VOR DER MORGENRÖTE - Manchmal darf man das ja ruhig
festhalten, wenn die filmische Umsetzung einer historischen Biografie
weder auf Klischees setzt noch binnen einer Verkünstelung der
Steifheit anheim fällt. Maria Schrader gelingt sodann eine
Beobachtung zum Autoren Stefan Zweig (Josef Hader), welche sich nicht am
rein Äußerlichen abarbeitet, Pathos und Bestätigung bedienen
möchte, im Gegenzug auch keinerlei Behauptungen aufstellt, das
Innere jenes Mannes entschlüsseln zu können und die Tragweite seiner
Werke auf das Intime herunter brechen zu wollen. Vieles an „Vor
der Morgenröte“ erscheint stattdessen beiläufig,
dramaturgisch kaum auf von Vornherein bestimmte Nenner gebracht und
doch in jeder technischen wie empathischen Hinsicht bezeichnend für
einen Zustand, dem Zweigs Persönlichkeit im Exil nicht zu entkommen in der Lage ist. Vor
dem Nazi-Terror auf der Flucht bleibt der zurückgelegte Weg nie
hinter ihm, genauso wenig Mitmenschen wie auch die unvermeidliche
Ungewissheit vor der Zukunft. Der Empfang in Brasilien zum
internationalen Literaturkreis lädt zum Neuanfang ein, zum
Treffpunkt vielerlei Kulturen für eine Sache, so selbstverständlich
friedlich untereinander vereint, wie Zweig und Kollegen ebenso damit
hadern, das Grauen selbst aus der Entfernung als Politik beurteilen
zu können, so nah es Flüchtigen wie ihm noch in den Knochen steckt,
obwohl das Freisein Sicherheit verspricht.
Schon früh zeichnet Schrader eine
offene Wechselwirkung von äußerem Frieden und innerer Verzweiflung,
die sodann keiner externen Emotionalisierung bedürfen, höchstens in
stilistisch konkreten Sequenzen Universalität und Gesichter vorführen. Mehrere
Sprachen, Höflichkeit, Vernunft, Menschlichkeit und Hoffnung
untereinander: So umtriebig die ersten Minuten selbst in einer
starren Perspektive schon mit schlichter Güte zur Tat schreiten,
scheint man gewiss weit entfernt von geißelnden Bildern der
Einsamkeit, wie sie ein Haneke oder Seidl binnen jener Kadrierung
anwenden würden. Der Status der Angst kommt jedoch nimmer abhanden,
so wie Zweig seine Rolle als Mitgefangener des Unrechts auf diesen
Wegen auch stets verinnerlicht, wie ein jeder zwar mit den Umständen
umzugehen versucht, sie jedoch gewiss nicht ausblenden kann.
Regisseurin Schrader braucht dann auch keine Eskalationen und
Entscheidungsmomente in ihren (übrigens enorm kurzweiligen) Kapiteln
vom Weg des Herrn Zweig zwischen 1936 und 1942, um dessen verlorene
Seele verständlich zu machen oder gar eventuell relevante Bezüge
zum tagesaktuellen Geschehen zu schaffen. Die kommen allesamt aus der
Reflexion menschlicher Erfahrung in geduldiger Charakterisierung ohne
Ankündigung zusammen (ein Vorteil gegenüber den mit ähnlichem
Ansatz ausgestatteten „Steve
Jobs“), weshalb sich Schrader auch nicht auf ein exklusives
Gemüt einschwört, vielerlei Faktoren der Freiheit anbietet, die
jedoch von einer unausgesprochenen Vergänglichkeit gezeichnet sind.
Die Gewissheit bleibt Zweig, seinen
Verwandten und Leidensgenossen erhalten, wenn noch soviel
Zurückgelassenes existiert, nach Rettung strebt und im Kreise der
Generationen vor allem nicht vergessen kann. In ausgewählten
Momenten (u.a. mit Barbara Sukowa) bricht jener Schmerz daran
prägnanter aus, als es die sonstige Subtilität des Stoffes eher
vermeidet, doch Schrader mag die Wahrheit genauso wenig ausblenden
wie sie gleichsam eine Entlastung im Zusammensein aufspüren kann,
die in sich dennoch die Entkopplung der eigentlichen Sicherheit in
sich trägt, Umgewöhnungen begegnen lässt sowie die Vorzeichen des
Üblen auf einer familiären Vorsicht der Bescheidenheit zum Alltag
trägt. Mitten drin dabei: Hunde, bedingungslos zutrauliche Freunde
des Menschen, die keine Ideologie kennen und nicht dauernd das
Weltverständnis vor Augen haben müssen, dem sich Zweig sowohl als
Erdenbürger als auch Künstler nicht verweigern kann, so sehr der
Wunsch ihn auch zur Natur führt. Dieses Verhältnis eines
Zwischenlebens zu durchlaufen, ist für Regisseurin wie Ko-Autorin
Schrader angesichts des bitteren Selbstverständnisses kein Anlass
zur Dramatisierung, mehr für eine Nähe untereinander, wie klein die
Welt doch sein kann, wie sich Gefühle in jenen Perspektiven schüren,
der Unterschied zwischen geographischer und emotionaler Distanz
herauskristallisiert, eben unbemerkt wie eine Bombe einschlagen und
im Nachhinein erst herausgelesen werden kann. Stille und Leben können
nicht ohne einander, das lässt sich hier auch ohne Hinweise
sentimentaler Eindeutigkeiten feststellen, sogar ohne Kenntnis von
Werk und Wirken des Herrn Zweig, das hier weniger ausmacht als eben
die menschliche Erfahrung innerhalb/zwischen dieser Rollen.
THE NEON DEMON - "[...] (Ein) Film, der seine Dynamik stets zur Zeitlupe streckt, ehe der Weg des unschuldigen Opfers zur Schlachtbank nach zwei Stunden vollendet wird. [...] Der Wahn zur Perfektion: Refn fängt an, sein eigenes Wesen als audiovisueller Fünf-Sterne-Koch anzuerkennen und in diesem Rahmen zu reflektieren. Für dessen Sprung ins Wasser braucht es aber auch eben solches, ohne bricht es sich die Knochen. Dementsprechend kurz gedacht scheint Refns schleichende Paranoia des Glamours, wenn sie in der taumelnd bunten Neonröhre aus Marmor, Kleid und Teint das geläufigste Ideal auswählt: Je jünger, desto besser, desto reizvoller, desto zerstörenswerter. [...]"
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
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