Potrait ihres beliebten Chefredakteurs Christian Witte:
Liebe Leser,
was für eine wirre Woche! Jeden Tag hatte ich mindestens zwei Filme geschafft, aus der Bücherhalle zudem erstmals einige Videospiele ausgeliehen (u.a. das recht nette „Captain Toad: Treasure Tracker“ für die Wii U), mehrere Looney-Tunes-Kurzfilme, alte „Simpsons“-Folgen, etc. gesichtet und doch glaube ich, dass ich mehr hätte schreiben können, auch wenn der Umfang für die zentralen vier Filme geradezu wieder in die Vollen geht. Vielleicht rührt mein Gemütszustand daher, dass viele Sichtungen diese Woche enttäuschend ausfielen und ich mir im Nachhinein mehr Titel gewünscht hätte, die punktgenau im Herzen landen oder zumindest die Aufmerksamkeit des Lesers in die Stratosphäre der Relevanz katapultieren würden (die neue Blu-Ray von Roger Fritz' „Mädchen, Mädchen“ z.B. liegt noch ungesehen herum). Kann man natürlich schlecht einschätzen, wie das Angebot der Woche diesmal ankommt, auf jeden Fall sind jene Streifen jetzt nicht die offensichtlichsten Kandidaten und ich bin mal ehrlich: So kompliziert hatte ich schon lange nichts mehr in der Nachbetrachtung empfunden, wie hiesiges Ensemble aus hauptsächlich asiatischem Filmgut, unter dem zu alledem noch ein streitbarer Amerikaner haust. In jedem Fall die Qualitäten zu benennen, gestaltet sich von Woche zu Woche eben mal mehr, mal weniger schwierig, wenn man ebenso ungefähr vermitteln will, wie viel stets vorgeht in einem zur Betrachtung herangeholten Beispiel. Und da sind im Grunde allesamt geradliniger gestaltet, als es mein Schreibstil vielleicht reflektiert, doch die Eigenarten schlagen sich wie ein roter Faden mit Karacho durchs Gehirn. Das gilt übrigens auch für jene Filme, die eher unter „Ferner Liefen“ bis „Geht so“ einzuordnen sind, im Folgenden aber dennoch ein bisschen Platz verdient haben:
Besonders auffällig möchte ich da
Jack Sholders Debüt „Zwei Stunden vor Mitternacht“ (also
22 Uhr) benennen, das einen Stimmungsmix an unkonventionell
eingesetzten Horror-Topoi sowie gewitzte Einfälle für die Home
Invasion einer Reihe profilierter Psychopathen (Martin Landau,
Jack Palance, Donald Pleasance) anbietet, im Tempo jedoch auf
reichlich schleppenden Phasen ausgetragen wird. Einige metaphysische
Sequenzen weisen da schon auf die baldige Zukunft des Sholders in
„Nightmare 2 - Die Rache“ hin, doch die Stringenz
entweicht ihm ein Stück weit auf dem Pfad umgekehrter Erwartungen und verzerrter Einbildungen.
Ebenso auf den Horror gekommen, glaubt man bei „Prom Night - Das
Grauen kommt um Mitternacht“ (diesmal also genau 00.00 Uhr)
anfangs ebenso, dass der Film seine Slasher-Zutaten durchweg
mit inszenatorischem Witz auf falsche Fährten locken würde, doch
leider entwickelt sich Richtung Abschlusstanz wieder nur das bewährte
Killen - diesmal trifft es zumindest keine Unschuldigen (eher
Anti-Helden), was den Spannungsbogen allerdings umso passiver
zum erwartbaren Finale führen lässt, wenn jene Art Rache als
Grundinteresse wenig Boden zur Emotion freigibt. Um meine
Urteilssprechung nach Manier des „Lexikon des internationalen
Films“ fortzusetzen, sei aber auch gesagt, dass sich Bob Clarks
„Karriere mit links“ genauso urig an filmischer Bewandtnis
verhebelt, wenn Judd Nelson als überheblicher Anwalt die Sympathien
des Zuschauers erhaschen soll, mit theatralischen Tricks zunächst
eine Art Komödie vor Gesicht aufzieht, in der zweiten Hälfte jedoch auf einen
spekulativ soziopathischen John Hurt trifft, dessen Fallausgang
höchstens „Der
Richter - Recht oder Ehre“ alle Ehre machen würde. Ebenso mit
an Bord: Stumpfe Expositionsmonologe, die Sympathie zum
neokonservativen Erfolg/Fucking-Over, haarsträubende Justizprozesse und zumindest noch einige Andeutungen vom anatomischen
Kammerspiel mit einem Mörder. Worauf der Film seinen Fokus legen
will, mag er innerhalb von knapp zwei Stunden Laufzeit allerdings nie so
recht entscheiden oder mit echtem Biss anpacken. Echter Biss ist
allerdings auch Mangelware bei (Achtung, noch ein Regisseur, der hier
normalerweise gut wegkommt) John Carpenters Biopic „Elvis“,
das als Dick-Clark-TV-Produktion einem harmlosen Narrativ zum
Werdegang des Kings treu bleibt, die emotionale Spannweite höchstens
auf Presleys Liebe zu den Frauen ausweitet, eben wie sehr er an
seiner Mutter hing, ihre schwarzen Haare bei sich und Gattin Priscilla
emulierte. Darüber hinaus ist die Rekreation der Ära sowie die
dazugehörigen chronologischen Höhepunkte souverän auf Filmformat
aufbereitet worden, doch die Essenz dessen bleibt einzig und allein
an der energischen Darbietung durch Kurt Russell hängen. Das bleibt
selbst bei knapp drei Stunden Überlänge kurzweilig, doch der wahre
spannende Saft, z.B. vom Widerstand der Konservativen gegen das
Sexsymbol Elvis oder alles nach dem Comeback von 1969, kommt nicht
zur Sprache. Anthony Lawrence, Drehbuchautor vieler echter
Elvis-Vehikel und auch dieses TV-Films, wollte/durfte sich wohl nicht
mehr trauen und Carpenter selbst spürt man erst recht kaum bis gar nicht,
wenn man denn von manchen Parallelen zum High-School-Dasein in „Christine“
absieht.
Damit macht er aber noch eine bessere Figur als Rudolf Thome mit seinem zweiten Spielfilm „Rote Sonne“, öftermals eine Art Vorzeige-Reflexion über den 68er-Zeitgeist an „Gammlern“, APO und RAF-Terror, die sich abgesehen von ihrer bedingungslosen Ruhe nur schwer vom romantisierten Milieu mörderischer Belanglosigkeit trennen kann, in emanzipatorischer Funktion nur behauptete oder an Misogynie grenzende Töne anschlägt und zu allem Übel ausschließlich endkarge Tapeten vorzuweisen hat. Daran die seelische Leere zu erklären, ist schnell Unterforderung pur fürs visuelle Spektrum, ansonsten hat die Atmosphäre einige liebliche Eindrücke, Unbedarftheiten und surreale Laien-Aktionen (der Showdown!) parat, die es jedoch schwer haben, sich zwischen dieser Selbstgefälligkeit an Nichtigkeiten innerhalb der Münchener Bohème zu entfalten, welche von der kalten Synchronisation zusätzlich wie erwürgt scheint. Ein Problem, das Klaus Lemkes „Negresco**** - Eine tödliche Affäre“ ebenso hatte, weshalb seine Filme darauf der synchronisiert-gestellten Coolness vollends entsagten (deren Rückkehr im „Zocker-Express“ kam demnach umso blasser an). Konsequentes Durchziehen propagiert hingegen Rob Zombie mit seinem neuen Werk „31“, das schnell klar macht, wie wenig Interesse es an dramaturgischen Absichten innerhalb seiner Gruppe an mit der Sterblichkeit konfrontierten Protagonisten hat. Stattdessen herrscht beinahe pausenlos totaler Horror, schamlos in gewaltverherrlichende Exploitation abdriftend, die gänzlich Zombies inszenatorische Eigenarten und Terror-Vorlieben bedient, je tiefer sie in die Grundprämissen des Genres schaut und die menschlichen Feindbilder schlechthin ums Schreckenslabyrinth jagt. In dieser knalligen Räudenwelt aus Blut, Dreck und Stahl könnte man aber auch einen Rückschritt im Vergleich zu „Lords of Salem“ sehen, wenn Grindhouse-Impulse à la „The Devils Rejects“ reiteriert werden, Stimmung für den Knalleffekt geopfert wird, der Dialog größtenteils aus „Fuck“ besteht und man ohnehin das Gefühl hat, dass Zombie bei aller gelebten Freiheit nur wenige Register an Variation anfährt. Nicht, dass da trotzdem die Feier zur Intensität durchweg stattfindet, aber irgendwann ist sie auch erschöpft und findet bewusst keinen entlastenden Schlusspunkt. Unser Rob kommt wieder, keine Frage, als Stärkung zwischendurch ist „31“ (die Nummer vom 31. Oktober, sprich Halloween, ta-damm!) immerhin noch saftig genug in eigener Soße. Zum Abschluss dieser kurzen Betrachtung des Nicht-Besprochenen sei dann noch „Die Zeitungsjungen“ von Kenny Ortega erwähnt - ein Disney-Musical, das den jungen Christian Bale als Anführer einer Gewerkschaft von Zeitungsjungen zeigt, die sich im frühen 20. Jahrhundert dagegen auflehnten, im Wettstreit zwischen den Pressemogulen Pulitzer und Hearst immer den Kürzeren ziehen sowie draufzahlen zu müssen. Das kindgerechte Epos bringt das Flair des alten New Yorks mit vollem Period-Piece-Einsatz zur Geltung, gleichsam glatt laufen die typischen Charakterisierungen von hoffnungsvollen Träumern, gehemmten Idealisten, draufgängerischen Brooklyninskis und hinkenden Mitstreitern, die sich gemeinsam auf die Freundschaft einschwören, gegen böse Gangs, ausbeuterische Fettsäcke und einen Herrn Pulitzer (Robert Duvall) auflehnen, wie er derartig antagonistisch wohl selten gezeichnet werden dürfte. Es ist schwer zu sagen, was neben der souveränen Erfüllung der Erwartungen aufgrund dieser Ausgangslage speziell zu erwähnen wäre, aber: die choreographierten Gesangsnummern sind ein Stimmungsheber vor dem Herren, Ann-Margret ist wie immer aufreizend am Start, der „California“-Junge aus „Joystick Heroes“ verarscht die Leute, Bill Pullman ist als aufrechter Reporter Bryan Denton eine große Hilfe und zum Schluss ergeben Katharsis, Einsicht und Einigkeit einen Schlussakkord, der in seiner Herzlichkeit weit mehr rührt, als dass man es vom bisherigen Prozedere erwartet hätte. Geht eben langsam ins Mark, aber ist durchaus eines der sympathischeren Beispiele dieser Woche geworden.
Damit macht er aber noch eine bessere Figur als Rudolf Thome mit seinem zweiten Spielfilm „Rote Sonne“, öftermals eine Art Vorzeige-Reflexion über den 68er-Zeitgeist an „Gammlern“, APO und RAF-Terror, die sich abgesehen von ihrer bedingungslosen Ruhe nur schwer vom romantisierten Milieu mörderischer Belanglosigkeit trennen kann, in emanzipatorischer Funktion nur behauptete oder an Misogynie grenzende Töne anschlägt und zu allem Übel ausschließlich endkarge Tapeten vorzuweisen hat. Daran die seelische Leere zu erklären, ist schnell Unterforderung pur fürs visuelle Spektrum, ansonsten hat die Atmosphäre einige liebliche Eindrücke, Unbedarftheiten und surreale Laien-Aktionen (der Showdown!) parat, die es jedoch schwer haben, sich zwischen dieser Selbstgefälligkeit an Nichtigkeiten innerhalb der Münchener Bohème zu entfalten, welche von der kalten Synchronisation zusätzlich wie erwürgt scheint. Ein Problem, das Klaus Lemkes „Negresco**** - Eine tödliche Affäre“ ebenso hatte, weshalb seine Filme darauf der synchronisiert-gestellten Coolness vollends entsagten (deren Rückkehr im „Zocker-Express“ kam demnach umso blasser an). Konsequentes Durchziehen propagiert hingegen Rob Zombie mit seinem neuen Werk „31“, das schnell klar macht, wie wenig Interesse es an dramaturgischen Absichten innerhalb seiner Gruppe an mit der Sterblichkeit konfrontierten Protagonisten hat. Stattdessen herrscht beinahe pausenlos totaler Horror, schamlos in gewaltverherrlichende Exploitation abdriftend, die gänzlich Zombies inszenatorische Eigenarten und Terror-Vorlieben bedient, je tiefer sie in die Grundprämissen des Genres schaut und die menschlichen Feindbilder schlechthin ums Schreckenslabyrinth jagt. In dieser knalligen Räudenwelt aus Blut, Dreck und Stahl könnte man aber auch einen Rückschritt im Vergleich zu „Lords of Salem“ sehen, wenn Grindhouse-Impulse à la „The Devils Rejects“ reiteriert werden, Stimmung für den Knalleffekt geopfert wird, der Dialog größtenteils aus „Fuck“ besteht und man ohnehin das Gefühl hat, dass Zombie bei aller gelebten Freiheit nur wenige Register an Variation anfährt. Nicht, dass da trotzdem die Feier zur Intensität durchweg stattfindet, aber irgendwann ist sie auch erschöpft und findet bewusst keinen entlastenden Schlusspunkt. Unser Rob kommt wieder, keine Frage, als Stärkung zwischendurch ist „31“ (die Nummer vom 31. Oktober, sprich Halloween, ta-damm!) immerhin noch saftig genug in eigener Soße. Zum Abschluss dieser kurzen Betrachtung des Nicht-Besprochenen sei dann noch „Die Zeitungsjungen“ von Kenny Ortega erwähnt - ein Disney-Musical, das den jungen Christian Bale als Anführer einer Gewerkschaft von Zeitungsjungen zeigt, die sich im frühen 20. Jahrhundert dagegen auflehnten, im Wettstreit zwischen den Pressemogulen Pulitzer und Hearst immer den Kürzeren ziehen sowie draufzahlen zu müssen. Das kindgerechte Epos bringt das Flair des alten New Yorks mit vollem Period-Piece-Einsatz zur Geltung, gleichsam glatt laufen die typischen Charakterisierungen von hoffnungsvollen Träumern, gehemmten Idealisten, draufgängerischen Brooklyninskis und hinkenden Mitstreitern, die sich gemeinsam auf die Freundschaft einschwören, gegen böse Gangs, ausbeuterische Fettsäcke und einen Herrn Pulitzer (Robert Duvall) auflehnen, wie er derartig antagonistisch wohl selten gezeichnet werden dürfte. Es ist schwer zu sagen, was neben der souveränen Erfüllung der Erwartungen aufgrund dieser Ausgangslage speziell zu erwähnen wäre, aber: die choreographierten Gesangsnummern sind ein Stimmungsheber vor dem Herren, Ann-Margret ist wie immer aufreizend am Start, der „California“-Junge aus „Joystick Heroes“ verarscht die Leute, Bill Pullman ist als aufrechter Reporter Bryan Denton eine große Hilfe und zum Schluss ergeben Katharsis, Einsicht und Einigkeit einen Schlussakkord, der in seiner Herzlichkeit weit mehr rührt, als dass man es vom bisherigen Prozedere erwartet hätte. Geht eben langsam ins Mark, aber ist durchaus eines der sympathischeren Beispiele dieser Woche geworden.
Ohne Scheiß: Es wird eh wieder Zeit für
ein bisschen mehr Optimismus, wie mir scheint. Deshalb Vorhang auf
für diese interessanten oder gar tollen Werke in der detaillierten
Besprechung:
Unter dem Banner der Nikkatsu Corp.
findet man seit jeher unzählige Filme des Pinku Eiga, einem
Genre, das in seiner Kunstfertigkeit und Selbstverständlichkeit im
Spannungsfeld erotischer Machtverhältnisse heute kaum noch als
Mainstream denkbar wäre. Nur ein Bruchteil hat es zudem
bislang in westliche Gefilde geschafft, weshalb ich mit beinahe schauriger Regelmäßigkeit Werke kennenlerne, deren Qualitäten maßlos
unterschätzt scheinen. Tatsumi Kumashiros „Shoujo shofu:
kemonomichi“ aka „Path of the Beast“ gehört
wiederum zu solchen Erfahrungen und lässt sich dennoch selbst
innerhalb der vielen Varianten und Signale an Exploitation nur schwer
kategorisieren. In gerade mal 72 Minuten Laufzeit zeichnet er ein
Gesamtbild äußerer und innerer Verwüstung, mit Blick auf eine
Küstengegend kleinster Menschenmenge, welche ein noch
abgekoppelteres Eiland suggeriert, als es Japan ohnehin schon zu sein
scheint. Gleichsam sind die Verhältnisse unter Figuren
triebgesteuert in der Tristesse verankert, anstatt dass sich der Film
auf konventionellem Wege zu Sympathien aufmachen würde - die
Verwahrlosung in der Ziellosigkeit greift um und da ziehen die
Handlungen schon früh einen Reiz aus den Lücken ihrer Impulse. Auf
die körperliche Sehnsucht wird weniger Wert gelegt, als dass die
kollektive Isolation hier zum frühen Zerfall eines jungen Mädchens
stilisiert wird. Saki (Ayako Yoshimura) sieht sich insofern mit
Schlüsselereignissen konfrontiert, die sie als Frau ausnutzen und
prägen - ehe ihr Urteilsvermögen überhaupt reif dafür ist, wird
sie schwanger und von den möglichen Vätern abwechselnd dazu
motiviert, das Kind abzutreiben oder zu behalten, je tiefer die
verzerrten Ehrgefühle im männlichen Geschlecht Einfluss zu üben
versuchen. Natürlich sind letztere selbst im fortgeschrittenen Alter
kein Deut erwachsener, höchstens Symptome eines sozialen Sadismus,
den der Film als kritischen Würgegriff vergegenwärtigt. Mit den
Mitteln der Demütigung z.B. überredet Sotoo (Mon Muso) sie zum
ersten Mal, gleich nach einer Fahrradfahrt zum Strand so energisch
deklariert, obgleich er ihr zusätzlich dazu zeigt, wie er Möwen mit
Steinen vom Himmel holen kann. Der Beweis der Gewalt erzeugt Angst
und Willigkeit, fortan scheint sie den Erwartungen halber wie
imprägniert zur Promiskuität gezwungen, die sodann auch vom älteren
Schwerenöter Ataru (Yûya Uchida) forciert wird. Das Psychogramm
dieser Beziehungen lässt Regisseur Kumashiro nicht vollends
transparent, dennoch lässt er einige pointierte Faktoren durch,
die an diesem Drama teilhaben: Sakis Mutter Yûko (Minako Mizushima)
z.B. lässt sich mit einer Vielzahl von Kerlen ein, damit diese ihre
Imbissstände schieben und sie sich nicht permanent abrackern muss.
Zudem reichen Sakis Erinnerungen an den
verstorbenen Vater nur bis zu einem einst beobachteten Beischlaf, den
sie so idealisiert, dass man den Hang zur Abhängigkeit einigermaßen
nachvollziehen kann. Die verstörte Einsamkeit aller in diesem
Ambiente behält jedoch überhand, so verzweifelt die Sucht nach dem
Beischlaf den Alltag beherrscht, in dem man sich am ehesten dafür
begeistern kann, auszurechnen, wie oft im Jahr man theoretisch
Sex haben könnte. Dem chancenlosen Ambiente nach bleibt alles andere
am Straßenrand, weshalb der Zynismus untereinander greift, am
Kreislauf an Demütigungen zu Wunschträumen der Penetration neigt,
während einen die psychische Apokalypse schon fortgeschritten im
Sand vergräbt, dass die Möwe ebenso immer wieder aufs Neue tot ins
Wasser fällt. Die Natur spielt hier gewiss eine große Rolle, um das
Gemüt der Figuren zu reflektieren, so unwohl sich Regen und Hitze
abwechseln, von außen mit brutalen Wellen knallen und in der
Festlandstille ebenbürtig unbarmherzig auf endlose Kargheiten
deuten. Da wird die Befriedigung nur schlüssig zur Verzweiflungstat
und in der Selbstgefälligkeit der Männer erst recht kein
Unterfangen der Treue, wovon sich Saki durchaus einiges an
Unmenschlichkeit abschaut und den jeweiligen Herren vom Schwanz des
anderen vorschwärmt, in ihrer korrumpierten Naivität zeitgleich
jedoch zur chaotischen Drastik des Affekts getrieben wird.
Wohlgemerkt bleibt das in diesem Film keine rein weibliche
Erscheinung, so wie die ausweglose Ausbeutung der Frau porträtiert
wird, die in jener gesellschaftlich geduldeten Form eine
Dreiecksbeziehung an Enttäuschungen, Fatalitäten und offenen
Ungewissheiten ergibt, in welcher jeder jeden verletzt, aufgeilt und
im Endeffekt zur ewigen Maloche verdammt. Im Vergleich zu anderen
Genre-Vertretern ist Kumashiro dann auch nicht zur Fleischbeschau
angetreten, sondern dem bitteren Gefühl verbunden, das hier als
Nebel der Hilflosigkeit herumtreibt. Wenn hier im Intimen geschwiegen
wird, ist das verstörender als jeder Schrei, so bedingungslos sich
den Bedingungen eines Anderen hingegeben und die Frage nach dem
wahren Vater zur erzwungenen Beobachtung angeleitet wird, nachdem man
den Konkurrenten gerade noch vom Freitod in den Wellen retten
konnte. Die Grausamkeiten der Liebe lassen hier die eigenen Köpfe
zuschütten, Messer in Füße einstechen, das Zusammensein als
vergängliche Not schlechthin auftreten, bei der Saki sogar noch ihre
Mutter annuckelt, um ihrer Empathie Ausdruck zu verleihen. Nicht,
dass der Film überakzentuiert oder gar den Pathos eines Sozialpornos aus
jenen Eindrücken schöpft, schließlich würde das ja thematische
Eindeutigkeiten beinhalten, die in der bewusst losen Dramaturgie eh
nicht fruchten sollen, stattdessen vielmehr Ambivalenzen des
Selbstbewusstseins und der Bildung an Sehnsüchten ergänzen.
Renny Harlin, seit jeher ein
waschechter Harlin Globetrotter, ist mit „Skiptrace“
dieser Tage an einen chinesischen Blockbuster geraten, der womöglich
das beste Jackie-Chan-Vehikel seit „Rush Hour 3“
darstellt. Sodann wundert es auch nicht, dass hier vielerlei Bezüge
zum Buddy-Cop-Faktor vergangener Erfolge bestehen, sobald sich Chan
als Hongkong-Inspektor Benny Chan (!) mit dem unfreiwilligen Partner
Connor Watts (Johnny Knoxville) auf Reisen begibt, obwohl er diesen
an die Behörden in Macau zu überführen versucht. Das Prozedere
gestaltet sich entsprechend simpel im Zeichen jener Prämisse und ist
allein deshalb schon eine willkommene Abwechslung zum aktuelleren
Chan-Œvre, das sich eher - wie exemplarisch an „Chinese Zodiac“
feststellbar - an konfus wie uninspiriert geballten Blockbuster-Topoi
sowie propagandistischen Ideologien abzuarbeiten versteht, anstatt
die akrobatische Frechheit seines Hauptdarstellers entsprechend zu
würdigen. Auch wenn früher schon in „Police Story“ und
Konsorten zur Idealisierung von Milieus, Recht und Ordnung angelegt
wurde, ist nun mal der Einfluss regierungskonformer Verharmlosung
inklusive obligatorischen Lumpensoundtrack zu spüren und obgleich
sich in der Darstellung von Verbrechen, Korruption oder Militär hier
mehr Freiheiten als z.B. in „Special
ID“ erlaubt werden, kommt durchweg ein Hang zur
touristischen Attraktivität zum Vorschein, wie er allmählich auch
im globalen Franchise-Apparat zur Gewohnheit geworden ist. Als
reines Unterhaltungsstück allerdings vermeidet „Skiptrace“
größtenteils die Falltüren politischen Kalküls und geht im Grunde
so unbelastet wie „Shang-High Noon“ und Co. auf das
Treffen von Ost und West ein, dessen Typen man schon des Öfteren
begegnet ist und daher auch erwartbare Wege des charakterlichn
Wandels hervorruft: Chan als ehrgeiziger Bulle, der nie abschalten
kann und dennoch kein Chaos auslässt; Knoxville als risikoreifer
Hitzkopf und Frauenheld, der ebenso stets in ungesunde Schlamassel
gerät. Beide haben ihre Fähigkeiten und Macken, können sich
gegenseitig nicht ausstehen und doch nicht ohne einander vorankommen,
ehe sie sich die richtigen K.O.-Griffe beibringen. Jackie hängt stur
an seinem Job und beschützt seinen Gefangenen zur Pflichterfüllung
vor den Bösen, Johnny versucht dauernd zu fliehen und mischt dennoch
kräftig im Teamwork mit, wenn die Verfolger das Duo hetzen. Eine
klassische Comedy-Routine halt, die anfangs noch deutlich vom
verworrenen Krimi-Plot gehemmt wird, in welchem Der Matador,
ein geheimnisvoller Boss der Unterwelt, für den Tod von Chans
Partner verantwortlich scheint und zudem eine Lady auf dem Gewissen
hat, welche dem von der Russenmafia verfolgten Watts in ihren letzten
Atemzügen noch ein Handy in die Hand gedrückt hat. Dieses
beherbergt brisante Informationen, die im Verlauf durch einige
überflüssige Rückblenden aufgeklärt werden, während der Schnitt
in der Etablierung seiner selbst auch ebenbürtig unbeholfen auf jene
unsäglichen Standbilder zurückgreift, in denen Charakternamen wie
Pop-Art aufschreien, während manch Voiceover die Lage
zusätzlich einzuordnen versucht.
Überholt, überhastet und überflüssig
springt der erste Akt somit über mehrere Standorte und Charaktere,
hofft auf den verbindenden Faktor von Chans hübschem Patenkind
Samantha (Bingbing Fan) und arbeitet dennoch nur schwer auf eine
Involvierung des Zuschauers hin, wenn Harlin fröhlich durch ein
Arsenal an Aufwand (inkl. schlechten Computereffekten), Schauplätzen
und Gags hüpft. Irgendwann jedoch treffen sich die Parteien endlich
zu einem Scharmützel klassischer Chan-Action, das in der Tradition
effektiver Eskalation (sowie ihrer Manifestation in einer Matrjoschka) zum Stuntvergnügen einlädt und Kulissen
fantasievoll ausreizt, wobei sowohl Chan wieder zu ungefähren
Höchstformen auffährt als auch durch Knoxville einen würdigen
Mitspieler des Selbsteinsatzes erhält, der im brachial
choreographierten Slapstick engagiert einsteckt wie austeilt.
Überhaupt fragt man sich (gleich nach „A
Dirty Shame“ von letzter Woche), warum Knoxville im Kino der
Moderne keine größere Plattform erhält, der risikobereite
Entertainer an ihm unterfordert bleibt und dennoch das meiste aus
seinen Möglichkeiten zieht, wenn man hier sein Spiel betrachtet, das
sogar Harlins mangelhafte Stringenz zu kaschieren versteht. Es legt
zudem den Grundstein für ein Abenteuer unter unfreiwilligen Kumpels,
welches die Beiden von Sibirien über die Mongolei nach Hongkong
zurück führt, wo das Spiel der Rivalitäten à la Cop/Crook zu einer gewitzten Bandbreite an Situationskomiken führt,
die vielleicht nicht sonderlich originell ausartet, aber noch die Art
enthemmende Laune mit sich bringt, die Chans Old-School-Charme für
gewöhnlich aus der Kiste lockt. Bei den Mongolen z.B. entwickelt
sich eine musikalische Nummer der Brüderlichkeit im Kreis der
Kulturen, wie es anhand derer Märchenhaftigkeit überraschend
herzlich ankommt (auf jeden Fall mehrere Ligen über dem abgestandenen
Vaterlandsquark von „Little Big Soldier“) - nur ein
Aspekt vom Bündel an Unbekümmertheit, das den Film in seiner Mitte
so herausstechen lässt. Dennoch wünscht man sich zeitweise, dass
Harlin länger in den jeweiligen Lokalitäten verbleiben könnte, so
wie sich seine Ressourcen für mehrere Topfilme anbieten dürften
sowie erneut klasse kämpfende Ladys miteinbeziehen, aber letzten
Endes doch vorantreiben müssen, wie sich der Fall für unsere Zwei
aufklärt. Zum Finale hin waltet also wieder das Desinteresse des
Konsens-Plots, immerhin mit genügend Kampf- und Jagdsequenzen
ausgestattet, bis dann doch noch einigermaßen wahrhaftig (in einer
Szene mit Richard Ng) die Kraft der Freundschaft auf die Probe
gestellt wird, zu welcher Zukunft man dem Gegenüber verhelfen will,
was richtig und falsch ist, wer als wahrer Vater/Liebhaber Samanthas
wirken kann („Path of the Beast“ lässt grüßen).
Vorbildliche Polizeiarbeit (auch mal über die Regeln hinweg), eine
Handvoll Melodramatik sowie ein actionreiches Happy-End schließen
die Erwartungen im Standard-Modus ab, doch bis dahin hat der Plot
genügend Abstand von sich selbst genommen, um den Spaß an der
Chan/Knoxville-Paarung über die Erwartungen hinaus zu erfüllen - was
dennoch nicht verschleiert, was für ein Honk-Streifen „Skiptrace“
einfach sein muss.
Mehr Hollywood geht hingegen nicht,
wenn man „Fletchers Visionen“ betrachtet, eine jener
Kollaborationen zwischen Richard Donner und Mel Gibson, welche sich
binnen der 80er und 90er Jahre galant aufeinander verlassen konnten,
inmitten der „Lethal Weapon“-Reihe also auch versuchten,
ein High-Concept-Genre-Kompendium zum Thema
Verschwörungstheorien anzuleiern - daher auch der Originaltitel
„Conspiracy Theory“. Knapp 20 Jahre nach Veröffentlichung
und Ausbreitung des Internets kann man sich allerdings nur schwer
vorstellen, wie man die obsessiven Individuen jenes Phänomens des
Misstrauens irgendwie liebenswert gestalten könnte, doch dieser Film
versucht sein Bestes, auch aus den verdrehtesten Wirrkopfhandlungen
seines Protagonisten etwas Mitreißendes, gar Romantisches zu
stilisieren. Mit einem Autor wie Brian Helgeland am Start stellt das
nicht mal eine schiere Unmöglichkeit dar, wird in Kombination mit
dem Umstand einer Joel-Silver-Produktion zudem entsprechend mit
facettenreichen Szenarien angefüllt - doch es kommt so oder so urig
an, derartig unbefangen einen Menschenschlag zu inszenieren, der in
nicht allzu ferner Zukunft nimmer mit „9/11 was an inside job!“
aufhören und sich hierin sogar bestätigt sehen konnte. Als ob die
retroaktive Problematik nicht schon reichhaltig genug wäre, hat man
mit Gibson ohnehin einen Darsteller am Ruder, dessen Vater u.a.
Holocaust-Leugner ist, obgleich das private Auftreten des Sohnemanns
sogar noch präsenter gegen jede Sympathie immun sein zu wollen
scheint. Eine bipolare Störung tut da wohl seit jeher ihr Übriges,
auf jeden Fall scheint Gibson teilweise nicht allzu fern zu sein von dem
Charakter, den er hier verkörpert, weshalb bereits das Intro einer
genaueren Betrachtung bedarf. Hier erzählt Taxifahrer Jerry Fletcher
(Gibson) seinen Fahrgästen in dynamischer Montage von reichlich
variierenden Verschwörungstheorien, die in einem Redeschwall
daherkommen, dem keiner etwas entgegenzubringen wagt und dem alle
mehr oder weniger gespannt zuzuhören scheinen, was eben auch am
geschickten Umgang Jerrys liegt, der seine Manie in pointierter
Lockerheit zu verpacken versteht. Das geht so selbstsicher von der
Hand, dass es schon früh exemplarisch wird für den eigentlichen
Reiz an der Person Gibsons, die als Schauspieler von anspornendem
Talent zeugt, in der Ideologie jedoch eine Menge Bullshit verkauft,
was auch insofern bekräftigt wird, dass die meisten in jener Montage
aufgeführten Gespräche seiner Improvisation geschuldet sind.
Spätestens dann kommt man nicht umhin, Fletcher als Abbild
Gibsons zu verstehen, an dem sich sodann der paranoide Stalker sowie
der keck-urbane Held der Herzen entfaltet. Die intensive
Wahrhaftigkeit im Spiel wird also schon ambivalenter Schauwert
genug für mehr als zwei Stunden an Laufzeit, doch während der Film
daraus Momente schöpft, die zwischen Humor und Psycho pendeln,
entwickelt er eben noch einen Plot defensiver Regierungskräfte, die
Jerry schnurstracks auf der Spur sind, sobald er quasi per Zufall
eine vertuschenswerte Wahrheit in Umlauf bringt, selbst wenn sie nur an die fünf Leute erreicht. Die Gegenmaßnahmen der CIA und deren
sinesteren Unterorganisationen muss man in ihrer Auffälligkeit
schlicht als naive Fantasie empfinden, so wie der mysteriöse Dr.
Jonas (Patrick Stewart) das MKUltra an Jerry manifestieren lässt
und zudem Alice Sutton (Julia Roberts, die schönste Frau der Woche), eine Mitarbeiterin des
Justizministeriums, hineinzieht. Die ist zuvor schon der Lichtblick
Fletchers, welcher sie vom Taxi aus mit Fernglas in ihrer Wohnung
beobachtet, via Frankie Vallis „Can't take my eyes off you“
idealisiert und sie auch mit aufbrausender Dringlichkeit mehrmals in
ihrer Kanzlei aufsucht, um angehört zu werden und vielleicht noch
ein Bild von ihr für seine Wand-Collage an Merkwürdigkeiten zu
erhaschen.
Alles Vorzeichen einer Verbotsverfügung
- stattdessen aber baut sich jene pervertierte Ausgangslage daraus
kontinuierlich ein Caper auf, wie es weniger auf der Realität als
auf der Unwiderstehlichkeit des Hollywood-Baukasten basiert, selbst
obwohl Carter Burwells Score durchweg an die ungewissen, inneren
Zustände der Coen-Brüder-Filme erinnert. Gut also, dass der Begriff
Liebe in diesem Fall distinktiv zum Überbegriff „Geronimo“
umgemünzt wird, der so sehr an die Überhöhung glaubt, dass er auch
mehrmals zufällig à la „Nummer 23“ vorkommt. Aber ja, es
wirkt schon widersinnig, wie sich Frau Sutton in diese Angelegenheit
einmischt, an Fletchers Ängsten eine Wahrheit vermutet und ihm auf
jeder Ebene der Flucht behilflich wird, je mehr Signale sich zum
Verschwörungsthriller verdichten. Regisseur Donner besitzt
angesichts dieser Irrationalitäten jedoch ein gutes Händchen dafür,
einen ansprechenden Strom an audiovisueller Gestaltung zu ballen,
wenn es um die Vereinigung vieler gegensätzlicher Berührungspunkte
und Emotionen geht. Action, Spannung, Gags, Euphorie und Verwirrung,
Angst und Zuneigung: Im souveränen 1997-Gewand bleibt sich der Stil stringent treu, sei es durch die Erdung im variabel
genutzten Realitätsbezug oder durch die Stroboskop-durchfluteten
Ereignisse um Fletcher, der mal mit hochgeklebten Augenlidern sowie
im Rollstuhl sitzend Treppen runterstürzt oder ein andern mal mit Kotze im
Gesicht durch den Wäscheschacht eines Krankenhauses düst - da ist's
nur die Spitze des Eisbergs, wenn er Dr. Jonas die halbe Nase
abbeißt. Man merkt, dieser Film ergibt sich seiner bizarren Natur,
erst recht, wenn Alice Sutton bei Fletcher zuhause ankommt und die
volle Bandbreite seines Paranoiker-Apparats feststellt, bei dem jeder
die Flucht ergreifen würde, sie jedoch sogar bleibt, nachdem ihr
sich durchweg seine gar posttraumatischen Neurosen offenbart haben.
Nicht, dass sie ein völlig willenloser Charakter wäre, der alles
ungefragt mitmacht, doch der Film macht es sich letztendlich zu
einfach mit ihr - sie übernimmt auch einige seiner Tricks, die
gegen die Machenschaften der CIA durchaus von Vorteil sind. Weil
diese Konstellation aber ebenso noch nicht genug an Inhalt für den
Film ist, versucht Fletcher zudem, sie an ihre Leidenschaft des
Pferdereitens zu erinnern, damit sie ihr wahres Glück wieder
erwecken solle und er im Sinne des Films nicht vollends wie ein
gruseliger Spinner rüber kommt. Neben allen Bestätigungen
seiner Theorien wird das auch damit deeskaliert, dass knapp ab der zweiten
Hälfte soviel Ernst vorherrscht, anhand dessen man
sich gepflegt in der detailliert aufgedeckten Rationalität
bisheriger Ereignisse ausruhen darf, ehe ein Showdown feinster
Verknüpfungen auf kernige wie kitschige Erwartungen zugleich
eingeht. Der Epilog dazu bringt die Verstrahlung schlüssig
grenzdebil zum Vorschein, dass es schon wieder was Sympathisches inne
hat, wie sich das Verrückte als Realität ausgeben darf, wie
soziopathische Zustände in eine Hollywood-Unschuld gebettet werden
und wie überhaupt diese ganzen falschen Zutaten (ganz gleich, wie
weit man mit Jerrys Theorien übereinstimmt) eine interessante
Filmerfahrung ergeben. Einen Freifahrtschein möchte man „Fletchers
Visionen“ deswegen wohlgemerkt noch lange nicht austeilen, wenn
man die reellen Hintergründe dazu reflektiert, was Milieu
und Hauptdarsteller angeht.
Nicht ganz so problematisch kommt Tsui
Hark mit seinem „The Master“ daher, einem Jet-Li-Vehikel,
das im Originaltitel „Wong Fei Hung '92 Ji Lung Hang Tin Gwong“
wohl sowas wie eine Verbindung zu Li's Charakter historischen
Ursprungs in „Once Upon A Time in China“ herstellen will,
im Grunde aber wieder eine dieser goldigen Beispiele filmischen
Schaffens abgibt, die mit der Action-Sprache Hongkongs Amerika zu
entziffern versucht. Natürlich bin ich als hiesiger Zuschauer an
sich schon ein Außenstehender, der via Medien auf die USA blicken
darf, doch Harks Interpretation der Erwartungen an jene Nation ist
nicht minder auffällig wie z.B. jene der israelisch-stämmigen
Cannon Group. Das gilt natürlich auch, um im Genre zu
bleiben, für John Woos Exkurse im amerikanischen Genrekino, obwohl
er sich bis zu einem gewissen Grad an dieses anzupassen verstand.
Hark bleibt größtenteils extern, wie er L.A. für seine
inszenatorischen Ansprüche aufbereitet, doch manche Charaktere, die
angesichts solcher Umstände Stereotypen abgeben müssten, sind trotz
Cartoon-Faktor beinahe schon wahrhaftig beobachtete Signale ihres
Zeitgeists. Man siehe z.B. den Shootout auf einem Parkplatz, bei dem
einige Autofahrer quasi aus Gewohnheit nicht auf die vielen
Schusswechsel und Kämpfer um sie herum zu reagieren scheinen. Bei
anderen Eindrücken hingegen wird nicht mal unbedingt auf Klischees
zurückgegriffen, da Harks Realitätsbezug stattdessen eine Vielzahl
an Situationen entwirft, die schlicht in keinerlei Muster passen. Das
fängt bereits in der Etablierung an, in welcher Akrobatin Anna (Anne
Rickets) einer Rivalin das Bein stellt und deswegen vom Verein
ausgeschlossen wird, später jedoch Tak (Wah Yuen) zur Hilfe kommt
und dennoch im Verlauf beinahe völlig vom Film vergessen wird. Jener
Tak, ein chinesischer Mediziner mit Kampfsporterfahrung und eigener
Apotheke auf den Straßen von L.A., der sich eigentlich nicht helfen lassen will, hat währenddessen mächtig
Schwierigkeiten mit seinem ehemaligen Schüler Jonny (Jerry Trimble),
der - wohl Vokuhila und Business-Suit geschuldet - keinen Respekt mehr
vor ihm hat und deshalb alles kaputtmacht, wie er überhaupt jede
gegnerische Schule oder derartiges in den Boden stampft. Die simple
Motivation des Bösen ist schon der pure Aberwitz, mündet
dementsprechend auch in ein Kampfspektakel-Setpiece, an dem
soviel kunstvoll zu Bruch geht, wie auch Scherben nicht nur einmal
Blut spritzen lassen. Später werden an derselben Stelle auch
Polizeiwagen von allen Seiten eingetreten, vorerst aber kommt per
Flugzeug Jet (Li) an, den ein Hulk-Hogan-Klon zuerst als Taks Sohn zu
identifizieren glaubt, der aber eben auch nur seinen alten Shifu
besuchen will. Auf den Weg dahin wird er zunächst von drei
Latino-Gangstern (mit tollem Graffiti-Karren) ausgeraubt, die er mit
seinen Martial Arts so schwer beeindruckt, dass sie ihn selber
als Shifu wissen wollen. Auch wenn das anfangs als Running Gag
gedacht ist, wird daraus noch eine gegenseitig bereichernde
Freundschaft, so wie Hark dann auch die Integration von Chinesen im
urbanen Alltag L.A.'s betrachtet. Interessant ist da schon ein dicker
Taxifahrer, der mit einem fehlerhaften Taxameter hadert, weshalb ihn
Jet der Wucherei beschuldigen möchte, obgleich der Fahrer die Kosten
der Verwirrung wegen von Vornherein auf sich nehmen will. Hier
spalten sich schon Erwartungen, gefolgt von der Erkenntnis, dass eine
durchweg von Chinesen geleitete Bank für die Pfändung und
Schließung von Taks Laden verantwortlich ist, nachdem dieser auf der
Flucht vor Jonny bei Anna untergekommen war.
Im Endeffekt lernt Jet auf diesem Wege May (Crystal Kwok) kennen, die von
ihrem Boss und Liebhaber Paul (George Cheung) so betrogen wird, dass
sie sich wiederum auf Jets Seite schlägt, während der eben
versucht, Tak zu finden und den Laden wieder auf Vordermann zu
bringen, obwohl sein Touristen-Visum allmählich abläuft und eine
rivalisierende Rasta-Gang - vor der er Cito (Rueben Gonzáles), Ruben
(Guy Fadollone) und Mouse (Derek Anunciation) verteidigt hat - ihm
auf den Fersen ist. Das geht soweit, dass die ihm selbst bei einer
regulären Busfahrt auflauert und somit Blei und Blut vom reinen
Impuls her auf die Leinwand stürzen lässt, bis hin zu
Drive-by-Shootings, bei denen Jet auch Jonny rettet. Der
jedoch bleibt stur, ihn und seinen Meister Tak zu vernichten, weshalb
Jet seine versammelten Kollegen nun auch ein bisschen in Kung-Fu
unterrichtet, was sowohl Harks visuelles Flair als auch manch
weitwinkligen Honk-Faktor in sich vereint. Zudem kommt in kleinen
Schritten eine gewisse Romanze zwischen Jet und May zustande, die
aber entweder darin ausartet, dass sie bei argen Fahrübungen auf dem
Highway von der Polizei angehalten werden (ihr Jeep hat übrigens
einen Ninja Turtle am Fenster hängen) oder dass Jet einfach gar
nicht mitkriegt, dass sie etwas von ihm will. Aber gut, der wundert
sich auch, warum es so dunkel ist, wenn er eine Sonnenbrille trägt.
Obskures Witzgut und gleichsam irre Action wechseln sich also enorm
kurzweilig ab, was angesichts des Ambientes durchaus an einige Werke
Godfrey Hos erinnert (siehe „Honor and Glory“), sich aber weit wildere Eskapaden der
Ressourcennutzung leistet. Renny Harlin hätte sich also durchaus
etwas davon abgucken können, so wie Hark mit choreographischem
Überfluss und brachialem Körperkontakt die Parteien gegeneinander
antreten lässt, Ip-Man-artige Kämpfe vom Einzelnen gegen Mehrere
aufzieht und dabei auf den Synth-Sound der Ära schneidet, den Klimax
sodann an die Spitze eines Wolkenkratzers verlagert, wie er sie in
der Optik stets ehrfürchtig repräsentiert und seine Charaktere
gewiss gerne an deren Höhenkoller abhängen lässt. Mitten drin
greift er dann aber auch zur ihn auszeichnenden surrealen Willkür,
lässt Jet wie aus dem Nichts erscheinen, wenn ein Haufen Handlanger
Tak übermannt, sein Schüler aber aus der Belagerung herausspringt.
Auch wenn es dann tiefer in die Eingeweide des Wolkenkratzers geht,
Schuhe in Rädern stecken bleiben, weitergekämpft wird und die
Scherben wieder ihre Aufwartung machen, bis Jet sie in ihrer noch so
tief im Arm steckenden Länge ohne Weiteres herauszieht, kommt man
zweifellos ins Zweifeln. Hark versteht es eben, gleichzeitig zu
erstaunen, zu erheitern und zu verballern, was seinen Hybrid zur
reizvoll enthemmten Sause macht, im selben Atemzug aber auch
kraftvolle wie rasante Energien an Kampfsport und Zerstörung ballt.
Solch ein Culture Clash kann eben nur perplex in seiner
Kohärenz verlaufen, aber neben dieser formalen Unruhe bleibt letzten
Endes dann auch noch eine Herzlichkeit untereinander, die zum
gegenseitigen Verständnis kommt und neue Horizonte erblickt. Die
Ideale des westlichen Kinos, ein Stück weit am Kitsch entlang, hat
der treue Tsui Hark eben auch sonst in der Handschrift verankert,
doch sein ungehaltenes Temperament macht diesen Blick auf die
Facetten von Los Angeles und Amerika insgesamt erst so verrückt,
dass man sie fast schon als glaubwürdig im Land unbegrenzter
Möglichkeiten empfinden kann.
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