Sonntag, 4. September 2016

Tipps vom 29.08. - 04.09.2016

Es ist wieder mal passiert: Arbeit hatte sich ins Life zurückgemeldet und daher war es nicht vollständig geschmeidig, neue Texte aus dem Ärmel zu schütteln. Solche Probleme will man haben. Wohlgemerkt wurden zusätzlich einige Schriftstücke ohnehin zur späteren Veröffentlichung vorgefertigt und daher ist wie gehabt mehr da, als was der Leser letztendlich sieht. Alle Ausreden beiseite, gibt’s trotzdem einiges zu besprechen und bevor ich auf die zwei größeren Texte der Woche verweise, packe ich ihn erneut aus, den Kurzbericht! Ein Eindruck, der da zum Beispiel hängengeblieben ist, bot sich mir nach der Pressevorstellung von „Don't Breathe“ an, als die abendliche „Suicide Squad“-Zuschauerarmada im Multiplex mit reichlich Teen-Mädels aufwartete, die sich in Cosplay und entsprechendem Merch eingekleidet hatten. Ich hätte die Resonanz zu gerade dem Film nicht derartig eingeschätzt, dass er u.U. als auffälliges Jugendphänomen durchgeht, aber irgendwie muss sich ja erklären, warum die Kassen dafür noch weiter klingen, denn den gängigen Hardcore-Comic-Fan erkannte ich da jetzt nicht wieder. Wenn sich die Kids wahrhaftig in dem Film, im räudigen und entbehrlichen Versager-Horrortrupp des Figurenspektrums wiederfinden, sollte man jedenfalls nicht Halt machen, sich weiter damit zu befassen.


Apropos Kids: Diese Woche waren drei Stephen-King-Adaptionen bei mir angesagt: „Es“, „Stand By Me - Die Geschichte eines Sommers“ und „Thinner - Der Fluch“. Die ersten zwei teilen sich ja enorm viele Elemente, wie auf die Jugend der jeweiligen Protagonisten zurückgeschaut wird, die in gemeinsamer Union gegen den Provinz-Mief von Castle Rock ankämpfen, um die Gewalt von Raudis (physisch) sowie den eigenen Eltern (psychisch) fürchten und doch über den Beweis von der Stärke per Freundschaft (siehe River Phoenix als Ersatzvater) in die Katharsis einfallen - und mag sie noch so kurz dauern. Ihr Gegenschlag beinhaltet zwar auch Waffen, Drohungen und Selbstbestimmung, doch so, wie King stets die Eindrücke der ignoranten wie motzenden Oberhand auf seine liebenswerten Cliquen-Außenseiter und Verlierer (siehe oben) ablädt, ist der letztendliche Ausweg sweet american justice par excellence. Natürlich geht es nicht nur darum, so krass persönlich ein Martyrium zwar stattfindet, drum herum aber die Schönheit des Kindseins, die damit verbundene Unbekümmertheit und Liebe zu Kleinigkeiten ebenso den Ton in der saustark eingefangen Sommer-Laune angeben, in der selbst die Antagonisten etwas cool als Rebellen hervorstechen. „Es“ hat natürlich in dem Fall mehr Horror auf der Lunte, wie sich Traumata exemplarisch am Terror-Clown manifestieren und in mystischer Fassung vorzeitig gelöst werden, ehe sie im Erwachsenenalter zurückkehren. Das narrative Format dazu mag nicht das gelungenste sein, so wie man mehr oder weniger die Repetition spürt, auf der Variationen, offenere Eindrücke und individuelle Bezüge des Vergangenen aufgelöst werden - wohlgemerkt nicht ohne vielerlei platte Behauptungen, doch es wird nicht immer stimmig auf mehreren Hochzeiten mit derselben Konklusion getanzt. Besser als Tommy Lee Wallace schneidet also Rob Reiner mit „Stand By Me“ ab, wenn er sein Hauptaugenmerk auf die Bewährung der Kleinen richtet, die Reflexion im Off schlicht und natürlich eingebunden hält, an einer Geschichte ergiebig dran bleibt und sich so auch mehr Zeit für die Kohärenz an Wahrhaftigkeiten nimmt, während der TV-Zweiteiler um Pennywise und Co. ironischerweise weit mehr (z.B. Mädchen und Rassismus) in kürzeren, vageren und vor allem Free-TV-freundlichen Abschnitten durchzuackern hat. 


Hat wie gehabt Vor- und Nachteile, schließlich ist Tom Hollands „Thinner“ als Einzelgeschichte jetzt auch kein goldenes Ei, als „Tales-from-the-Crypt“-Episode mitunter tauglich, insbesondere was die letztendliche Moral angeht, doch so oder so ein irgendwie fehlgeleiteter Fall. Als wollte man „Drag me to Hell“ vorsorglich ums 10-fache übersteigen, gerät ein dicker Anwalt hier unter den Bann eines reißerischen Zigeuner-Fluchs, da er nach einem tödlichen Autounfall unter der Mithilfe eines rassistischen Richters und einem nur bedingt durchgreifenden Polizisten unbehelligt frei kam. Die Ignoranz weißen Privilegs feiert sich noch selbst, so stark die Pfunde purzeln, doch bald ist das nicht mehr allzu gesund und verstärkt somit die auch vom Film eingenommene Perspektive des Dick-Dünnen, wie er gen Leiden abdriftet, Albträume verlebt und eben von rasend gnadenlosen Zigeunern zum Tode verurteilt wird. Rachemechanismen stellen sich da ein und liefern eine Action, die zusammen mit der offenbar bewusst gehemmten Empathie Richtung Figurenbezug nur wenig im Wechselspiel der Vorwürfe aufzuheben vermag. Im Großen und Ganzen schlussfolgert der Film natürlich die verzerrte Motivation des White Man, doch einen wirklichen Biss mag er an ihm nicht ansetzen und gewissermaßen gibt er ihm sogar recht, wenn man den Streifen denn auf Teufel kaum raus politisieren möchte, zumindest gefühlsmäßig schwankt er da zwischen Objektivität und Reißertum.


Zum Thema Reißertum hat Toshiharu Ikedas Manga-Verfilmung „Sex Hunter“ aber noch ein gewisses Wörtchen mitzureden, denn der knapp 67-minütige Pinku Eiga zieht geradewegs ein Szenario des Sadomasochismus durch, wie es sich kaum stürmischer in den brutalen Regionen der Lust auslassen würde. Das hat natürlich in der Geschichte an sich eine Perversion parat, die man selbst im Zeichen frivoler Erotica ideologisch problematisch ins Auge fasst, wenn die junge Ballerina Miki (Ayaka Ôta) in eine Villa geführt wird, in welcher sie solange der sexuellen Demütigung ausgeliefert ist, bis sie in ihrer gesteigerten Sucht den Peinigern obsiegt. Bis dahin ist der voyeuristische Blick wohlgemerkt derartig stark in der Inszenierung integriert, dass er zentral wird, erst recht in der Präsenz eines durchsichtigen Spiegels, der den Zuschauer reflektieren könnte, aber wohl doch mehr in der Wollust und im Rollenspiel anspornt, wie auch die Breitwand-Optik provokante Kadrierungen im Edelformat aufwendet. Auch wenn die landesbedingte Zensur gerne die expliziten Details verwischt, sind die Ereignisse im umfunktionierten Übungsraum dann auch eine extensive Klarheit der Qual, von der manipulierten Entjungferung durch Verführerin Akiko (Erina Miyai) und SM-Brutalo Kei (Rei Asô) bis hin zur Umfunktionierung der Vagina als Coca-Cola-Springbrunnen sowie zum fröhlich-lasziven Gruppensex mit Bondage. Der audiovisuelle Genuss des sexuell Infamen agiert da natürlich so überspitzt wie gnadenlos, ist als ausgelebte Räudenfantasie konsequent und erstaunlich abstoßend zugleich, wie stark sich das moderne, westliche Empfinden eigentlich von derlei Extremen abzugrenzen scheint und zu jener Zeit allerdings auch per Jaeckin und Hamilton zu romantisieren versuchte.


Die Wahl der ehrlicheren Ekstase ist da keine leichte, erst recht, wie fragwürdig mit dem Willen des Individuums hantiert wird, wie Fluch und Erlösung gleichsam aus der Passion entstehen können. Das zeigt sich sodann an Akikos Bruder Gen'ichirô (Noboyuki Inoue), der als Freund Mikis zum unfreiwilligen Lockvogel avanciert, gleichsam Angst hat, vor sie zu treten, da er nach einem Autounfall in Washington (nicht der aus „Thinner“) querschnittsgelähmt ist und des Nächtens jetzt eher von der Frau Schwester umsorgt wird. Die sexuell gedemütigte und infolgedessen wohl auch losgelöste Miki daraufhin zu erleben, verschafft ihm aber erst eine ungefähre Wiedererlangung der Manneskraft sowie eben weitere krasse Schmerzen, weshalb Akiko bei ihm die Sorge anwendet, die sie Anderen in der Geißelung verweigert. Doch wie Kei Miki schon früh klar macht, ist in jener Villa alles erlaubt, wenn der Wille zur Geborgenheit im Schmerz da ist und so übertrumpft letztendlich die neue Perversion im Herumreichen des Spermas über die Ursprünge des forcierten Schutzes, auf dass im Nachhinein auch die Anmut des Balletts wieder im Selbstverständnis aufgegriffen und beibehalten wird. Kannste dir nicht ausdenken, wie Miki daran wächst und eigentlich durchweg zur Lust gezwungen wird, wahrscheinlich aber eben auch den Akt des Tanzes in der sinnlichen Explosion wiederfindet. Insofern ist auch nicht jedem mit diesem Film geholfen, einen psychologischen Tiefgang zum Sachverhalt zu erfüllen, so rasant sich das Prozedere durch das Grundgerüst der Story schleust, um den Schauwerten nachzugeifern. Wieviel Zynismus, Nihilismus und Co. da mitschwingen, mag man sich auch nur allzu halsbrecherisch ausmalen, doch das mag dem Reiz der wonnigen Amoral und Anarchie, mit welchem sich solch ein offensives Werk anschauen lässt, wohl noch die Krone aufsetzen.


So, da ich das mehr oder weniger kurze Intermezzo zur Begutachtung der vergangenen Woche damit abgeschlossen habe, möchte ich auch ohne Weiteres endlich zu den Highlights kommen, über die ich noch lange, lange nachdachte und schrieb:




GEZEITEN - Sind wir mal chronologisch wieder etwas daneben, schließlich habe ich als Einstieg in die Drehbuchtätigkeiten der werten Frau Helga Feddersen aus Versehen eben jenen Film hier ausgewählt, der zweite nach „Vier Stunden von Elbe 1“, welcher thematisch wohl auf jenen Gewässern fährt, welche an dieser Stelle ebenso seine Geschichten vom Leben der Seeleute vor wie in Hamburg erzählt. Sei's drum, braucht man sich fürs Nächste nicht um Vergleiche scheren und stattdessen freuen, dass noch mehr solcher vergangener Stoffe in Zukunft bereitstehen. Gängig ist erstmal nichts an hiesiger Kost, stilistisch und dramaturgisch nur bedingt darauf ausgelegt, mit Konventionen an einen Spannungsbogen zu appellieren oder gar moralische Absichten auf jedweden Wege auszuformulieren. Im besten Sinne bietet sich vor allem ein Film über Menschen an, in freier (nicht aufdringlicher) Handkamera beobachtet, per Spiel und Dialog immens natürlich durch unbeschwerte Plansequenzen geführt, während die Wahrhaftigkeit des Alltags bodenständig an Land geht. Nicht mal Laien wurden dafür bemüht, stattdessen macht der Volksmund hier mit Jungs und Deerns seine Aufwartung, die auf den Typ genau besetzt sind und nimmer wie Fremdkörper wirken würden. Die naturalistische Ader setzt sich auch in der ökonomischen Inszenierung fort, die sich als Zuschauer auf wenige, reelle Perspektiven einigt sowie externe Gefühlsmelodramatik verzichtet, was für Klarheit und Faszination sorgt, inwiefern man zahlreichen Facetten des Umgangs beiwohnen darf.


Feddersen und ihr Regisseur Eberhard Fechner dringen wohlgemerkt auch nicht in Extremsituationen ein, ins Brutale oder Überromantisierte, dafür sind die Verhältnisse des Lokalkolorits ortsbedingt in bescheidenem Format gehalten, doch schon in relativ kleinen Sorgen, Enttäuschungen, Glücksmomenten oder Ungewissheiten voll nachvollziehbarem Gewicht, so wie's einem in echt ebenso ergeht. Passiert dann auch, dass die Stimmung dem Titel gemäß spontan umschwingen kann, so bedingt planmäßig der Mensch sich wie gehabt in Kommunikation, privatem wie kollektivem Umgang durch den Tag schlägt. Leben ist manchmal alles auf einmal und um dies zu reflektieren, ohne auf eine bestimmte Ideologie aufmerksam machen zu müssen, lässt sich der Film auf die Wege einiger Einzelpersonen ein, die vom Standort aus reichlich miteinander zu tun haben und querbeet mit ihren Launen, Lieben sowie verstreuten Zukunftskörnern fürs Nächste anzukommen versuchen. Solche Ambitionen lassen sich nie komplett abschließen, deshalb wird man von außerhalb auch schnell ins Geschehen hineingeworfen, wenn Kombüsenchefkoch Gustav Andresen (Klaus Höhne) an Bord der MS Brunsland von der Geburt seines Sohnes erfährt, bald schon die Feier mit der Mannschaft ansteht, der Film darauf aber nicht festgewachsen bleibt. Verzweigt schnacken sich die Situationen zusammen, zeigen alteingesessene Kumpels oder auch mal den Vergleich des Sohnemanngewichts mit einem Batzen Frischfleisch. Wo nur hin mit dem ganzen Stolz auf einmal, wenn die Crew dazu auch noch weiterhin fröhlich witzelt und doch nicht weiß, wie man den Kleinkindkarren einpacken soll, in den der Lüdde mal hineinwachsen kann?


Sobald zur Schleuse angesetzt und der Empfang erwartet wird, kommen dann allmählich jedoch auch die Fragen auf, wie man Vater sein kann, wo die Zeit nur bleibt und wie man mit dem Verständnis der Mudder umzugehen hat. Der Film basiert das nicht auf Hilflosigkeit ihrerseits, eher auf einer Selbstverständlichkeit, wie man das Zusammensein schätzt und daran aufwächst - unausgesprochene Werte, die mit effektiver Schlichtheit in den Figuren umgesetzt werden und diese anleiten, weshalb sich dann ohne verkrampfte Gesten auf Entschlüsse geeinigt werden, die der Film selbst im elliptischen Zeitsprung mühelos vermittelt bekommt. Dies belegt sich auch im angehenden Kapitän Peter Bröhan (Vadim Glowna), der in seiner glücklichen Ehe mit Yvonne (Verena Buss) auch nicht an Frustrationen vorbeikommt, für sein Studium härter büffeln zu müssen als seine schlauere zweite Hälfte, wobei sich die Zwei glänzend aneinander aufziehen können, auch in der Trennung zur See einen gemeinsamen Urlaub auf Weltmeeren ersehnen und bei Ausgang trotzdem nicht stets zusammen sind. Kneipengänge mit Gustav ziehen sich da mal länger hin, einen Tag später begleitet er sie dann aber auch mit dem Fahrrad, wobei jeder im Vorbeifahren gegrüßt wird, als ob die ganze Verwandtschaft vorbeikommen würde. So ist' nun mal, bis hin zur Eifersucht, wenn die gemeinsamen Stunden eine triviale Hemmung erfahren und am Ehrgefühl nagen, doch die Deeskalation macht sich genauso locker, wie auch vielerlei Vermutungen des Zuschauers, wohin ein Zeichen zur Dramaturgie weisen könnte, nicht verfolgt werden.


Die Erziehung durch Geschichtsformen zwiebelt einen manchmal doch bewusster, als man zugeben möchte, da kann einem schon mal eine gewisse Last von den Schultern fallen, wenn man an solche Filme wie diesen gerät. Leichtfüßig geht auch der Handlungsstrang vonstatten, in dem Frauenheim-Helferin Lore (Feddersen selbst) unversehens an den Holländer Henk (Josef Jansen) gerät, der sie mit seiner Frau Mudder vor Ort öfters zum Kaffee einlädt oder einige Knoten beibringt, worauf sie mal ganz verlegen agiert, seinem Hund eine schicke Wurst zuwirft, aber in aller Liebenswertigkeit gewiss nicht auf den Mund gefallen ist. Den Spaß nimmt sich ohnehin keiner im Ensemble, doch binnen der Heimat bleibt man vom Wandel ebenso nicht unberührt, insbesondere Gustav, der als frischgebackener Kneipenwirt noch nicht so ganz in der neuen Rolle Platz zu finden scheint, mit der neuen Position Madigkeiten empfindet und dennoch niemanden verprellt, auch wenn ihm seine Frau Elli (Elke Twiesselmann) schon zu sehr auf Mudder gemacht ist. Wohin mit den Bedürfnissen, wohin wieder mit dem Stolz? Na, eerstmal mutt man wat maken, so looft dat. Auf platt kriegt man ja auch reichlich mit, in der Mentalität ist der Film sodann entsprechend repräsentativ unterwegs und bleibt dem einfachen Leben keine Erklärung schuldig oder erlaubt sich gar ein Urteil, auch wenn er die Wege nach vorne ungewiss hält und nie von vollständiger Sicherheit zeugen kann. Dass ein Film mal keine temporäre Lösung auf ewig auszuweisen versucht, ist eben beachtlich - in dieser Konstellation komisch, nah, ehrlich und geerdet, atmosphärisch ohnehin ein großes Los sowie eine Zustandserfassung von hohem Vertrauen im Reellem. Wenn das mal nicht für mehrmalige Sichtungen reicht!




JUNG UND RÜCKSICHTSLOS - Es wird fröhlich debütiert in diesem Jugenddrama von 1984, welches James Foleys erster Regieeinsatz wurde, während Chris Columbus erstmals als Drehbuchautor aufschlug und Hauptdarsteller Aidan Quinn sowie Jennifer Grey in einer Nebenrolle zudem erstmals in einem Spielfilm mitwirkten - Thomas Newmans Score war insofern ebenso die erste Gelegenheit für jenen Komponisten. Der Drang zum Starten ist bezeichnenderweise auch Thema des Films, so wie er eine beschränkte Aussicht auf die Zukunft innerhalb einer Jugend zeichnet, die zwischen den Stahlwerken der Mingo Junction in Ohio aufwächst. Das Lokalkolorit wird nicht nur visuell als allgegenwärtige Tristesse genutzt, denn um die individuelle Position zu jenem Moloch dreht sich auch das Spannungsfeld der Liebe. Zentral heiß begehrt im Auge des Schmelztiegels ist Cheerleaderin Tracey Prescott (Daryl Hannah) aus gutem Hause aber auch nur bedingt zufrieden mit ihrem Status der Zufriedenheit und gelangweilten Sicherheit, die sie wie vorbestimmt mit Randy Daniels (Adam Baldwin), Sohn des hiesigen „American Steel“-Chefs, anbandeln lässt. Ein gewisser Reiz besteht hingegen in Johnny Rourke (Aidan Quinn), der mit dem Namen zweifelsohne als Rebell agiert und der ganzen Aufregung um den anstehenden Career Day an der Schule (eine essenzielle Abwechslung zum gewöhnlichen Klimax des Abschlusstanzes) den Reifenqualm seines feschen Bikes hinterlässt. Das Ideal an seiner Person ist von Anfang an nicht zu übersehen: In der Darstellung offensichtlich viel zu alt für die High School und tiefschürfend in der Röhre, als sei Sylvester Stallone am Start, bringt der Film ihn sowie die Sehnsucht zum Ausbruch eingangs fix mit visueller Dynamik auf den Punkt.


Seine Maschine brettert also leere Dosen vom Abhang direkt ins Angesicht des alles zuqualmenden Stahlwerks runter, in welchem sein Vater (Kenneth McMillan) seit jeher malocht. Natürlich ist die Beziehung zum Patriarchen, wie wir später sehen werden, nicht die beste, wobei Alkohol dort jene Lagen immens verschlimmert, wo eigentlich Stolz für den Sohnemann waltet, der als Footballhero etwas hätte werden können. Ja, auch hier sind die Klischees und Cliquenmuster des gängigen Americanas kein Unding, schnell aber auch pointierte Stilmittel für einen ersten Akt, der dank Michael Ballhaus' Kamera einen faszinierenden Blick aus der Reibung jener Ebenen an Konsens destilliert. Manche Konstruktion erscheint da reeller als sie eigentlich sein müsste, was sich wohl auch am Spiel feststellen lässt, das sich eine kernige Sprache erlaubt, die man Autor Columbus inzwischen nimmer zutrauen würde. Am besten kann er auf jeden Fall für Kerle schreiben, sprich für das Schicksal des designierten Versagers Johnny, der es nicht mehr aushält, eklige Streits und schnelle Nummern sucht - so rotzig, dass der stille Zorn dazu den krassen Mise-en-scène-Magneten abgibt. Frauen kriegt Columbus hingegen nur funktionell hin, so wie Tracey Prescott ihre Unzufriedenheit im verkünstelten Pathos ausformuliert, als sei man zu seiner „Nacht der Abenteuer“ übergelaufen. Ein leichtes Mädchen will sie nicht sein, doch es liegt in der Luft, dass sie halbwegs auf Gefahr steht. Eine wirklich simple Schlussfolgerung, doch immerhin noch komplizierter denkend als die restliche Sozialstruktur des Ambientes, welches zum Schultanz zwischendurch natürlich nur Lappen-Platten auflegt, aber auch in Eifersucht explodiert, wenn mal ein anderer mit der Herzdame abhottet.


Dagegen ist Katharsis gefragt und die greift der Film gerne auf, indem der Pepp der New Wave mit Stinkefingern abdampft und schwarze Rosen austeilt, obgleich er im Mief gefangen bleibt. Wenn die Wünsche dann auch in der Kälte der Nacht vom Schnee umweht werden, hat das was Bittersüßes, erst recht, inwiefern Tracey nun mehr oder weniger bereit ist, mit Johnny zu gehen. Nach dem allseits bekannten Hin und Her kommt dann eine spontane Erlösung unter Cyndi Laupers „Kids in America“ zustande (der Soundtrack trägt ohnehin mit jedem Song zum Inhalt bei), sobald das Pärchen die Schule demoliert und vom heißen Kuss im Schwimmbad direkt in den Heizungskeller übergeht, wo das Rotlicht zur Sinnlichkeit der Entjungferung stimuliert, auf dass sich jede Frage erübrigt, warum Regisseur Foley nun für die „Fifty Shades of Grey“-Fortsetzungen engagiert wurde. Der Funke ist gezündet, das Feuer breitet sich im weiteren Verlauf auch gerne impulsiv aus, um dem Abstieg in die Enttäuschung und Einsamkeit das entsprechende Gewicht zu verleihen, was zumindest von inszenatorischer Seite aus mit einer Selbstsicherheit punktet, die das Skript in einigen Belangen nur unter Vorbehalt erfüllen kann. Der gehemmte Umgang mit den Eltern, das Unverständnis Erwachsener, das mangelnde Bekenntnis zur echten Liebe gegenüber der Gruppenmentalität: Alles Stationen, die jeder dieser Art Filme gewissermaßen abarbeitet und auch hier Richtung dritter Akt mit einigem Leerlauf durch Montagen jagt, ehe die entmenschlichte Brutalität des Arbeiterofens wieder die Wurzeln des amerikanischen Schmerzes anpackt.


Da ballt sich die Wut zu einem Finale, das auf kleinstem Raum tobt und jede Chance bewusst selbst zu zerstören droht, so wie die Ungnade der Allgemeinheit nur solche Schlussfolgerung zulässt. Für die volle Konsequenz macht sich der Film schon bereit, doch er ziehts nicht durch, steuert stattdessen aufs Märchenland zu. Da geschieht der Kompromiss im Sinne eskapistischer Ideale, der hier mal nicht angebracht wäre, so knallhart und doch schlicht Foley das Narrativ sonst aufbereitet. Manche Schlüsselszenen zwischen den Rourkes knallen ja auch so wahrhaftig, als sei „Die große Flatter“ angesagt, bei Familie Prescott allerdings wirkt der gesellschaftliche Kontrast im Ton behauptet wie Sau. Dieses Nebeneinander bringt den Film im positiven wie negativen Sinne auf zweierlei schiefe Bahnen, dennoch bleibt er klar in seinem Bekenntnis zu Emotionen, die den ganzen Konflikt erst anfeuern und in ihrer Kohärenz auch engagiert beobachtet und veräußerlicht werden, ohne auf platter Abgeklärtheit einzubrechen. Und weil's auch sonst nicht schadet, bleibt das Tempo zudem stets angezogen, so wie das Leben auf der Überholspur in den Köpfen der Kids steckt, aber Tag für Tag gegen Mauern rast, daraufhin entweder das Elend der Zufriedenheit verstärkt oder gleich als gefährlich eingestuft wird. „Raus aus Amal“ lässt grüßen, wenn auch an vielerlei Stellen romantisiert und doch brutal wie ein Betonregen.

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