SPETTERS - KNALLHART UND ROMANTISCH
- Sich die Zukunft in der
Gewöhnlichkeit verbauen oder für die Zukunft brutal Vollgas geben:
In Paul Verhoevens schonungslosem Portrait der 80er-Jahre-Jugend
Hollands ist das Leben via Provinz nicht unbedingt eins mit besten
Aussichten, der Weg hinaus sodann die Grundspannung schlechthin.
Dennoch bringt die Startphase noch die Art Milieubetrachtung auf, an
welcher der Spaß in der Nacht, mit Moped sowie netten Mädels zur
Disco und wieder zurück, gegeben ist. Ganz unproblematisch wird es
aber da schon nicht, wenn die jugendlichen Protagonisten Rien (Hans
van Tongeren), Eef (Toon Agterberg) und Hans (Maarten Spanjer) zum
Weiberaufreißen große Töne spucken und dennoch als Schlappschwänze
agieren, manch Schwulen auf der Straße aufmischen und sich auch so
im Alltagsumgang deftige Sprüche wie Kinnhaken setzen. Zum
Profilieren braucht es offenbar ein bisschen verstärkt HP und
Testosteron im Kleinstadtmief, denn was hat man sonst zu bieten? Die
Halbstarken suchen sich also ihre Ziele dort aus, wo sie ihr
Mindestmaß an Erfahrung einbringen könnten: In der Werkstatt Muttern
drehen, Kneipen aufbauen statt aufmischen, Motocross! Gerade
hinsichtlich letzterem könnte man ja eines Tages so ein Champ sein
wie Gerrit Witkamp (Rutger Hauer), doch solange gibt’s noch
Rangeleien unter Machos in audiovisuell entsprechend brutaler Manier,
erst recht, wenn waschechte Rockerbanden Schädel mit Backsteinen
einschlagen wollen. Löhnen für Fleischkroketten wäre für die auch
nicht drin, wäre da nicht die handfeste Fientje (Renée Soutendijk)
als „Frittentorte“
vom Wohnmobil-Imbissstand am Start, mindestens genauso knallhart wie
die New-Kids-Vorläufer
drauf zu sein.
Sie wird schnurstracks der Schwarm für
jene krassen Bengel, doch so locker wie die dafür ihre ohnehin schon
wackeligen Beziehungen flöten lassen würden, macht auch sie klare
Ansagen: Geld und Erfolg müssen im Gegenüber drin sein, sonst
braucht sie sich mit dem Typen gar nicht zu beschäftigen. Das ergibt
für den Film auch Chancen, nicht nur an einem Charakter dran zu
bleiben, somit Ängste sowie Hoffnungen jenseits der
Hau-drauf-Boys-&-Girls-Oberfläche zu erforschen, wie sie sich
grundsätzlich binnen der Erfahrungen an Ungewissheit einen und
gleichsam nach Liebe eifern. Ganz bitter wird es da u.a. für Rien,
inwiefern sich seine Träume in Luft auflösen und die Gemeinschaft
ihn nur vom Äußeren her helfen oder Heilung versprechen kann,
während sein Inneres nicht mehr für sich selbst einsteht, nicht
mal die Grundbedürfnisse des Beischlafs zu erfüllen vermag. Das
könnte trivial klingen, aber das Selbstverständliche hat eben nicht
in nur in jenen Gefilden Gewichtung, wenn die Überholspur zum Zenit
wird. So viel wird dort aber auch sicher: Heilig ist erst recht
nichts daran, so wie man dazu auch Eef's Familienverhältnisse
beobachten darf, in welchen Herr Jesu eingeprügelt wird, wenn dem
Vater mal wieder etwas nicht passt. Am Leiden der Welt war die Jugend
eben stets beteiligt und so kommen auch untereinander
Machtverhältnisse zustande - da reicht schon ein Blick auf den
hiesigen Umgang mit dem Wesen Frau, immer irgendwie am unteren Ende
der Fahnenstange bugsiert, via Jugend und Körper erst zum Vorsprung
zugelassen. Verhoeven schaut sie allerdings durchweg auf Augenhöhe
an, empathisiert das Opfer im erbarmungslosen Spiel an Liebe und
Chancen, teilt Entblößungen dann auch zwischen Brüsten und
Schwänzen auf, gefolgt von noch stärkeren Einbrüchen im Konflikt
der Geschlechter.
Er
kokettiert darin durchaus mit Tabus und der Provokation des Konsens,
so wie er sodann auch sein Spiel mit der Kirche treibt, dem späteren
„Vierten
Mann“ nicht unähnlich Symbole extremisiert ausstellt, im
Untergrund der Seele erst ihre Wurzel entdeckt. Was dadurch sodann
aber auch deutlich wird, sind die Scheren zwischen Schuld und
Unschuld, Ausbeutung und Anbiederung, Liebe und Hass, die allesamt
zum Wandel ansetzen und die Persönlichkeit des Individuums
offenbaren, was jenes zum Schutze des Status beengter Möglichkeiten
bekämpfte - „Spetters“
halt. Das bedeutet, die innere Einsicht geschieht hier im Raunen der
Maschinen, bei flapsigen Flirts sowie Schlägereien zwischen
Flachland und Supermarkt, Graffiti und Leder; frisch, bunt und gern
verdorben, wie auch der Frust einwirkt, zwar den Harten heraushängen
lässt, den Schmerz oder gar die Faszination zum Unerreichbaren/Vorbild/gleichen Geschlecht
der Kamera gegenüber aber nicht verheimlichen kann. Das Netz an
Beziehungen nimmt da diverse Verzweigungen und Verlängerungen für
auf, bleibt dennoch authentisch auf Zack, locker beim (meist auf
Vorteil hinarbeitenden) Sex und doch deftig beim Verbrechen, sofern
sich zwischendurch noch am Ehrgeiz versucht werden darf und meistens
doch im Tal der Enttäuschungen landet. Das fängt meistens schon
beim Grundgerüst der jeweiligen Karren sowie derer Sponsoren an, so
wie das Erreichen eines Status
Quo der Zufriedenheit
ein Krampf an Bedingungen bleibt. Zufriedenheit wäre unter diesen
Bedingungen ebenso kaum die Grundlage für guten Filmstoff und so ist
auch diese raue Bestandsaufnahme Paul Verhoevens auf einem reizvollen
Grad zwischen Magengrubenperforierung und Herzenssache, um die
wesentliche Straße der Güte zu finden.
DEAD OF NIGHT - NACHT DES TERRORS
- Posttraumatische Belastungsstörungen im Rahmen eines Horrorfilms
zu thematisieren - das würde durchaus in unsere Ära passen, doch
ein Bob Clark war schon vor über vier Jahrzehnten dabei, das
Schicksal der Heimkehrer aus Vietnam im Leben danach via Genre-Pfad
anzupacken. Das Monster, das dabei aus dem einst so netten und jungen
Menschen Andy (Richard Backus) geschaffen wird, hat das Töten
gelernt und doch mag niemand wirklich glauben, dass er sich verändert
hat - es wird sogar verklärt, bis der eigene Vater in ihm einen
Feind sieht. Die Einsicht kommt vom bornierten Patriarchen Charles
(John Marley aus „Gesichter“)
her sogar durchaus früh, doch das Eingeständnis des elterlichen Versagens
gegenüber Autoritäten und Öffentlichkeit bleibt - wie eben binnen
der damaligen Regierung - gehemmt als Schatten der Schuld hängen, ehe
der Frust zur Waffe greift. In solch einer brüchigen Behütung der
Unkenntnis, wie solch eine, welche die Provinz mitten in Lousiana für
dieses Narrativ darstellt, ist diese Form der Verarbeitung scheinbar
nicht zu vermeiden, jedenfalls so wie Clark jene Vergangenheit in
Wirken und Atmosphäre seiner Charaktere suggeriert. Die familiäre
Struktur kommt daher im Verlauf auch verstärkt zum Konflikt mit den
mütterlichen Impulsen seitens Mama Christine (Lynn Carlin, sodann
auch John Marleys Partnerin aus „Gesichter“), je sorgsamer und
gleichsam blinder das Gute im ehemaligen Kinde erhalten bleiben soll,
die inneren Probleme stattdessen eher der Wiedergewöhnung
angerechnet werden.
Der Kampf um die ideologische
Vorherrschaft verliert sich jedenfalls genauso wie Andy im Dunkel des
Dickichts, das aus Sumpf und Kleinstadtgrün ein Äquivalent des
Kriegsdschungels aus Fernost erschafft, wenn die Nacht anbricht. Der
kollektive Schock sitzt tief bis in die Schatten des Eigenheims
hinein, selbst zu später Stunde mit solch Knalleffekt illuminiert,
dass sich nicht einfach über die Umstände hinweg schlafen lässt. Das
Wachkoma bricht hinein, wie man es schon dem eigentlich als tot
gemeldeten Andy ansehen möchte, doch Jack McGowans Kamera schaut -
bestimmt nicht gerade zufällig - mehr als oft gerade unscharf
genug auf alle Charaktere, so einvernehmlich die Freude über Andys
Rückkehr einer Lethargie aufgrund seiner Distanziertheit weicht.
Der Alternativtitel „Deathdream“ wird da symptomatisch und
die Ambivalenz der Gefühle pendelt sodann auch vom reellen Spektrum
ins Surreale, bezeichnenderweise je greifbarer sich die Gewalt im
Soldaten offenbart und daraufhin beteuert wird, dass Sohnemann doch
keiner Fliege was zuleide tun könnte und dass Herr Vater sich als
Veteran zu seiner Zeit ganz anders nach Kriegsende verhalten hätte.
Die Dimensionen des Leidens lassen sich aber nicht pauschalisieren,
umso finsterer setzen sie sich hier ins Grauen um, das dem Blut nach
handelt und kaum noch Freunde sowie Familie unterscheiden kann, fürs
Töten fremd geworden ist, so wie es bereits die Unmenschlichkeit mit
Blei verteilen musste.
Die Furcht findet
ihre geradlinige Genre-Entsprechung in jenem eingeladenen
Unwesen, doch die bittere Metamorphose vom Gegebenen ins Verstörte
lässt sich auch so in ganzer Heimeligkeit nachspüren, wenn Andy
stumm im Schaukelstuhl die Wände anstarrt, binnen seines Traumas
keine Liebe erwidern kann sowie den Schmerz hinter Sonnenbrille und
Lederhandschuh versteckt. Insofern ist Andy auch nicht bloß ein
übernatürliches Instrument des Todes, sondern ist sich bewusst,
dass er wie schon einmal zuvor von ihm eingeholt wird - die Folge ist
der Drang zum Überleben, übrig geblieben als Instinkt ohne Moral
und Ideologie, der sich schon bemühen muss, selbst nur rudimentär
an die Vergangenheit anknüpfen zu können. Doch Wandlungen und
Schmerzen können sich nicht auf die Dauer unterdrücken lassen,
zerfressen Individuum und Familie, so wie Krieg nie bloß eine Seite
trifft. Bob Clark zeigt, dass das Menschliche verloren, vom
Todestraum ummantelt wurde und zum Wiederaufbau Verständnis
benötigt, nicht noch mehr Gewalt oder gar Urteile, die manche Morde
billigen und andere gleichsam bis zum Entsetzen kriminalisieren.
Clark's Horror entzieht sich gewiss keiner Ironie, doch die
Widersprüche werden eins im universellen Schicksal des Sterbens, ob
nun jenes der Vergangenheit, Familie, Unschuld oder Liebe. Die Last
des Umgangs damit lässt er mit Blick auf seine Eltern ebenfalls
nicht aus den Augen, die leidende Trennung der Generationen und
Erfahrungen erkennt er gleichsam intensiv an, womit er die
Spannung bis ins Grab hinein zieht, auf dass alle an ihr teil haben.
Es tut weh, aber es muss sein.
ENTSCHEIDUNG IN CARTAGENA - Ein
Springteufel in Filmform erwartet einen, wenn man wieder mal unter
italienischer Flagge in den Dschungel blickt und deren Variante eines
Action-Abenteuers anno 1987 serviert bekommt. Der leider sonst kaum
als solcher aktive Regisseur Tommaso Dazzi wandert offensichtlich
entschieden auf den Spuren von Indy Jones, Romancing the Stone
und Co., doch in seiner Low-Key-Variante sorgt das mit
menschlichen Mitteln schon ungewohnt in Bewegung gesetzte
Tropenpulverfass für genügend Verwunderung, ehe einen der große Faktor
Fantasie wie ein Blitz trifft. Letzteres Detail sollte man vielleicht
nicht an dieser Stelle ausplaudern, so unverhofft und voller
Selbstverständnis es die Hirnschmelze auslöst sowie umso herzlicher
zu empfangen ist, so leichtfüßig der Film sein gesamtes Prozedere
aufnimmt. Man möchte es ja gerne bei jedem Werk des Zelluloids
sagen: So etwas hat man noch nie gesehen - und Dazzis Film bedient
jenes schöne Kriterium schon, sobald er von seinem
Easy-Listening-Pop karibischer Coleur aus in die Sklavenwelt
der Diamantenbuchten von Kolumbien einsteigt, plakative Räudentypen
aufspülen lässt, aber auch klar macht, dass der üble Sanchez (mit
Ansteckblume im Jackett und Hass gegenüber Zigarrenqualm) jene
Vormacht anhand einer abbezahlten Konzession bald verlieren dürfte.
Wer dafür zu sorgen hat, weiß es in diesem Fall noch nicht, doch der Film schneidet schnurstracks nach New York, wo auf den Bühnen dieser Welt natürlich Shakespeares Romeo & Julia geprobt wird, wobei Hauptdarstellerin Vanessa (Barbara De Rossi) von den blöden Anmachtouren der Männerwelt die Schnauze voll hat, weshalb es ihr gerade recht kommt, als Erbin in Kolumbien einen Anspruch auf oben genannte Diamanten zu haben, sollte sie die Konzession löhnen können. Dort jedoch stellt ihr lange vermisstes Halbbrüderchen Paco klar, dass sie eine Summe von 10000 Dollar anleiern müssten - schon im nächsten Augenblick kriegt Matrose Francis (Franco Nero) genau solche Mengen an Moneten überreicht, mit welcher er sich eigentlich eine Bar in Tahiti aufbauen will. Doch alles kommt erstens anders und zweitens als man denkt! Ein Stein fällt in diesem Drehbuch direkt auf den anderen, so fern alles auch voneinander liegt, weiß manch einer über die langfristigen Vorteile Bescheid, obgleich der Zufall stets so irre zuschlägt, wie Dazzis Erzählung davon unnachgiebig in Bewegung bleibt. Seine Charaktere lassen sich da gerne vom Inneren her schon dementsprechend zum Impulsiven verleiten, ohne von Vornherein große Erklärungen von sich dazu abzugeben, solange Reichtum und individuelles Recht an der Spitze des Verlangens stehen.
Doch auch Dazzis Steadicam liefert Verknüpfungen im ständigen Strom jener Kameratechnik, die hier gefühlt 70 % der Optik ausmacht, zusammen mit den teils wahllos eingeworfenen Synth- und Ethno-Beats beinahe auf einen frühen „Birdman“ schließen lässt. Ohnehin kommt der Film nach seinen beginnenden Abschnitten aus verschiedensten Richtungen beinahe per Echtzeit in Fahrt, wenn man sodann sieht, welches Tagespensum zurückgelegt wird, um Diamanten und Knete einzusacken, wofür eine Jagd per Bus, Moped, zu Fuß, etc. nach der anderen aufgewendet wird. Die Geradlinigkeit daran baut das Grundgerüst der „Fury Road“ Jahrzehnte vor ihrer Fertigstellung auf, so wie Francis auch stets der Griesgrämige bleibt, der sein Hab und Gut nicht nur vor Sanchez' Gang, sondern auch vor Vanessa und Paco zu schützen versucht, obgleich er letzteren im Verlauf zwar unfreiwillig, aber eher zur Hilfe kommt, sofern etwas dabei für ihn raus springt. Eigentlich kann er auch nicht von der hübschen Dame an sich lassen, doch Nero kann in dieser Rolle so oder so - für ihn ungewohnt - nimmer locker bleiben, gleichsam on the road lässt eben auch Dazzi von der Bremse.
Obwohl jener zwar durchaus Konventionen des Genres abarbeitet, familienfreundlich Kabbeleien, Streitereien und Schuftereien unter glühender Sonne im Grün abfetzt, wie es kurzweiliger nicht durch den Nachmittag führen könnte, ist die inszenatorische Auflösung einzelner Aspekte doch so abwegig, im Drive verloren und locker flockig zwischen sexy Tänzen, schwitzig durchgeranntem Lokalkolorit und scheinbar spekuliertem menschlichen Verhalten ausgefallen, dass man es einem Außenstehenden nur schwer erklären kann - nicht mal „Topline“ mit Franco Nero reicht da als Referenzwert. Kindliche Logik sowie eine noch weit naivere Dramaturgie, nicht allzu viel Macho, aber dafür einiges an starken Running Gags sind da mit inbegriffen, die sich alle nicht verstärkt was aufeinander einbilden, umso drolliger das Glück suchen und es sogar wortwörtlich im Spiegelbild finden - nur nicht so, wie es sich schwarz-auf-weiß liest, das stellt ein Dazzi sicher, wie er ohnehin einige nett gemeinte Eindrücke zu verstrahlt in die Sonne stellt. Da explodiert manch Fass an Explosives, manch Romanze im Fest der Anakonda sowie manch Regelwerk im Voranpeitschen der Plot-Elemente und die Synchro-Zwischenrufe sind da ohnehin immer in Hörweite. Wie leicht das einen auf Touren nimmt und doch stets mit ungelenker Dynamik vor die Kokosnuss haut: Könnte es sonst wie schöner sein?
JEANIES CLIQUE - Adrian Lyne,
nicht das erste Mal an dieser Stelle vertreten (siehe „Flashdance“),
hatte wie jeder von uns sein Debüt, nur sind wenige davon derartig
bezeichnend für Ästhetik und Dynamik des Gesamtwerks eines
Künstlers, wie es „Foxes“ (so der Originaltitel)
repräsentiert. Die blanke schweißtreibende Erotik binnen des
Musikclip-Chics ist ihm hier noch nicht vergönnt, wie sie schon im
Nachfolgewerk ihren Einschlag fand, unabhängig davon ist Sex nicht
ohne Grund bereits ein Thema in diesem seinem Teenie-Trüppchen der
Spät-70er-Generation von Los Angeles. Als Coming-of-Age-Querschnitt
baut sich allerdings auch ein ganzer Haufen an Problemen,
Alltagsstress und gelegentlichen Fetzigkeiten auf, so wie die vier
Mädels Jeanie (Jodie Foster), Annie (Cherie Currie von den Runaways
und dem Bandnamen alle Ehre machend), Madge (Marilyn Kagan) und
Deirdre (Kandice Stroh) in eine ungewisse Zukunft jenseits der High
School blicken. Jener Schulapparat an sich kommt komischerweise
ziemlich kurz, stattdessen sind andere Störfaktoren beständig an
der Gefühlsreibung beteiligt, wobei diese auch dramaturgisch nicht
bloß eine Dame aus vier belasten. Ein bisschen zerfahren (also nicht ganz so fließend wie „Spetters“) kann es aber
schon wirken, wenn beinahe kapitelweise die Belange einzelner Girls
von der gesamten Gruppe und insbesondere Jeanie betreut werden, was
sich ungefähr so aufteilt, dass Annie als Sorgenkind auf der Flucht
vor Bullenvater und Co. mit Drogenproblemen sowie unangenehmen
Gulli-Boyfriends und Pimps (wieder mit Ansteckblumen!) vielerlei
Sorgsamkeiten empfängt, während das
Stille-Wasser-sind-tief-Schicksal um die schüchtern-suburbane
Brillenträgerin Madge an zweiter Stelle steht - Deirdre hat da fast
gar nichts zu melden.
Nicht, dass die Balance darin an Kurzweiligkeit
mangeln würde, doch Lyne schafft hier noch nicht ganz den Dreh zur
Dringlichkeit, wenn er auch eine Dreieinigkeit via Jeanies
persönlicher Umständlichkeiten ergänzt. Die pendelt nämlich mit
Truck-Karre und Buddies den Hollywood Boulevard hoch und runter, um
bei einem der geschiedenen Elternteile unterzukommen, träumt derweil
von der eigenen Bude inklusive Unabhängigkeit für ihre ganze Gang.
Schlicht alles nach Lust und Laune tun zu können, ist das Ziel
schlechthin und gleichsam wechselhaft versucht sich ein jeder hier
schon durchzuschlagen, ob nun im Minijob oder in der Liebe, vor dem
nächsten Konzert die Partner tauschend, je nach Mood eben eine neue
Platte auflegend und ansonsten ohnehin stets die nächstgelegene Fete
im Blick. Die jungen Leute von heute lassen wie
eh und je nichts anbrennen, doch Lyne zeichnet sie stets in einem
Rahmen der Unschuld, allen voran anhand von Skateboard-Kid Brad
(Scott Baio) ums Knutschen bettelnd, aber dem Alter entsprechend doch
öfter in der Friend Zone spielend. Drum herum schäumt das
Zeitkolorit durch die Quasi-David-Hamilton-Blende, aber so schnittig
im Tempo wie eine Vorankündigung zum kommenden Jahrzehnt, bunt und
auf die Mucke genau montiert, mit Zwischeneindrücken irrer Hunde auf
den Straßen und auch dann audiovisuell pulsierend, wenn freches
Flirten im Supermarkt angesagt ist. Ist das beruhigend, wenn Lyne da nur
einmal den Po-Backen der Jeanshosen zublinzelt? Ansonsten legt er den
Fokus nämlich eher auf Fun & Frust des weiblichen Daseins in den
Entscheidungsphasen zwischen Jugend und Reife an und geizt sodann
auch nicht mit knallharten Aussprachen und Schlägen, selbst unter
Mutter und Tochter, wie locker oder fest Beziehungen geführt werden,
wie viel Verantwortung zugetraut werden kann oder belastet, wie man
trotz alledem unter Freunden wie Familie zueinander hält.
Dafür
lässt Lyne gleich auch mehrere Gruppierungen dieser Gedanken
kennenlernen, zwar hauptsächlich unter typisch weißen Mädels, aber
gleichsam universell in einer nur scheinbar gesicherten Mittelschicht
eingelagert. Zankereien mit Geschwistern sind da an
der Tagesordnung wie auch geheime Liebschaften, peinliche
Müttersprüche, übertriebene Lehrerfratzen und das Nachtleben per
Anhalter (siehe auch „Raus
aus Åmål“). Drehbuchautor Gerald Ayres geht neben diesen
geläufigen Beobachtungen bis zum Schluss zudem durchaus etwas
gestresst aufs Ganze, vielerlei Zeitgeist-Menschenmodelle einzubauen,
die eher Spießerängste ballen als dass sie eine Funktion der
Varianz erfüllen. Andererseits packt er auch den Chill-Faktor aus,
wenn die Lupe neben der Spur zur Chemie unter Menschen angesetzt wird
ohne durchweg Absehbarkeiten wie Happy Ends und andere
Naivitäten zur Entlastung anzubieten. In einem auf „Jacob's
Ladder“ vorausschauenden, befremdlichen Schnitt zum Schluss hin
wirft Lyne sogar Emotionen durcheinander, wenn aufs blutkeuchende
Sterben die Hochzeit folgt. Vergänglichkeiten treten hier zum
Vorschein, wie sich unter den Beinahe-Frauen das Bewusstsein ums
eigene Ich ebenso verstärkt bemerkbar macht. Das klingt nach
Standard, das Ensemble jedoch redet sich voller Natürlichkeit
ständig ins Wort, während Lyne regelrecht Action draus macht, ehe
die Karren der Unschuld wirklich noch ein Todesrennen wagen und dabei ohne
Bullerei auskommen müssen. Wie denn auch jenem Alltagsfeind anvertrauen,
wenn die Teens (allen voran Annie) im Zwist mit der Autorität stehen
oder diese für sich selbst suchen? Es bleibt spannend im Jugenddrama
und Adrian Lynes Einstand voll spruchreifer Slice-of-Life-Episoden
ergibt da keine Ausnahme.
ONNA GOKUMON-CHÔ: HIKISAKARETA NISÔ
- Kann ein Film seine Würde bewahren, wenn er die Leiden des
weiblichen Geschlechts im Verlauf der Jahrhunderte thematisiert, aber
eine schamlose Exploitation voller Sex und Gewalt drin
aufbaut? Die Frage darf man sich oft und gerne in der Betrachtung
japanischer Pinku-Eiga stellen, so direkt Sadismus und
Vergewaltigung in den Vordergrund rücken, die Hölle auf Erden im
Rausch der Sinne und mit barer Haut vorführen. Die kulturellen
Hintergründe dazu haben ihre Berechtigung wie jede Ableitung des
Grand Guignol im Ausdruck menschlicher Erfahrung und der
Zeitgeist anno 1977 tut da sein Übriges, doch es wäre im Falle von
Yûji Makiguchis Film, der international wohl auch unter dem Titel
„Nuns that bite“ firmieren soll, etwas naiv gedacht, die
voyeuristische Absicht an mancher Frevelei zu verklären. Die freche
Ausbeutung nimmt in der Kürze von knapp 69 Minuten Laufzeit ohnehin
einen guten hohen Prozentsatz ein, vieles daran stellt sich aber auch
als kecke Provokation heraus, die im Verlauf nicht bloß der
Stimulierung dient, sondern gleichsam dramaturgische wie filmisch
reizvolle Eskalationen ballt. So begegnet man also (nicht zum
einzigen Mal) bei Schneefall der flüchtenden Omino auf dem Weg in
ein Kloster, das sie vom Stigma der Prostitution lösen soll - manch
Untertauchen mit dem Kopf ins Flusswasser soll da schon vorbereiten.
Im Strom aus Gegenwart und
Vergangenheit binnen dieses Mittelalterszenarios ist die Mühsamkeit
ihres Seins von sie drangsalierenden Kerlen gezeichnet, darunter
nicht nur selbstgerechte Kerle, die schlagen, aber keinen hoch
kriegen können, sondern ebenso solche Meister im Spucken großer
Töne, die ihrer eigenen Haut willen ehrliche Abmachungen verraten.
Das Vertrauen in die Männerwelt, ihren keifenden Sprüchen und
Blicken, hat dann auch unter ehrlicheren Seelen zu leiden, so wie auf
diese alsbald die nächsten Schwerenöter wie direkt aus Ingmar
Bergmans „Jungfrauenquelle“ folgen. Das Kloster verspricht
die Rettung, doch bei aller Freundschaft präsentieren sich im
souveränen Panorama-Format schon früh unheilvolle Eindrücke von
der Hölle, ganz die „Jigoku“
fürs Selbstverständnis der Qualen geöffnet und sodann nicht weit
von den ersten unheilvollen Stimmungen unter Nonnen. Da mag es
durchaus an den recht lockeren Bass-Tönen des Soundtracks liegen -
welche sich fortan noch mit Drums und Wah-Wah-Pedalen vereinigen
werden -, dass Makiguchi weniger auf einen aufgeregten Nervenhorror
aufmerksam macht, sondern mit selbstverständlicher Energie in die
Untiefen des zwischengeschlechtlichen Konflikts schaut.
Stellvertretend dafür scheut die kleinste unter den versammelten
Frauen, Osayo, sodann auch keinen Blick auf vielerlei eintretende
Gräueltaten - dem Schweigen dazu ist sie ebenso nicht abgeneigt wie
sie auch jenseits von Intrigen den Weg zur nächsten aberwitzigen
Hysterie weist.
Der Grund dafür liegt in einem Inferno
der Erinnerungen, dessen Funken erst zum Schluss entflammt und die
davor geschehenden Extreme nicht etwa relativiert, sondern motiviert,
wohl kaum aber ihren Schrecken entlastet, erst recht nicht das
Vergnügen an lauten Schauwerten daran raubt. Nichts ist nämlich
heilig an jenem Ort der kollektiven Einsamkeit, so frei man Moral und
Gerechtigkeit für eine Enthemmung der Sexualität liest und jedwedes
männliche Pendant zum Abschuss freigibt, um diese von der Welt zu
tilgen. Für wahr wirkt hier ebenso das Rape-&-Revenge-Prinzip
in seiner ultrafeministischen Form, wenn sich Omino nach einem Anlauf
der Skepsis zur ausgleichenden Folter hinreißen lässt. Jene
Wechselwirkung wird aber weder ein Freifahrtschein für exzessive
Gewaltverherrlichung noch im narrativen Sinne für eine
Aug'-um-Aug'-Rache Ominos, obgleich sie vorher schon von der weit
finstereren Seite der Medaille mitkriegt, die vom Überraschungsmoment
her allein sehenswert ist. Dazu gesellen sich noch weitere Eindrücke
vom psychedelischen Wahn der Körpergeißelung hin zum
Schulterschluss von Mütterlichkeit und tödlicher Hypnose, direkt
aus der Zitze angenuckelt und mit Rosenkranz Richtung Würgegriff. Im
Fluss nebenan tummeln sich dann auch schon Leichen und wer glaubt
schon, dass das Fleisch von einer Sau kommt?
So bleibt ebenso noch zu raten, wer
welches Haustier umbringt, wer mit wem schläft, wie viele Manöver
der Missgunst aus dem himmlischen Hedonismus gezogen werden und wie
lange die scheinheilige Brutalität mitten in der Schönheit des
Tales verheimlicht werden kann, sofern die hormongesteuerten
Räuberbanden drum herum nicht schon die Unschuld versalzen haben?
Bleibt dann noch ein Unterschied zwischen den Selbstgerechten, der
Ausbeutung; wird die Heldin nicht auch Mörderin und hinterhältig
dem eigenen Überleben wegen? Selbst in diesem funkigen Rahmen
ansprechend fotografierter wie montierter Bösartigkeiten wird die
Geschichte der Menschheit und ihrer Wechselwirkung an Grausamkeiten
greifbar („Dead of Night“ lässt grüßen), ehe die
Flammen an Leidenschaft wiederum jene verbrannte Erde hinterlassen,
auf der Frau wie Mann ihr Blut opfern müssen - nicht nur durch die
Gewalt eines Gegenüber, sondern schon in der Regelblutung.
Makiguchi-san nimmt in seinen ideologischen Gesten wirklich kein
Blatt vor Mund und Objektiv, doch taktlos arbeitet er sich genauso
wenig durch seinen flotten Reißer voll unmoralischer Moral. So
diffus darin die Grenzen verschwimmen und sich zum Spektakel aus
Libido und Enthauptung verhärten, in beiden Fällen das Fleisch
zucken lassen und die Schönheit des Schmerzes ansengen, lässt diese
Exploitation mit fieser Note keine Fragwürdigkeit und Freude
aus. Doch diese Nonnen beißen auch nicht ohne Grund hart, aber
herzlich zu.
THE ASSASSIN - "[...] Die forcierte Sedierung des Wuxia-Plots gängigster Form erschlägt zudem mit Massen an innenpolitischen Details, die genauso wie Anekdoten aus der Vergangenheit unseres Ensembles in aller Fülle nacherzählt werden müssen, anstatt sie (gerne auf kreativem Wege) zu zeigen. Die resultierende emotionale Distanz geht sodann einher mit einem Mangel an Stimmung, der größtenteils als Natürlichkeit von der strikt nüchternen Sorte vorherrscht. [...] Zur Verinnerlichung eines moralischen Konflikts oder kontemplativer Ambivalenzen reicht die Inszenierung jedenfalls nur bedingt, hält sich vage und teilnahmslos, bis einige Impressionen doch die Poesie von Stille, Ehre und Gnade vervollständigen und nicht bloß das blutleere Prozedere altertümlicher Politik in den Fokus rücken. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
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