Herrje, ab und an kommt es mir immer
etwas brenzlig vor, den Blog hier angemessen zu füllen. Einmal die
Woche etwas anbieten zu können, ist ja eben auch keine
Selbstverständlichkeit und dennoch geht die 192. Ausgabe an den
Start, in der ich zudem Filme bespreche, die ich neben all dem
regulären Kram noch als Empfehlungen vorgestellt wissen will.
Schließlich ist demnächst das Filmfest Hamburg angesagt, die ersten
Pressevorführungen dafür wurden schon besucht, die projizierten
Werke dazu besprochen und weil mein Arbeitseifer aufgeweckt genug
war, gab es die Woche über zudem einen Artikel
meinerseits zur Pressekonferenz des FFHH 2016 via Cereality.
Da bleibt zum Wochenende natürlich die Frage: Ist die Luft nach
jenen Arbeitsstunden wieder raus? Riecht es nach Verzweiflung, wenn
man auf den letzten Drücker versucht, zumindest einen Kurzbericht
aus jenem Arsenal an Filmen zu bergen? Alles Fragen, denen ich mich
diesen Samstag wiederum stellen musste, mit Energy-Dose und heißen
Temperaturen von draußen am Start. Wie ist die Geschichte von der
Chronologie her ausgegangen und wie viele Johns sind mir dabei
begegnet? Nun:
Nachdem so ziemlich alles an
Bonusmaterial zum „Perser und die Schwedin“ gesichtet
wurde - inklusive der schön abrundenden Originalfassung jenes
holprigen Studentenfilms über Exzesse, Verantwortung und dem
Erstickungstod im Zeichen der Normalität - war mir nebenbei ein
erster Schnupperkurs zum Werk von John Stockwell reizvoll geworden.
Quasi als Vorbereitung zu „Kickboxer: Die Vergeltung“
gedacht sowie aufgrund der Empfehlung einiger Kollegen angesetzt,
sollte „Dark Tide“ exemplarisch die Qualitäten jenes
filmischen Wellenreiters vorweisen, dem bisher scheinbar nur eine
kleine Gruppe an Fans verfallen ist. Dabei zeichnet sich sein Film
schon so ziemlich als Gegenthese dazu aus, wie der geläufige
Hai-Horror auf hoher See sonst inszeniert wird: Beinahe vollständig
entschleunigt und genussvoll Sonne und Meer der Küsten Südafrikas
visualisierend, wird sich hier zudem weit mehr auf Charaktere
konzentriert, als dass die reißerischen Faktoren des Überlebens
binnen unbarmherziger Natur verdichtet werden. An Nervenkitzel wird
gewiss nicht gespart, wenn Halle Berry und Kollegen aus sicheren
Käfigen abgekoppelt Seite an Seite mit Haien schwimmen, an das
Vertrauen glauben und doch mit dem Unberechenbaren vorlieb nehmen
müssen. Das Blut fließt, an Rache wird jedoch nicht gedacht, so wie
die Ereignisse mit der Schuld menschlichen Versagens und abgeklärter
Bescheidenheit beantwortet werden, in denen der Film einen extensiven
Diskurs an Beziehungen offenlegt. Der Vergangenheit (sowie Ex Olivier
Martinez) erneut zu begegnen, bedarf im brennenden Ambiente keiner
weiteren Hitze, Mulmigkeit weiß das Prozedere dennoch in voller
Länge zu vermitteln, sobald auf Geheiß eines Multimillionärs das
Schwimmen mit Haien reinitiiert werden soll.
Die erwartbare Dramaturgie daran lässt
sich jedoch nicht auf schnelle wie schlappe Thrills ein, stattdessen
entwickelt sich die Spannung auf dem Boot aus dem individuellen Bezug
zur Natur sowie untereinander. Die Relativität des Muts, das Abwägen
von Respekt und Vertrauen in der Grenzerfahrung zwischen Mensch und
Tier: Das nimmt hauptsächlich Platz innerhalb der zwei
Stunden an Laufzeit, welche sich zudem aufs Behutsamste bemühen,
Atmosphäre zu verselbstständigen und deren Schönheit zu
repräsentieren. Umso echter kommen die Begegnungen mit den
Raubtieren der Meere an, gleichsam fallen auch die Erwartungen an
Stereotypen ab, welche sich zunächst als Bezwinger der Verhältnisse
stilisieren wollen, antagonistisch auftreten, schließlich aber
trotzdem den Menschen an sich zum Vorschein bringen. Stockwells
Balance an Zen und Selbstreflexion gemahnt an die Wahrheit im Genre,
auch in der Gegenwart technischer Unaufgeregtheit nicht einfach bloß
einen Überschuss an Natur-Footage anzubieten, wenn er durchweg auf
die Konsequenz des Finales hinweist. Wenn die Sonne nämlich
verschwindet, das offene Meer in tiefen Wellen gleichsam die
Orientierungslosigkeit zu fördern imstande ist, lässt er seine
Charaktere sich ebenso im Chaos verlieren, auf dass die Angst sie
verschlingt - bis dahin allerdings auch in bewusster Abgeklärtheit
mit sich selbst, so wie die Entwicklungen einzelner Parteien hier
ihren Klimax bittersüßer Menschlichkeit finden oder dennoch ums
Adrenalin des Sich-Selbst-Verlierens fiebern. Eine klare Sicht der
Dramaturgie bleibt also hell erleuchtet in der Dunkelheit, da ergeben
sich aber auch nur einzelne Faktoren innerhalb zwangloser
Natürlichkeiten, die Stockwell als Hommage an die Wellen dieser Welt
in seinen Filmen umzusetzen versteht. Zumindest gehe ich davon aus,
dass sich das als seine Handschrift binnen weiterer Werke durchzieht,
da gibt’s offenbar noch einiges an Nachholbedarf.
Nachgeholt wurde diese Woche allerdings
noch John Carneys mancherorts gefeierte Neuling „Sing
Street“, ein Jugendfilm auf irischem Terrain, der den
sozialen Ausbruch via cooler Mucke empathisiert. In solchen Fällen
ist die Bandbreite an Klischees natürlich von Vornherein zur
garantierten Erfüllung abgedeckt und Carney macht sich sodann auch
keine Mühe, diese umzustülpen, wenn sein Protagonist Conor (Ferdia
Walsh-Peelo) anhand dessen eben die Romantik des Genres bestätigt
bekommen soll. Deshalb sind die Umstände drum herum auch schnell
erzählt: 80er Jahre, disfunktionale Familienverhältnisse,
frustrierende katholische Schule inklusive restriktivem Direx und
Schlägertypen, Leben in Dublin ohne Zukunft, die Zukunft in London
nur mit Abstand von der Küste aus zu erahnen. Genauso simplifiziert
stellen sich wiederum die Sehnsüchte zur Verfügung: Urige
Freundschaften mit Außenseitern als Bandkollegen, der altkluge
Bruder mit filmtauglicher Musik-Kompetenz und
Kalenderspruch-Philosophie in petto, das idealisierte Mädel von
gegenüber voller Geheimnisse und unnahbarer Schönheit. Das
Feel-Good-Märchen schreibt sich quasi von selbst, Carney
bettet das gleichsam in eine glatte Optik ein, in der das Risiko
meistens nur soweit reicht, wie oft das Wort „Schwuchtel“
einschlägt („Ausbruch
zur Hölle“ lässt grüßen), wenn einem mal nicht eine
geklatscht wird oder Befehle erteilt werden (alles wohlgemerkt auf
Einzelmomente reduziert, wenigstens komplett an der Überstrapazierung
vorbei). Ansonsten aber wird der Zeitgeist zur Plattform eines
Milieu-Lebens genutzt, in dem die Künstlichkeit der Videoclips
zelebriert und scheinbar auch sehr leicht von selbst umgesetzt werden
kann, so wie Conor seiner fixen Zuneigung zum angehenden Model
Raphina (Lucy Boynton) zuliebe eine spontane Band-Existenz einläutet,
in der das Auffinden der Kompetenzen relativ wenige Hürden erfährt.
Selbst das Einstudieren musikalischer Fähigkeiten von amateurhaftem
Gecovere zu durchproduziertem Powerpop scheint wie von Zauberhand zu
gelingen. Carney beweist sich im Verlauf ohnehin weniger als
stimmiger Erzähler von Freundschaften, wahrer Liebe und
Motivationen, als dass er die Präsenz der Musik als Antrieb
versteht, anhand derer Conors Heldensage unterstützt werden soll und
weitere Feinheiten an Persönlichkeiten der Fantasie überlassen
bleiben.
Solch ein zentralisierter Ansatz hat
allerdings auch zur Folge, dass abseits der Erfüllung von Idealen,
Naivitäten und Wunschträumen nicht wirklich viel an Interesse übrig
bleibt, erst recht, wenn jene Ambitionen so ziemlich ausnahmslos
abgespult werden und ihren Höhepunkt bereits frühzeitig erhalten,
wenn die Comic-Variante eines High-School-Abschlusstanzes vom
Happy-End aller träumt. Alles danach arbeitet Carney beinahe wie
einen Epilog ab, inwiefern die Liebe triumphiert, falsche Hoffnungen
im Off ausgehebelt werden, Selbstbewusstsein und Vergebung daraufhin
die Bühne einnehmen, während ohne große Nachfrage - immerhin gemeinsam entschieden und bevorteilend - zu neuen Ufern
angesetzt wird. Bis zum unbedingten Gelingen kann der Film
wohlgemerkt trotzdem einige Impulse vorweisen, die wahrhaftig
nachklingen und ungebändigt dem „Was-wäre-wenn?“
nachgehen, doch an platter Konstruktion in Dialog und Plot mangelt es
ihm dennoch nicht, was sich auch an der Qualität der eingesetzten
Musik widerspiegelt: Manche lizenzierten Tracks sind selbst als
Allgemeinplätze schon enorm abgenutzt, andere treffen das
Lebensgefühl wie die Mitte einer Dartscheibe, weshalb die Grundlage
für eigene Stücke hier auch zeitweise die Essenz des Pops nutzt und
schmissig machen kann, andererseits jedoch auch austauschbare
Balladen von den Komplikationen der Liebe singen lässt. Die haben
dann solch eine blasse Universalität inne, dass sich die
Persönlichkeit darin nur schwer fassen lässt, was eben auch mit der
skizzenhaften Figurenzeichnung des Films einhergeht, welche statt
wahrer Nähe eben mehr für geschmeidigen Kurzweil sorgen will. Da
hängt es natürlich individuell von einem selbst ab, welche
Ansprüche man ans eskapistische Kino stellt, als Vertreter des
Genres gibt Carneys Film jedenfalls am ehesten eine Konsistenz des
Gelingens durch, wie sie zwischen Gefälligkeit und Unbekümmertheit
pendelnd durchaus Sympathien einfängt, aber irgendwie auch nur die
Oberfläche einer Immersion anbietet.
Wie es wilder geht, beweist wiederum
ein Rückblick auf Joel Silbergs Filmographie, der sich mit „Fire
Game“ sogar mal an einem Actionfilm probierte und dennoch auch
dort alles andere als den erwarteten Standard zu erfüllen pflegte.
Womöglich ist das Drehbuch von Stirling Silliphant dabei schon nicht
auf sorgfältiger Kohärenz gegründet, doch Silbergs
Realitätsverständnis sorgt anhand dessen umso mehr für eine
Kanonade der Verwunderung, wenn es um die Ermittlungen von Cop-Frau
Checkers Goldberg (Tiana Alexandra) und ihrem Partner Waldo (David
Dukes) geht. Beinahe jede Szene besitzt eine Eigendynamik aus
Holprigkeit und sich kontinuierlich überbietenden Gesten, in denen
Topoi gängigster Art vertreten und doch außen vor gelassen werden,
so eigenartig Silbergs Perspektive eher an Checkers Rollenspielen
interessiert scheint. Als handfeste Politesse binnen
Undercover-Drogendeals und Verfolgungsjagden bringt sie schon kecken
Sarkasmus und schlagfertige Fäuste mit, den Großteil des Films über
aber probiert sie in der Verkleidung der Karate-Tango(?)-Tänzerin
Cinderella Poo, die Machenschaften des mysteriösen Jason Hannibal
(Rod Steiger) zu infiltrieren. Jene bizarren Ebenen an
charakterlicher Identifikation sind sodann die Spitze des Eisbergs in
einem Film, der sich in seiner Tour von San Francisco nach
Argentinien nur ungern auf eine Prämisse allein einlassen kann,
weshalb sich Schießereien und Mord den Platz sodann mit (typisch
Silberg'schen) Tanzeinlagen, Brustschmerzen und der fingierten
Naivität der Cinderella Poo teilen müssen. Kernige Handlanger
stapfen dann auch eher ziellos statt furchteinflößend durch pappige
Kulissen, während Waldo voller Zigarren und flott überchargierten
Sprüchen einen Buddy-Faktor mit dem einheimischen Chefbullen
versucht, wenn er mal nicht bei Checkers zum passiven Flirten ansetzt
- übrigens auch im Rollenspiel als angetrunkener Tourist, anhand
dessen er weitere Informationen von ihr aufgreift; da beweist der
Film am ehesten Konsistenz. Ansonsten übt sich das Geschehen in mehr
oder weniger unfreiwilliger Unberechenbarkeit, wie Silberg seine
Inszenierung auch auf die spontanen Ausbrüche von Widersacher
Hannibal lenkt, dessen Chaffeur Ike (John Hancock) Checkers
wiedererkennt und bis in eine Schießerei auf einem Hoteldach
verfolgt, obgleich seine Besetzung und sein Tempo ungelenke Szenarien
in groben Mengen anbieten. Szenenübergänge geschehen gleichsam
impulsiv, manchmal geläufige Aufbauphasen übereilend, an anderen
Stellen Belanglosigkeiten oder die undefinierbare Redseligkeit von
Checkers/Cinderella mit dem Rest des Ensembles fokussierend.
Wenn der Gesprächsstoff aber natürlich
von spekulativer Kolportage zeugt und manch honkigen Wortspiel-Witz
ins Feld führt, bleibt die Irritation des Zuschauers durchweg
bestehen. Klar gibt der Konsens an Schusswechseln und Martial Arts
noch eine gewisse Erdung, so ungeschliffen sie auch inszeniert sein
mögen, doch man fliegt so oder so völlig aus den Wolken, wenn hier
die Offenbarung zur Methodik des Heroinhandels stattfindet. Jene
Szene im Fitnessraum, in der Checkers und Waldo die Hintergründe
aufdecken und sich sogar die Liebe zueinander eingestehen, ist
zweifellos der Gipfel an Absurdität, mit welcher Silberg selbst
Kollege Sam Firstenberg zu überbieten imstande ist. Was da an
überspitzter Dramatik, Mimik, Gestik und Wortwahl zusammenkommt,
sollte jedenfalls in die Filmgeschichte eingehen, der darauf folgende
Showdown bietet hingegen eher einen Standard unter
„Phantom-Kommando“-Niveau, bei dem talentfreie
Statistenvisagen kollektiv abgeballert über die Balustrade fallen
oder von Checkers' mittelflotten Moves umgekickt werden. Spaß macht
das durchaus, erst recht, da die Implikationen vorheriger Szenen und
Heroinhandelfantasien hier als Spannungsmittel jongliert werden,
während Jason Hannibal seine Motivation zum Bösen in gerade mal
einem Satz erklären darf. Dem geht durchaus ein disfunktionales
Verhältnis zu Frauen voraus, wie der Film das weibliche Geschlecht
ohnehin oftmals in die Nähe der Gefahr bringt und anhand dessen
Verletzlichkeit Schreckensszenarien suggeriert, doch Checkers steuert
mit ihrer Unbedarftheit eigentlich so dermaßen dagegen, dass eher
eine Enthemmung der Rollenmodelle stattfindet, je weniger Bedeutung
sie ihnen zumisst und doch ganz Frau bleibt, insbesondere in Waldos
Augen. Der Mann mit dem Hundenamen gibt größtenteils allerdings
eine Witzfigur ab, demontiert potenzielle Coolness mit Anti-Onelinern
und flirtet so flach, dass Checkers diesen Trottel einfach nur lieben
kann. Aber das war irgendwie von Vornherein schon klar, so wie ihr
gemeinsames Abenteuer beinahe beiläufigen Charakter besaß und eher
einen erheblichen Fokus auf die figurbezogenen Eigenarten legte, so
kurios sie auch im sowie abseits des Genres auftraten.
Merkwürdig...sehr merkwürdig!
Entschiedener auf den Wahnsinn
zusteuernd, ging sodann Tsui Hark mit „Knock Off“ in
Position. Als eine seiner zwei Arbeiten mit Jean-Claude Van Damme
würden die meisten in Hörweite solcher Umstände ein geradliniges
Action-Vehikel erwarten, doch da würde man die auktoriale Stimme des
Regisseurs unterschätzen, dem hier zwar ein grundsätzlich
standardisiertes Drehbuch von Steven E. de Souza zugrunde liegt, in
der Umsetzung jedoch externe wie interne Energien zum Kaleidoskop
aufblühen. Im Hongkong jener Ära ging eben mehr in der Hinsicht,
wie maßlos Ressourcen gegenüber manch braver Formalität
US-amerikanischer Böller genutzt werden konnten - und das, obwohl
der Film in der Phase eines nationalen Übergangs stattfand, sprich
jenen, der Hongkongs Status als britisches Kolonialhoheitsgebiet hin
zur Rückkopplung ans Festlandchina führte. Genau die Wende
fungiert sodann auch als Hintergrund für ein turbulentes Abenteuer,
in dem zwei fuchsflinke Jeansfabrikanten, Marcus Ray (Van Damme) und
Tommy Hendricks (Rob Schneider), in ein Komplott aus Raubkopien,
Nanobomben, Russenmafia und dem CIA hineingezogen werden. Das Tempo dieser
Maßnahme könnte manch Gewohnheitszuschauer von Anfang an gänzlich
überfordern, so wie Regisseur Hark keine Grenzen kennt, um die
Dynamik allen Lebens sowie aller Zerstörung per Kamera greifbar zu
intensivieren. Je nach Laune durch Datensätze, Gewehrrohre und Schuhe
fahrend, mehrere Schichten an Realität durchstoßend und auch mal
den Blick vom Gefühl her verzerrend/anhaltend/überblendend, macht
die visuelle Komponente Überstunden, wenn globale Autoritäten auf
globales Verbrechen treffen, in der Eskalation schier unmögliche
Schauwerte mit filmischer Rücksichtslosigkeit wahr werden lassen.
Selbst eine „Fury
Road“ greift eher auf den Computer zurück, als dass sie diese
wahrhaftige Haltlosigkeit eingehen würde, in welcher Boote mit
Kameras an Bord in die Jagdgründe geschickt und Menschen durch die
Gegend geschleudert sowie mit Aalen gepeitscht werden. Stuntmen scheinen dementsprechend
durchweg so nah am fatalen Risiko, dass Buster Keaton vor Schreck aus
dem Grab springen würde, passend dazu steigt zur Show an Explosionen
stets grünes Feuer auf, als wenn man noch nicht genug bang for
your buck erhalten würde.
So spielt gleichsam auch unser Duo an
Protagonisten auf, das sich wohl bewusst mit der Unter-/Zwischenwelt
an Fälschungen einlässt, neben der industriellen
Trittbrettfahrer-Frechheit aber auch an Rikscharennen teilnimmt, in
denen Straßen, Passanten, Vehikel sowie alles andere vor Ort beim
ungesicherten Bombast mitmischt. Die aktive Beteiligung steht den
Darstellern ohnehin ins Gesicht geschrieben, wobei Van Damme so
formvollendet wie möglich den modernen Belmondo abgeben darf:
Drolliges Grinsen, einige trottelige Aktionen in petto und doch in
Top-Form, akrobatisch und saustark für jede Leinwandgefahr zu haben,
darstellerisch mindestens so aufgedreht wie sein Regisseur. Hark kann
schlicht nicht stillhalten, kommt aber weder an den Punkt der
Einfallslosigkeit noch an der Erschöpfung im beständigen Überschall
an. Seine Motivation zum visuellen Orgasmus basiert eben durchweg auf
dem Drive der Handlung, holt sich daraus sogar cartoonhafte Pointen
ab, die sich genauso spontan durchballern wie einige Momente direkter
90er-Jahre-Gewalt oder zeitgenössischer CGI-Effekte. Letztere waren
damals schon veraltet, der Plot ohnehin eher die simplistische
Plattform für enorm durchchoreographierte Szenarien, die mehrere
Menschenmassen gegen unsere Helden mit nimmerweißer Weste antreten
sowie mit Messern wetzen lassen, auf dass Stahlketten und Durian zur
Verteidigung geschwungen werden. Für Kurzweil wird auch dann
gesorgt, wenn Hark im Fieber eines Parkplatz-Shootouts zur Überschneidung an
Wahrnehmungen ansetzt und Autos auf Marktplätze fliegen lässt,
während in der Addition durch
V-Jeans-Vorstandsvorsitzende/Geheimagentin Karen Lee (Lela Rochon)
weitere Verwirrspiele (= falsche Identitäten zum Thema Fälschung) und sexy Missverständnisse zutage treten, in
denen sie stets mit kampftechnischer Oberhand herauszustechen weiß.
All dies und noch viel mehr in jenem Bazar an Unglaublichkeiten führt
das Hirn wohl wahr auf Reisen, den Film an sich dann noch zu einem
grandiosen Finale, das wie gehabt alles aus seinem Lokalkolorit
herausholt, um ungewohnt kinetische Spektakel im Kampf gegen
doppelbödiges Verbrechen zu schöpfen. Physik wird da locker
genommen, die Hingabe zur Action aber mit energischem Ernst zum
Ultimatum geführt, bis jede Kinnlade via Sparks-Soundtrack
herunterhängt und die Erwartungen vor jedem Twist kapitulieren.
Wieder ein Film, den man so noch nie gesehen hat.
Inszenatorisch gesehen kann man
allerdings ebenso feststellen, dass Tsui Hark und John Waters Brüder
im Geiste sein müssten. Kompromisslos der freien Frechheit zugetan,
ist des Zweitgenannten bisher letztes Werk, „A Dirty Shame“,
aber natürlich eher eine der größten Feierlichkeiten jüngster
Zeit, was ausgelebte Sexualität angeht. Um keine Perversion zu
schade, die in ihrer Grundform das jeweilige Individuum bestätigt,
niemanden gegen seinen Willen missbraucht, aber stattdessen offensiv
gegen das Spießertum der Neutren besteht, versammelt sich in
weniger als 90 Minuten Laufzeit ein Panoptikum der Lust, das sich
gefühlt gerade mal einen Moment an Pause erlaubt. Es gilt, Amerika
aufzumischen, the land of the free als solches zu bestätigen
und da setzt der Film wohlweislich wie gehabt in den Suburbs
von Baltimore an, in denen manche zwar peinlichst brav von der
Vielfältigkeit schwärmen, die Begegnung damit aber fürchten. So
zeigt sie sich anhand derer Bewohner als aufreizende
Provokation, drastisch überspitzt und bewusst Richtung Cartoon
gelenkt (u.a. der zeitnahe Vergleich mit den „Tiny Toon
Abenteuern“ brachte mir die Erkenntnis), wenn
Supermarktangestellte Sylvia Stickles (Tracey Ullman) zu
entsprechender Musik ihre Nachbarschaft abfährt, in der sich die
zugeknöpfte Mutter einer gigantobusigen Stripperin (Selma Blair) nur
überreizt einfinden kann. Der Habitus geht da schon drübber die
Barrikaden, doch als Sylvia nach einer Autopanne der Schlag auf den
Hinterkopf trifft, entfesselt sich wie vom Schicksal bestimmt das
sexuelle Feuer, sofort in Empfang genommen vom Sex Saint Ray-Ray
(Johnny Knoxville), der sie zur potenziellen Erschaffung eines neuen
Geschlechtakts aufzunehmen gedenkt. Vorerst aber schafft sie es, wenn
auch im Zeichen dringlichster Geilheit, zur Arbeitsstelle im von Mama
Big Ethel (Suzanne Shepherd) geführten Supermarkt, deren
puritanische Ängste mit jedem einkehrenden Kunden weiter geschürt
werden. Der Angriff auf den empörten Anstand ist sodann
gleichzusetzen mit dem Angriff auf die Lachmuskeln, so obskur sich
manche Wünsche äußern und ebenbürtige Knalleffekte der
Kleinbürgerlichkeit abfangen. Diese plädieren mit radikalen
Transparenten und Slogans allmählich auf den Affekt einer
Gegenbewegung nach dem Format besorgter Bürger, doch Sylvia
zieht schon unbedarft von dannen, um sich von ihrem da schon
überforderten Beau Vaughn (Chris Isaak) ablecken zu lassen, wovon
sie wohlgemerkt nicht genug kriegt, zeitgleich aber das
disfunktionale Verhältnis zur Tochter wieder richten kann, jetzt, da
sie Sinn und Schönheit der Triebe versteht.
Pro-Sex, das geht gewiss zu Herzen,
doch in erster Linie auch brünstig zur Hose, so wie Sylvia in
permanent orgiastischer Fassung von gut und gerne jedem bedient
werden möchte, tolldreist besessen sodann bei Ray-Ray vorstellig
wird, der eine Vielzahl an Fetisch-Verknallten um sich versammelt
hat, die ebenso erst durch einen Schlag auf den Kopf zu ihren
Eigenarten gefunden haben. Der absurden Aktivierung wird jedem
Mitglied eine Rückblende zur Seite gestellt, so liebenswert wie die
Gruppenzugehörigkeit ohnehin an himmlische Ambitionen denkt.
Gehirnerschütterung als Taufe, bei Sylvia kann das in der
Wiederholung aber noch einen rückwirkenden Effekt haben. So
entwickelt sich also ein Tauziehen um ihre moralische Beschaffenheit,
in die sich Big Ethel mit giftigem Widerstand hineinmischt, auch
Stripper-Tochter Caprice via Fluoxetin der Züchtigkeit wegen gefügig
machen will. Doch der überaus direkte Krieg gegen Selbsterfüllung
und Toleranz (in der Ära des Patriot Act gar nicht mal so
weit ab) ist eben nur zu vergänglich im Aufbegehren der
Menschlichkeit, die hier anhand ihrer Fickrigkeit sogar von
phallischen wie vaginalisierten Formen der Natur bestätigt wird
(tolle surreale Manie) und sogar (wieder à la Tsui Hark)
computeranimierten Eichhörnchen den Dachboden wegrammeln lässt. Das
wunderbare Chaos des Sex rast also als Pandemie des Glücks durch die
Nacht, in welcher Spießbürger ihren Albtraum erleben, der Zuschauer
hingegen einen Überschwang der Enthemmung, welcher das Bekenntnis
zum Eigenen sowie die abzuschaffende Abscheu des Konservativen so
genau auf den Punkt bringt, dass sich der Film allzu gerne darin
verliert. Klar schlägt er da über die Stränge, walzt sich aus und
reiht eine Hysterie an die nächste, doch genau so muss das sein,
wenn man den Sex leben lassen will, wo das Übermaß mehr als nur
zulässig ist und nicht aus Angst versteckt werden sollte, egal
worauf genau man nun steht. Die letztendliche absurde Transformation
der Lust hat hier sogar was von Cronenberg, bricht sogar zu
kosmischer Wichse auf - mein Gott, zu was für Großtaten kann der
Mensch nur fähig sein, wenn man ihn nur lässt!
Eine doch ganz andere Variante dieses
Credos erfährt man in Antonio Margheritis „Asphalt-Kannibalen“,
ein weiterer Film, der - wie mehrmals im „Spektakel
USA!“ von letzter Woche - aus der Außenseiterperspektive zur
Zustandserfassung Amerikas ansetzt und die posttraumatischen
Auswirkungen binnen der Heimkehrer des Vietnamkrieges in eine bizarre
Granate der Exploitation verwandelt. In Italien frecherweise bereits
als Quasi-Fortsetzung von „Apocalypse Now“ vermarktet,
begibt sich Genre-Handwerker Margheriti anfangs noch auf ihn
bekanntes Terrain, wenn er Gefechte im fingierten Dschungel mit
Flammenwerfer und Co. aufbrezelt, Stock-Footage und Vietcong
niederballert, bis die ersten Frauen in Flammen stehen und Captain
Norman Hopper (John Saxon) seine Kameraden Charles Bukowski (Giovanni
Lombardo Radice mit dem unglaublichsten Rollennamen der Woche) und
Tom Thompson (Tony King) als verwahrloste Menschenfleischfresser im
Bambuskäfig wiederfindet. Die Splatter-Welle des europäischen Kinos
jener Zeit streckt ihre Einflüsse also zu einem Hybrid aus, der sich
sodann in den Stadtlandschaften des zeitgenössischen Amerikas
fortsetzt. Vorerst aber probiert Hopper, einer der unabhängig vom
Entstehungsland merkwürdigsten Antihelden überhaupt, die
gesellschaftliche Fassung zu wahren, obgleich er von den Erinnerungen
an Vietnam heimgesucht wird. In seiner Gemeinde jedenfalls gilt er
als aufrichtiger Top-Typ, der dem Nachbarsjungen die Bedienung von
Modellflugzeugen beibringt sowie dessen älterer Schwester Mary
(Cinzia De Carolis) auch mal bei Küchenutensilien aushilft, während
sich seine Frau Jane (Elizabeth Turner) als Moderatorin der „Goldenen
Plattenshow“ verdient macht. Insgeheim aber versucht Mary ihn
zu verführen und ob er darauf eingeht, ist eher von ambivalenter
Natur gezeichnet, so wie manch Impuls unterdrückt und ein anderer
kurz darauf initiiert scheint. Ungefähr zur selben Zeit kommt
Bukowski nach jahrelanger Therapie wieder frei und bald in Begegnung
mit neuen Formen und Gewöhnlichkeiten der Gewalt, wie sie
sich nur Italiener um 1980 noch so zusammen spekulieren konnten:
Mädchen drangsalierende Motorradrocker wie direkt aus „Zombie“
(die Optik des Films orientiert sich ebenso daran), zynisches
Spruchwerk links und rechts, zu allem Übel auch die Leinwand, auf
welcher der Krieg als Kinospektakel dargestellt (Ironie!), für einzelne Paare
zum Fummelpalast umfunktioniert wird.
Die psychische Kolportage lässt
Charlie natürlich rot sehen und versetzt ihn zum bissfesten
Amoklauf, bei dem er sich in einem Supermarkt verbarrikadiert -
wiederum ein von Romero übernommener Punkt, an dem sich Rocker,
Veteranen und Polizei zum blutigen Feuergefecht treffen. „Hundstage“
lässt sich ebenso wiederfinden, inwiefern die Belagerung der
Autoritäten sodann einen längeren Teil der Laufzeit einnimmt, ehe
Hopper zum Verhandeln hinzugezogen wird. Während Polizeichef Captain
McCoy (Wallace Wilkinson) vom Berufsalltag her nur dehumanisierend
über die Ereignisse schnauzen und somit stellvertretend die
Verrohung der Gesellschaft (!) beweisen kann, geht allmählich ein
Wandel in Hopper vor, beinahe zur selben Zeit die Offenbarung, dass
der Biss des Kannibalen ansteckend zu sein scheint. Zurück in der
Psychatrie also, bekommen Charlie und Tom also unverhofft Hilfe von
infizierten Ärzten und Hopper, die im Grunde süchtig nach Fleisch
Zombies entsprechen, dennoch auf der Flucht sind, kohärent denken,
reden und handeln, aber wie verschworen auch abseits ihrer früheren
Persönlichkeit füreinander zum Verderben ansetzen. Diese
ungewöhnliche Variante der Empathie treibt den Film also bis zum
Finale voran, schmückt ihn mit funkigen Sounds zu Kreissägen
abtrennenden Gliedmaßen und geizt ohnehin auf beiderlei Seiten der
Konfrontation zwischen Psycho-Kannibalen und Polizei nicht mit
expliziten Details. So nihilistisch der Kampf in die Vollen geht, hat
der Film dafür keine Identifikation über, höchstens objektives
Reißertum, dass er am ehesten in der Sorge von Ehefrau Jane
konterkariert, die in einzelnen Szenen zwischendurch auch bei den
Nachbarskindern vorbeischaut, zuhause aber letztendlich auf einen
verrückt gewordenen Gatten wartet, der sich im Trieb wieder in seine
Uniform geschmissen hat. Das Trauma weiß aber weiterhin noch um sich
selbst und so endet das Finale weniger in einem Showdown der
Schauwerte, als im Keller, sprich in den Wurzeln einer sich stets
sicher wähnenden Gesellschaft, die ihre Probleme aber nur schwer
unter den Teppich kehren kann. Die letzte Geste unter Eheleuten hat
dementsprechend was von fatalistischer Vergebung, die abgeklärten
Worte des Captains nochmal den Beigeschmack indifferenten Vergessens,
obgleich der Nachwuchs schon die nächste Phase vorbereitet. Der
gesamte, von Margheriti mitverfasste Kommentar auf die
Post-Vietnam-Generation mag da im Endeffekt also vielleicht etwas
abstruse Fantasien bedienen und das Genre-Blut aus vielerlei Quellen
fließen lassen, doch gänzlich weit hergeholt kann man diesen
charakterlich ungewohnten Pfad nicht bezeichnen, selbst wenn er in
„Deathdream“
stringender und mit weit weniger durchgeballerten Mägen aufgezogen wurde.
Das war diese Woche
natürlich auch nicht das letzte Wort hinsichtlich dazu, wie
unergründlich der Mensch mehr oder weniger zu seinem Ziel kommt,
denn neben einigen weiteren nachgeholten Stephen-King-Verfilmungen
(„Langoliers“, „Manchmal kommen sie wieder“,
„Dreamcatcher“, „Tommyknockers“) hatte sich
noch eine Perspektive angeboten, die 1974 via Ron Ormond und
Hardliner-Prediger Estus W. Pirkle in die titelgebende „The
Burning Hell“ schaute, was übrigens nicht deren einziges Projekt in der Sparte war. Auch wenn die Veröffentlichungspolitik
dieses Blogs stets auf Sonntag schielt, ist jenes Wort zum Sonntag im
Film nochmal eine extremere Angelegenheit: Innerhalb von nicht mal
einer Stunde Laufzeit versucht Pirkle als er selbst, dass der
Zuschauer in seinen verfilmten Gottesdienst mit einstimmt und die
Rettung der Seele fleht, um der Hölle zu entgehen. Gemessen am
Budget des Films müsste man dafür eher sehr leichtgläubiger Natur
sein, was sich schon an den Rekreationen biblischer Gleichnisse
erkennen lässt, die in mittelamerikanischer Wüste falsche Bärte
und breiteste Akzente aufbieten. Wie Alfred Edel einst in der
„Hau-Schau“ schon sagte: „Mit 250 Mark kann man die
Bibel nicht verfilmen!“ Doch „The Burning Hell“ hat
es in Ansätzen trotzdem versucht, ehe Pirkle aber in der Gegenwart
von der rücksichtsloser Bestrafung der Sünder erzählt, welche er
sodann an einem Beispiel an Rockern (nicht die aus
„Asphalt-Kannibalen“) festmacht, die ihn vor dem
Gottesdienst noch sofort mit Fragen über Jesus besuchten, aber ihren
Meinungen zum Nachleben wegen von ihm wie Dreck behandelt wurden, da
ja nur seine Variante recht hätte. Kurz darauf verunglückt einer
der Beiden beim Motorradunfall und als Zeichen der Pietät zeigt der
Film seinen abgetrennten sowie eine Blutspur hinterlassenden Kopf
zumindest noch im Helm. Verzweifelt kommt der junge Mann also
in die Kirche voller unwohl ausschauender Provinzvisagen, deren
Perücken und geistlose Augen nicht mal John Waters so gruselig
ausschauen lassen könnte. Dementsprechend krass gibt Pastor Pirkle
ihm dann auch zu verstehen, dass sein Verlust jetzt zwar respektiert
werden solle, der verstorbene Freund im Augenblick sowie für die
nächste Ewigkeit jedoch zweifellos abermillionen Höllenqualen
durchleben wird.
Um sicherzugehen, dass der
Zuschauer eine Ahnung von jenem theoretischen Schmerz hat, rechnet er
im reiterierenden Detail die Zeitspanne an Jahren mit einer ganzen
Reihe an Nullen auf, während dieselbe Anzahl auf Würmer umgemünzt
werden kann, die den Körper Stück für Stück in der Hölle
auffressen werden. Regisseur Ormond illustriert dies mit Maden in
Gesichtern, die zudem blutgetränkt zwischen Finsternis und Flammen
sitzen, qualvoll ins Nichts blicken, vor Schmerzen schreien oder in
jedem Neuankömmling Johannes den Täufer (auf englisch John the Baptist, ist ja schließlich die Mehrmals-John-Edition) sehen zu glauben - alles
sehr lose und fantasievolle Bestrafungen. Ein paar Mal ist der Teufel
(in diesem Fall eine Erfindung Gottes) ebenso zugegen und parallel
zur Mentalität des Films trotz billigen Make-Ups eine gruselige
Erscheinung. Einige Ausflüchte gen Himmel werden ebenso noch
visualisiert und einige Beispiele mangelnder Zwischenmenschlichkeit wie das von Lazarus und dem Reichen motivieren den Zugang zur Hölle auch
mehr via asozialer Zeitgenossen, die sich trotz ihrer Mittel nur
selbst genügen und andere sterben lassen. Dennoch ist Pirkles Ansatz
ironischerweise mehr aus Angstmache und Erpressung zur Überzeugung
geneigt, so radikal er vom Zuschauer den Glauben verlangt,
gleichzeitig aber auch den reellen Rahmen seiner Predigt
unterwandert, indem er seine On-Screen-Jünger auf Clips von
anderen Pastoren und dramatisierten Szenen verweist, als spreche er
mit dem Kino-Publikum. Es ist so irritierend, wie es einen
Ungläubigen schier langweilt, selbst waschechten Christen einige
Nummern zu blöd sein dürfte, so hart die Indoktrination hier
schlicht keinen Sinn mehr zum Weiterleben geben kann. Entweder man
lebt solange furchtsam unter der Fuchtel Pirkles, bis man stirbt und
in den Himmel kommt oder man leistet sich einen Frevel (laut Intro
zählt wohl auch nur der Gedanke) und landet direkt in der Hölle, wo
ein ganzes Star-Aufgebot an Verdammten tagtäglich zur Verfügung im
Fegefeuer steht. Da Gott laut diesem durch und durch beharrlichen
Film zudem beide Optionen erschaffen hat und die zusätzliche
Erschaffung des Menschen damit wie ein grausames, selbstgefälliges
Experiment wirken lässt, möchte man glatt diskutieren,
ob Religion nicht doch perverser sei als jede hier im Blog erwähnte
„Dirty Shame“. „Will you come?“, fragt Pirkle
am Ende des Films im wiederholenden Mantra - da kann die Antwort ja
nur „Let's go sexing!“ heißen.
Aber lassen wir vorzeitig
erstmal ab von solch theologischen Exkursen, schließlich bietet uns
das letzte, extern besprochene Beispiel aktueller Filmwelt die Hölle
auf Erden schlechthin an, auch wenn ich nicht unbedingt mit den
ganzen Lobeshymnen eingehe, die er der breiten Meinung nach erhält.
In diesem Sinne, meine lieben Leser, wollen wir also unsere Woche an
möglichst vielen, weiteren Empfehlungen preisen, weshalb die
abschließende Opfergabe eben Hoffnung machen soll, auf das, was noch
in Zukunft kommen möge: Texte über Texte, Bilder über Bilder,
Filmhimmel und Filmhölle wie gewohnt an Ort und Stelle!
DON'T BREATHE - "[...] Dabei ist die Prämisse ein ideeller Nährboden für Nervenkitzel, denn sie ist so ziemlich dieselbe wie jene aus Wes Cravens „Das Haus der Vergessenen“ [...] Gleichzeitig aber verliert der Film an Kraft, wenn er auf seiner konzentrierten Ausgangslage sicke Ideen stapelt und diese in reißerische Impulse münden lässt, die zudem von der repetitiven Neigung zur Zeitlupe unterstrichen werden. [...] Es mag an der Entmystifizierung des Blinden liegen, der bald kaum noch mit Motiven geizt und humanisiert wird, obgleich seine unaufhaltbare Killer-Statur mit scheinbarer Teleportationsfähigkeit ein Fall für den gängigen Slasher hergibt. Logikfetischisten, die im Horror-Genre besonders aufpassen, dürften an solchen Ausfällen ihre helle Freude haben. [...] Nicht, dass die Konklusion viele Überraschungen ballen würde, doch die Kurzweil lässt in puncto Kohärenz und Stil durchaus die Muskeln spielen, während der Kontext zunehmend auf das Duell zwischen Arm und Arm hinweist [...] Ob jedoch emotional irgendetwas davon mitgenommen werden kann, darf bezweifelt werden."
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
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