Es ist wieder mal passiert: Arbeit
hatte sich ins Life zurückgemeldet und daher war es nicht
vollständig geschmeidig, neue Texte aus dem Ärmel zu schütteln.
Solche Probleme will man haben. Wohlgemerkt wurden zusätzlich
einige Schriftstücke ohnehin zur späteren Veröffentlichung
vorgefertigt und daher ist wie gehabt mehr da, als was der Leser
letztendlich sieht. Alle Ausreden beiseite, gibt’s trotzdem einiges
zu besprechen und bevor ich auf die zwei größeren Texte der Woche
verweise, packe ich ihn erneut aus, den Kurzbericht! Ein
Eindruck, der da zum Beispiel hängengeblieben ist, bot sich mir nach
der Pressevorstellung von „Don't Breathe“ an, als die
abendliche „Suicide
Squad“-Zuschauerarmada im Multiplex mit reichlich Teen-Mädels
aufwartete, die sich in Cosplay und entsprechendem Merch eingekleidet
hatten. Ich hätte die Resonanz zu gerade dem Film nicht derartig
eingeschätzt, dass er u.U. als auffälliges Jugendphänomen
durchgeht, aber irgendwie muss sich ja erklären, warum die Kassen
dafür noch weiter klingen, denn den gängigen Hardcore-Comic-Fan
erkannte ich da jetzt nicht wieder. Wenn sich die Kids wahrhaftig in
dem Film, im räudigen und entbehrlichen Versager-Horrortrupp des
Figurenspektrums wiederfinden, sollte man jedenfalls nicht Halt
machen, sich weiter damit zu befassen.
Apropos Kids: Diese Woche waren drei
Stephen-King-Adaptionen bei mir angesagt: „Es“, „Stand
By Me - Die Geschichte eines Sommers“ und „Thinner - Der
Fluch“. Die ersten zwei teilen sich ja enorm viele Elemente,
wie auf die Jugend der jeweiligen Protagonisten zurückgeschaut wird,
die in gemeinsamer Union gegen den Provinz-Mief von Castle Rock
ankämpfen, um die Gewalt von Raudis (physisch) sowie den eigenen
Eltern (psychisch) fürchten und doch über den Beweis von der Stärke
per Freundschaft (siehe River Phoenix als Ersatzvater) in die Katharsis einfallen - und mag sie noch so kurz
dauern. Ihr Gegenschlag beinhaltet zwar auch Waffen, Drohungen und
Selbstbestimmung, doch so, wie King stets die Eindrücke der
ignoranten wie motzenden Oberhand auf seine liebenswerten
Cliquen-Außenseiter und Verlierer (siehe oben) ablädt, ist der
letztendliche Ausweg sweet american justice par excellence. Natürlich geht es nicht nur darum, so krass persönlich ein
Martyrium zwar stattfindet, drum herum aber die Schönheit des
Kindseins, die damit verbundene Unbekümmertheit und Liebe zu
Kleinigkeiten ebenso den Ton in der saustark eingefangen Sommer-Laune angeben, in der selbst die Antagonisten etwas cool als Rebellen hervorstechen. „Es“
hat natürlich in dem Fall mehr Horror auf der Lunte, wie sich
Traumata exemplarisch am Terror-Clown manifestieren und in mystischer
Fassung vorzeitig gelöst werden, ehe sie im Erwachsenenalter
zurückkehren. Das narrative Format dazu mag nicht das gelungenste
sein, so wie man mehr oder weniger die Repetition spürt, auf der
Variationen, offenere Eindrücke und individuelle Bezüge des
Vergangenen aufgelöst werden - wohlgemerkt nicht ohne vielerlei platte Behauptungen, doch es wird nicht immer stimmig auf mehreren Hochzeiten mit derselben Konklusion getanzt. Besser als Tommy Lee Wallace schneidet
also Rob Reiner mit „Stand By Me“ ab, wenn er sein
Hauptaugenmerk auf die Bewährung der Kleinen richtet, die Reflexion
im Off schlicht und natürlich eingebunden hält, an einer
Geschichte ergiebig dran bleibt und sich so auch mehr Zeit für die
Kohärenz an Wahrhaftigkeiten nimmt, während der TV-Zweiteiler um
Pennywise und Co. ironischerweise weit mehr (z.B. Mädchen und Rassismus) in kürzeren, vageren und vor allem Free-TV-freundlichen
Abschnitten durchzuackern hat.
Hat wie gehabt Vor- und Nachteile,
schließlich ist Tom Hollands „Thinner“ als Einzelgeschichte jetzt auch
kein goldenes Ei, als „Tales-from-the-Crypt“-Episode
mitunter tauglich, insbesondere was die letztendliche Moral angeht,
doch so oder so ein irgendwie fehlgeleiteter Fall. Als wollte man
„Drag me to Hell“ vorsorglich ums 10-fache übersteigen,
gerät ein dicker Anwalt hier unter den Bann eines reißerischen
Zigeuner-Fluchs, da er nach einem tödlichen Autounfall unter der
Mithilfe eines rassistischen Richters und einem nur bedingt
durchgreifenden Polizisten unbehelligt frei kam. Die Ignoranz weißen
Privilegs feiert sich noch selbst, so stark die Pfunde purzeln, doch
bald ist das nicht mehr allzu gesund und verstärkt somit die auch
vom Film eingenommene Perspektive des Dick-Dünnen, wie er gen Leiden
abdriftet, Albträume verlebt und eben von rasend gnadenlosen
Zigeunern zum Tode verurteilt wird. Rachemechanismen stellen sich da
ein und liefern eine Action, die zusammen mit der offenbar bewusst
gehemmten Empathie Richtung Figurenbezug nur wenig im Wechselspiel
der Vorwürfe aufzuheben vermag. Im Großen und Ganzen schlussfolgert
der Film natürlich die verzerrte Motivation des White Man,
doch einen wirklichen Biss mag er an ihm nicht ansetzen und
gewissermaßen gibt er ihm sogar recht, wenn man den Streifen denn
auf Teufel kaum raus politisieren möchte, zumindest gefühlsmäßig
schwankt er da zwischen Objektivität und Reißertum.
Zum Thema Reißertum hat Toshiharu
Ikedas Manga-Verfilmung „Sex Hunter“ aber noch ein gewisses Wörtchen
mitzureden, denn der knapp 67-minütige Pinku Eiga zieht
geradewegs ein Szenario des Sadomasochismus durch, wie es sich kaum
stürmischer in den brutalen Regionen der Lust auslassen würde. Das
hat natürlich in der Geschichte an sich eine Perversion parat, die
man selbst im Zeichen frivoler Erotica ideologisch
problematisch ins Auge fasst, wenn die junge Ballerina Miki (Ayaka
Ôta) in eine Villa geführt wird, in welcher sie solange der
sexuellen Demütigung ausgeliefert ist, bis sie in ihrer gesteigerten
Sucht den Peinigern obsiegt. Bis dahin ist der voyeuristische Blick
wohlgemerkt derartig stark in der Inszenierung integriert, dass er
zentral wird, erst recht in der Präsenz eines durchsichtigen
Spiegels, der den Zuschauer reflektieren könnte, aber wohl doch mehr
in der Wollust und im Rollenspiel anspornt, wie auch die
Breitwand-Optik provokante Kadrierungen im Edelformat aufwendet. Auch
wenn die landesbedingte Zensur gerne die expliziten Details
verwischt, sind die Ereignisse im umfunktionierten Übungsraum dann
auch eine extensive Klarheit der Qual, von der manipulierten
Entjungferung durch Verführerin Akiko (Erina Miyai) und SM-Brutalo
Kei (Rei Asô) bis hin zur Umfunktionierung der Vagina als
Coca-Cola-Springbrunnen sowie zum fröhlich-lasziven Gruppensex mit
Bondage. Der audiovisuelle Genuss des sexuell Infamen agiert
da natürlich so überspitzt wie gnadenlos, ist als ausgelebte
Räudenfantasie konsequent und erstaunlich abstoßend zugleich, wie
stark sich das moderne, westliche Empfinden eigentlich von derlei
Extremen abzugrenzen scheint und zu jener Zeit allerdings auch per
Jaeckin und Hamilton zu romantisieren versuchte.
Die Wahl der ehrlicheren Ekstase ist da
keine leichte, erst recht, wie fragwürdig mit dem Willen des
Individuums hantiert wird, wie Fluch und Erlösung gleichsam aus der
Passion entstehen können. Das zeigt sich sodann an Akikos Bruder
Gen'ichirô (Noboyuki Inoue), der als Freund Mikis zum unfreiwilligen
Lockvogel avanciert, gleichsam Angst hat, vor sie zu treten, da er
nach einem Autounfall in Washington (nicht der aus „Thinner“)
querschnittsgelähmt ist und des Nächtens jetzt eher von der Frau
Schwester umsorgt wird. Die sexuell gedemütigte und
infolgedessen wohl auch losgelöste Miki daraufhin zu erleben,
verschafft ihm aber erst eine ungefähre Wiedererlangung der
Manneskraft sowie eben weitere krasse Schmerzen, weshalb Akiko bei
ihm die Sorge anwendet, die sie Anderen in der Geißelung verweigert.
Doch wie Kei Miki schon früh klar macht, ist in jener Villa alles
erlaubt, wenn der Wille zur Geborgenheit im Schmerz da ist und so übertrumpft letztendlich die
neue Perversion im Herumreichen des Spermas über die Ursprünge des forcierten Schutzes, auf
dass im Nachhinein auch die Anmut des Balletts wieder im
Selbstverständnis aufgegriffen und beibehalten wird. Kannste dir
nicht ausdenken, wie Miki daran wächst und eigentlich durchweg zur
Lust gezwungen wird, wahrscheinlich aber eben auch den Akt des Tanzes in der sinnlichen Explosion wiederfindet. Insofern ist auch nicht jedem mit diesem Film
geholfen, einen psychologischen Tiefgang zum Sachverhalt zu erfüllen,
so rasant sich das Prozedere durch das Grundgerüst der Story
schleust, um den Schauwerten nachzugeifern. Wieviel Zynismus,
Nihilismus und Co. da mitschwingen, mag man sich auch nur allzu
halsbrecherisch ausmalen, doch das mag dem Reiz der wonnigen Amoral
und Anarchie, mit welchem sich solch ein offensives Werk anschauen
lässt, wohl noch die Krone aufsetzen.
So, da ich das mehr oder weniger kurze Intermezzo zur Begutachtung der vergangenen Woche damit abgeschlossen habe, möchte ich auch ohne Weiteres endlich zu den Highlights kommen, über die ich noch lange, lange nachdachte und schrieb:
GEZEITEN -
Sind wir mal chronologisch wieder etwas daneben, schließlich habe
ich als Einstieg in die Drehbuchtätigkeiten der werten Frau Helga
Feddersen aus Versehen eben jenen Film hier ausgewählt, der zweite
nach „Vier Stunden von Elbe 1“, welcher thematisch wohl
auf jenen Gewässern fährt, welche an dieser Stelle ebenso seine
Geschichten vom Leben der Seeleute vor wie in Hamburg erzählt. Sei's
drum, braucht man sich fürs Nächste nicht um Vergleiche scheren und
stattdessen freuen, dass noch mehr solcher vergangener Stoffe in
Zukunft bereitstehen. Gängig ist erstmal nichts an hiesiger Kost,
stilistisch und dramaturgisch nur bedingt darauf ausgelegt, mit
Konventionen an einen Spannungsbogen zu appellieren oder gar
moralische Absichten auf jedweden Wege auszuformulieren. Im besten
Sinne bietet sich vor allem ein Film über Menschen an, in freier
(nicht aufdringlicher) Handkamera beobachtet, per Spiel und Dialog
immens natürlich durch unbeschwerte Plansequenzen geführt, während
die Wahrhaftigkeit des Alltags bodenständig an Land geht. Nicht mal
Laien wurden dafür bemüht, stattdessen macht der Volksmund hier mit
Jungs und Deerns seine Aufwartung, die auf den Typ genau besetzt sind
und nimmer wie Fremdkörper wirken würden. Die naturalistische Ader
setzt sich auch in der ökonomischen Inszenierung fort, die sich als
Zuschauer auf wenige, reelle Perspektiven einigt sowie externe
Gefühlsmelodramatik verzichtet, was für Klarheit und Faszination
sorgt, inwiefern man zahlreichen Facetten des Umgangs beiwohnen darf.
Feddersen und ihr
Regisseur Eberhard Fechner dringen wohlgemerkt auch nicht in
Extremsituationen ein, ins Brutale oder Überromantisierte, dafür
sind die Verhältnisse des Lokalkolorits ortsbedingt in bescheidenem
Format gehalten, doch schon in relativ kleinen Sorgen,
Enttäuschungen, Glücksmomenten oder Ungewissheiten voll
nachvollziehbarem Gewicht, so wie's einem in echt ebenso ergeht.
Passiert dann auch, dass die Stimmung dem Titel gemäß spontan
umschwingen kann, so bedingt planmäßig der Mensch sich wie gehabt
in Kommunikation, privatem wie kollektivem Umgang durch den Tag
schlägt. Leben ist manchmal alles auf einmal und um dies zu
reflektieren, ohne auf eine bestimmte Ideologie aufmerksam machen zu
müssen, lässt sich der Film auf die Wege einiger Einzelpersonen
ein, die vom Standort aus reichlich miteinander zu tun haben und
querbeet mit ihren Launen, Lieben sowie verstreuten Zukunftskörnern
fürs Nächste anzukommen versuchen. Solche Ambitionen lassen sich
nie komplett abschließen, deshalb wird man von außerhalb auch
schnell ins Geschehen hineingeworfen, wenn Kombüsenchefkoch Gustav
Andresen (Klaus Höhne) an Bord der MS Brunsland von der
Geburt seines Sohnes erfährt, bald schon die Feier mit der
Mannschaft ansteht, der Film darauf aber nicht festgewachsen bleibt.
Verzweigt schnacken sich die Situationen zusammen, zeigen
alteingesessene Kumpels oder auch mal den Vergleich des
Sohnemanngewichts mit einem Batzen Frischfleisch. Wo nur hin mit dem
ganzen Stolz auf einmal, wenn die Crew dazu auch noch weiterhin
fröhlich witzelt und doch nicht weiß, wie man den
Kleinkindkarren einpacken soll, in den der Lüdde mal
hineinwachsen kann?
Sobald zur
Schleuse angesetzt und der Empfang erwartet wird, kommen dann
allmählich jedoch auch die Fragen auf, wie man Vater sein kann, wo
die Zeit nur bleibt und wie man mit dem Verständnis der Mudder
umzugehen hat. Der Film basiert das nicht auf Hilflosigkeit
ihrerseits, eher auf einer Selbstverständlichkeit, wie man das
Zusammensein schätzt und daran aufwächst - unausgesprochene Werte,
die mit effektiver Schlichtheit in den Figuren umgesetzt werden und
diese anleiten, weshalb sich dann ohne verkrampfte Gesten auf
Entschlüsse geeinigt werden, die der Film selbst im elliptischen
Zeitsprung mühelos vermittelt bekommt. Dies belegt sich auch im
angehenden Kapitän Peter Bröhan (Vadim Glowna), der in seiner
glücklichen Ehe mit Yvonne (Verena Buss) auch nicht an Frustrationen
vorbeikommt, für sein Studium härter büffeln zu müssen als seine
schlauere zweite Hälfte, wobei sich die Zwei glänzend aneinander
aufziehen können, auch in der Trennung zur See einen gemeinsamen
Urlaub auf Weltmeeren ersehnen und bei Ausgang trotzdem nicht stets
zusammen sind. Kneipengänge mit Gustav ziehen sich da mal länger
hin, einen Tag später begleitet er sie dann aber auch mit dem
Fahrrad, wobei jeder im Vorbeifahren gegrüßt wird, als ob die ganze
Verwandtschaft vorbeikommen würde. So ist' nun mal, bis hin zur
Eifersucht, wenn die gemeinsamen Stunden eine triviale Hemmung
erfahren und am Ehrgefühl nagen, doch die Deeskalation macht sich
genauso locker, wie auch vielerlei Vermutungen des Zuschauers, wohin
ein Zeichen zur Dramaturgie weisen könnte, nicht verfolgt werden.
Die Erziehung
durch Geschichtsformen zwiebelt einen manchmal doch bewusster, als
man zugeben möchte, da kann einem schon mal eine gewisse Last von
den Schultern fallen, wenn man an solche Filme wie diesen gerät.
Leichtfüßig geht auch der Handlungsstrang vonstatten, in dem
Frauenheim-Helferin Lore (Feddersen selbst) unversehens an den
Holländer Henk (Josef Jansen) gerät, der sie mit seiner Frau Mudder
vor Ort öfters zum Kaffee einlädt oder einige Knoten beibringt,
worauf sie mal ganz verlegen agiert, seinem Hund eine schicke Wurst
zuwirft, aber in aller Liebenswertigkeit gewiss nicht auf den Mund
gefallen ist. Den Spaß nimmt sich ohnehin keiner im Ensemble, doch
binnen der Heimat bleibt man vom Wandel ebenso nicht unberührt,
insbesondere Gustav, der als frischgebackener Kneipenwirt noch nicht
so ganz in der neuen Rolle Platz zu finden scheint, mit der neuen
Position Madigkeiten empfindet und dennoch niemanden verprellt, auch
wenn ihm seine Frau Elli (Elke Twiesselmann) schon zu sehr auf Mudder
gemacht ist. Wohin mit den Bedürfnissen, wohin wieder mit dem Stolz?
Na, eerstmal mutt man wat maken, so looft dat. Auf platt kriegt man
ja auch reichlich mit, in der Mentalität ist der Film sodann
entsprechend repräsentativ unterwegs und bleibt dem einfachen Leben
keine Erklärung schuldig oder erlaubt sich gar ein Urteil, auch wenn
er die Wege nach vorne ungewiss hält und nie von vollständiger
Sicherheit zeugen kann. Dass ein Film mal keine temporäre Lösung
auf ewig auszuweisen versucht, ist eben beachtlich - in dieser
Konstellation komisch, nah, ehrlich und geerdet, atmosphärisch
ohnehin ein großes Los sowie eine Zustandserfassung von hohem
Vertrauen im Reellem. Wenn das mal nicht für mehrmalige Sichtungen
reicht!
JUNG UND RÜCKSICHTSLOS - Es
wird fröhlich debütiert in diesem Jugenddrama von 1984, welches
James Foleys erster Regieeinsatz wurde, während Chris Columbus
erstmals als Drehbuchautor aufschlug und Hauptdarsteller Aidan Quinn
sowie Jennifer Grey in einer Nebenrolle zudem erstmals in einem
Spielfilm mitwirkten - Thomas Newmans Score war insofern
ebenso die erste Gelegenheit für jenen Komponisten. Der Drang zum
Starten ist bezeichnenderweise auch Thema des Films, so wie er eine
beschränkte Aussicht auf die Zukunft innerhalb einer Jugend
zeichnet, die zwischen den Stahlwerken der Mingo Junction in
Ohio aufwächst. Das Lokalkolorit wird nicht nur visuell als
allgegenwärtige Tristesse genutzt, denn um die individuelle Position
zu jenem Moloch dreht sich auch das Spannungsfeld der Liebe. Zentral
heiß begehrt im Auge des Schmelztiegels ist Cheerleaderin Tracey Prescott (Daryl
Hannah) aus gutem Hause aber auch nur bedingt zufrieden mit ihrem
Status der Zufriedenheit und gelangweilten Sicherheit, die sie wie
vorbestimmt mit Randy Daniels (Adam Baldwin), Sohn des hiesigen
„American Steel“-Chefs, anbandeln lässt. Ein gewisser
Reiz besteht hingegen in Johnny Rourke (Aidan Quinn), der mit dem
Namen zweifelsohne als Rebell agiert und der ganzen Aufregung um den
anstehenden Career Day an der Schule (eine essenzielle
Abwechslung zum gewöhnlichen Klimax des Abschlusstanzes) den
Reifenqualm seines feschen Bikes hinterlässt. Das Ideal an seiner
Person ist von Anfang an nicht zu übersehen: In der Darstellung
offensichtlich viel zu alt für die High School und tiefschürfend in
der Röhre, als sei Sylvester Stallone am Start, bringt der Film ihn
sowie die Sehnsucht zum Ausbruch eingangs fix mit visueller Dynamik
auf den Punkt.
Seine Maschine brettert also leere
Dosen vom Abhang direkt ins Angesicht des alles zuqualmenden
Stahlwerks runter, in welchem sein Vater (Kenneth McMillan) seit
jeher malocht. Natürlich ist die Beziehung zum Patriarchen, wie wir
später sehen werden, nicht die beste, wobei Alkohol dort jene Lagen
immens verschlimmert, wo eigentlich Stolz für den Sohnemann waltet,
der als Footballhero etwas hätte werden können. Ja, auch hier sind
die Klischees und Cliquenmuster des gängigen Americanas kein
Unding, schnell aber auch pointierte Stilmittel für einen ersten
Akt, der dank Michael Ballhaus' Kamera einen faszinierenden Blick aus
der Reibung jener Ebenen an Konsens destilliert. Manche Konstruktion
erscheint da reeller als sie eigentlich sein müsste, was sich wohl
auch am Spiel feststellen lässt, das sich eine kernige Sprache
erlaubt, die man Autor Columbus inzwischen nimmer zutrauen würde. Am
besten kann er auf jeden Fall für Kerle schreiben, sprich für das
Schicksal des designierten Versagers Johnny, der es nicht mehr
aushält, eklige Streits und schnelle Nummern sucht - so rotzig, dass
der stille Zorn dazu den krassen Mise-en-scène-Magneten
abgibt. Frauen kriegt Columbus hingegen nur funktionell hin, so wie
Tracey Prescott ihre Unzufriedenheit im verkünstelten Pathos
ausformuliert, als sei man zu seiner „Nacht der Abenteuer“
übergelaufen. Ein leichtes Mädchen will sie nicht sein, doch es
liegt in der Luft, dass sie halbwegs auf Gefahr steht. Eine wirklich
simple Schlussfolgerung, doch immerhin noch komplizierter denkend als
die restliche Sozialstruktur des Ambientes, welches zum Schultanz
zwischendurch natürlich nur Lappen-Platten auflegt, aber auch in
Eifersucht explodiert, wenn mal ein anderer mit der Herzdame
abhottet.
Dagegen ist Katharsis gefragt und die
greift der Film gerne auf, indem der Pepp der New Wave mit
Stinkefingern abdampft und schwarze Rosen austeilt, obgleich er im Mief gefangen bleibt. Wenn die
Wünsche dann auch in der Kälte der Nacht vom Schnee umweht werden,
hat das was Bittersüßes, erst recht, inwiefern Tracey nun mehr oder
weniger bereit ist, mit Johnny zu gehen. Nach dem allseits bekannten
Hin und Her kommt dann eine spontane Erlösung unter Cyndi Laupers
„Kids in America“ zustande (der Soundtrack trägt ohnehin
mit jedem Song zum Inhalt bei), sobald das Pärchen die Schule
demoliert und vom heißen Kuss im Schwimmbad direkt in den
Heizungskeller übergeht, wo das Rotlicht zur Sinnlichkeit der
Entjungferung stimuliert, auf dass sich jede Frage erübrigt, warum
Regisseur Foley nun für die „Fifty Shades of
Grey“-Fortsetzungen engagiert wurde. Der Funke ist gezündet,
das Feuer breitet sich im weiteren Verlauf auch gerne impulsiv aus,
um dem Abstieg in die Enttäuschung und Einsamkeit das entsprechende
Gewicht zu verleihen, was zumindest von inszenatorischer Seite aus
mit einer Selbstsicherheit punktet, die das Skript in einigen
Belangen nur unter Vorbehalt erfüllen kann. Der gehemmte Umgang mit
den Eltern, das Unverständnis Erwachsener, das mangelnde Bekenntnis
zur echten Liebe gegenüber der Gruppenmentalität: Alles Stationen,
die jeder dieser Art Filme gewissermaßen abarbeitet und auch hier
Richtung dritter Akt mit einigem Leerlauf durch Montagen jagt, ehe
die entmenschlichte Brutalität des Arbeiterofens wieder die Wurzeln
des amerikanischen Schmerzes anpackt.
Da ballt sich die Wut zu einem Finale,
das auf kleinstem Raum tobt und jede Chance bewusst selbst zu
zerstören droht, so wie die Ungnade der Allgemeinheit nur solche
Schlussfolgerung zulässt. Für die volle Konsequenz macht sich der
Film schon bereit, doch er ziehts nicht durch, steuert stattdessen
aufs Märchenland zu. Da geschieht der Kompromiss im Sinne
eskapistischer Ideale, der hier mal nicht angebracht wäre, so
knallhart und doch schlicht Foley das Narrativ sonst aufbereitet.
Manche Schlüsselszenen zwischen den Rourkes knallen ja auch so
wahrhaftig, als sei „Die große Flatter“ angesagt, bei
Familie Prescott allerdings wirkt der gesellschaftliche Kontrast im
Ton behauptet wie Sau. Dieses Nebeneinander bringt den Film im
positiven wie negativen Sinne auf zweierlei schiefe Bahnen, dennoch
bleibt er klar in seinem Bekenntnis zu Emotionen, die den ganzen
Konflikt erst anfeuern und in ihrer Kohärenz auch engagiert
beobachtet und veräußerlicht werden, ohne auf platter Abgeklärtheit
einzubrechen. Und weil's auch sonst nicht schadet, bleibt das Tempo
zudem stets angezogen, so wie das Leben auf der Überholspur in den
Köpfen der Kids steckt, aber Tag für Tag gegen Mauern rast,
daraufhin entweder das Elend der Zufriedenheit verstärkt oder gleich
als gefährlich eingestuft wird. „Raus
aus Amal“ lässt grüßen, wenn auch an vielerlei Stellen
romantisiert und doch brutal wie ein Betonregen.
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