Sonntag, 2. April 2017

Tipps vom 27.03. - 02.04.2017


Lebie Lerse,

diese Woche war ich an zweierlei Stellen zutiefst schockiert: Zum einen musste ich Montag nachts feststellen, dass mein Laptop nicht mehr anspringen wollte - Grund hierfür war eine defekte Grafikkarte, wie ich beim Fachmann vor Ort feststellen musste -, zum anderen hatte ich am Freitag kurz vor dem Filmabend bei Siegfried Bendix einen Mini-Hörsturz erlitten, als ich nach dem Waschen meines rechtes Ohrs via Duschkopf ein ungutes Taubheitsgefühl (ca. eine Oktave vermissend) empfand. Tja, irgendwas tut von Tag zu Tag ja immer weh. Keine Sorge, letztere Sache hatte sich nur wenige Stunden danach als kleines Wasserproblem aufgeklärt, ich kann insofern weiterhin so gut wie zuvor hören - wohlgemerkt aber noch immer mit jenem Tinnitus, den ich seit Anfang des Jahres inne habe. Aber jo, mein bereits sechs Jahre lang im Einsatz bewährte Laptop will erstmal nicht mehr funktionieren (Sad!), infolgedessen habe ich meine Daten und Tätigkeiten also nun auf Tower und Tablet übertragen, dementsprechend auch das Schreiben hiesigen Blogs. Ich sage mal so: Gerätschaft Numero 2 eignet sich eher bedingt für den intuitiven Schreibfluss, selbst nach einigen kurzen Experimenten mit der Spracherkennungsfunktion (kommt auch davon, dass ich allgemein besser schreibe als spreche). Im Vergleich dazu ist es mir im Sessel noch immer etwas unbequem, mehrere Stunden lang als Verfasser zu verweilen, doch irgendwann geht das sicherlich auch vollends ins Mark über - Bock auf Verspannung habe ich so oder so noch immer nicht. Was macht der Witte dann also zur Entspannung? Ach, die Frage würde bei mir nur eine langweilige Antwort ergeben, zumindest finde ich es schön, dass die Sonne inzwischen wieder raus kommt - umso sinniger also, dass ich wie letzte Woche einen Filmmarathon am Mittwoch veranstaltet habe! Voraussetzung war natürlich, dass ich nicht nochmal 24 Stunden am Stück durchziehen würde, also beließ ich es bei (höchstens) 12, ergo 8 Filmen in Reihenfolge. Nicht jeden Kandidaten aus dem Umfeld habe ich sodann im heutigen Blog verewigt - man muss sich ja nicht unbedingt noch einen Burnout herbeisehnen -, aber falls die Schließung letzter Lücken individuell erforderlich ist, empfehle ich einen Abstecher auf meine Twitter-Timeline. Ach ja, den Filmabend am Freitag gab es ja sowieso auch noch und da hatte Herr Bendix eine sehr interessante Auswahl zusammengestellt, der es neben der Verspeisung toller Pizzen (ich hatte eine mit Hähnchenkebap, Tsatsiki, Tomaten und Zwiebeln) an schreibwürdigen Höhen nicht mangelte, genauso wenig an totalen Absackern für die Hirnrinde wie „Reise zurück in der Zeit“ und „Doggie Boogie - Disco-Fieber auf vier Pfoten“. Die Erschöpfung hinsichtlich jenes Duos rührt dann aber bestimmt auch von der Frühjahrsmüdigkeit, die mit meinem ohnehin irregulären Schlafrhythmus Schindluder treibt, trotzdem habe ich es in diesen Tagen erneut geschafft, was zu Digi-Papier zu bringen - hauptsächlich dem Wandel ins Schwüle entsprechend mit Werken der Reize ausgestattet, die mindestens von Dreiecksbeziehungen träumen und von dort aus mehr oder weniger auf die Pauke hauen, wie abenteuerlich die Gedanken in neue, gar gefährliche Sphären vordringen. In diesem Sinne wünsche ich also viel Spaß mit dem folgenden Ensemble - inklusive der Rückkehr an Ein-Satz-Kritiken (mehrmals im Zeichen amerikanisch-asiatischer Freundschaft) -, das ich aus meinen, von den letzten Wochen noch immer etwas überarbeiteten Händen eingetippt bekommen habe:




Das Gesamtwerk von Ein-Mann-Verstrahlungseinheit Victor Luminera lässt sich gleichsam singulär auf „Psyched by the 4D Witch (A Tale of Demonology)“ beschränken, doch eher bricht jener Film einem alle Schranken, wie haltlos vor Freude glucksend man ins Spektrum der vierten Dimension transzendiert, als dass man jene Erfahrung in einer Textform bar ausufernder Polemik fassen kann. Das Bombardement an Farben, Effekten, geisterhafter Paranoia und Ehrfurcht binnen Zwischenwelten schäumt sich da - als 16mm-Hochphase eines San-Francisco-Deliriums anno 1973 - in 80 Minuten Länge vor einem auf, macht unsichtbare Flammen sichtbar und lässt Spukvisagen an Astralkörpern um den menschlichen Verstand sausen. Im Gegenzug wird uns jene Begegnung von Kosmos und Unterbewusstsein anhand der naiven Birne von Jungfrau Cindy verinnerlicht, die mit ihrer inneren Stimme (sowieso im Dialog mit herrlich Verpeilten) mehrmals aufs Zwerchfell einschlägt. Im Schauspiel bleibt der Film ohnehin pantomimisch, auf der Tonspur hingegen wird die Bemächtigung des allumfassenden Geistes vom Journal der sexuellen Sehnsucht aus in ein Kreuzfeuer psychotronischer Mächte umgeleitet, das sich so oft wie möglich „Let’s fantasy fuck now!“ wünscht, via Titelhexe mentalintim auf Projektionen entfesselter Lust reitet und damit die Jungfräulichkeit, jedoch keineswegs die Unschuld aufrechterhält. Zeitlupen, wild verfremdete Impressionen und Musikmontagen (tolles Titelsongkraut!) aus einer anderen Welt zerebraler Euphorie wissen da erst recht den Würgegriff der Verwunderung am Zuschauer anzuwenden, welcher zudem Vampiren, rastlosen Spaziergängen durch Chinatown und Sonnenfluten dies- wie jenseits bekannter Realitätsebenen begegnet, wenn man mal nicht lässig mit Hunden im Park abhängt, im Hinterhof-Waldrausch die Verführung des homosexuellen Nachbars Mr. Jones anleiert sowie dem Schlangentanz an Masken und Brüsten gegenüber Tiefen des per Pappbühne eingenebelten Universums beiwohnt. Von Praunheim, Harlan, Schlingensief: Selbst als kombiniertes Trio wären sie nur in Anteilen zu solch einer Zelluloid-Kernschmelze der Synapsen fähig, wie es Luminera mit unnachgiebiger Umnachtung treibt, obgleich die chargierende Haltung des Casts stets von frivoler Lockerheit zeugt, selbst wenn das Inferno schwarzer Magie jede Dramaturgie aufs Wesentliche runter telepathisiert, nah an der Erschöpfung kognitiver Erkundung rumort. Jener Sog der Leichtigkeit zwischen Dilettantentum und Genie, mit welcher der Einschnitt in unser Universum unternommen wird, sucht seinesgleichen – ein okkulter Trip, den ich jedem gleichgesinnt entrückten Filmnarr wärmstens empfehlen will. Wer vielleicht noch etwas weniger Heikles zur Eingewöhnung braucht, kann sich natürlich auch Sexualrausch“ von Ronald Victor Garcia einverleiben - der schließt sich binnen seiner Orgie der freien Liebe in ein mörderisches Spukschloss ein, das zum Abhängigkeitsverhältnis der Moneten und Geschlechter eine surreale Paralyse neuer Götzen beimischt.




In Sachen Stephanie Rothman hingegen hat man noch mehr zum Vergleich parat, was den Output an Filmen angeht – und weil dieser in jüngster Zeit wieder ein angesagtes Thema geworden ist, war es kaum zu vermeiden, dass ihr „The Velvet Vampire” schließlich ebenso in den Filmabend hinein programmiert werden würde. Regisseurinnen waren doch etwas rar gesät im US-amerikanischen Exploitation-Markt der 70er Jahre – umso schöner, wenn sich dann doch ein Genuss an Topoi und Schauwerten des jeweiligen Genres ergeben darf, sobald Rothman hier die Farben der Verführung in die Sonne rückt, den Reiz von heißem Sand, Samt und Blut in einer ménage à trois binnen kalifornischer Wüste zum Spektakel der Sinnlichkeit ballt. Ja, man kann sich gegebenenfalls auch den Kanon via Jess Franco und Jean Rollin dazu in Erinnerung rufen, um die Knüpfung mit Rothmans Äußerung des übernatürlichen Mythos voranzutreiben, doch die Tragik des Vampirdaseins hat hier so oder so einen Luxus an kaschierten Wunden inne, wie man ihn selten derart lässig als Dynamik sehnlichster Erhaltung begreifen darf. Der Wunsch nach Errungenschaften des Ichs, nach Verwandlungen des Lebendigen ins Tote hungernd (hatte ich diese Woche auch im Nekrophilie-Indie „Kissed - Todeskuss” variiert gesehen), die ihr plaisir nach Begegnungen als Liebesbeweis zur ausgehöhlten Beute transformieren – das muss für wahr keine triste Affäre ergeben! Insofern lässt Rothman ihre Diane LeFanu (Celeste Yarnall) initiativ voll rotem Bombast in die Nacht knallen, Klingen und Augenpartien hantierend, dass man sie im Schlepptau mit dem ausgesuchten Opferpärchen Lee (Michael Blodgett) und Susan Ritter (Sherry E. DeBoer) nur gern haben kann. Das spontane Kennenlernen hat dann auch schnellste Handlungsgriffe für eine Einladung in die Wüste zur abgeschotteten Edelkaserne parat; schmissig aufs ungenierte Machen gepolt, selbst wenn Susan als Skeptiker aus unerfahrener Vorsicht vor dem Unbekannten schier hilflos banal und knuffig zugleich wirkt. Lee dagegen kommt verstärkt selbstbewusster rüber, mit einer (Richard-Lynch-artigen) Durchtriebenheit im Auge als Charmeur des Zeitgeists angesetzt, dass er sich umso entschiedener auf die kaum verhaltenen Zweideutigkeiten Dianes einlässt. Susan kriegt jede noch so offensichtliche Anmache scheinbar nur aus der Ferne mit, doch jeder Lächerlichkeit entgegen rechnet Rothman die Verhältnisse des Dreiergespanns eben einer kollektiven Neigung zur Provokation/Enthemmung zu, die mal fröhlich im Dune Buggy an Kakteen vorbei kurvt, mal müde in der Sonne badet und sich gegenseitig Schlangen vom Hals hält, um infolgedessen den Lebenssaft zum Glücke aller tropfen zu lassen.


Raus mit dem Gift, Hunger stillen, reguläre Bindungen verwischen! Klar steckt da auch ein Spannungsfeld des Sadomasochismus drin - in der Montage des Easy Ridings ohnehin mit dem Fokus zur Laune unter einer Decke -, eher aber noch eine Schönheit im Miteinander, die sich zudem im Traum begegnet, die Angst vor dem Wegnehmen zu einer Hoffnung des Behaltens untereinander hin suggerieren lässt. Das unvermeidlich Parasitäre am Sukkubus ruft dann trotzdem noch den Fluchtgedanken sozialer Modelle/Menschenkenntnis auf den Plan, doch da lässt sich die Ambivalenz in jeder Konstellation schon längst von den Signalfarben an wechselwirksamer Energie triggern, wenn Diane noch vor jeder glückbringenden Entblößung das Vertrauen per Pink, Weiß und Rot stimuliert – und auch verdient, sofern man ihre Variante entgegengebrachter Leidenschaft als solche versteht, selbst wenn diese in destruktiver Unersättlichkeit fungiert. Diane verbirgt sich dazu eben auch als Voyeur hinterm Spiegel, aber wie oft man als Freund der Leinwand einen ebenbürtigen Status einnimmt, muss ich wohl nicht nochmal erklären. Alle Parteien sind mehr oder weniger Eindringlinge, gemessen am Wollen auch notorische Lügner, da nimmt man’s folglich locker mit dem Flirten, mit dem Ausrücken ins nächste Zimmer oder zum Sarg des verstorbenen Geliebten, wenn die Nacht alle Spuren verwischt. Na gut, das Blut bleibt öfter als Hinweis über, macht Zweifel und Schuld als Genre-Spannung ausgehfertig, doch die Schmerzen, ob nun solche aus der Vergangenheit oder Gegenwart, beruhen auf Gegenseitigkeit, weshalb die schwüle Luft (der Dramaturgie) eben auch nur wenig Luft abwürgen muss, um für den Wachstum hin zum Zerfall aufzuwärmen. Alles passiert, wie es (sich) jeweils gefällt und den Frust des Unlösbaren bis zu einer gewissen Grenze der Beziehungsunfähigkeit in einem Ausweg temporärer Selbsterfüllung entgeht. Die Schlussklammer dazu, nach der Trinklaune an entfesselten Geheimnissen zwischen Laissez-faire und Sandsturm die surreale Verfolgungsjagd vom „Blutgericht in Texas” vorwegnehmend, reißt sodann Dianes Wunden darin wieder auf, bleibt mehr oder weniger noch der Sonne verträglich, entlarvt aber auch das Fass ohne Boden in der Liebe - eine verheißungsvolle Fallhöhe mit Verschleißspuren; nicht auszutreiben, selbst wenn die Sucht zum Tode dem Sterben erliegt. Bei solchen Zyklen bin ich gespannt, noch mehr von Frau Rothman kennenzulernen, sprich immer wieder aufs Neue von ihr zu lernen.



Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch:

„Jade“ – William Friedkins Erotikthriller musste sich aufgrund der Autorenschaft Joe Eszterhas‘ vielerlei Vergleiche mit „Basic Instinct“ gefallen lassen, erfüllt sowieso mehrere Anlaufstellen und Milieu-Kolportage des damaligen Trends, doch die Inszenierung sticht als Seeleninneres eines Ensembles heraus, das sich vor allem via Außenimage definiert, wie ein Chamäleon Kulturen assimiliert, Bilder des Eigenen/Eigenen im Hintergrund anpeilt und Wahrheiten schluckt, während die Erwartungen an die designierte femme fatale deren zerrüttete Suche raus aus der Jagd und dem Missbrauch der Projektion offenbaren, welche Friedkins Drastik und Konstante des allgegenwärtigen Bösen/Teufels weiterhin nicht vollständig auszutreiben imstande ist.

„Monster aus dem All” – Kinji Fukasakus Bindeglied zwischen amerikanischem Sci-Fi-B-plus-Movie und auf Eigendynamik kadrierten Toei-Effekthallen gibt (wie typisch für diese Woche) eine Dreiecksbeziehung aus, die hauptsächlich funktionell, doch symbolisch als Vergangenheitsbewältigung ehemaliger Rivalen zu den Sternen fliegt, um eine utopische Erde vereinter Nationen vor einem Prä-„Armageddon“-Kometen zu retten, aus dem allerdings auch Prototypen des „Alien“-Narrativs mutieren, denen mit normaler Ballerpower nicht beizukommen ist, was bei der Drolligkeit jener interstellarer Zyklopen umso beglückender auffällt (schönes Kopfkino, sich vorzustellen, wie die Kinder in den Kostümen auf die vor Furcht fuchtelnden, erwachsenen Helden zustampfen), so wie sie sich fast schon nach Yôkai-Manier ballen und insofern Folk-Mythen kontemplativen Tempos in die Space-Sause suggerieren.

„The Hideous Sun Demon” – Das Drive-In-Spektakel eines radioaktiven Monsters in Mannsgröße ist im Grunde nur die nebensächlichste Attraktion in einem als Creature-Feature getarnten Drama der Alkoholsucht, das die Schwierigkeiten zwischenmenschlicher Bindung im Banne einer Abhängigkeit/Entsagung repräsentiert, sobald ein Atomwissenschaftler seines Betriebsunfalls wegen der Sonne fernbleiben muss, den Suizid in Betracht zieht und höchstens noch eine Entlastung darin findet, die Sängerin eines Nachtclubs vom fiesen Mob-Beau ihrerseits fernzuhalten, Zweisamkeiten am Strand mit ihr zu teilen und doch hintergangen zu werden, so wie sich der Zwang der Horrormanie zurückmeldet, ein ziellos mordendes Ende findet.

„Ghost in the Shell - Als audiovisueller Erzähler sehe ich Rupert Sanders in Zukunft noch einiges an Potenzial einsacken, so wie er den futuristischen Cyber-Welten Mamoru Oshiis eine Verwirklichung zukommen lässt, die sich gerne um die bunten Kulissen verlinkter Menschmaschinen und Metallorgane schleicht, auch oft die Gewaltästhetik des PG13-Konsens fetischisiert, aber inhaltlich leider dadurch verflacht, dass die technogeile/technophobe Selbstfindung des Majors (Scarlett Johansson) auf Offenbarungsmuster zurückgreift, die ganz der Vorlage gemäß ein Zyklus an Derivaten vorschickt, Blade RunnerRobocop (Original wie Remake) und Co. zu emulieren (sogar explizite Her-Verweise zu verteilen), hier jedoch auf eine Verständlichkeit für Mainstream-Laien runterrechnet, als müsste man es mit der sehr ähnlichen Aeon-Flux-Verfilmung oder anderen Red-Pill-Filmen der Bush-Ära wie Equilibrium aufnehmen, obgleich der Familienfaktor zur Menschwerdung hin hier dann doch mehr emotionale Involvierung bewirkt als es im '95er Anime geschah.


„Pizza Pizza – Ein Stück vom Himmel” – 90er-Jahre-Blödelchamp Donald Petrie versucht sich in seinem Debüt an einer Romanzendramödie an Hoffnungen, die sich drei Mädels (u.a. Julia Roberts und Lily Taylor) binnen des Fischerkaffs Mystic anhand von Sternschnuppen und Blicken aufs Meer machen, während man sie hauptsächlich am Bechdel-Test versagend darin kennenlernt, welche Kerle sie abbekommen wollen, (nicht) standesgemäß heiraten, von wem sie sich belogen/betrogen fühlen und wer schlicht nie erreicht werden kann, wobei der Heißhunger des Films eher im Sprüchelager der Mädels liegt, genauso in ihrer Stellung als Pizzeria-Azubis, gefolgt von Douglas-Sirk-Gedächtnis-Farbdramaturgien und dem Auftritt eines jungen Matt Damon, der aber nur wenig an dieser weit über die Ära hinaus altbackenen Coming-of-Age-Dreifaltigkeit aus den 80ern rumoren darf.

„Berlin Dance Battle – A Streetdance Story” – Ein etwas über Amateurfilmniveau gesteuerter Tanzstreifen inmitten beliebiger Berlin-Vororte, Turnhallen, Halbruinen, Ribnitz-mäßiger Kitas sowie öffentlicher Plätze um den Postdamer Platz herum, der sich beinahe so frech und konsequent an einer Dramaturgie vorbeischmuggelt wie einst „Himmelskörper“, aber weit mehr Strecken redundanter Auffüllungen bemüht, bei der zentralen Love-Story (mit Cinderella-Einschlag) vom semi-charmanten Talentmangel seines Casts abhängig ist, aber umso sympathischere Gags der Verpeilung evoziert, den größten Unterhaltungswert wiederum aufgrund der Statisten im Hintergrund einsackt, sich jedoch in eine mühsam abgespulte Endphase hinein verliert, welche sich wie die meisten eJay-Loops auf dem Soundtrack in zermürbender Repetition übt, trotzdem Mut macht, dass man mit dem eigenen Zeugs ja eigentlich selbstverständlich einen Vertrieb finden müsste, wenn es Robert Franke hiermit auch geschafft hatte.

So, jetzt geht's weiter im Text!




Mit Extremen der Passion, mit der Luminanz der fünf Elemente, sprich der schweren Blüte des Wollens, beschäftigt sich auch „Fuego”, wiederum meine erste Begegnung mit dem Werk Armando Bos. Niemand geringeres als John Waters legt für den Mann seine Hand ins Feuer, also wollte ich nicht lange damit fackeln, herauszufinden, inwiefern die Reizüberflutung in Person, Isabel Sarli, solch ein Hypermelodram von brennender Leidenschaft bekleidet. Mit der Nutzung jener Begrifflichkeit muss man eben auch erwähnen, wie stark sich der Film den Gefühlen hingibt, sich um den Menschen und die Liebe reißt, dass es die Existenz des jeweiligen Subjekts der Zuneigung überhaupt erst möglich, jede Trennlinie von wegen Kitsch oder Sexploitation obsolet macht, da Bo die Veräußerlichung des Daseins im Schmachten, in der Reibung der Körper und des unabdingbaren Zusammenseins zu einem Bolero urtümlicher Erotik, gleichsam tragischer Ergiebigkeit konzentriert. Love is a drug und bei derer Abhängigkeit, diesem Fieber zur Urquelle allen Lebens, inszeniert sich Bo auch selbst als Industrielebemann Carlos im dritten Frühling, der zwischen den Tälern Argentiniens sowie auf hohem Ross die dralle brünette Perle Laura (Sarli) vorfindet, wie sie ganz als Maximum der Schöpfung Gottes aus den tobenden Flüssen steigt, den eigenen Körper im Dauerklimax liebkost, ehe ihre vertraute Bedienstete Andrea (Alba Múgica) ebenso kaum der Versuchung widerstehen kann. Die Begierde ergreift jedermann und so ist es auch in Sekundeneile um Carlos geschehen, der sich fortan kein Leben mehr ohne diese Frau vorstellen will – und er hat Glück, denn ganz nach „Barbara“ kommend strebt Laura einer Konstante im Leben hinterher, die sie festhält und in ewiger Erfüllung bannt. „Fuego!“ tönt es sodann auch im für immer währenden Rhythmus vom Soundtrack, wenn - nach den Blickverkehr-Annäherungsversuchen mit nur einem möglichen Ausgang - keine Sekunde ungenutzt bleibt, sich zu vereinen, manische Küsse auszuteilen, selbst im Schnee die Nacktheit beben zu lassen, als könne sich das frisch vermählte Duo gemeinsam in den Boden schmelzen.


Sobald Carlos am Tage jedoch notgedrungen zur Arbeit verschwinden muss, flacht das Thermometer der Lust in Laura keineswegs ab – ihre Flucht in die Untreue setzt alles aufs Spiel und für Carlos gestaltet sich das als vergängliche Jagd nach ihrem Herzen! Passend dazu setzt der Film mit seinen Facetten hormoneller Tobsucht auf eine Verzweiflung gegenüber der Brandmarke des „Unnatürlichen“ – eine Reflexion auf den kulturellen Status Quo der Ära, die hier an ihrem Wendepunkt um 1969 als Übersteuerung des Triebgesteuerten dargestellt schon keinen konservativen Kompromiss mehr zu erreichen imstande ist. Siehe allein, wie Carlos Andrea anzuklagen versucht, aus dem Zwang männlicher Ehre die Homophobie ausspricht, gleichsam aber weiß, dass er untypisch brutale Worte aus sich rausquält und seine Liebe Laura mit einer Eifersucht/Entsagung straft, die per Gewalt versucht, ihrem nymphomanen Zustand Einhalt zu gebieten. Er nimmt ohnehin zig Optionen und Expertenmeinungen durch, um dem Feuer standhalten zu können, sie bleibt trotz seiner Bemühungen aber machtlos gegenüber dem Verlangen - selbst beim Gynäkologen in der Praxis, mit den Tränen im Anschlag, zuvor auch schon unterwegs in der Stadt jedem Mann die Brust entgegenstreckend, der potenziell auf sie anspringen könnte. Natürlich kokettiert der Film dann auch enorm bereitwillig mit der Unersättlichkeit flammender Herzen, akzentuiert er die Wollust doch als Strom an Orgasmen im aufgeregten Leinwandlicht, der zur obszönen und grellen Pracht des Heimatfilmambientes noch Buenos Aires und New York addiert, auf den Tränen des Gehörnten und seiner Frau zudem den Tod in Aussicht stellt – und das natürlich in solch einem Wahn, dass die Poesie des Trivialen in gröbster Größe strahlt. Die Markenzeichen eines Melodrams scheinen da eben weniger rührselig, als dass sie permanent auf dem eigenen Gipfel vibrieren, angesichts ihrer Reaktionen jeden Moment aus der Haut zu fahren drohen oder sich an diese eben wie an einem Rettungsring schnallen. Pro-Tip: Mit der überbordenden Druckwelle an Hüftstößen und lippenfetzender Atemnot sollte zu jeder Sichtung ein Wasserwerfer gebucht werden!




Stuart Whitman räumt auf dem Asphalt und in der Vielfalt der Metropole Montreal auf – mit der Prämisse könnte Alberto De Martinos „Feuerstoß” einen feuchten Traum für Selbstjustiz-Fetischisten ergeben, wie es in der Ära circa 1976 auch den Geldbeutel Charles Bronsons erklingen ließ. Ein Bulle sieht rot, ist da natürlich die reißerische Devise binnen der Ermittlerkreise Tony Saittas (Whitman), der den vermeintlichen Schwächetod seiner Schwester Louise (Carole Laure) aufzuklären versucht, da ein Giallo-Whodunit? der Mordsverschwörung stimmigere Steilvorlagen für Schlägereien, Schießereien und Verfolgungsjagden liefert, als dass eine schlichte Abgeklärtheit davon Kenntnis nehmen würde, wie man sich im vertrauten Charakter eines Menschen täuschen kann. Genug Verdächtige sind ohnehin zur Stelle mit Dreck am Stecken, anhand welcher Untreue sie die Frustration ihrer Lebensumstände umgehen, geheime Partnerschaften unterhalten und die verbliebenen Einzelpersonen in der Finsternis offener Geheimnisse über lassen. Der unglücklich verheiratete Uni-Professor Dr. George Tracer (Martin Landau) gerät als unmittelbarste Affäre Louises als erstes ins Visier Tonys und dessen Partners Ned (John Saxon); promiskuitive Lehrkörper wie Margie Cohn (Gayle Hunnicutt) müssen als Zeugen aushelfen, während sie nach dem Beischlaf mit dem neuesten Toyboy im Negligé stehen; die dicke Luft der Frustration mehrerer Ex-Boyfriends geht genauso wenig an einem vorbei wie die Einsamkeit angesichts verlorener Freundschaften bei der blinden Julie (Tisa Ferrow). Das ermittelnde Prozedere innerhalb solcher Tristesse kann da manchmal nur steif ins Wanken kommen und über lasche Gesetzte stänkern - die Katharsis in der Eskalation hebt man sich dann jedoch für die Zwischenphasen der Informationsbeschaffung auf, wo De Martino quasi für die kleinsten Fische im Falle jenes Falles die aufwendigsten Schauwerte auspackt. So schlägt sich Saitta mit Transvestiten herum, jagt den Schweden mit bestialischem Karrenverschleiß durchs Straßennetz und springt Schwulen mit Halbglatze auf die U-Bahn-Toilette hinterher, tritt dort Türen wie ein Berserker ein, auch wenn sich der Gejagte im Nachhinein als der falsche herausstellt. Jene Plakativität, inklusive Topleitthema von Armando Trovajoli, hat die reaktionäre Räude inne, sticht jedoch umso selbstreflexiver in jenem Kontrast heraus, was sich allmählich aus der Rekonstruktion der Person Louises ergibt, den grauen Schläfen Saittas Grauzonen entlockt, aber trotzdem dafür sorgt, dass er als Eskapist à la Dirty Harry die besonders spekulative Befriedigung im Abschuss eines Helikopters via Magnum hinkriegt. Eine Krönung mit Knalleffekt, bis dahin aber auch schon entschieden ruppig, teilweise als klaustrophobes Spannungsstück sowie mit Monsterstunts über die Laufzeit verteilt!

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