hierarchie klar zu machen, was natürlich, wie der dt. Verleihtitel schon verrät, in kaltblütigen Mord endet - Methoden, gegen welche das Gesetz, vertreten durch den aufrichtigen Bezirksstaatsanwalt David Graham (Humphrey Bogart) beinahe machtlos ist, wird doch suggeriert, dass die Täter einflussreiche Beziehungen in politische Kreise unterhalten. Die Einzigen, die ins Fadenkreuz geraten, sind die Unterwürfigen, die Arbeiter, die Frauen.


Das können sich die Bosse jedoch auch nicht leisten, fürchten sie doch um ihren Profit, also setzen sie auf Einschüchterung und Erpressung der Damen, dass auch nicht zu viel ausgeplappert wird. Damit stärken sie aber im Gegenzug die Verbundenheit jener Zeugen zur legislativen Gegenseite, bemüht sich diese doch in jenem Fall ebenso um faire Behandlung der Arbeiterklasse, natürlich auch zur raschen Auflösung des Verbrechens, im Gerichtssaal.


Da unser Film hier jedoch erst zur Hälfte der Laufzeit angesetzt hat, kann der Fall nicht so erfolgreich abgeschlossen werden, zudem wird die Glaubwürdigkeit unserer Mary Dwight in Frage gestellt - im konservativen Antlitz einer Gesellschaft, die mit ihrer Profession nicht einhergehen will, diese verdammt und folgerichtig die brutalen, augenscheinlich-edlen Drahtzieher zurück in die Freiheit entlässt.


Selbst ihre Schwester kann sich nicht vorstellen, mit dieser Schande weiterleben zu können. Ironischerweise (und recht vorhersehbar konstruiert) gerät sie dennoch unbedarft in dasselbe kriminelle, doch prunkvolle Umfeld, was ihrer geschwisterlichen Aufpasserin Mary Sorge macht, bangt sie doch darum, nun vollends im Zwiespalt mit ihrem eigenen Arbeitsfeld, als unschuldiges Madel daran zu zerbrechen - und so geschieht es dann auch.

 
Ihr wisst, was das heißt: weibliche Rache ist angesagt! Zusammen mit der Polizei wird sodann gemeinschaftlich an einem Strang gezogen, um Gerechtigkeit für ihre engagierte Alpha-Arbeiterin walten zu lassen und den unmenschlichen Herrschern ultimativ die Stirn zu bieten, die Wahrheit zu offenbaren - man spaßt nun mal nicht mit der Gewerkschaft, erst recht wenn man meint, Schellen verteilen und Kreuze in Gesichter reinschneiden zu müssen.

 
MORD IM NACHTCLUB stellt an sich keine große Besonderheit in seinem Genre da, geht genau die Pfade, die man von ihm erwartet, zwar in durchaus souveräner Manier in Sachen Gestaltung und Spiel, aber größtenteils überraschungsfrei und in seinem zielstrebig-chronologischen Prozedere einem bestimmten, moralisierenden Standard angebunden, basiert er doch auf dem wahren Prozess gegen Gangstermogul Lucky Luciano, 1936 (ein Jahr vor Veröffentlichung dieses Films).

 
Und dennoch taugt er allzu gut als rechtschaffenes Eskapismus-Kino für den kleinen Mann bzw. insbesondere für die Frau von einst und heute, schlägt sich auf deren Seite und schafft dank der Justiz eine genügsame Katharsis, die sich dafür einsetzt, nicht einfach alles hinzunehmen und für das menschenwürdige Recht einzustehen, selbst im etwas schmuddeligen Beruf als Hostesse.

 
Ein durchaus demokratischer Gedanke, allen voran die Bestärkung für soziale Gewerkschaften, nur ganz knapp vor dem Kommunismus, wie Amerika's Zukunft in folgenden Jahren diskutieren würde (und an vielen ein Exempel statuierte, bis hin zu Jimmy Hoffa). Da zieht dieser Film auf jeden Fall schon eine durchaus positive Bilanz und zeigt zudem Frauen, die am Ende nicht immer mit ihren männlichen Verbündeten romantisch zusammenkommen müssen, wurden sie doch von der Männerwelt im Vornherein schon in den Ruin getrieben.

Es gilt für sie in der Konsequenz stattdessen neue und gerechtere Wege im Leben einzuschlagen, sich nicht mehr unter Marktwert zu verkaufen, frei zu sein. Schon recht mutig für seine Zeit und heutzutage noch immer nicht selbstverständlich, ebenso wenig in der Welt des Kinos. Hier könnten sich so manche ein Beispiel dran nehmen.




DON'T HUG ME I'M SCARED - Kreativität kann man nicht erzwingen, Kreativität kann man niemandem aufdrängen, Kreativität kann man nicht in eine homogenisierte Schublade stecken - lasst euch nicht das Gehirn waschen, liebe Kinder: denkt und kreiert so, wie ihr wollt und wie ihr könnt. Niemand kann es euch vorschreiben, ihr habt die freie Entscheidung, euer Weg ist der richtige...oh Shit, jetzt mach ich den selben Fehler...oder doch nicht? :(





RICOCHET - Alle paar Jahre wieder stolper ich über Russell Mulcahy's sadistischen Actionthriller RICOCHET - ein notorisches, zynisches Filmchen, welches in gefühlt 100 gekürzten Editionen erschien und selbst heute in Deutschland, befreit vom Index, noch immer mindestens eine Szene missen lässt (Kreissäge, welche einen Bauch aufschlitzt). Anstatt tiefer darauf einzugehen, worum es geht (John Lithgow zerstört systematisch das Leben des Staatsanwalts Denzel Washington, der ihn einst ins Kittchen brachte alà 'KAP DER ANGST'), schreibe ich hier ein paar Punkte auf, die mir bei der erneuten Sichtung herausstechend aufgefallen sind:

- In der Anfangssequenz flirtet der Charakter von Denzel, Nick Styles, mit seiner späteren Ehefrau herum und 'verspricht' ihr, die erste schwarze Lady zu werden, da er der erste schwarze Präsident der USA sein will - noch vor Jesse Jackson, wenn der ihm nicht zuvorkommt. War wohl alles noch eine Weile hin, aber netter Gedanke vom Film.

- In der darauffolgenden Szene geht er mit seinem Polizeikumpel Kevin Pollak im Dienst auf einen Rummel, wo sie einem PEPSI-Stand begegnen, der knapp die Hälfte vom Bild einnimmt. Pollack spricht sogar freudig "Pepsi!" aus, als beide jeweils einen Gratis-Becher in die Hand gedrückt bekommen. Was ist das hier? Modernes Filmemachen?

- Auf dem Gang vom Pepsi-Stand bespricht Nick/Denzel, wie später auch in CRIMSON TIDE (dort dank Tarantino's Script-Doctoring), die Serie STAR TREK, um seinem Kollegen den Vorteil von Uniformen zu erklären, da Captain Kirk dadurch jede Menge Schnitten abbekam. Daraufhin legt Pollack eine irrwitzige William Shatner-Impression aufs Parkett.

- Sobald Lithgow als charismatisch-fieser Psychokiller Blake sein Klappmesser aufblitzen lässt, klingt es ungefähr so wie das Nachladen einer Schrotflinte.

- In der Polizeistation, als Nick von der Staatsanwältin für seine ruhmreiche Aktion gelobt wird, lungert im Hintergrund seiner Umkleidekabine wiederum ein freundlicher, neon-strahlender Pepsi-Automat herum.

- Mary Ellen Trainor, die Polizeipsychologin aus den LETHAL WEAPON-Filmen, hat hier ein extensives Cameo als News-Reporterin Gail Wallens - dieselbe Rolle, die sie in STIRB LANGSAM besetzte. Kein Wunder, wurde RICOCHET doch ebenso wie die berühmte Mel Gibson/Danny Glover-Reihe, sowie die Anfänge der Bruce Willis-Erfolgsserie, von Joel Silver produziert.

- Jesse Ventura glänzt nicht gerade mit überzeugendem Talent in seiner Rolle als bulliger Knastbruder (ich hab den Film wohlgemerkt erstmals im O-Ton gesehen), aber immerhin passen Körperbau und Gesichtsausdruck zur Rolle, die eh in wenigen Minuten in einem an Mulcahy's HIGHLANDER-Endkampf angelehnten (wenn auch schäbiger, mit Telefonbüchern als "Rüstung") Schwertgewecht der arischen Bruderschaft abgestochen wird. Ausserdem klebt an der Zellenwand des ehemaligen WWF-Catchers ein gut sichtbares Foto vom damaligen WWF-Präsidenten Vince McMahon, welches Blake strebsam abreißt.

- Im Narrativ sind inzwischen ein paar Jahre vergangen und die Charaktere sind auch erwachsener geworden, was man u.a. daran erkennt, dass Nick inzwischen einen Bart trägt und Pollack nun COLUMBO schaut und nachahmt.

- Als Blake ein brennendes Büchermobil explosiv die Klippe runterfliegen lässt, kann man im zischenden Geräusch des Feuerballs einen kurzen Godzilla-Schrei vernehmen. Eine Referenz an die Urfassung von Spielberg's 'DUELL'?

- Sobald der eine Kumpel von Nick durch Blake's Hand umgebracht wird und dieser dessen Ruf mit strategisch platzierten Kinderpornographie-Magazinen korrumpiert, erkennt man deutlich an den gezeigten Fotographien, dass es sich wohl um echte Exemplare handelt. WTF? Erst Nazis, jetzt Kiddie-Porn - wie räudig kann die dunkle Seite dieses Films noch werden? Mit S&M-Sex und Transsexuellen im letzten Drittel natürlich!

- Diese typische, klischeehafte Szene, als Nick allen News-Reportern selbstsicher den beweisreichen Tatort präsentieren will, dieser sich aber als unschuldiger Ort entpuppt und Nick nun verwundert dasteht, als lachhafter 'Lügner' ausgelacht wird. Weia...ein ähnliches Szenario passiert später, als er der Staatsanwaltschaft ein Video zeigen will, wo Blake seine Kinder im Schlaf bedroht, doch es wurde inzwischen ausgetauscht mit einer Aufnahme, wo er eine Hure im Drogenrausch inkl. manipulierter Tonspur bumst.

- Im frustrierten Suff schaut sich Nick auf seinem TV einen Ausschnitt vom Finale des Cagney-Klassikers 'SPRUNG IN DEN TOD' an, welcher den fatalen Showdown dieses Films auf einem neu errichteten Tower vorwegnimmt, da er genau jene Szene sogar in den Dialogen rekreiert.
- Ice-T sagt: "Fuck the police." - der Rest seines Auftritts besteht aus furchtbaren Gangster-Gags.

- Urbanes Hardboiled-Hip-Hop-Ghetto und Alan Silvestris 'PREDATOR'-Remake-Score bilden zusammen eine gewisse Bild- und Tonschere.

- Elektroeffekte, wie direkt aus ZURÜCK IN DIE ZUKUNFT oder HOWARD - EIN TIERISCHER HELD - ein gorig aufgespießter Blake - ein E-Piano bei der Reunion mit der Familie - zuguterletzt lustiger Hip-Hop als Nick die TV-Kameras ausschaltet und auf die Entrüstung im Off "Hey Nick, das können sie nicht tun, wir sind live!" ein "Lecken sie mich am Arsch" entgegnet. Alles innerhalb einer Minute.

Tja, insgesamt hat sich dennoch nicht viel an meinem Gesamteindruck vom Film geändert, außer dass er jetzt ein bisschen gewöhnlicher und gelegentlich unkonzentriert wirkt, aber da bin ich wohl inzwischen desensibilisiert genug - auch wenn viele Elemente an sich noch immer sau-assig daherkommen. An sich erhält man jedenfalls immer noch einen soliden, finsteren 90's Brutalo-Kracher aus der Feder von Steven E. DeSouza, der so ein klassisches Gestaltungsspektrum darbietet, erst recht dank Mulcahy's visueller Geschicklichkeit, dass er noch immer schick-dreckig ausschaut, durchweg routiniert unterhält/fesselt und zudem ein paar Nostalgiepunkte für sich verbuchen kann. Hab's nicht bereut, dass RICOCHET wieder an mir abgeprallt ist.




ODYSSEY - THE ULTIMATE TRIP - Schon mal vorweg: Gerard Damiano huldigt hier natürlich, gemäß seines Rufes, dem obligatorischen Sex, das wohl wichtigste Element zur Erschaffung und Erhaltung des Lebens. Jedoch ist er hier nicht daran interessiert, eine billig-pornographische Attitüde an den Tag zu legen und einfach ein hedonistisches Szenario an das nächste zu reihen.


'ODYSSEY' ist nämlich ein recht offener, freiförmig-episodenhafter Film über die 'human condition', zeigt dysfunktionale Beziehungen menschlicher Natur in der modernen Gesellschaft auf: einmal in der Ehe, der im Lauf der Jahre und eingeschlichener Langeweile voreinander inzwischen die Lust zum Beibehalten geraubt wurde. Dann im vielseitig-vertretenen, doch gehemmten Selbstbewusstsein, dass von keinem Psychiater entwirrt werden kann, im beständig-perspektivenlosen Frust nach Bestätigung sucht. Und zum Schluss im Stolz und in der persönlichen Erfüllung, welche von zwangsmäßiger Unterdrückung und Unterwerfung in den Selbstmord getrieben werden.


Die einzige Lösung, die Damiano hoffnungsvoll anbieten kann, ist die uneingeschränkte Lust am Beischlaf jeder Art. Den Weg dorthin organisiert er in seinem fragmentarischen Narrativ ähnlich wie Aronofsky in THE FOUNTAIN, durchlaufen doch seine Protagonisten auch hier im Grunde dieselbe geteilte, interdimensionale Bürde, sehnen sich nach Befreiung aus der Misere ihres Daseins und machen parallel denselben Fortschritt - an einem Ort, an einer Quelle finden sie ihr Seelenheil und schöpfen solange davon, wie sie nur können, bis zum Ende, selbst wenn es keine Hoffnung mehr gibt, Genuss ist King. Und zudem so kochend-rhythmisch, dass allesamt in orgasmischer Atemlosigkeit erstarren.


Im Umkehrschluss entpuppt sich diese Oase der klebrigen Blowjobs und glitschigen Fingerspielchen dank besonderer Rauschhaftigkeit als einsaugendes Nirvana - als Hafen der Lust, Entspannung und Ekstase, aus dem man nimmer ablegen will. Die darausfolgenden Entzugserscheinungen und Depressionen können unsere Subjekte des Leidens kaum noch ertragen, für sie gibt es kein Zurück mehr. Da will 'ODYSSEY' einen fast schon mahnen, die Lust nicht zu überstrapazieren, macht aber auch unumgänglich deutlich, dass eben jene Flucht zu ihr tragische, allzu menschliche Gründe hat.


Wir als Mitmenschen erhalten jedenfalls die Einsicht zur Pflicht auf den Weg, diese armen Seelen aufzugreifen und jedwede Gefühle miteinander zu teilen. Denn gerade mit Sex erreicht man dies doch auf so vielen Ebenen. Von daher ein schönes Werk von Damiano, hätte so eine humanistische Ader von ihm nicht unbedingt erwartet, auch wenn die Erotik sein größter Selling Point bleibt - in ihrer Funktion erscheint sie hier aber absolut sinnvoll.

 



TROG - DAS UNGEHEUER - Recht altbacken-schleppendes, spartanisches und dennoch irrwitziges Creature-Feature von HAMMER-Zugpferd Freddie Francis über die Entdeckung eines lebenden "Missing Link's", welches boxend & mordend aus der eisigen Höhle kam und in die Obhut von Evolutions-Wissenschaftlerin Dr. Brockton (Joan Crawford in ihrer letzten Rolle) gelangt, wo sie den humanoiden Primaten mit kognitiven Experimenten sowohl in ulkiges Gegacker, als auch in hysterisches Gebrüll sowie Zerstörungswut versetzt - ihn dabei offenbar auch so sozialisieren will wie Bub in DAY OF THE DEAD.

 
Michael Cough, als starrköpfiger, konservativer Fieslingsbatzen Sam Murdock, will die Bestie TROG ausschalten und geht sodann juristisch gegen jene fortschrittlichen Experimente im kargen Karton-Hospital-Set vor - welche sogar soweit gehen, dass TROG tatsächlich mit seinen Nachfahren kommunizieren kann, als man ihm Fotos von Dinosaurierknochen zeigt und er sich daraufhin an lang ausgespielte Stop-Motion-Aufnahmen der Urviecher (womöglich aus einem anderen Film) und ihrer Auslöschung durch Vulkane & Erdbeben erinnert.


Dem, aus irgendeinem Grund, Wissenschafts-feindlichen Murdock geht die Sache dann zu weit, bricht in die Monster-Klinik ein, benimmt sich wie ein besoffener Hooligan und setzt sein Hassobjekt dabei unbedachter Weise frei, womit er natürlich mit seinen stumpf-behämmerten Leben bezahlen muss - wer hier wohl nun eher als Affe dasteht...

 
TROG, mit seiner klobigen Latex-Maske (welche eine vollends trübere Farbe besitzt als der Rest seines Körpers), wandert sodann zu dramatischer Horror-Musik durch englische Wälder und Wiesen, kommt sogar in einem verschnarcht-provinziellen Wohngebiet unter, wo er totales, anarchisches Chaos an jeder Ecke veranstaltet.

 
Als er dann auf einem Schulplatz auftaucht und wie Frankenstein's Monster (kennt sich der Francis ja mit aus) ein kleines Mädchen entführt und dieses in seiner Höhle liebevoll verstaut, hat die Bevölkerung genug von diesem Affenzirkus und setzt die Armee gegen die missverstandene Kreatur prähistorischer Prägung ein.


Dr. Brockton will den Primaten mit ihren Crawford-patentierten Panik-Urschreien dann doch noch bändigen und Schlimmeres mit guter Zusprache verhindern, also lässt er das Kind mit einem animatronischen Grinsen auf den Lippen frei. Doch das Militär lässt sich davon nicht beeindrucken, beschmeißt das Urvieh mit Gummi-haftem Geröll und hingerotzter Feuerkraft, sodass der Film dann abrupt und einigermaßen antiklimatisch, aber auch ein bisschen wehmütig endet.

 
TROG's äußere Erscheinung macht keinen Hehl aus seinem ebenso hohlen Inhalt - gestaltet sich als zweckmäßiges. spärlich-ausgestattetes Genrefutter, welches sich durch ein eindimensionales, theatralisch-minimalistisches Figurengefüge und eine uninspirierte, platt-inszenierte Ungeschicklichkeit im Aufbau von Spannung oder Dynamik auszeichnet. In dieser Konstellation - mit seiner planlosen Monster-Rampage, steif-unglaubwürdigen Maskenarbeit und vielen oberflächlich-'wissenschaftlichen' Dialogen - entsteht allerdings ein netter Unterhaltungsfaktor des simplistischen Unvermögens, mit ganz viel unfreiwilligem Humor.

 
In seiner Grundaussage versucht er sich zudem, unter seinem exploitativen Reißer-Gewand, für die Wissenschaft stark zu machen, die in ihrem revolutionärem Fortschritt von Dumm- & Feigheit einiger unqualifizierter Stock-im-Arsch-Inhaber behindert wird und vielleicht das Rätsel hinter unserer Menschlichkeit entschlüsseln könnte, wenn man sie nur machen lassen würde. Dieses innewohnende Anliegen lässt TROG zwar im Endeffekt nicht weniger affig aussehen, hält aber in dessen DNA recht gut, wenn auch einsilbig Stand.

Trotz allzu austauschbarer, trivialer Prämisse und hingeschluderter Regie: ein witziger B-Movie bleibt einem hierbei allemal erhalten.




OB DIRNDL ODER LEDERHOS' - GEJODELT WIRD GANZ WILD DRAUFLOS - Ein todtristes, karges Hotel berlinerischer Couleur, unter der Ägide eines uralten, planlosen Trottels, füllt sich im Angesicht des geteilten Deutschlands mit abrufbereiten Frauen, die sich selbstverständlich dienst-eifernd der männlichen Kundschaft mit intensivem Verkehr annehmen - ihre wildesten Fantasien ausleben lassen, jedenfalls soviel, wie die blassen Tapeten und entfärbten Möbel jene Kommerz-Schoßhunde anregen können. Da wir es hier sowieso mit unschuldigem Softsex-Klamauk zu tun haben, bleiben ihre erwünschten Stellungen ebenso "normal" und bis zur Lächerlichkeit surreal-sperrig.


In diese erschlagend graue und dennoch freimütig-laszive Infrastruktur entfesselter/zweckdienlicher weiblicher Körperlichkeit (welche sich dennoch äußerst trocken anschmiegt, wie in Kalk gepudert) verschlägt es eine proletenhafte, bayrische Blaskapelle mit bunten Baumwollkluften im streng quadratischen Format. Ihr Ziel ist es, anhand provinzieller Tricks sexuellen Anarchismus durch alle Stockwerke zu verbumsen und mit ihrer gaudigen Musik die frivole Lebenslust zu stärken.


Dazu gesellen sich aber sodann 2 Milieu-behaftete Erpresser, welche die freizügige Hotelleitung an die Polizei verpfeifen wollen, wenn sie denn nicht einen Anteil aus dem Geschäft angeboten bekommen - haben im Vornherein aber natürlich auch genussvoll 'Beweise' für's sündige Vergehen gesammelt und drohen nun verschmitzt mit orthodoxem, Geschäfts-ruinierenden Anstand & sittsamer Sauberkeit, ähnlich wie Alice Schwarzer.


Da helfen dank der episodischen Struktur des Narrativs hauptsächlich zahllose weitere, poppige Sexszenarien und eine dufte Prügelorgie gegen das Verbrechen, durch unsere kernigen, bayrischen Lederhosenträger und eine engagierte Schlägerbande aus ganz Deutschland - vereint gegen das Verbrechen, für die Ehre des ältesten Gewerbes der Welt.

 
Und auch die wahre Liebe kommt nicht zu kurz: einerseits in einem unbedarften, mäßig romantischen Subplot um die junge Zuneigung eines Bart-tragenden Pagen all'Italia zu einer blonden Glücklichmacherin und andererseits in der Darstellung der Hotel-"Puffmutter", die auf vergangene und unerfüllte Liebeleien zurückblickt, sich aber immerhin im fortschreitenden Alter auf ihre im Geschäft aufgewachsenen Freunde verlassen kann.


Doch irgendwann platzt selbst die schönste, verträumte Blase der perfekten, nuttigen Welt und das lustig-obszöne Geschäft muss wohl oder übel auf Eis gelegt werden, da die Gesellschaft offenbar noch nicht bereit ist für solche Dienstleistungen außerhalb des normalen Strichs (Hurenhotels sind in der Welt dieses Films, ähnlich einer Dystopie, irgendwie ein allgemeines No-Go). Aber Vergebung wartet in dieser Berufsgruppe um jede Ecke und so wird das Hotel praktischerweise in volkstümlich-einladendes, bayrisches Design gebettet, dass der Laden wieder so richtig in Schwung kommt - jetzt aber noch versauter denn je!

 
Ein profan-naives, extrem reduziertes Sittengemälde, welches sich mit seinem tolldreisten Eroslapstick für körperliche Dienstleistungen im Auftrag der Entspannung und Lebensfreude kräftig macht, dabei wie üblich für die Entstehungszeit mit sympathisch-körperbewussten Geschöpfen der Weiblichkeit und räudig-hackfressigen Vertretern des männlichen Trottel-Geschlechts punkten kann. Harmloser, aufgegeilter und zeitweise liebenswerter Quatsch über aktive Verjüngskur in (auf VHS erst so richtig versiffter) verwaschener Kalter-Kriegs-Tristesse.


Und zuguterletzt:



OLDBOY (zumindest einige Elemente davon) - Ich weiß, ich weiß...diese Woche habe ich mich schon einmal über Spike Lee's Film ausgelassen und an meinem Gesamteindruck davon hat sich nicht allzu viel geändert. Ihr könnt mich ruhig widersprüchlich schimpfen, jedenfalls habe ich mir jetzt, knapp 4 Tage nach Erstsichtung, doch noch über einige Elemente des Werkes ein paar mehr Gedanken gemacht, was mir dann doch gefallen hat und möchte dies nun konzentriert & möglichst objektiv ansprechen - irgendwie ist das ja nur fair von mir, wo ich ihn in meinem Review doch echt derb zerrissen hatte.

Recht ansprechend fand ich schon mal den Einstieg in 16mm, der sofort eine harte Linie zum Original zog, jetzt weit konkreter und schlagkräftiger in Erscheinung zu treten - keine Kompromisse zu machen, selbst wenn man dafür eine gute Menge Subtilität opfert: der approach erscheint an sich recht löblich und sorgt für herrlich-perfide Laune. Da erlebt man einen assig-schweinischen Josh Brolin, der so exaltiert ins Boxhorn schlägt, Röcken hinterherjagt und sich im Regen selbst ankotzt, dass es eine wahre Freude ist, ihn als dreckiges Arschloch in die Nacht herauskreischend zu sehen. Dass uns sein nachfolgendes Schicksal nicht wirklich zu Herzen geht, hat leider auch irgendwo mit dieser Charakterisierung zu tun, entwickelt er sich nach seiner Haft doch vollends zum knochenharten, reaktionären Rächer, inkl. coolen Finishing Moves und Rock-Musik. Das kommt davon, wenn man nach etablierter, trocken-fieser Bodenständigkeit irgendwann ins Extreme überschlagen will.


Lee's zaghaft-respektvolles Spiel mit asiatischer Ikonographie kam da bei mir sympathischer an, nicht nur als kleine Ehrerbietung an das überlebensgroße Original, sondern auch als eigentümlich-visuelles Instrument der kuriosen Weltenbildung. Leider erlaubt er sich im Verlauf des Films immer weniger visuelle Verspieltheiten, muss er doch den Plot notgedrungenermaßen dringlich vorantreiben, ohne große Eindrücke hinterlassen zu 'dürfen' (die Geschichte mit dem 3-Stunden-Cut, wie wir alle gehört haben). Selbst der Soundtrack passt sich dort der Allgemeinverständlichkeit an, kann aber zumindest in der ersten Hälfte des Films noch einigermaßen Drive und Inspiration vorzeigen.


Die Jahrzehnte-andauernde Inhaftierung unseres US-OLDBOYS Joe wurde hier in der Laufzeit ein gutes Stück erweitert, verleiht seiner Hotel-artigen 'Zelle' damit einen urigen Charakter (das Pagen-Poster!), insbesondere was dessen Infrastruktur betrifft, also u.a. wie, wann und welches Essen serviert wird - was unseren Joe zudem später auf eine heiße Fährte lockt. Die Idee mit den Mäusen, um die er sich als Ersatzfamilie sorgt, ist ebenso eine wunderschön-poetische Idee, infusiert sie dem durchweg zynischen Geschehen doch eine dringend nötige, der Nachvollziehbarkeit behilfliche, Note Menschlichkeit. Dass sie kurz darauf gebraten auf seinem Teller serviert werden, mutet wiederum umso widerlicher und erbarmungsloser an - Spike Lee will uns verbieten, zu fühlen, stattdessen sollen wir abgehärtet werden wie Joe. Na dann. Gestalterisch (also erzähl- und schnitttechnisch) bleibt diese Sektion auf jeden Fall der Höhepunkt der Erzählung.


Wie Joe sodann der 'Gefängnisleitung' nun vollends wütend auf die Schliche kommt, diese sogar mit einem Fahrrad verfolgt, während dramatisch-orchestrale Musik einen schicksalhaften Ernst heraufbeschwört, hat schon was Urkomisches und setzt sich zudem im sadistischen Massaker fort, welches er seinen Peinigern auferlegt. Sowieso erscheinen vielerorts besonders doofe, irrwitzige Momente im Film, den man jetzt schon nicht mehr so ernst nehmen will, wie sein Vorgänger - geht er doch einen verhängnisvollen Pakt mit dem Comichaften ein, welcher aber leider stetig abbaut und seine Abmachung nicht mehr erfüllen kann/will. Eine komplette, ultrabrutale OLDBOY-Satire, im Stile eines SUPER von James Gunn, hätte in ihrer Gesamtform da rückblickend weitaus mehr Sinn gemacht - verläuft sich Lee doch irgendwann allzu ratlos in laschen Genreklischees und mäßig ausgearbeiteten Motivationen für den Fortschritt des Spannungsbogen.

Man merkt von Seiten der Schauspieler uneingeschränkten Enthusiasmus und Hingabe, was sich zwar nicht wirklich in den meist eindimensionalen Charakteren widerspiegelt, dennoch für engagiertes, unterhaltsames Spiel ausserhalb des ungeschickt-gewebten Gesamtnetzes sorgt. Josh Brolin habe ich bereits gesondert erwähnt, doch möchte ich Elizabeth Olsen nicht unerwähnt lassen, die unter diesen Umständen das Beste aus ihrer etwas unselbstständigen (und ironischerweise selbstverständlich-selbstlosen) Rolle herausholen kann. Dafür muss sie zwar auch T&A einsetzen, aber als erregender Lichtblick genügt das allemal. Sharlto Copley's Darbietung steht bei mir hingegen noch zur Debatte - ich tendiere ja dazu, dass Lee wohl kein Interesse an einem glaubwürdigen Bösewicht hatte, obwohl Copley mit seinem Krueger im diesjährigen ELYSIUM in der Hinsicht durchaus Kompetenz bewies.

Leider muss ich das positive Spektrum des neuen OLDBOY hier abbrechen, zu den vielen negativen Empfindungen meinerseits habe ich ja schon genug gesagt. Ich möchte jedoch nochmal betonen, dass mich einige seiner Zutaten durchaus ansprachen, ein gewisses Interesse schaffen und eine theoretisch-interessante, künstlerische Vision vermitteln konnten. Die Umsetzung macht den Hund dennoch leider nicht fett und so warte ich auf die etwaige Extended-Fassung, um ein endgültiges Urteil fällen zu können. Bis dahin, alles Gute und bis zum nächsten Mal^^

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