Dienstag, 22. Januar 2019

Das Filmjahr 2018 im Rückblick


Liebe Leser,

auch dieses Mal kann ich behaupten: Lange nichts mehr voneinander gehört! Anstatt mich zu entschuldigen, wieso hier ewig nix stand, machen wir’s kurz und im Folgenden sehr lang: Es gab mehrere Stationen der Eigeninitiative anno 2018 zu bestehen, die weiter unten aufgelistet werden – im Gegenzug gestalte ich meinen Jahresrückblick mit derart voller Möhre, dass ihr knapp 20.000 Wörter zu lesen haben werdet. Wenn das mal keine Ansage ist! So muss das eben sein bei einem Jahr, das ständig unter Zugzwang stand und so schnell verging, wie es einen auch mit Extremen fütterte. Allein, wie kurios spitzenmäßig der Sommer ankam und Aktivitäten en masse anstachelte – da gab’s Monate für mich, die jede Woche Schnitt- und Dreharbeiten, stundenlange Spaziergänge, hunderte von Filmsichtungen (auch auf Open-Air-Leinwänden) und Freundschaftstreffpunkte sowieso boten; sogar eine Wochenendreise in den Osten! Wir halten uns an hiesiger Stelle aber nicht im Privaten auf, schließlich gilt es, dem Thema dieses Blogs gerecht zu werden – wie schaute es in der Hinsicht mit diesem Jahrgang aus? Ich wollte zunächst wie die meisten Leute auch pauschal von einem ernüchternden Ergebnis sprechen, wie wenige Besties man letztendlich spontan aufzählen kann - die interessanten Werke lauern einem aber in beachtlicher Menge auf, wenn man das Potenzial des Zwiespältigen ausspäht, Qualitäten abseits der Gefälligkeitsmodelle hervorspringen sieht. Mit denen befasste ich mich am liebsten innerhalb des Jahres, doch es stimmt schon: Ein wesentlicher Anteil des kollektiven Outputs wähnte sich in Mediokrität – oder zumindest muss man es so nennen, wenn man vom Überangebot an klassischem wie Heim-Kino geradezu erschlagen wird, Alleinstellungsmerkmale und known pleasures durchaus auch in breitester Präsenz mit der Relevanz zu kämpfen haben. So kam es ebenfalls dazu, dass ich mich zeitweise der zwangsläufigen Gewohnheitslinien halber auf bestimmte Themengebiete stürzte und am Bingen war – es wurde u.a. (auch im Rahmen der beliebten Filmabende) das Jahr des Klaus Lemke (ich hatte mir sogar seinen verschollenen Moto-Cross vom ZDF geordert) und des Eckhart Schmidt, später gen Herbst eine lange Expedition ins Herz des Hongkonger Kinos, im vierten Quartal sogar noch die Wiederentdeckung des deutschen Reportfilms


Und bei all der Beschäftigung, die viele als übereifrig glotzend empfinden würden, käme trotzdem noch die bottom line heraus: Wie, diesen und jenen hast du noch nicht gesehen? Das wird man gewiss auch an den folgenden Zeilen merken, welche allgemeingültigen (und auch von mir ersehnten) Favoriten noch nicht gesichtet wurden: Der seidene Pfaden, Call me by your name, Transit, Roma, Widows, Searching, A Quiet Place, Bird Box, Halloween, Die Unglaublichen 2, Spider-Man: A New Universe, Suspiria, Ein Gauner und Gentleman, etc. – es geht eben nicht alles auf einmal… Muss man leider auch von den Verleihstrategien insgesamt sagen. Nichts kann wirklich zeitgleich in aller Welt auftauchen, braucht manchmal Jahre, um bis zur Gegenwart durchzukommen und wird teilweise gar nicht mal anerkannt, wenn’s auf Netflix und Konsorten anläuft. Vor allem in letzterer Hinsicht gab’s 2018 allmählich einen breaking point der Legitimation, den ich ebenfalls allzu gerne zum Anlass nehme, wieder schlicht all jene Filme einzubeziehen, die ich in dem Jahrgang sah – also finden sich hier insgesamt solche, die: 2018 ihren Kinostart in Deutschland hatten oder erst dann in hiesigem Heimkino auftauchten, auf Festivals liefen oder ursprünglich noch aus dem Jahr stammen, aber erst später oder teilweise auch gar nicht hier erschienen sind. Wenn man schon echte Diversität (das umstrittenste Thema von allen) vertreten will, muss man sich nicht unbedingt mit dem Korsett zeitlicher Bindungen aufhalten – die Absurdität werdet ihr hoffentlich einsehen, wenn ich zu jedem Film die entsprechende Jahreszahl anhefte. Davon wollt ihr euch selber überzeugen, nicht wahr? Fangen wir doch am besten mal mit den Dingern an, die ich persönlich fabriziert hatte!


In eigener Sache entstanden:




DIE RÄUDEN (Christian Witte, 2018) – In diesem von Computer-zu-VHS-zu-DVD konvertierten Essayfilm von über 100 Minuten Länge vereine ich vielerlei Ausschnitte aus dem gesamten Spektrum der bisherigen Filmabend-Geschichte und lege sie jeweils im direkten Bezug nacheinander an – nicht unbedingt, dass jeder Clip dem nächsten Frage und Antwort steht, aber insgesamt was über die dunklen wie aberwitzigen Seiten des Menschseins erzählt. Insofern ist das Ganze in Kapiteln aufgeteilt, die von der Kindheit an bis zur absoluten Ekstase im Sündenpfuhl reichen; schon früh traumatische Eindrücke der Verrohung erleben und im Verlauf immer weiter von der Unschuld abrücken, wie sich auch die Welt dementsprechend um sie reißt. Der kurze Schwung von Liebe, Tanz und Tierfreundschaft bringt die Enttäuschung der Realität mit sich, infolgedessen eine globale Verlorenheit binnen der Urbanisierung, die für schärfste Hässlichkeiten sorgt – gibt ja genug Genres, die das belegen. Kann man den Teufel besiegen, schafft man es nach Xanadu? Ich hätte es euch allen gerne gezeigt, aber bei der komplizierten Rechtslage macht YouTube schon sperrige Kapriolen, dass es auch nirgends sonst eine Heimat finden dürfte – es sei denn, man fragt mich persönlich an, vielleicht ginge da was!


Eine kleine Sammlung markanter Handyvideos meinerseits - auch so eine Art Werkschau!

DIE ABRISSBIRNEN (Christian Witte, 2019) – Seit meinem letzten Kurzfilm „Geh ins Herz“ sind ja schon einige Jahre vergangen – es kribbelte also wieder deftig in der Schaffenslaune, doch das Ventil kam wieder mal nur über vielerlei Umstände vorbei. Es begann zumindest im Februar 2018, als ich zusammen mit Jannik Tesch einen Gebäudeabriss in Hamburg auf Mini-DV abfilmte – was tun mit dem Material im Nachhinein? Nun, das hat einige Monate gedauert mit der Denkarbeit, ehe eine ganze Handvoll Inspirationen schließlich dazu führten, im Juni zum ersten Drehtag zu gelangen, bis in den November hinein Exposés, Handlungs- und Stilelemente zu ergänzen, an denen viele tolle Leute aus Spaß an der Spielfreude beteiligt waren. Es ist eine Komödie geworden, die aus dem improvisierten (Bau-)Alltag heraus immer tiefer ins absurde Herz der Entmündigung reicht – zeitnah orientiert am politischen Zirkus dieser Tage sowie der Quassellaune am Menschen von Nebenan ohne Haltbarkeitsdatum, auch wenn allesamt hoffentlich als entsprechend ulkiges wie liebenswertes sowie tragikomisches Abbild der Deutschen wirken. Der Film liegt fertig vor, dauert 75 Minuten und ist bereit, in nächster Zeit auf euch losgelassen zu werden, dann reden wir nochmal genauer drüber. Bis denn dann! 



Jetzt aber erstmal zur Einschätzung der anderen Kollegen:


DIE TOP 10 DES JAHRES 2018:

KULENKAMPFFS SCHUHE (Regina Schilling, 2018)

MISSION: IMPOSSIBLE - FALLOUT (Christopher McQuarrie, 2018)

ENDLESS POETRY (Alejandro Jodorowsky, 2016)

HOTEL BY THE RIVER (Hong Sang-soo, 2018)

DIE WOCHE (Robert Smigel, 2018)

PARADOX - KILL ZONE BANGKOK (Wilson Yip, 2017)

A STAR IS BORN (Bradley Cooper, 2018)

SUPPORT THE GIRLS (Andrew Bujalski, 2018)

THE NIGHT COMES FOR US (Timo Tjahjanto, 2018)

THE COMMUTER (Jaume Collet-Serra, 2018)

Ich habe mich dieses Jahr entschlossen, die Reihe der Besten in Glanz und Glorie für sich stehen zu lassen, nicht erst zu versuchen, jeweils eine Entsprechung ihres Wesens zu formulieren. Ich meine nämlich, dass viele von ihnen bekannte Kriterien aufweisen und als Genrewerke eigentlich all das treffend repräsentieren, was Lust und Leidenschaft in mir auslöst, in der stärksten Kunstfertigkeit für meinen Geschmack und sowieso ihren selbstbewussten Willen einstehen. So gesehen gefielen mir besonders Komödien, denen ich authentisch überraschende Pointen sowie einen unbedarften Umgang mit Publikum und Ensemble nachsagen kann – solche, die weniger auf Teufel komm raus mit der technischen Subversion denn mit der Kommunikation auf Augenhöhe locken, gleichsam das Pathos wegstecken und auf die feinen Gesten des Hier und Jetzt wertlegen. Oder aber auch Actionfilme, die ihre schaumännischen Impulse zur Gipfelstürmung menschlicher Erfahrungen anregen, sich in tolldreiste Überwältigungen und Körperschnittstellen winden, moralisch reichhaltige Zugkräfte erster Klasse aufbauen können. Und dazwischen natürlich wie in jeder absehbaren Oscar-Auswahl: Die Passionsprojekte, die mitteilungssüchtigen und gefühlsbetonten Egos in der Reflexion zur Kunst, sprich zur Ausschmückung einer Realität und Geschichte ohne Gnade, in der Märchen wahr werden und doch ständig an ihre Schmerzen erinnert werden, sich untereinander stützen und überstehen, aber selbst in der Scheinwelt Hassliebe und Verluste finden müssen. Das Eigene ist eben auch immer das Irdische, in dessen Kollektiv die Sammelstelle von Gut und Böse wirkt, Zeit verstreichen und nachzeichnen lässt. Gemeinsamer Fort- oder Rückschritt?


Die Frage hat die Menschheit noch immer zu lösen, aber ich möchte auch noch einige weniger vage Eindrücke vermitteln. In diesem Sinne habe ich sodann viele andere Beispiele des Filmjahres 2018 gelistet und besprochen, die in manchen Angelegenheiten besonders herausstechen und auffallen, selbst wenn es sie nicht zu formvollendeten Meisterwerken, aber Herzensangelegenheiten mit Witte-Gütesiegel macht!


Eines der rätselhaftesten Filmabend-Plakate des Jahres


Unverhoffte Qualitätsfilme:

LADY BLOODFIGHT - FIGHT FOR YOUR LIFE (Chris Nahon, 2016)Auszug vom 18. Februar: „Mehr als solide wird hier die bekannte Filmsage vom Kumite (siehe „Bloodsport“, falls Verständnisbedarf besteht) wieder aufgegriffen und mit einer Riege an ausschließlich weiblichen Fighters versehen, bei denen es womöglich am innigsten denn je darauf ankommt, Wut und Güte im Einklang zu bringen – erst recht, was deren Spektrum an nie ganz abgeklärten Geschichten aus der Vergangenheit angeht. […] Bei solch emotionalen Prämissen lässt sich das Simplistische daran nie so ganz abschütteln, der starken Umsetzung dessen wegen ist man trotzdem voll drin, bis zur Konklusion klassischster Katharsis - wobei der erhöhte Reue-Level vonseiten finsterster Seelen nochmals ein I-Tüpfelchen dazu gibt. […]”

POLIZEIRUF 110: TATORTE (Christian Petzold, 2018)Gut, für Petzolds „Transit“ habe ich mir bislang leider noch keine Zeit gelassen, wohl auch, weils mir so ein Hin und Her mit ihm ist, aber diese eigene Note an Krimi hier ging schon in Richtung erster Sahne. Mehr als Homogenisierung des Genres gedacht, müsste man nach einigen mehr oder weniger geglückten Experimenten in jener TV-Landschaft um die eigentliche Geschichte bangen, aber der Krischan weiß das Angenehme mit dem Nützlichen zu verbinden. Er nimmt stichhaltige Perspektiven und vorausahnende Bezüge zum Krimi-Konsens auf, mit seinem Charakterspektrum um Matthias Brandt und der Entdeckung Maryam Zaree an ergebnisorientierten Facetten eines Falls zu überlegen, abzuwägen und insgesamt den (Power-)Dialog zu suchen. Die Grundader der Konventionen liegt schnörkellos offen und geht in den Persönlichkeiten auf, authentischen wie verwünschten Kunstfiguren von Kommissaren, die um alle Eventualitäten wissen und doch keine bloße Süffisanz an den Arbeitsalltag legen können – gottseidank! Genauso verhält es sich mit der Inszenierung in ihrer klaren Balance aus Distanz und Konsequenz, in welcher die Kräfte der Blicke, Worte und ironischen Brechungen vom Spiel her lenken – mehr als jeder demonstrative Wille zum Stil oder dergleichen. Die gegenseitige Annäherung als berufsbedingte Retourkutsche der Menschenkenntnisse/Traumata unter Kollegen macht da gewiss einen Hauptreiz aus, der das Verbrechen einer erschossenen Mutter umso direkter anfüttert, mit Berechnungen des schnell schaltenden - wenn auch vom Privatleben her frustrierten - Gewissens wegen auch Petzolds krasse, aber stimmige Zufallsschläge übersteht (dürfte auch für die Hater von „Phoenix“ einfacher zu schlucken sein). Die Leute gehen ans Herz, die Ermittlung bleibt bodenständig und die Verhältnismäßigkeiten von Gegenwart wie Vergangenheit von Tatorten trotzdem reichhaltig im Gespräch, ob nun auf dem oder abseits des Bildschirms. „Dick und Doof“ durch dick und dünn sowie Referenzen an den „13. Krieger“ im Puff gibt’s noch gratis dazu!

HERRLICHE ZEITEN (Oskar Roehler, 2018)Man hat es nie so leicht gehabt mit den ungehobelt extraprovokanten Werken Roehlers – oft viel zu bemüht mit räudiger Schnauze und rechten Tendenzen kokettierend, im Gegenzug als stilistische Presswurst bundesdeutscher Gefälligkeit langweilend, ging sogar einigen seiner bekanntesten Schlager spätestens zur Halbzeit die Puste aus. Der stählerne Menschenhasser kann nun aber seit langem (also „Fahr zur Hölle, Schwester“) mal wieder stolz sein: Seine Mär von der modernen Sklaverei binnen kölnischer Noblesse zieht mit gezielter Asozialität um die Häuser, lässt Oliver Masuccis Monsterakzent und Katja Riemanns zerstörtes Nervenkostüm im Querschnitt mondänen Afters toben, wenn der Wahn der Wunscherfüllung an der Haustür steht. Der gesellschaftliche Schlund basiert auf einem Roman von AfD-Supporter Thor Kunkel und das liest man auch heraus im Menschenbild des Films an sich, gleichsam binnen der Antiheldenfunktion Masuccis, sich anhand vollkommen selbstgefälliger Herrenrassenschwünge in die Scheiße zu reiten, mit der Männlichkeit im Sack auch Leichen zu hinterlassen. Jene Spirale unheilvoller Überredungen kommt Roehler mit aberwitzigem Sprachgestus und einer mehr als gelackten (zumindest nach Argento ausgeleuchteten) Inszenierung entgegen, bis alle Stände der Vorstadtschickeria ad absurdum abgebaut, im grellen Rotz aus Angst und Testosteron zersägt werden. Wie so oft bewegt er sich in jenen Spektren selbst ganz eng am Rande der Faszination, feiert die Aufgegeiltheit und Manie des Millennial-Ariers, schärft aber erst recht die Sinne auf dessen Lächerlichkeit, wenn die bloßen Vermutungen der Macht so vorschnell vom Ego angepackt werden, dass es im Desaster endet - eine klassische wie zerätzende Fabel der Deutschtümelei.

BATMAN NINJA (Jumpei Mizusaki, 2018)Wenn man auch allmählich die Nase voll hat von den inflationär runtergekurbelten DC-Animationsfilmen, sollte man diesem Ableger mit dicker japanischer Note durchaus mehrere Blicke würdigen – das gestaltet sich gar nicht mal so schwierig, denn die hyperstilisierte Anime-Interpretation des dunklen Ritters bannt auf ganzer Linie. Innerhalb ihrer selbst werden sogar mehrere Traditionen der Zeichenkunst angewendet - vom Abstrakten, Expressionistisch-Poetischen bis hin zum CGI-Cell-Shading-Exzess. Die Steigerung der kulturbedingten Ausstattungslust geht dann auch im Narrativ auf, welches den üblichen Batman-vs.-Joker-Themenkomplex in absurde Spitzen via Zeitkolorit und Kawaii-/Kaiju-Topoi verwandelt, ohnehin sehr stimmig in der Ronin-Mentalität anknüpfen, Comic- und Landesmythen koppeln kann – gerade da prägnante Sequenzen vom Gerechtigkeitssinn fördern, die der erwarteten Effektpalette wesentlich Paroli bieten. Hier macht es eine Menge aus, dass Mizusaki-san’s Studio offenbar viele Freiheiten genoss, eine detailverliebt dynamische Version des Flattermanns aufzupolieren, obgleich er dafür Abstrusitäten in rauhen Mengen anfordert, hardcore fans zur Weißglut treiben kann. Umso besser/gelöster für diesen Rausch der Sinne!


Amy Johnston in "Lady Bloodfight"

BLEEDING STEEL (Leo Zhang, 2017)Jackie Chan hatte seinen Fans in den letzten Jahren einiges an Durststrecken abverlangt, je ungelenker er seine schaumännischen Fähigkeiten ans Festlandchina anzupassen vermochte. Die verkappte Überhitzung dessen im tollen „Dragon Blade“ gab allerdings eine neue Marschroute des All-In-Entertainments vor, die man inzwischen als Vorspiel zu dieser Knalltüte von Sci-Fi-Action bewerten muss. Als würde der Geist der „Fantasy Mission Force“ hier herumspuken, teilt sich Leo Zhangs Film prinzipiell als Genre-Schmelztigel von ungenierter Experimentierfreude mit, der aber stets erzkommerziell abliefern muss, komme was wolle. Und so gerät der Zuschauer in einen Wirbelwind der Stimmungen und kurios verklebten Sequenzen, die u.a. das ausufernde Spektakel des Superheldenfilms mit melodramatischem Polizeidrama koppeln, kurz darauf in futuristische Auftragskilleraction münden und völlig deplatzierte Gags vorfinden, die einen aber genauso wenig auf Schulhof-Lästereien, Vater/Tochter-Sentimentalitäten, ultraklischierte Hood-Homies sowie Hexorzismen in den Slums von Sidney vorbereiten. Ein übergriffiger und mit äußerst seltsamen Pointen ausgestatteter Comic Relief gesellt sich dazu, sodann mit Jackie und Tochter die Welt zu retten, wenn Callan Mulvey als Cyborg-Imperator die Sternenkreuzer aus den Wolken steigen lässt. Dass man da zudem zur Empathie lang ersehnter Wiedervereinigungen und brenzliger Opfer angeleitet werden soll, bleibt im ungehaltenen Strom der Eindrücke bloßes Wunschdenken, lässt die Kinnlade aber durchweg voller Erstaunen runterhängen, wenn man denn nicht zwischenzeitig mit einer Migräne zu kämpfen hat. Was schwellen da die Effekte und Synapsen über, wenn jener Kessel Buntes letztendlich auch noch so mir nichts dir nichts die vierte Wand bricht. Hongkong schafft uns, macht allein schon das Oxymoron im Titel zum Prinzip, ergo muss man es unbedingt mal gesehen haben!

MUTE (Duncan Jones, 2018) - Auszug vom 4. März: „[...] „Mute“ sieht und führt einen permanenten Drang nach Zugang, indes reiht er kunterbunt verzweigte Sets sowie verschlossene Türen, Suchende und Ausgeknockte, sexuelle Freiheit als Unfreiheit unter dem Dach von Kleinst-Appartements. [...] Vieles ist in seinen Augen dann eine Perspektive der Furcht, aber da ist er gewiss nicht allein, wie sich eben viele im Film vor der gesteigerten Unberechenbarkeit des Anderen fürchten, selbst wenn sie es gar nicht müssen. Furcht oder die Gewissheit dieser wird hier nämlich mit Schutz gleichgesetzt, ob nun vom kalten Blick kibernetischer Bodyguards ausgehend, als trollende Handy-Nachricht einer vermissten Liebe bemutternd oder via angeschossenen Gangstern als finanzielles Standbein agierend. […]„Mute“ wühlt die Innereien des gegenseitig leidenschaftlichen Angriffs, wie er in der öffentlichen/privaten Diskussion tagtäglich auftritt, mächtig auf – auch wenn er mit der Dynamik dessen nicht immer rechtzeitig abschließt, an der konzeptbedingten Sprunghaftigkeit auch holprig wirkt […]“

FFC - FEMALE FIGHT CLUB (Miguel A. Ferrer, 2016)Wer sich mit der „Lady Bloodfight“ anfreunden konnte, hat dieser Tage besonderes Glück! Amy Johnston darf hier nämlich ebenfalls von vorderstem Posten aus im Sub-Legal-Tournament austeilen, wobei jene stark choreographierte Genre-Obligation wiederum eher das Ventil für ein spannend verästeltes Ensemble der Verpflichtungen, Zwänge und Selbstverständnisse darstellt. Die gängigen Annäherungen von Prota- und Antagonisten weichen hier sogar einer Ambivalenz in Stil und Spiel, die sowohl den unsicheren Boden im Kampf als auch im Schutz Unbeteiligter füttern. Johnstons Figur kämpft sich für Freunde und Familie zwar selbstverständlich durch, bleibt aber auch immer vorsichtig, ihre eigene Lage einzuschätzen – Verlustängste zeigen sich schon in der Distanz zum Vater Dolph Lundgren, der einem Missverständnis der Gerechtigkeit wegen im Knast steckt und doch irgendwie damit zurechtkommt. Der Film wiegt sich durchweg in solchen und ähnlichen Zwiespältigkeiten und weckt die Hoffnung auf Lichtblicke, Befreiungsschläge im rein femininen Kampfgemenge, die auch trotz des kleinen Budgets audiovisuell sitzen. Das urbane Labyrinth springt einen da schon mal gerne als Neo-Noir an, mit langer Lunte am Herzschlag der Kämpferin nachzufühlen, was man in der Vielfalt der Menschen findet, an Sympathien aufrichtet oder auch ausmerzen muss. Diese aus bescheidenen Verhältnissen kommende, an humaner Größe wachsende Genre-Schönheit ist ein echter Geheimtipp!

I CAN ONLY IMAGINE (Andrew und Jon Erwin, 2018)Dieses Jahr hatte es in sich, höchst tränenreiche Musiker-Biopics aus dem motherland der Vereinigten Staaten anzuleiern. In diesem Beispiel geht es zudem wieder arg christlich geprägt zu, als ob man die Fehler vom „Identical“ (2014) wiederholen wollte. Und tatsächlich herrscht auch hier erneut die Neigung, einen Darsteller für eine Rolle von 16 bis 35 zu nutzen, um den Werdegang Bart Millards nachzuzeichnen - ein texanischer Sonnyboy, der ständig unter dem wütenden Alkoholismus seines Vaters (ein unfassbar intensiver Dennis Quaid) zu leiden hatte, ehe er mit seiner Band MercyMe auszog, den Gospel per Balladenrock zu predigen. Die musikschaffende Komponente mit ihrem raubeinigen Managerkumpel und zig Label-Zweifeln oben drauf gibt allenfalls gewohnte Töne des Schaffensdrangs ab, kann zumindest von einer technischen Souveränität profitieren, die z.B. einem Benny „All Eyez on me“ Boom die Sparstrümpfe reißen lassen würde. Wo der Film aber immens punktet und ausrastet, lässt sich am Vater/Sohn-Verhältnis erleben, das mit derart kalten und garstigen Gesten den Bauernhof des Hasses ausstellt, dass man sich in „Ediths Tagebuch“ zurückglaubt. Quaid zerdeppert sogar Teller auf den Kopf seines Sohnes, wenn er denn nicht schon mit giftigsten Worten der Verachtung und Enttäuschung um sich schlägt, im Suff auf die Hölle spuckt und dem Filius somit reichlich Kraft kostet, dass man als Zuschauer Gänsehaut bekommt. Der Film legt aber immer noch eine Schippe drauf, dass man geradezu vom Glauben abfällt, wie übertrieben hart hier die Töne getroffen werden und im Verlauf sogar noch eine tief sitzende Passion der Vergebung draus fördern. Das lässt Tränen kullern als Meisterklasse kalkulierter Signalwirkungen, hitting close to home wie die Emotionalisierung eines weltbesten Versicherungswerbespots, dass man es danach recht schwer hat, sich noch über die religiös anbiedernde Unbeholfenheit zu beömmeln.

MIDNIGHT SUN - ALLES FÜR DICH (Scott Speer, 2018)In diesem Jahr sah sich besonders ein US-Genre-Regisseur dazu auserkoren, seine Anzahl abgeschlossener Werke nach dem Prinzip japanischer Vielfilmer à la Miike und Sono aufzustocken. Scott Speer, der zuvor schon mit „Step Up - Miami Heat“ punkten konnte, darf sich nun also auch ganze 3 Mal in dieser Ausgabe markieren und fängt dafür mit einer Teen-Romanze fürs Kino an, die in bester Tradition von Love-Stories-mit-Krankheiten wie „Du neben mir“ auf den Spuren von Nicholas Sparks ins Schwärmen kommt. Jener verliebte Impuls trifft Bella Thorne, die hier ausgerechnet mit einer fatalen Sonnenallergie ans Haus oder eben schlicht die Nacht gefesselt ist. Ein Herzblatt hat sie allerdings schon länger im Auge: Der von Patrick Schwarzenegger gespielte Nachbarsjunge! Wenn derjenige auf der Leinwand erscheint, traut man seinen Augen kaum, so blöd es auch klingt: Der sieht volle Kanne wie sein Paps in Jung aus, besonders wenn er lacht! Ein ernsthafter Umgang mit dem Film gestaltet sich dementsprechend schwierig als auch der dadurch etablierten Grundsympathie wegen überflüssig – dies besonders angesichts dessen Rolle des absoluten Schwiegermutterlieblings. Auch so gibt er den perfekten Boyfriend ab: Immer hilfreich, zig zauberhafte Überraschungen in petto und voller Verständnis am Mädel an sich interessiert. Und was hat die alles für unerreichbare Träume, allen voran eine Gesangskarriere. Als ob man eine kindgerechte Variante von „A Star is Born“ vorausschicken wollte, sind die ersten Auftritte und Problementhüllungen nicht weit – noch näher nur die Unmenge aufmunternder Worte vonseiten Patricks sowie die ihres zuckersüßen Dads (gespielt von Rob Riggle!). Die Inszenierung dieses Topoi-Eintopfs gibt insofern den naiven Nachtschwärmer, ohne auch nur die Ahnung eines bösen Hintergedanken im Plüschherzen unsterblicher Momente zu hinterlassen. Insgesamt keine allzu eigene Sache, aber von solch stimmiger bis rausreißender Niedlichkeit, dass man Speer auch gerne in die nächsten Jahrgänge folgt – aber erstmal weiter mit diesem hier.  

15:17 TO PARIS (Clint Eastwood, 2018)Da hatte sich irgendwer verkalkuliert, dem „American Sniper”-Regisseur Eastwood erneut eine militärische Biographie zur epischen Aufbereitung aufzudrücken. So sieht es zumindest der Konsens in dieser Angelegenheit jener Nacherzählung, wie drei normale US-Soldaten binnen ihres Euro-Urlaubs dazu kamen, einen Terroranschlag im TGV zu vereiteln. Man besetzte zudem die wahren Helden als sie selbst, dass sich der automatisierte Drill aus jeder Pore ihres Schauspiels vorquetscht und dabei dann doch irgendwie umso liebenswertere Typen zeichnet. Unterfüttert wird dies mit extensiven Rückblicken in die Kindheit, wo die dramaturgischen Fallhöhen aber so oder so sehr bodenständig/flach ausfallen, vom Schulverweis bis zum kindischen Kriegsspiel reichen, wobei das Engagement derer Mütter tatsächlich die stärkste Projektionsfläche bietet. In der Gegenwart angekommen bleiben den Jungs immer noch Hürden des Selbstbeweises, doch Eastwood und sein Anflug von Cinéma vérité lässt sie hauptsächlich so normal leben und erleben, dass man sich ob der ausgiebig entfalteten Beiläufigkeit verschaukelt fühlen muss. Solch ein Unding macht aber überraschend viel Laune – und nach all dem entspannten Hinauszögern knallt es auch noch gewaltig! Der mehr spontane Horror im Zug lässt seiner vorausgehenden Konstellation wegen erst recht mit dem Trio fiebern und jeden Schmerz so tief nachempfinden wie er auch flott verarbeitet wird – gemachte und dennoch ermattende Zielgenauigkeit. Dass die Muttis danach voller Stolz endlich auf das schauen können, was sie schon immer an Potenzial in ihren Jungs sahen: Das gehört dann übrigens zum Ergreifendsten, was das Kinojahr zu bieten hatte, selbst wenn’s dafür den umständlichsten Weg von allen wählte.

A SKIN SO SOFT (Denis Côté, 2017)In dieser Dokumentation um nordamerikanische Bodybuilder bleiben der Off-Kommentar und jeglicher Showfaktor des herbeigesehnten Muskelspiels außen vor. Was angesichts der portraitierten Körperwelten allerdings an Persönlichkeit gefördert wird, lässt den Zuschauer weit interessantere Ebenen der Menschenkenntnis durchgrübeln. Das kennt man ja auch ein bisschen vom Dschungelcamp, nur dass hier (nicht unweit von „Beyond the Mat“) in aller Stille das Martyrium der Selbstdisziplin zum Vorschein tritt: Die geißelnde Objektivität der Inszenierung zeigt ihre Herren mit Trainings- und Ernährungsplan am Wegesrand der Gesellschaft sowie der eigenen Familie. Steroide sind zwar irgendwie kein Thema - dagegen dominieren lustbefreite (bzw. in der Lust eher nach innen gekehrte) Rituale der Perfektion, permanenten Arbeit und Selbstaufgabe in Richtung eines Status Quos physischer Gipfelleistung. Der Film bannt die kritische Distanz jener Verhältnisse, nähert sich aber auch mit höchsthaptischer Zärtlichkeit an das Wesen dieses freiwillig erschwerten Weges, der selbst in der Freizeit geradezu außerirdische Dimensionen an Hemmungen gegenüberstellt und dennoch Bollwerke der Friedfertigkeit produziert. Das hat seine komischen Spitzen und züchtet die soziale Entkopplung womöglich auch verstärkt per Schnitt heran, legt aber allen voran einen faszinierend gezwungenen Menschentypus vor, so als sei eine moderne Variante des Mönchseins im Unterhaltungszyklus angekommen.

BETWEEN WORLDS (Maria Pulera, 2018)Fast die gesamte Cinesphäre schwärmt derzeitig von Nicolas Cages Auftritt in „Mandy“ (siehe weiter unten), doch wie man weiß, arbeitet der Mann pro Jahr bestimmt nicht nur singuläre Grenzerfahrungen ab. So bietet sich hier der noch weit wildere Output als Mysterythriller der zerstreuten Töne an, bei welchem sich Cage als Truckfahrer in eine Beziehung zu Franka Potente und ihrer mehr als patenten Tochter einlässt. Erstgenannte besitzt zudem einen heißen Draht zur Welt der Toten, nötigt ihre Kerle stets dazu, sie zu würgen, um z.B. ihren Nachwuchs vom heiklen Nahtod weg ins Leben zurückzuholen. Wie sich aber herausstellt, steckt jetzt womöglich ein anderer Spirit in der Geretteten drin! Diese ganzen Eckpunkte werden schon genüsslich ausgespielt, da kommt auf einmal die sehr eigene, nach dem Nebensächlichen gierende Inszenierung daher, jede Situation mit zweierlei Maß an Stimmung zu beurteilen. Viele kleine Persönlichkeitsspitzen im Cast befördern sich zusammen mit Sleaze, Sex und Crime in eine klassisch verräudete White-Trash-Exploitationspirale, in der Komponist Angelo Badalamenti zudem Selbstzitate einbauen kann, welche wie der gesamte Film an sich mehr oder weniger passiv auf die Twin-Peaks-Fangemeinde schielen. Der meist im Schlüpfer agierende Cage macht hier jedenfalls wieder ordentlich Dampf, den Zuschauer aus der Reserve zu locken. Sein Wahn hängt nicht an der Kette wie im besagten „Mandy“, bringt zudem Ego-Gags und Vielfickerattitüden ins Spiel, bei deren Spielfreude es kaum noch aufhält, dass sich der Großteil des Geschehens in einem muffigen Haus aufhält, eine sehr wahllose Reihenfolge an Eskalationen zum Film erklärt. Tolldreist!

SERGEANT REX - NICHT OHNE MEINEN HUND (Gabriela Cowperthwaite, 2017)Mit dem Hund zum US-Jingoismus übergehen zu können – das klingt wie eine denkbar heikle Angelegenheit und ist hier in vielen Breiten- wie Längengraden so auf den pathetischen Affekt ausgelegt wie man’s vom deutschen Trottelverleihtitel (und seiner tendenziell dürftigen Synchro) her vermutet. Die innere Führung bestimmt sich dennoch eher anhand von Protagonistin Megan Leavey (die wie immer unbestimmbare wie engagierte Kate Mara), ihren Weg durch die Kasernen und Kriegsgebiete dieser Welt, bei dem ihr einer immer zur Seite steht: Rex, der Hund! Der natürlich voll vermenschlichte Gefährte wird ihr nicht nur als Bombenschnüffler vor Ort unerlässlich; ein Fels in der Brandung, ohne den sie nimmer kann. Dagegen sind fast alle menschlichen Beziehungen mittel bis ganz und gar verkorkst, stinken eh ab, sobald Megan mit Rex in eine Explosion gerät, dass beide vom Irak zurück in die Heimat dürfen und doch getrennt bleiben müssen – als Haustier wird er von der Heeresleitung (ganz oben: Common!) nicht zugelassen, doch wir wissen, was Megan davon hält! Der Zuschauer steht auf ihrer Seite, so deftig die Emotionalisierung des Ganzen beinahe an „Bailey“-Verhältnisse der Tearjerker-Kunst herankommt und gleichsam das trockene Militärtraumadrama ausstrahlt. Eben ein Crowdpleaser der entgegenkommendsten Sorte!



ASSASSINATION NATION (Sam Levinson, 2018)Die eher unrühmliche, aber nicht witzlose Internet-Haltestelle 4chan gibt den geistigen Stein des Anstoßes für diese tödlichst giftige Gesellschaftssatire. Im Blick auf die Online-Meisterschaft Rufmord hat die High-School-Clique um Bienenkönigin Lily (Odessa Young) schon den moralischen Kompass verloren, wie es eben auch inzwischen jedermann von links nach rechts leicht von der Hand geht, geleakte Privatinfos zur individuellen Verurteilung zu gebrauchen. (Vermeintliche) Verfehlungen sammeln, um abzukanzeln - eine zynische Hysterie im Auftrag des moralischen Konsens. Aber wenn’s einen selber trifft… In dieser eskalierenden Prämisse des gegenseitigen Verrats bleibt keiner unschuldig, die Konsequenzen keinesfalls nur verbal oder psychisch. Der mörderische Mob geht um und will Blut sehen, den Schlampen eins auswischen und auch mithilfe der Cops über Leichen gehen. Das ist schwer nervenaufreibend anzusehen, mit welch finsteren Aussichten for the lulz auf Gewalthemmungen geschissen wird und der Gerechtigkeitssinn ohnehin unterm kollektiven Sadismus zu leiden hat. Der ätzende Humor über Amerikas Hang zur Hexenjagd geht irgendwo auch ans Eingemachte vom Schlage eines „Heathers“, erliegt in seiner spielerischen Montage aber nicht dem Kontrollzwang der ähnlich kritischen „Vollblüter“ (siehe ganz unten), weil er letztendlich doch sehr affektiert agieren will, auf den Spuren der „Good Time“ am Puls der Zeit rumreißt. Nicht, dass daraus ein gänzlich runder Kreislauf fließen kann, denn dem Kollegen Levinson geht eher das Schockpotenzial unter Stereotypen nah, als dass er der Empörung auch ein Gegengewicht abringen kann, das sich nicht in demonstrativer Resist-Überkünstelung ausruht.

AQUAMAN (James Wan, 2018) Als die ganzen Machenschaften hinter „Justice League“ letztendlich ein katastrophal mutloses Produkt einlösten, glaubte man die Zukunft des sogenannten DCEU für beendet. Den morbiden Charakter unter Zack Snyder wird man nun auch weiterhin vermissen müssen, doch der bauchige Genre-Freund Wan bringt hier im Gegenzug einen guten Schuss an Wahnwitz mit, um der ausgelutschten Superheldenaction-Presswurst zumindest das Kurzweil der Narrenfreiheit zu spendieren. Als gängige Origin-Heldensage ist das inhaltliche Gehalt kaum nennenswert ausgefallen (abgesehen vom Mutti-Komplex, den Snyder in die DNS platziert hat), viel mehr packt das visuelle Kaleidoskop aus CGI-Wust und surrealen Wasserkreaturen in seiner gezielten Haltlosigkeit, dass man vom Augenkrebs zum Augenaids übergeht. Passend dazu kriegen Aquaman und Konsorten schön doofe Oneliner auf die Rippen, die binnen der Aufregung allgegenwärtiger High-Fantasy-Intrigen eine Autorenschaft Hulk Hogans vermuten lassen könnten. Dementsprechend launig ziehen die zweieinhalb Stunden Laufzeit an einem vorbei, während Jason Momoa von einer irren Quest in die nächste kaspert, zwischen epischer Königsbrust und drolliger Beachboy-Unbedarftheit pendelt. Ein überfordernder Sturzflug für den Zuschauer - für ihn Anlass, ab und an sogar den Romantiker raushängen zu lassen. Huiuiui! Wans Film wirft jede plakative Option in den Topf und kommt als Ringmeister bizarr vermengter Töne sogar gut raus; zumindest bunt, daneben, von aufgegeilter Stumpfheit, wo Marvel inzwischen nur noch trübsteif auf Nummer Sicher gehen will.

AUFBRUCH ZUM MOND (Damien Chazelle, 2018)Nachdem „La La Land“ meiner Meinung nach endgültig den kühlen Geschäftsmann in Chazelle feststellte, welcher das Träumen höchstens vom Hörensagen kannte, musste ein Höhenflug her – offenbar sah das kaum jemand noch so, denn weder Kritik noch Publikum wollten ihm für dieses Neil-Armstrong-Biopic wirklich treu bleiben. Schade drum, denn hier beweist er sich von verklärender Selbstgefälligkeit abgelöst als bodenständigerer Beobachter einer schön schwierigen Persönlichkeit. Selbst Ryan Gosling, Schirmherr der ausgestrahlten Blasiertheit, überzeugt in der Rolle jenes Astronauten, der (offenbar recht authentisch verkörpert) eher distanziert zu seinem Umfeld und sich selbst steht. Die Gründe dafür verhandelt Chazelle in dokumentarisch angehauchten Ellipsen, die u.a. das Trauma der früh verstorbenen Tochter so konkret unausgesprochen darstellen, wie sie auch die vermeintliche Heim- und Hausfrauenästhetik der 60er Jahre als Verhaltensstudie kaschierter Leere oder verschluckter Tragödien entpuppen. In Chazelles auch weiterhin leidenschaftlicher Berufswelt tritt die Angst dann aber noch expliziter zum Vorschein: Die Klaustrophobie und primitive Technik binnen der Babyschritte der Raumfahrt kommen dem Zuschauer mit entsprechender Enge entgegen, bannen Film als Nahtoderfahrung durch Erstickungsgefahr, während die Termini und Kontrollinstanzen der NASA nur bedingt den Überblick halten können. Nicht nur das Sterben im Namen der Wissenschaft/des space race beschwört kritische Stimmen hoch, doch Armstrong bleibt seltsam, wie ein Zombie getrieben im Vorgarten stehen, legt Theremin-Platten auf und driftet trotz aller geschaffter Strapazen in einen anhaltend bitteren Abschluss ab, der seine finsteren Lebenslöcher allenfalls noch größer erscheinen lässt. Harter Tobak!


Das Plakat zu einem der legendärsten Filmabende überhaupt!

DEATH RACE: ANARCHY (Don Michael Paul, 2018)Recht überraschend, wie lange diese Reihe auf dem Heimkinomarkt die Luft anhalten und zudem noch Feuerbälle ausspucken kann. In Dreck und Tristesse des Drehorts Osteuropa lässt sich eben recht stimmig das neue Amerika entwerfen, welches hier krasseste Autorennen und Todeskämpfe im großzügig verranzten Knastgelände veranstalten lässt. Frankenstein, die bereits aus den Vorgängern bekannte Rennfahrerlegende, gibt hier den Zeremonienmeister ungenierter Anarchie, ehe der frische Häftling Connor Gibson die Party sprengt. Der wird als moralischer Ruhepol sodann die Führungskraft für den Zuschauer, gibt sich aber alles andere als zimperlich in einem Ambiente, das von der Kamera nur zu gern in allen Exzessen aufgegriffen wird. Ob Polizisten nun mit Kettensägen zerlegt werden, Räudengladiatoren sich die Schädel eindreschen oder Frauen in ewiger nackter Lust schwelgen: Hier gibt’s kein Pardon, der Film mag es derbe und reizt den hormonellen Überschwang schamlos aus. Ein Hauptgewinn an Machtreibungen, der allenfalls von seinen knapp zwei Stunden Laufzeit überschattet wird und sich da neben dem glücklichen Gesuhle auch noch mit einer hauchdünnen Love-Story abgibt; ohnehin recht schwerfällig vom Free-For-All-Konzept in die Großkonzernintrigen-Gänge kommt. Nächstes Mal also bitte mehr narrative Standbeine abhobeln - so macht das grand guignol des white trash aber immer noch mächtig Laune, sprengt mehr dicke Luft weg als es jedes noch so sensible Sozialdrama zu schaffen vermag.

DAPHNE AND VELMA (Suzi Yoonessi, 2018) Obgleich man bei diesem neuen Realfilmableger der Scooby-Doo-Reihe ohne Hund auskommen muss, ist der Spaßfaktor überraschend hoch ausgefallen. Die Direct-to-Video-zurechtgelegte Plotte dreht sich um das erste Aufeinandertreffen der titelgebenden Heldinnen zu High-School-Zeiten, wo es schon darum geht, jeden Fall auf jeden Fall zu lösen. Somit greift man da schon eine Menge übersteuernder Topoi an Klassenraumdynamiken und -typen auf, wobei allesamt selbstbewusst durch den Kakao gezogen/an ihr höchstes Potenzial erinnert und zudem von merkwürdigen Machenschaften im Hintergrund in den Bann gezogen werden. Ein kindgerechtes und doch recht clever pointiertes Who/Whatdunit? ist sodann auf dem Stundenplan verteilt, mit einer passiv autoritären Rektorin am Abnerven und frisch angehauenen Wendungen binnen Krimi-Konventionen und Social(-Media)-Skills durchsetzt. Gutes Futter für Freunde verspielter Trivialunterhaltung, gerade mal an die 75 Minuten lang, wie „Die Abrissbirnen“!

A BETTER TOMORROW 2018 (Ding Sheng, 2018)Wie arg rappelt es noch im Karton, wenn sich in diesem Jahrzehnt ein Remake von John Woos Heroic-Bloodshed-Klassiker vorstellen möchte – zumal von jenem Ding Sheng, der bisher recht regierungskonforme Unterhaltung fürs Festlandchina aufbereite? An Pathos mangelt es ihm jedenfalls nicht, wenn er das altbewährte Narrativ in eine kontemporäre Melange aus Pop und Grit packt, die sich am liebsten selbst verleugnen will. Manche technischen Entscheidungen gehen daher trotz/aufgrund aller Glattheit seltsam ins Abseits, was sich umso mehr daran abzeichnet, dass Sheng jener Ikone von Film scheinbar hauptsächlich über den Soundtrack auf den Grund gehen möchte. Da lässt er auch gut und gerne Meta- und Realitätsebenen durchbrechen, während in erster Instanz Sentimentalität die Szenen beherrscht und da zumindest öfters tränendrüsig ankommt - mal mit Nostalgiebonus, mal mit der bewährten asiatischen Expressivität unter hart geprüften Brüderbündnissen. Fast komplett gegen die Wand gefahren wurde die Action, welche trotz einiger ausgewählter Shootouts Dynamik vermissen und Effekte versanden lässt, was eventuell auch den Investoren geschuldet ist, inwiefern man die Unterwelt binnen Rotchina noch ehrenhaft geschweige denn überhaupt darstellen kann. Umso dicker steht die Versöhnung an, umso kurioser erscheint das anachronistische Zeitkolorit, umso weiter entfernt man sich von Form und Glorie Woos, aber nicht unbedingt von dessen zwischenmenschlicher Spannung, die ja stets visuell zwischen Plakativität und Treffsicherheit pendelt. Hier wird sich eben breiter ausgesprochen und dick aufgetragen – ein gut mit Tränen gesalzener Frustschluck für Fans, aber auch nicht viel schlechter als z.B. Woos eigener zweiter Tomorrow.

BIRTH OF THE DRAGON (George Nolfi, 2016)Anhand der leider nur sehr kurzen, aber Ehrfurcht erregenden Biographie Bruce Lees machen es sich Filmemacher seit jeher schwer, ein Äquivalent zur Ikone auf Spielfilmdauer einzufangen, wenn das allzu griffbereite Potenzial zum Biopic ansteht. So geschah es dann auch in Regisseur Nolfis Martial-Arts-Drama, das nur spät seinen Weg in deutsche Heimkinos fand: Äußerlich mit Lees Aufenthalt in San Francisco beschäftigt und auf dessen legendenumwobenes Duell mit Meister Wong Jack Man hinarbeitend, musste die Produktion im Nachhinein noch mehrmals auf diesen Nukleus zugeschnitten werden. Grund hierfür ist ein fiktionaler Handlungsstrang um Lee-Schüler Steve McQueen, nee… ähm… McKee (Billy Magnussen), der seiner großen chinesischen Liebe aus dem Bordell helfen möchte, was nicht nur einigen Triadenmitgliedern sauer aufstößt. So selten die Plots miteinander auskommen können, werden unweigerlich die Mechanismen der Brucesploitation in Erinnerung gerufen – wie man sich auch in die Quere kommt, mangelt es dann aber nicht an Charme, wenn die altbackene Lotusblütenromantik mit theoretischen wie praktischen Kampfphilosophien abgeklatscht wird. Die zwei abgeschotteten Welten sowie deren Parallelgesellschaften aus Hafenstadtrauhbeinen und Menschenhandel-Sozialkritik, Star-Ambitionen und Kung-Fu-Magiern, alle versammelt im ausgeschmückten Zeitkolorit der 60er Jahre: Das zeugt schon von kurios anachronistischem Format! Eine Legendenbildung aus Widersprüchen, die selbst ihren Schlusspunkt des Heldentums so spontan und heterogen aus dem Ärmel schüttelt, dass nicht nur die Filmlogikfanatiker von heute frühzeitig das Handtuch werfen. In meinen Augen hat’s einen positiven Eindruck hinterlassen.

NO WAY OUT - GEGEN DIE FLAMMEN (Joseph Kosinski, 2017)Ein episches Drama unter Feuerwehrleuten, wie es seit „Backdraft” für emotional ergiebigste Zweistünder einsteht. Hotshots der Arbeiterklasse Amerikas stellen sich dem Publikum (und das ist für wahr ein crowdpleaser!) hier in abschnittweise vermengten Wiedererkennungsbiographien bzw. Stereotypen vor, wenn sie unter Leitung des Alpha-Neo-Cowboys Josh Brolins Brände löschen und Provinzherzen schmelzen lassen. Neuzugang Miles Teller fungiert dabei als Ex-Junkie und Ventil für Phrasendrescher der zweiten Chance, welche sich binnen der Gruppe beweisen müssen, bis sie trotz einschneidender Streitigkeiten und Zweifel eine Familie werden. So weit so gut, doch Regisseur Kosinski hat binnen dieser anbiedernden Pracht an Konventionen noch ein As im Ärmel, immer mehr brisante Informationen um seine Typen herum herauszuquetschen, eben warum die Dynamiken untereinander so agieren wie sie es tun – nicht bloß der aufmuckenden Männerwirtschaft (sowie ihrer Mystik von der schwarzen Seele des Feuers) wegen, sondern auch aufgrund eigener Verfehlungen in selbst den strahlendsten Testosteron-Exemplaren. Das macht sich selbst innerhalb mancher Durststrecken an Dramaturgie mit urigen (auch lokalen) Details bewährt, ehe dann aber das letzte Drittel mit einem Schwung der Fassungslosigkeit ankommt, die alles so vergänglich erscheinen lässt wie sie sich auch um den Erhalt von Stolz, Ehre und ewiger Liebe bemüht. Eben eine uramerikanische Zwischenwelt aus irdischen wie spirituellen Bromanzen, wie sie nur in den granite mountains des Proletariats entstehen konnte.

THE OATH (Ike Barinholtz, 2018)Neuerdings, also spätestens seit „Get Out“, breitet sich im US-amerikanischen Kino die Formel aus, Comedy mit dem Zugzwang des Thrillers auszustatten, allen voran, wenn eine soziopolitische Krise mit involviert ist („Casino Undercover“ lässt ebenfalls grüßen). Die Ära bringt die Angst mit sich und da wird unbefangenes Lachen allmählich zur Seltenheit, was nun auch in Ike Barinholtz‘ Regiedebüt verzweifelt daran anknüpft, binnen der Satire auf die üblen Wurzeln Trumplands zu stoßen. Dafür konzentriert sie allzu gut wiedererkennbare Konfliktpunkte der Kluft von rechts bis links als Diskursparcours am Familientisch zu Thanksgiving. Barinholtz selbst als Protagonist gibt sich sodann gar nicht mal zu gefällig als liberaler Anker, dem schnell der Kragen platzt, der hinter jeder Andeutung den Angriff/Verrat vermutet und vom Strom an Nachrichten kaum ablassen kann. Das Fest der Sippe wird unter dem Gewicht der Welt zur Plattform an Standpauken, wenn es darum geht, einen Eid auf die Nation zu unterschreiben. Jener elefant-in-the-room ruft alsbald die Staatsgewalt vor die Haustür und lässt den Widerspruch von Verfassung und autokratischer Bürokratie explodieren, die moralischen Barrieren untereinander implodieren. Verrät man den Staat oder die Familie, erfüllt man per Selbstjustiz den Geist des stand-your-ground oder wird man zum Monster, das man nie sein wollte, selbst wenn der Faschismus (unfassbar intensiv von Billy Magnussen verkörpert) die Zähne fletscht? Dilemmata, die dem kleinen Budget geschuldet allerdings auf wenige Schauwerte setzen können und Barinholtz zudem zu Redundanzen verleiten, wenn er - hauptsächlich in einem Haus aufhaltend - variierte Muster von immer schlimmer vergeigten Konfliktlösungen forcieren muss. Sein politisches Macguffin des Oath wirkt da gar nicht mal so weit dahergeholt, leider aber dessen Auflösung als deus ex machina, an welcher der Film sodann die letzten Schritte an Konsequenz verliert. Interessant bleibt’s auf jeden Fall, dass er mehr zur Schockstarre als zur Belustigung neigt und somit als Mittler recht nahe jene Machtlosigkeit des Individuums vermittelt, wenn Politik Alltag, Medien und Familie bestimmt.


Jackie Chan in "Bleeding Steel"

BOARDING SCHOOL (Boaz Yakin, 2018)Als einer der unauffälligsten Autorenfilmer Amerikas kommt Yakin immer nur alle paar Jahre mit Stoffen rum, welche einen reichhaltigen Kern zu jenem Themenkomplex liefern, wie Kinder mit ihren Abhängigkeitsverhältnissen zu Erwachsenen umgehen oder auch untereinander hadern. So geschehen in „Fresh“, „Safe“ und sogar dem Hundefilm „Max“ spinnt sich hier ebenfalls ein Netz des Misstrauens zusammen, wenn der in androgyner Ambivalenz schwebende Problemfall Jacob (Luke Prael) plötzlich auf ein sehr merkwürdiges Internat geschickt wird, welches von Tag zu Tag in der Anzahl seiner Schüler schrumpft. Jenes Unbehagen verknüpft unser Protagonist zudem mit Visionen seiner Großmutter und ihren Erlebnissen im Zweiten Weltkrieg, dass er sich seiner Identität unsicher fühlt, sie leugnet und doch verinnerlicht. Gefüttert wird er darin von Mitschülerin Christine (Sterling Jerins), jener femme fatale in spe, mit welcher Jacob dem Geheimnis der Lehrer auf den Grund geht, obgleich er sich ständig von ihr abzustoßen versucht. Jenes Tauziehen der kleinen wie großen Grausamkeiten bestimmt die Spannung binnen der stimmungsvoll einkapselnden Mauern – Yakins Inszenierung platziert die Jugendforscher demnach auch zwischen manipulierter Behutsamkeit und krasser Entlarvung, dass dem wahren Wesen seines Ensembles ein moralisches Fass ohne Boden überlassen wird, solange der doppelte Boden der grown ups endlich wegfällt. Eine sehr eigene Störung sogenannter Normen – etwas mäandernd im Aufbau, psychologisch aber durchaus mehr als Genre-Binsenweisheiten einlösend.

OPERATION RED SEA (Dante Lam, 2018)Dieser Blockbuster aus China bringt schon die tollsten Erwartungen mit sich: Militär-Propaganda ab 18, kinetisches Hollywood-Übertrumpfen in Sachen Action-Exzess und heroic bloodshed, ultradünnes Charakterspektrum mit überkonstruierter Terror-Plotte auf dem Gipfel schamlos patriotischer Unterhaltungskunst. All diesen Faktoren wird Lams Film gerecht, legt aber noch eine große Schippe an Fiebrigkeit oben drauf. Mayhem in the middle east ist angesagt und schnelle Entscheidungen sind da auf der Überholspur, dem Schnitt und Verbrauch an Produktionsressourcen aus zig (auch staatlichen) Finanzgruppen angepasst, wenn sich die Ekstasen an Mut und Heldentum binnen abgetrennter Gliedmaßen und Bombenattentate stapeln. Aus solchen Parallelmontagen kommt der Schädel nur sehr durch raus, später geht’s zumindest noch etwas konzentrierter, aber nicht minder rabiat ans Einkesseln – ringsum die Wüste, tausendfach Blei und Mörser-Input, gefolgt von Luftunterstützung und Scharfschützenpräzision, bis alle Gegner tot sind. Und das alles wohlgemerkt im Namen einer Rettungsaktion. Als man glaubt, dass es sich nicht noch mehr steigern könnte, gerät eine Infiltration unter Islamisten sodann außer Kontrolle, bis die Panzerduelle in einen Sandsturm à la „Mad Max“ geraten, ehe die rotesten Opfertode verlebt werden - solange man Zivilisten retten kann! Ein Hardcore-Kanonenrohr, vor Pathos und direkt anpackender Genresprache strotzend, das jedoch nicht ganz den Level an phantastischer Egoshow via „Wolf Warrior 2“ erreicht.

EIGHTH GRADE (Bo Burnham, 2018) Renovieren statt Innovieren: Auf der authentischen wie pointierten Sonnenseite des Coming-of-Age-Musters angesiedelt, macht sich der positive Ruf noch besser verdient als es „The Edge of Seventeen“ jüngst zuteilwurde. Stets im Strudel der Unbeholfenheit unterwegs durchläuft man anhand der Achtklässlerin Kayla (Elsie Fisher) zwar erneut allzu bekannte Szenarien des Genres ab, doch allen voran der formale Ausdruck geballter Awkwardness sucht auf dem Gebiet seinesgleichen. Darüber hinaus wird dieser aber noch vom lebendigen Sprachschatz des Casts geschlagen, als dass man sich jemals einer reinen Stilcollage ausgesetzt fühlen müsste. Spontanität und Angst gehen innig stiften – ab der Gabelung gen 3. Akt sind die verstärkten Ansagen zum Selbstbewusstsein allerdings fast schon wieder mehr erschöpfendes Wunschdenken. Insgesamt natürlich dennoch ein gelungenes Regiedebüt des Komikers Bo Burnham.

NIGHT SCHOOL (Malcolm D. Lee, 2018)Überragend fähig darin, der unwiderstehlichen Tiffany Haddish eine Garderobe zum Niederknien aufzubieten, gibt diese Kevin-Hart-Komödie auch sonst keine schlechte Figur darin ab, alle zu erwartenden Konventionen einzulösen. Hart muss nämlich zusammen mit einem bunten Strauß verballerter Gesellen die Abendschulbank drücken, um seiner Verlobten ein angemessen liquides Leben bieten zu können. Nicht dass sie es von ihm verlangt, aber er ist stets am Überkompensieren, steht zudem dauernd vor der nächsten Notlüge. Im Folgenden hadert er also mit dem inneren Schweinehund, was sich in misslingenden, aber gemeinsam bestrittenen Mogelaktionen und Makeleingeständnissen äußert, welche bereits in Malcolm D. Lees Vorgängerfilm „Girls Trip“ für solide Höhlengleichnisse mit Happy End sorgten. Ein gesteigerter Anteil der Gags ist hier auch mindestens so glückselig beknackt geraten, was dem Ganzen wiederum eine verdiente Genre-Pappkrone aufsetzt.

THE HUMANITY BUREAU - FLUCHT AUS NEW AMERICA (Rob W. King, 2017)Diese sehr kostengünstig zusammengeschusterte Dystopie bietet vielerlei desolate Landschaften Amerikas an, um einen absehbaren Sci-Fi-Thriller ständiger Verfolgung zu erzählen. Der demnach mehr oder weniger futuristische Road-Movie à la „Logan“ - starring Nicolas Cage - kann seine Zugkraft nur bedingt in Schauwerten anlegen, gibt Schergen wie Helden die üblichen Schwarz/Weiß-Werte auf den Weg, wenn Cage im Auftrag des Fascho-Staats doch mal mit dem Gewissen (und einem lange nachwirkenden Trauma) hadert, sobald er eine Ottonormal-Mutter und ihren Sohn in ein Todeslager namens New Eden schicken soll, weil sie den Obrigkeiten nicht produktiv genug erscheinen. So schleppt man sich also der Desillusionierung des amerikanischen Traums nach von Ruine zu Ruine, dem unteren Mittelstand die Hand zu halten und Verstecke anzubieten, während die Konfrontationen mit fiesen Agenten insgesamt äußerst spärlich ausfallen. Das ist aber auch alles egal, wenn man mit einem wieder sehr seltsamen Cage abhängt, welcher nie zu wissen scheint, was er mit seinen Händen machen soll. Abgehangen wird er jedoch sodann vom Jungen der unverhofften Dreieinigkeit, da dieser mit Blitzeinfällen der Marke Scheißkind für den Großteil absurder Spitzen in diesem manchmal auch bemitleidenswerten Film sorgt, der ohnehin von einer grenzbilligen KSM-Synchro aufs Abstellgleis befördert wird. Das macht ihn gewissermaßen aber auch so auffällig eigen und superwitzig, dass man ihn so manch regulärem Zukunftsabenteuer (u.a. „Ready Player One“, siehe unten) vorzieht.


Nicolas Cage in "Between Worlds"

VENOM (Ruben Fleischer, 2018) Ob jemals wieder ein guter Film unter der Marvel-Marke entstehen wird? Man kann angesichts der letzten Jahre berechtigterweise ins Zweifeln kommen – zumal auch diese Spiderman-Lizenzbiege via Sony vom Grundgerüst her äußerst denkfaul ausgefallen ist. Dass die geballte Altbackenheit im schwarzglibbrigen Alien-Gewand dennoch binnen der obligatorischen zwei Stunden Laufzeit auf Kurzweil setzen kann, liegt dem Konsens nach an Hauptdarsteller Tom Hardy. Das stimmt ja auch, aber die um ihn gesponnenen Pointen sind zudem von solch fröhlicher Menschenfresserei beseelt, dass sie gemeinsam den unnützen Plot vom bösen Multimillionenwissenschaftler drum herum besiegen können. Am liebsten kugelt sich der Film dann auch im Privatleben seines ineinander verwachsenen Duos Eddie Brock/Venom zusammen, welche Missverständnisse im Alltag auftreten und wo es damit noch Richtung Beruf und Liebe hingehen soll. Jene bürgerliche Bodenständigkeit mit der Buddy-Horror-Comedy im Schlepptau muss sich allerdings dann doch recht vorschnell (angeblich landete eine gute Handvoll Szenen unter den Schneidetisch) dem dritten Akt eines jeden Superheldenfilms stellen – nachdem das abgefrühstückt ist, bleiben die internen Konflikte/Lösungen des/der Anti-Helden dennoch interessant, je positiver man dem schlechten Einfluss was an Lebensqualität abnimmt. So wie man selber nie ohne Cola kann zum Beispiel!

VIELMACHGLAS (Florian Ross, 2018)Das deutsche Kino kann sich an seinen verkitschten Roadmovies offenbar nicht sattsehen, was sich an dem Jahrgang erneut mit Konsorten via Markus Goller oder Hans Weingartner bewies. Regiedebütant Ross folgt da erst recht sicheren Pfaden, bekommt mit Jella Haase und Matthias Schweighöfer zudem einen Selbstläufer an Cast zusammen – und läuft dennoch mit Schmackes binnen seiner Topoi aus dem Ruder. Dramödiantische Töne krachen sich gegenseitig an, in gestelzter wie übergreller Anbiederung an erster Stelle der Gefälligkeit zu stehen; wie in einem besseren Buck montiert sich dies zu einer Manie der Selbstfindungskalendersprüche, Mädchentraum-MacGuffins und Stereotypen (das heftige Insta-Chick!), dass der Zuckerschock in aller Munde ist. Das Arsenal an abwegigen Situationskomiken, spekulativer Menschenkenntnis und Haltestellen inländischer Urigkeit weiß zu überfordern, in gleichsam überkonstruierten Zufällen die Liebe zum Leben anzustoßen. Der Versuch der technischen Glätte gibt sich bei all dem jedoch so auffällig unbeholfen, dass man sich der Berechenbarkeit wegen kaum langweilen kann, der Film tatsächlich in jener Meta-Unterhaltung aufgeht, wie drübber er seinem Genre banalster Straßenromantik hinterherjagt.

LETZTENDLICH SIND WIR DEM UNIVERSUM EGAL (Michael Sucsy, 2018)Hier lohnt es sich, von Vornherein nichts über die Prämisse zu wissen. Gut und gerne 30 Minuten werden vergehen, bis man raus hat, welche Charakterdynamiken dieser phantastischen High-School-Teen-Romanze um Newcomer-Girl Angourie Rice tatsächlich von Belangen sind, warum sich deren Verhalten teilweise von Tag zu Tag ändert und dem Zuschauer darin gestalterisch ohnehin vielerlei konkurrierende Signale vor den Latz knallen – eine wilde Sause und Herausforderung für jeden noch so erfahrenen YA-Genrekenner (Sympathisant muss man aber auch nicht sein). Die Auflösung nimmt dann zwar den typischen Spießrutenlauf gelebter wie versagter Sehnsüchte auf, um dem Zielpublikum Wunschträume der Naivität und Alles-Ist-Verbunden-heit aufzutischen, wobei sie sogar noch einem „Wenn ich bleibe“ oder „Seelen“ genuiner von den Lippen gingen – aber die hoffnungsvoll verknallte Multikultur/Pansexualität kann jenen esoterischen Vorgängern in Sachen Drolligkeit durchaus das Wasser reichen.

DAS ZEITRÄTSEL (Ava DuVernay, 2018)Eine Knalltüte an Fehlkalkulation, die in Disneys ansonsten todsicherer Jahresplanung für ein bisschen Abwechslung per Wahnsinn sorgt. DuVernays Kinderfilm entlockt sich nämlich psychedelische Impulse bei der Umsetzung einer Vorlage, die ihren Pathos vom Selbstbewusstsein scheinbar so platt in der Endlosschleife rotieren lässt, dass einem auch visuell schwindlig werden soll. Ein ganz pauschal hingenommenes, aber durchweg undurchsichtiges Geflecht an Fantasiefiguren und -welten stülpt dabei die Realität unseres Hauptmädels Meg um, welches doch nur ihren Wissenschaftler-Paps Chris Pine zurückhaben will. Im Verlauf bleibt es für den Zuschauer auch ein sinnloses Unterfangen, den einzelnen hyperskurrilen Metaphysismythen eine sinnige Fabel oder dergleichen zuzuordnen. Als Hommage an „Der Heilige Berg“ und Konsorten geht da durchaus die Post ab – die Beharrlichkeit des Films, in solch einem Tohuwabohu auch Sehnsüchte familiärer Wiedervereinigung stiften zu können, geht natürlich ordentlich befremdlich nach hinten los.

THE FIRST PURGE (Gerard McMurray, 2018)Mensch, was mussten die Vorgänger in Sachen Purge alle erst so ätzend doof daherkommen, ehe der schwarze Filmemacher McMurray mit dem Prequel einer ersten Inkarnation dessen relativ bodenständiges Blaxploitation-Kintopp abliefern konnte. Klar, die spekulativen Psychostumpfheiten und hässlichen Masken im Terrorrausch bleiben auch hier nicht aus, eine Ahnung von Sozialsatire abzuklatschen bzw. diese in Jumpscares versenken zu lassen. Weit angenehmer hingegen wird ein Ensemble frustrierter Ghettoisierung darin beobachtet, ob und wie es dem Angebot der Regierung folgt, als Probanden des freien Mordens zu agieren, während die individuellen Probleme im sozialen Bodensatz untereinander nach Halt suchen – wird man der Endlosschleife des Gangsta-Daseins oder der wahren Liebe erlegen? Der omnipräsente Hintergedanken des racial profiling, also jener zur Segregation via Straftatenpotenzial motivierende Trick, beherrscht sodann den Diskurs des Films, dem viele mit umgekehrter Erwartungshaltung begegnen, selbst wenn monetäre Vorteile locken. Dem ideologischen Vorteil halber müssen also vom Staat bezahlte Killer her - gegen die sowie deren Signale aus der aktuellen politischen Lage wird sich vehement verteidigt. Daraus bastelt der eher kleinbudgierte Film konzentrierte Dosen des urbanen Thrills, stellt mit Protagonist Dmitri (Y’lan Noel) allerdings auch den krassesten Muckimann zwischen Crime und Family zur Verfügung, mit dem es die Crazies jemals aufnehmen mussten. Ehe dieser richtig nach Crowdpleaser-Manier zuschlagen darf, schleicht sich das Prozedere noch an einigen technischen Kompromissen und James DeMonacos banalen Dialogen vorbei, um moralische Dilemmata und Einengungstaktiken schließlich mittels besagten Supermanns zu lösen. Schmarrn mit Shaft-Charme!


Meine Güte, sind das alles sympathische Prachtexemplare direkt neben der Top Ten! Aber das ist ja nur der Anfang des Ganzen – es gab nämlich wie in jedem Jahr nicht nur die Überflieger und Überraschungserfolge, sondern auch die kalkulierbaren Erfahrungen zu bestaunen: Mittel zum Zweck für das Gewohnheitstier Mensch, welches bestimmten Künstlern und Genres folgt und gar nicht mal enttäuscht geschweige denn in Abwegigkeiten herausgefordert werden will, um bekannte Qualitäten zurecht geschätzt zu wissen. Diese Werke der known pleasures gilt es ebenfalls zu würdigen und gegebenenfalls zu kritisieren, welche Hürden zum Wachsen über bleiben!


Gefällig wie angekündigt:

THE HOUSE THAT JACK BUILT (Lars von Trier, 2018)Die Selbstreflexion und –parodie im Serienkiller lässt Von Trier seinen eigenen Ruf verballhornen. Matt Dillon gibt dafür das alter ego an blutrünstigem Frauenhass vor, das seine Kunst des Mordens in der Nacherzählung polemisiert, in der dargestellten Praxis jedoch dauernd wie ein Trottel dasteht. Alles gelingt ihm nur per Zufall, nach einer Weile gerät er jedoch zum Profi im Sadismus, welcher Schuld und Häme auf seine Opfer projiziert, sich im Grunde jedoch nur über die mangelnde Entschlossenheit seiner selbst ärgert. Er umschifft/motiviert diese Feigheiten mit illustren streams of consciousness, wie es zuvor schon im „Nymph()maniac“ zum guten Ton gehörte – anders als dort hingegen setzt sich Bruno Ganz als hiesiger Zuhörer durch, alles Verlogene an jener Ego-Intellektualisierung zu entlarven. Das geschieht wiederum in teils derart ausgewalzten Abschnitten, dass der Diskurs zur Sache als Filmerfahrung hinkt: Jene Balance nimmt einem expliziter als nötig das moralische Dilemma ab, während sich die Explizität der Mordszenarien irgendwann nur noch als Selbstzweck ausreizen kann. Das quittiert Von Trier schlussendlich selbst mit einem Abstieg in der Hölle, deren Schlund er sich freiwillig hingibt, um diesen Jack endlich loszuwerden. Hoffen wir aufs Beste, auch wenn dieser Exorzismus gut spannend, mitunter mühsam anzusehen war.

THE BALLAD OF BUSTER SCRUGGS (Joel und Ethan Coen, 2018)Ein - wie gehabt für die Coens - existenzielles Büchlein aus ulkigen und tragischen Geschichten über a million ways to die in the west, unergründlichen Schicksalszufällen sowie kritischen Kausalitäten der Zwischenmenschlichkeit. Die daraus vergebens unternommenen Trecks auf der Suche nach Ruhm, Gold oder auch nur einem kleinen Stück Heimat binnen des amerikanischen Traums voller Vergänglichkeiten spielen sich dem Netflix-Format gefällig nun in mehr oder weniger ausbalancierten Episoden ab. Die blühende Lakonie der Bildkompositionen gibt sich einverstanden/machtlos mit der Natur der US-Pionierzeit - in der öfter ausgestrahlten Sehnsucht gen Humanismus steigt das Brüdergespann aber dann doch gelegentlich innig vom Götterposten (jener nach Art des Altes Testaments) ab. Könnte aber auch mehr der allgemeine Ausdruck einer Tristesse sein, wie ambivalent man zur Identität, Nation und deren mythische Nostalgie im Tauziehen von Gerecht und Ungerecht steht. Der Sinn des Lebens bleibt auch in dieser Variation unbekannt, immer bewegend.

THE HURRICANE HEIST (Rob Cohen, 2018)Bereits ab Eintreffen des ersten Trailers war ich mir sicher, hier einen Gewinner an Genre-Unverschämtheit vorzufinden und wurde alles andere als enttäuscht. Eine Gruppe sehr britischer Gangster versucht den großen Coup, Massen an bald vernichteter Kohle von der Regierung zu stehlen, während ein Hurrikan über die US-Provinz saust. Fortan müssen sich Toby Kebbell und Maggie Grace als mehr oder weniger lokale Auskenner durch dieses Aufeinandertreffen der Naturgewalten schlagen, um das große Verbrechen zu verhindern und durchweg Menschlichkeit zu wahren. Letztere füllt Cohens größte Leistung seit „xXx“ mit sehr lockerer Schnauze und Gesprächsthemen von Lieblingssandwich bis „Ich muss mal pissen“ via Mann und Frau zugleich aus, aber auch mit der Unbedingtheit, Leben zu retten – selbst wenn die Bösen vorm Wirbeltod stehen. Die treten nacheinander ab, sind bis dahin aber ziemlich gewitzt auf der Jagd nach dem Eigenbedarf, dass sich sogar die Autoritäten vor Ort als Verbündete entpuppen. Bei dieser Mische aus „Hard Rain“ und „Storm Hunters“ haben die Topoi eben ganz schön die Tollwut, manchmal sogar einen echten Totenkopf im Auge des Tornados! Mensch, was macht das Spaß auf solch einem Gerüst aus angefeuerter Zuschauergunst und High-Concept-Hochstapelei!

KICKBOXER: DIE ABRECHNUNG (Dimitri Logothetis, 2018)Nachdem John Stockwells Erstling bereits die Schnittstelle vom Kampfsport und dessen innewohnender Sinnlichkeit auszudrücken versuchte, macht sich Teil 2 mitunter noch abwegiger als Tanz der Kraftgefühle bewährt. Christopher Lambert holt Alain Moussi darin zum Spielball binnen aufgehitzter Knastübungen heran, in denen schließlich Lehrmeister Jean-Claude Van Damme sowie Mike Tyson als Dampfhammer eingeschleust werden,  sich überall als Bonvivants wohlfühlen können. Ein Trainingsplan leichtfüßiger Schlagkraft, ganz schön verträumt in der Kunst der Montage auf Entschlossenheit gepolt. Dramaturgien Richtung Endgegner erweisen sich zudem als Absurditäten der maskulinen Modellierung, umso herzlicher gelten die Begegnungen an Freundschaft und Liebe, die ihre Probe sodann im voll ausgewalzten Tournament finden. Das fällt arg vorhersehbar aus – entscheidend ist da aber die Technik, wenn sich der Film bis dato sowieso eher dem Ballett der Plan- und Traumsequenzen widmet und (dem Zuschauer entgegenkommend) urlaubsreif auffällt.


Luxia Jiang in "Operation Red Sea"

SKYSCRAPER (Rawson Marshall Thurber, 2018)So oft wie man das „Stirb Langsam“-Prinzip in seinem Leben auch wiedererlebt, so zufrieden wird man im Endeffekt dann trotzdem auf den Kinosessel gebannt. Jene gelingende Türmung von einstürzenden Neubauten, abstürzenden Fieslingen, weit hergeholten Heist-Plots und bestürzten Actionhelden auf dem Weg nach oben kommt nun auch mit Dwayne „The Rock“ Johnson zur erhofften Konklusion eines Abends mit McClane – wobei hiesiger Recke noch glücklich verheiratet der Rettung seiner Familie wegen über jede Spalte springt und als Everyman viel zu muckimassiv ankommen müsste, hätte man ihm nicht noch ein Trauma von Metallbein dazugegeben. Auf einer Wolkenkratzer-Skala von 1 bis 10 bietet das chinesische Wunderwerk im City-Himmel sodann tausend effektlastige Möglichkeiten, Spannungssequenzen vom „Wird er es schaffen?“ mit anschließendem Szenenapplaus zu kredenzen. Der internationalen Marktanalyse halber gestaltet sich das ernüchtenderweise alles etwas blutleer, am Spaß vom schaumännischen Charakter des klaustrophoben/explosiven Eskapismus schüttelt es dann aber doch nur bedingt was ab.

THE DISASTER ARTIST (James Franco, 2017)Bin ungern einer von diesen Menschen, die darauf bestehen, dass ein Buch besser war als der Film dazu. In diesem Fall muss man der beliebten These wiederum recht geben, da sich die Franco-Sippe hier eine simplifizierte Variante dessen zurechtlegt, wie „The Room“ entstand, wie bewusst die gestalterischen Mängel bei Entstehung wahrgenommen wurden und vor allem wie sich die Beziehung zwischen den Machern Tommy Wiseau und Greg Sistero drumherum entwickelte. Vieles daran ist auf den einfachen Gag abgezielt, auf die Reaktionen gegenüber ausgestrahlter Merkwürdigkeiten, die binnen James Francos Darbietung an sich zwar noch die Kurve kriegen, jenen echten Narzissmus Wiseaus mit dessen naiver Freundschaftssucht zu koppeln, aber auch nicht gerade selten den demonstrativen Fingerzeig bedienen. Als Bromance der gegenseitigen Unterstützung, unter Stiernacken der Selbstbestimmung und Kontrollverluste, findet der Film jedoch immer wieder zur Empathie zurück, zum unbefangenen Schaffensdrang im Griff nach den Sternen, selbst wenn die Leidenschaft noch so merkbefreite Früchte trägt. Das gelingt so zugänglich wie es „The Room“ allerdings auch endgültig abfertigt, dem Kultstatus ein von „Ed Wood“ geborgtes Biopic-Denkmal setzt, aus dessen Beliebigkeit keine weitere Relevanz rauszuschöpfen ist. Demnächst versuchen James und Dave F. dasselbe übrigens mit Vanilla Ice, „To The Extreme“.

ISLE OF DOGS - ATARIS REISE (Wes Anderson, 2018)Wieder zurück in der minutiösen Kontrolllust der Stop-Motion scheint Wes Anderson auf den Hund gekommen zu sein und bedingt anhand der Vierbeiner eigentlich zig Ausreden, Unmengen überniedlicher Quirkiness anzurühren. Dennoch hält er sich ihres Außenseiterdaseins auf besagter Insel wegen eher mit der geißelnden visuellen Spracherforschung an sich auf, als dass er seinem Fantasiejapan anno 2. Weltkrieg Zugzwänge an Spannung und Sentiment widmen würde. Er bewegt den Zuschauer also weit weniger als es sein „Fantastischer Mr. Fox“ tat, reizt dennoch durchweg mit der Immersion via Detailreichtum, was im Kontext des Handlungsrahmens mancherorts auch als historische Ignoranz gewertet wurde – von der ausufernden, geschlechtsidentitären Kritik bei kino-zeit.de ganz zu schweigen. Wer sich nicht ständig in politischer Larmoyanz denkt, wird aber vielleicht noch die spielerische Vertiefung und cleveren Kniffe der süffisant-verprellten Hundewelt zu schätzen wissen, mit denen die Kriegstreiberei unterwandert wird. Alles eine Frage der Perspektive oder Perspektiven, welche hier reich beschichtet an der Fassung jeder Form - ob nun solche propagierter Tyrannei oder jene über Mensch-Hund/Hund-zu-Mensch/Hund-zu-Hund (Mensch-Mensch eher weniger) - kneten.

UPGRADE (Leigh Whannell, 2018)In dieser Zukunftsvision der totalen Einverständniserklärung sehnt sich der verwitwete wie querschnittsgelähmte Retro-Aficionado Grey Trace nach Rache und überlässt der künstlichen Intelligenz Stem Detektivarbeit, Martial-Arts sowie andere Schnitzeleien. Die Zwickmühle der Technophilie und –phobie wird als schnörkelloses und affektiertes Kintopp des Cyberpunks vermittelt: Man trifft sich auf Augenhöhe mit den konventionellen Zukunftsängsten der Gegenwart, während moralische Grauzonen der Katharsis des Blutbads wegen kaschiert werden. Ein Genre-Kompromiss, der dem souveränen Charakterdrama binnen der Emotionspalette Logan Marshall-Greens gewiss keinen Abbruch tut und für bittere Konsequenzen sorgt, obgleich der Film dort - binnen seiner konstruierten Glätte - eher kalt lässt als wenn er Effekte ballt.

ON THE BEACH AT NIGHT ALONE (Hong Sang-soo, 2017)Mit diesem Werk des bewährten Vielfilmers aus Südkorea (erst das zweite, das es hier ins Kino schaffte) sympathisiere ich besonders nach zweierlei Maß: Einerseits, weil er das erste Drittel in Hamburg spielen und seine Gattin Kim Min-hee somit durch den Stadtpark gleich bei mir um die Ecke spazieren lässt. Andererseits verlegt er sie im späteren Verlauf in ein Hotel, innerhalb dessen ein unbekannter Mann völlig unbemerkt und übereifrig Scheiben putzt. Zwischen diesen Haltestellen visueller Aufmerksamkeit bugsiert er seine Darsteller wie abermals in Gesprächssituationen an Beziehungsfragen und lang gehegten Enttäuschungen/Verfehlungen. Diese stechen im Gesamtwerk Hong Sang-soos vielleicht nicht allzu sehr heraus, lassen seine Pendel an forcierten Nettigkeiten, Mann/Frau-Defiziten, Traumidealen und bornierten Regisseurscliquen noch so souverän ausschlagen, wie man es halt gewohnt ist. Ein effektiverer Fanservice kam hingegen im weiter oben genannten „Hotel“ zustande, ohne Frage!


James und Dave Franco in "The Disaster Artist"

BLACKKKLANSMAN (Spike Lee, 2018)Voll wahre Geschichte hin oder her: Lee entwirft ein einigermaßen spannendes Ventil für die aktuelle Grundstimmung der Empörung, inwiefern Faschismus und Rassismus jetzt noch wieder salonfähig gemacht werden können, obgleich deren Akteure die widerlichsten Schießfiguren abgeben. Für jenes brenzlige Gebiet nimmt er sich den Fall eines schwarzen FBI-Agenten an, welcher den Ku-Klux-Klan anhand gefoppter Identitäten hinters Licht führen und Anschläge verhindern konnte. Ehe es ernst wird, werden die Verhältnisse aber noch etwas lose etabliert – die 1. Hälfte macht zwar schon verbal dicke Luft und streckt sich im ideologischen Abgleich aus, welcher zusammen mit seiner Prämisse aber schon vor Eintritt im vollsten Maße verinnerlicht sein dürfte. Irgendwann treffen die Erwartungen dann auch auf entsprechend einschlagende Bilder sowie Parallelmontagen von den Ausmaßen an Schmerz und Menschenfeindlichkeit – umso süßer geraten sodann die ortsgebundenen Siege aufrechter Demokratie (Lees Joint ist tendenziell links, aber auch ein Freund von law and order im Sinne „Shafts“), die aber klein wirken müssen, wenn Lee als Epilog noch Charlottesville und Trump in aller Hässlichkeit aufspringen lässt. Knallharte wie naheliegende Agitprop – und zumindest dringlicher am Gewissen rüttelnd als es ein Moore jüngst schaffte (dazu unten mehr).

APPGEFAHREN - ALLES IST MÖGLICH (Scott Speer, 2018)Er, der Speer, taucht weder zum ersten noch zum letzten Mal in dieser Jahreslistung auf – für alle aktiven Trivialenthusiasten seinesgleichen lieferte er nämlich ein zweites Teen-Abenteuer ab, welches in diesem Fall den Geltungsdrang der Generation App als „Überlege, was du dir wünschst“-Märchen à la „Teen Wolf“ aufs Korn nimmt. Jene Mentalität und ihre angepeilten Zielgruppen-Triggers sind schon bei Anlieferung abgelaufenen Datums. Von diesem Umstand weiß Speer wohl aber noch am Ehesten Bescheid, weshalb er die Prämisse für entschieden übertriebene und altbackene Gag-Eskalationen nutzt; Musical-Sequenzen, Honkvisagen, Skater-Tricks und Boytoy-Fantasien drunter mischt. Exponentiell cringey wird’s auch, sobald sich unser Held seinen peinlichen Vater plus Karre ins Haus zurückwünscht, bei steigend unverdienter Popularität in immer mehr Fettnäpfchen tritt (ergo seine große Flamme verprellt) und sich schließlich entscheiden muss, ob das Leben mehr wert ist als das nächste status update. Diese kindische Sause ist der Lachknüller auf jedem geistigen Schulhof!

BUMBLEBEE (Travis Knight, 2018)Der Prequel-Ableger zu Michael Bays tolldreister „Transformers“-Reihe lässt sich als sehr niedliche bis tränendrüsige „E.T.“-Neuverfilmung lesen. Angesiedelt anno 1987 (trotz ehrfürchtigem Zeitkolorit mehr so für den immer noch trendigen Nostalgiebonus ackernd) findet das Außenseiter-Tomboy-Teen Charlie (Hailee Steinfeld) einen Vaterersatz im via Cybertron abgestürzten Autobot vor, der so tollpatschig wie herzensgut um seine neue Besitzerin schwärmt – andersrum läufts genauso, fraglich aber wie man solch ein Gerät verstecken soll. Jene Situationskomiken im Vorort voller Strandblicke geben den gemächlichen wie heimeligen Ton an, der sich gleichsam an lästernden High-School-Bitches und harmoniesüchtigen Stiefeltern der Reaganomics abkämpfen muss. Alles eher simple, aber ankommende Charakterhürden. Die antagonistische Steigerung erfolgt im (nicht unbelehrbaren) Militärjargon des Agenten Jack Burns (John Cena) und dessen unheilvolle Allianz mit den Decepticons. Wenn da die obligatorische Effektpallette abgezogen wird, wirkt sie allerdings deplatziert, so ganz ohne die anderen Faktoren des Bayhem anbei. Dem drolligen Abenteuer innigster Zweisamkeit von Mädchen und Maschine schadet’s aber nicht zu arg.

RAMPAGE - BIG MEETS BIGGER (Brad Peyton, 2018)Auszug vom 20. Mai: „Nach dem hochemotionalen Aufstieg aus Ruinen namens „San Andreas”, den Regisseur Peyton und Dwayne The Rock Johnson schon zur tollen Familienkittung anwenden konnten, bleibt ein guter Anteil dessen auch in der Videospieladaption um ein Städte demolierendes Riesenmonstertrio über. Die Bindung zwischen dem Rock und Albino-Gorilla George ergibt da schon früh ein Quell an Freude und Pathos [...] Mit jener Plotte nimmt es der Film mal sehr und mal gar nicht ernst, ist aber trotzdem selten in Erklärungsnot, seinen Ansporn an Spaß und Spannung auf den Zuschauer zu übertragen. Man trägt das Absurde mit Fassung und bewegt sich sicher im Genre-Rahmen, dass sich die Action per Wow-Effekt steigert und die gottseidank spärlich eingesetzte Komik eher aus der Ehrfurcht der jeweiligen Größen/Rollen und nicht bloß aus den ach so beliebten „Echt-jetzt?“-Phrasen ergibt. […]”

ACTION POINT (Tim Kirkby, 2018)Johnny Knoxville kann es nicht lassen, seinen Körper zu zerstören und versucht mit dieser Ferienkomödie gebrochener Regeln und Rippen, an die lichte Anarchie aus „Jackass”-Tagen anzuknüpfen. Dafür nimmt er auch nochmal Kollege Chris Pontius ins Team an Freizeitparkgestalten auf – vom ursprünglichen Spirit ist man in einigen Punkten aber etwas hemmend abgezogen. So krass die Stunts an sich auch konzipiert und durchlitten werden, bleibt die Inszenierung merkwürdigerweise oft auf Abstand, schert sich nicht allzu sehr um die Dynamik der Erwartung und Ausführung. Als spontane Gags sind sie noch zu gebrauchen, doch sie scheinen so oder so dem Ansporn untergeordnet, eher einem Spielfilmgerüst über das Potenzial ihrerseits zu dienen. Indes pendelt Knoxvilles Rolle dann auch zwischen den Verpflichtungen als alles durchlassender Parkleiter und verantwortungsvoller Vater einer Teen-Tochter. Dieser herzliche, aber auch angeheftete Balanceakt fungiert inklusive seiner nacherzählenden Rahmung mit Knoxville als bad grandpa sodann mehr als Abgesang auf eine Ära. Klar, dass das - trotz der flachen Inszenierung - auch an einigen Stellen melancholisch stimmt, aber zumindest noch einige Knalleffekte an tollen Zoten und Freiheiten zur Verfügung stellt, ehe der Laden dicht macht.


John David Washington in "BlacKkKlansman"

THE EQUALIZER 2 (Antoine Fuqua, 2018)More of the same vom glückstiftenden Racheengel Denzel Washington. Seine rabiate Kulanz im Sinne der Gerechtigkeit war ja schon im ersten Teil eher via konzentrierter Ladungen zu bestaunen; in der Fortsetzung macht das Prinzip zur zweiten Hälfte hin sogar noch mehr den Duckmäuser, ohne unbedingt an der fachmännischen Voraussicht des Helden zu zweifeln. Im Gegenteil: Seine versteckten Kniffe und Analysen als inaktiver Geheimagent sind im Grunde noch stringenter im Einsatz, weils nun - wie es sich für ein Sequel gehört - persönlich geworden ist. Jene Selbstsicherheit bremst aber auch schon von Vornherein jedwede Fallhöhe aus, weshalb ihm wie im zweiten „Jack Reacher“ ein junger Protegé zur Seite gestellt wird. Wie sich zum Finale hin herausstellt, hat der Seitenstrang nur mickrig hängenbleibende Werte anzubieten – viel mehr freut man sich hingegen, wenn dank Fuquas inszenatorischer Stumpfheit wieder mal all die bösen Schweine ihr Fett wegkriegen. Blutrünstig, entschieden christlich (zu Beginn in der Türkei metzelnd, später aber auch der Wiedervereinigung zweier Holocaust-Überlebender behilflich), eben ein Räudensympath mit narrativem Handicap.

CRIMINAL SQUAD (Christian Gudegast, 2018)Michael Manns „Heat” wird wieder aufgewärmt, ohne dass jemand Tantiemen an diesen zahlen müsste. Im hiesigen epischen Duell zwischen Cop und Gangster stehen sich Gerard Butler und Pablo Schreiber gegenüber, da letzterer mit seiner L.A.-basierten Crew den Raub des Jahrhunderts plant. Jene Anlaufstelle der Suspense wird so minutiös ausgespielt wie die charakterlichen Bezüge untereinander auch keine nur dahergesagten Kumpeleien anstrengen - bekannte Rollenmodelle, so menschlich wie’s nur geht. Dass die Laufzeit in Überlänge nicht am Nervenkostüm zerrt, liegt am unbedingten Willen zur Authentizität vonseiten Gudegasts, dessen Recherche und Beratung durch Experten hier einen immens stimmigen Flow ergeben. Der Grad an Außergewöhnlichem wirkt ansonsten recht unscheinbar, obgleich sich die Genre-Fähigkeiten hier natürlich mindestens so professionell vorstellen wie die Contenance und Konsequenz jener aufgestellten „Den of Thieves“.

APOSTLE (Gareth Evans, 2018)Ambitioniert an Unbehagen, aber auch ungelenk von Sinnen entwurzelt der „The Raid“-Regisseur ein Geflecht religiösen Aderlasses binnen einer Inselclique im Bund mit Mutter Erde – als Pole der vorteilhaften Lügen auf Kollisionskurs: Dan Stevens und Michael Sheen. Eine Schar narrativer Umwege dazu markiert trotz einiger Behäbigkeiten das Merkwürdige und Konspirative; die krassen Schauwerte der Folter und Jenseitsriten entzaubern die (Über-)Konstruktion jedoch so früh wie möglich. Fortan arbeitet der emotionale Zug nämlich hauptsächlich nach Racheprinzip, gegen das Orthodoxe und seine falschen Propheten/Silent-Hill-Monster. Urtümliche Kämpfe, die im sehr eigenen und spannenden Schnittprinzip Evans‘ keine Gemeinheit aussparen und - wenn schon keine Reflexionen - immerhin Spurenelemente ambivalenter Instinkte im moralischen Morast hinterlassen.

OUTLAW KING (David Mackenzie, 2018)Für besagten Mackenzie verteidigt Chris Pine erneut Land und Boden gegen eine steuerschluckende Übermacht – nach „Hell or High Water“ kommt das Herzblut allerdings etwas verdünnt raus, wenn jene Prämisse auf die Beliebigkeit des Mittelalter-Genres zurückfällt. Nun geht es also um die Eigenständigkeit der Schotten gegen das british empire und filmisch gesehen vor allem ums Racheprinzip. Der Männermythos um Robert the Bruce und seine tapferen Recken hat dafür sogar (neue, kesse) Frau und Kind als Motivator im Schlepptau, umso flotter Blutdurst. In jener Eskalation geht der Film sehr gern auf und schießt sich gespannt wie ein Flitzebogen auf Gore-Gefechte ohne Gnade ein – mal verstörend, mal astrein in moralischen Grauzonen metzelnd, wenn auch noch der verrückte James Douglas (Aaron Taylor-Johnson) zur Truppe dazu stößt. Ein Haufen verwegener, aber stets gerechter Hunde – im Gegenzug prahlen die Briten mit snobbistischer bis feiger Tyrannei, als wären sie aus „The Patriot“ rübergeschwappt. Das Kalkül vom Kampf um die Freiheit und dessen kathartische Konklusion arbeitet insofern mit der Derb- und Stumpfheit eines Wrestling-Matches: Der Effekt kommt stark an, nichtsdestotrotz kann man diese Netflix-Produktion nur als berechenbares Schlachtenepos abhaken.


An diesem Filmabend wurden "Die Räuden" uraufgeführt!

LUCKY (John Carroll Lynch, 2017) Der mehr oder weniger unverhoffte Abgesang auf Hauptdarsteller Harry Dean Stanton lässt sich als Synergie der Altersmilde entsprechend locker wegschauen. Der Mobilität sind dann beiderseits natürlich Grenzen gesetzt, im Vordergrund stehen immerhin die beschwerliche Tagesroutine eines 90-Jährigen und was ihm binnen seiner letzten Tage überhaupt noch an Lebensqualität vergönnt ist: Laissez-faire. Im Äther verschollene Bekanntschaften, spontan einschlagende Erinnerungen, Begegnungen sowie die unbeweglich verpflanzte Kaffklientel um ihn herum zeichnen sich da abwechselnd als Endhaltestellen greiser Urigkeit oder ewigwährender Zuneigung ab – das ist nur folgerichtig bei der heimeligen US-Einöde. Eine recht bekömmliche Plattform des Optimismus vorm Sensenmann, obgleich dieser innerhalb jener Charakterstudie auch mal ohne Fallhöhen auskommen muss.

SHOPLIFTERS - FAMILIENBANDE (Hirokazu Koreeda, 2018)Eine sehr viel wärmer scheinende Variante von Armutsdramen à la „Stray Dogs“ (2013), irgendwie aber auch eine Reevaluierung von Koreedas eigenem „Nobody Knows“ mithilfe des verständnisschaffenden Sentiments einer Naomi Kawase. Nicht, dass die in den Tag hineinlebende und bei Gelegenheit einklauende Patchworkfamilie hier entschieden mit den Melodram-Mechanismen jener Dame korrelieren würde – womöglich hätte dies der eher nüchternen Bestandsaufnahme an Außenseiterursachen und –bündnissen aber auch einige Längen nehmen können. So jedenfalls, in der Verweigerung absehbarer Emotionseffekte, zeugen die kleinen Alltagsfunken des Untergrunds von etwas unentschlossenem Charakter, eben wie echt (dem Kindeswohl halber so oder so stets innig) sich der Film dazu nähern will oder manche Ambivalenzen im Nebenbei suggeriert/wegschluckt.

NUR EIN KLEINER GEFALLEN (Paul Feig, 2018) Auf dem geistigen wie stilistischen Level einer Lifetime-Produktion findet Regisseur Feig wieder eine gewisse Erdung zum gezielten Unterhaltungssinn: Die Dialoge und Genre-bedingten Aufreger-Elemente agieren schärfer als seine letzten drei Unternehmungen an Impro-Comedy, wenn die moderne Social-Media-Fee von Hausfrau (Anna Kendrick) gegen die alles berechnenden Machenschaften der Femme Fatale (Blake Lively) antritt. Die offenbar bereits gewitzte Vorlage von Bahnhofsbestseller dreht sich dafür dann auch dreimal um die eigene Achse, den Konventionen seiner selbst mit kaltblütiger Ironie zu begegnen, dass die Spielchen binnen des suburbanen Klatschkrimis ins Stapeln kommen. Unmengen an sexy bis skandalösen Geheimnissen lassen zig Blätter wenden und der Spielfreude im Cast freien Lauf. Der Anstrich vom lau(nig)en und allzu fix verdauten Zeitvertreib löst sich insgesamt dann aber doch nicht ab, wenn die Trivialparade so lückenlos auserzählt im Rahmen einer kleinen gemeinen, trotzdem angezogenen Komödie bleibt – Schwarzbitteres vom Schlage eines „Gone Girl“ wäre mal wieder was gewesen!

MANDY (Panos Cosmatos, 2018) In diesem inhaltlich ausgehöhlten, formal jedoch fetttriefenden Streifen begibt sich der angehende Chefpsychedeliker Cosmatos auf einen eigenen, aber unmissverständlich kultgeilen Genretrip, der nicht nur binnen seiner Langsamkeit „Universal Soldier: Day of Reckoning“ und Konsorten zu imponieren versucht. Nicolas Cage rächt den Tod seiner Freundin und metzelt die ganze verrückte Sekte nieder – eine farbenfrohe (und manchmal auch gewitzte) Heavy-Metal-Hallogenscheinwerferflut, bei denen die Sinne dann doch irgendwie immer nur verbliebene Schimmelpilze geborgter Pop-Nischen erahnen lassen. An denen blubbert die Laufzeit soweit ganz gemütlich Richtung Elend zu, ehe Cage mit (eigentlich zurückhaltend) gezieltem Räudenbombast aufräumt. Letzteres äußert sich so barbarisch und bräsig, dass man eine Eigenverarschung der Artsploitation vermuten könnte – oder eben bornierte Geilheit. Ich kann beides akzeptieren.

Alain Moussi und Mike Tyson in "Kickboxer: Die Abrechnung"

ACCIDENT MAN (Jesse V. Johnson, 2018)Nach dem liebevollen Action-Grand-Guignol des „Savage Dog” verschlägt es Regisseur Johnson mithilfe der angefixten Britishness seines Lieblings Scott Adkins nun eben ins UK, um im Comic-basierten Milieu der Auftragskiller für soliden Direct-to-DVD-Zorres zu sorgen. Komplizierter als jede noch so stimmige Kampfchoreographie gestaltet sich allerdings die charakterliche/identitätspolitische Spannung: Im Grunde ein Brexit-Film, in welchem Adkins jeden seiner internationalen Kollegen als Mitmörder seiner Frau entlarvt und wegfightet, hadert der Recke zudem damit, die Ex-Freundin (!) seiner verlebten Maid zu akzeptieren. Die Annäherung geht nur schwer vonstatten - für solche Hürden rekonstruiert der Film sodann besonders ausgiebig (zu lang) die Kindheit des Helden, der sich unter der Fittiche des nationalistischen Meisterkillers Ray Stevenson gegen seine Schulhofpeiniger bewähren und bald in dessen Geschäft miteinsteigen kann. Bleibt da im Hier und Jetzt der wackligen Allianzen aber noch jedes angedeihte Vertrauen in Takt? Das werden nur die Fäuste beantworten können!

GOTTI (Kevin Connolly, 2018)Der vielerorts belächelte Anschluss John Travoltas ans auserzählte Mafiaeposformat stellt sich tatsächlich ziemlich verzweifelt, in jeder technischen Kategorie unbeholfen, an die Seite der Großen. Wie man aber auch weiß, eilt der Ruf jenen Konsorten meistens voraus, weshalb der Film viel am verblendeten Geist des Genres bloßlegt: Da wird per Voiceover geprotzt, wen man alles kennt und/oder umgenietet hat; die Unübersichtlichkeit im Ensemble angeblich notorischer Kerle geht ein und aus/gesichtslos; die öffentliche Meinung feiert diese Outlaws dann als Helden der Nachbarschaft, obgleich die guten Taten wohl nur in deren bloßer Präsenz als Protagonisten existieren. Hauptsache Gotti ist Familienmann und solch einer mit (sehr vagen) Prinzipien; ganz gleich, ob der Film daraus eine involvierende narrative Brücke schlagen kann, wenn er fragt: Wie der Vater, so der Sohn? Viel mehr wird man an der zerwürfelten Lebensgeschichte eh nicht kapieren, doch sie weiß zu amüsieren, wenn man hier auch wirklich jeden Klischee-Itaker zu jeder Zeit mit seinen Händen sprechen sieht.

JURASSIC WORLD: DAS GEFALLENE KÖNIGREICH (J.A. Bayona, 2018)Drehbuchautor Colin Trevorrow gilt ja spätestens seit „The Book of Henry“ als Garant für seltsame Entscheidungen in Sachen Dramaturgie. Folglich wirkt dieser zweite Ableger seines Dino-Reboots unter der Regie des auf sentimentale Monster-Epen abonnierten Bayona latent geisteskrank. Nachdem man sich zur ersten Hälfte hin nämlich pflichtbewusst im Abhaken der gröbsten Franchise-Eckpunkte bewiesen plus nervende Marvel-Nerds mit auf die Reise genommen hat, spielen sich u.a. eine Supersaurier-Versteigerung, ein hinterfotziger Kissenmord sowie eine via geklontem Mädchen verhinderte Dino-Shoah in perplexer Breitwandehrfurcht ab – alles binnen einer High-Tech-Gruselvilla wohlgemerkt. Einzeln geballte Suspense-Sequenzen ergeben im Verlauf noch das konsensqualitative Gegengewicht zu dieser Parade juveniler Banalitäten, welche im per Cliffhanger angekündigten 3. Teil hoffentlich vollkommen den Laden übernommen haben werden.


Tiffany Haddish in "Night School"

THE DEATH OF SUPERMAN (Sam Liu und Jake Castorena, 2018)Eine sehr direkte Adaption vom ersten Teil jener 90er-Comicssaga, welche den Tod des allseits beliebten Supermans Clark Kent durchlebte - nur um ihn dann wieder auferstehen zu lassen, was sich wohlgemerkt ebenfalls momentan in Produktion befindet. Wer mit den Heimkino-anpeilenden DC-Animationsfilmen der letzten Jahre vertraut ist, weiß, was ihn an formalen Qualitäten erwartet. Hier überwiegt vom Gefühl her zumindest eine ehrliche Anteilnahme im aufopfernden Heldentum des Kryptoniers, die recht geballt auf sein gutes Herz hinweist, dementsprechend hart sitzende Schläge Doomsdays sowie traurige Todeschöre zur Immersion sterbender Güte aufbieten kann. Das fängt alles allerdings schon nach fünf Minuten an, also ist der Film an sich mehr denn je nur für Fans und deren emotionale Vorbelastung tauglich. Für die putzt er sich einigermaßen effektiv raus, aber es ist trotzdem kein zweites „The Dark Knight Returns, Part 1 + 2“.

THE ADVENTURERS (Stanley Fung, 2017)Ein Traum wird wahr: Jean Reno gegen Andy Lau”, meint das Cover zum Film, aber dass man hiermit den kühnen Fantasien einer solch kuriosen Kombo gerecht wird, mag ich nur bedingt bestätigen. Was man sich da hinein holt, ist jedenfalls ein ganz glatter routinierter Caper-Klatsch, der es sich in den Tourismushochburgen Europas (von Cannes bis nach Prag – Harlans „Die Goldene Stadt“ lässt grüßen) gemütlich macht und allen voran in der Ehre/Freundschaft unter Dieben an Sympathie punktet – denn ein Lau ist so gut, dass er auch seinem Verfolger Reno einst das Leben rettete. Letzterer ist dann auch hauptsächlich über seine Erinnerungen an früher im Plot involviert, welcher auf den cleveren Klau piekfeiner Juwelen und die darin verborgenen Intrigen abgerichtet ist. Entbehrlich, aber auch vollkommen in Ordnung.

PAY DAY (Jesse V. Johnson, 2018)Nun als Geldeintreiber in spe unterwegs neigt die nächste Adkins/Johnson-Vereinigung eher zu Tarantino’esken Schwafeleien, wobei Beifahrer Louis Mandylor den reizvolleren Charakterdarsteller des berufsbedingten moralischen Abstiegs abgibt. Haus um Haus müht man sich also bei den Kunden ab - einige tolle Eskalationen im Verteilen blutiger Nasen deuten da beinahe auf die erzmaskuline Variante eines „American Honey“ hin. Gen Ende lässt sich das in unseren urbanen Cowboys brodelnde Dilemma von Richtig und Falsch jedoch nimmer abschütteln: Der Seelenfrieden im heroic bloodshed holt die kurze Laufzeit derart früh ein, dass man von der funktionellen Low-Budget-Produktion gerade noch angenehm unterhalten Notiz nehmen kann.


"The Ballad of Buster Scruggs"

GLADBECK (Kilian Riedhof, 2018)Auszug vom 18. März: „[...] Rein oberflächlich betrachtet gibt dieses Event einen ziemlich straffen Terrorfilm ab, der allerdings auch ausschließlich dieses Gefühl auszudrücken imstande ist. Jedes Mal, wenn er die Zwischentöne der einst tatsächlichen Reaktionen nachzuzeichnen versucht, wirkt er daher komplett neben der Spur und widersprüchlich binnen seiner selbst. Der inszenatorische Grundmodus der Bedrohung gibt zwar permanent Druck in (merkwürdig koloriertem) Cinemascope und Synth-Drones, doch da beißen sich erst recht die naturalistischen Eindrücke der Mimikry mit hochdramatisierten Drehbuchphrasen anhand von Einsatzleitern. Zudem sieht man sich als Zuschauer auch auf eine Emotionalisierung angesetzt, die dem Desasterfilm-Prinzip gemäß einzelne Vorgeschichten, Betroffenheits-Sequenzen und Gesten des Gefühls als Symbolbilder der Menschlichkeit spekuliert. […]“

JOHNNY ENGLISH - MAN LEBT NUR DREIMAL (David Kerr, 2018)Rowan Atkinson hat den filmischen Prozess offenbar satt, da jener die gesunde Menge an Spontanität missen würde. Beim dritten Ableger der English-Reihe dürfte seine Beweisführung zweifelsohne gelingen, doch innerhalb solch platter Agentenklamotten hegt man als Zuschauer weniger den Moment jedweder Überraschung als die Frage, wann und wie lange die ollsten Kamellen ausgespielt werden. In der Hinsicht weiß der Film genau die richtigen Erwartungen anstehender Blödheit zu füttern und sättigen. Grauenvolle Greenscreen-Effekte und eine (vorsichtig ausgedrückt) laxe Haltung zum Brexit lassen jene Old-School-Holzhammermethoden noch ätzender müffeln, machen sich aber auch ein bisschen selber lächerlich. Ob der Ausgleich sympathisch daherkommt oder überhaupt eine gelungene Komödie ausmacht, muss jeder selber sehen. Ich hab gelacht!

WUNDER (Stephen Chbosky, 2017)Zuckersüß verdünnisiert und irgendwie doch nicht allzu seelenlosem Kitsch anfallend, zeichnet sich kapitelweise die Botschaft der Akzeptanz und des Selbstbewusstseins innerhalb einer Familie mit (optischem) Problemkind und deren Mitmenschen ab. Ein eher utopisches Leinwandmärchen, stets in der Nähe unbedingter Mutterliebe und väterlicher Sportsfreundlichkeit unterwegs, das sich gestalterisch in der Gefälligkeit übt als auch Wahrhaftigkeit nach vorne zu filtern gedenkt. Die künstlichsten Samthandschuhe an Katharsis negieren jenen humanistischen Ansporn gen Finale beinahe wieder – als verfilmte Kuscheldecke (inklusive grandios garstiger rich parents im 3. Akt) dennoch überraschend oft auf Augenhöhe agierend.

DEADPOOL 2 (David Leitch, 2018)Sowohl erträglicher als der Vorgänger als auch Leitchs „Atomic Blonde” (2017) nimmt sich die obligatorische Zweckerfüllung des Superhelden-Handlungsgerüsts binnen der Parodie nun tatsächlich eher eine Auszeit, da sie einen aus mehreren Ecken drübberdramatisch um die Ohren haut. Für eine totale Persiflage des Genres mag sich der Film wiederum nicht einsetzen und dessen Hang zur Todessehnsucht ebenso wenig ausklammern - er deckt sich aber wenigstens mit noch mehr (nicht immer unbefangener) Blödheit ein und bemüht sich in der Action zudem um eine gesteigert haptische Dynamik mittels Josh Brolins Cable-Kernigkeit. Dadurch wird’s insgesamt natürlich eine verwirrte, aber nicht unbedingt zum Seufzen anregende Filmerfahrung über Quasselstrippen, X-Men-Anwärter und deren kuriose/blutrünstige Familienbande.


John Travolta in "Gotti"

WAHRHEIT ODER PFLICHT (Jeff Wadlow, 2018)Aus dem Blumhouse entsteigt dieses entschieden beliebige Horrortribunal unter Teens, deren virale Sucht auf Geheimnisse und Bekenntnisse vom Spiel-auf-Lebenszeit verfolgt wird. Die darin offenbarten Urängste beschränken sich natürlich auf eher gängige Haltestellen der Jugend: Wer ist wem treu, liebt man doch eine Andere, obwohl jene die beste Freundin der Freundin ist? Kann man dem Vater offenbaren, dass man schwul ist? Fühlt man sich schon als Karrieremensch? Und noch am heftigsten: Liegt ein Missbrauchsfall im Figurengeflecht vor? Für diesen Film so oder so kein Anlass zur psychologischen Konfrontation, eher eine Plattform für Final-Destination-Effekte in zumal massentauglicher PG13-Mutlosigkeit. Die dümmste Moralschleuder Richtung Social Media hebt man sich aber für den Schluss auf, bis dahin ist die Routine immerhin vor lauter künstlicher Aufregung nicht nur gelangweilt ausgefallen.

TOMB RAIDER (Roar Uthaug, 2018)Lara Croft, diesmal von Alicia Vikander - lebhafter als in allen ihren gängigen Oscarrollen - verkörpert, begibt sich hier noch grün hinter den Ohren auf die Quest, das Vermächtnis ihres verstorben geglaubten Vaters zu entschlüsseln. Die Daddy-Komponente liefert als Sehnsuchtspol noch die innigste Dockstation jener Videospieladaption, die allzu flott zu den oft bewanderten Pfaden des exotischen Abenteuerfilms runter steigt. Der Wust an Spezialeffekten treibt einen vor sich her wie der als moderner Sklaventreiber agierende Walton Goggins - Superfrau Croft meistert den Fall trotz künstlich aufgebauschter Verletzlichkeiten auf jeden Fall, dass selbst der vierte Indiana Jones unweigerlich ins Gähnen kommen dürfte. Ein vergeblicher Cliffhanger Richtung Fortsetzung rundet diese weitere Runde der halbärschigen Einfallslosigkeit Hollywoods ab, ehe der befreite Seufzer des Zuschauers einsetzt.

SUPER TROOPERS 2 (Jay Chandrasekhar, 2018)Dieser unverhoffte Bro-Com-Nachzügler aus dem Dunstkreis der Broken-Lizard-Truppe müsste wie sein Jackass-Kollege „Action Point“ unter allen Umständen wie aus der Zeit gefallen wirken und das tut er auch – auf die Art mindestens so auffällig wie „Jigsaw“ (2017). Der Versuch der Relevanz anhand einer Persiflage gegenwärtiger US-amerikanischer Außenpolitik, hier Richtung Kanada protzend, gibt sich als Nährboden plumper Gags aber derart ehrlich daneben, dass durchweg Kurzweil besteht. Spaß? Ansichtssache. Wenn sich nicht gerade der bleiern funktionelle Subplot geheimnisvoller Schmuggelgangster zu Wort meldet, bewandern die Highwayhonks jedenfalls vielerlei Streiche, Anmachsprüche und patriotische Penisvergleiche – u.a. anhand der örtlichen Bärenzunft, illegaler Substanzen, Hormonpillen, Rasierschaum, Rauchbomben und geklauter Uniformen. Alles drübber und dort wo’s hingehört.

GEFANGEN – DER FALL K. (Hans Steinbichler, 2018)Auszug vom 4. März: „[…]Was hat der Deutsche immer für Wut im Bauch! Alles also weiterhin extrem dramatisch bei Steinbichler – Liefers im Zentrum bleibt dementsprechend ein arg bemühter Mime, wird der schicksalsschwangeren Verschwörungsparanoia seines Charakters damit aber umso gerechter. Konterkariert werden solche Signale des Zwielichts allerdings mit sehr durchsichtigen Ansagen an den Zuschauer, dass Kronach alles genommen wird, seine selbstverständlichsten Grundrechte bei Autoritäten auf taube Ohren stoßen und Revisionen im Vornherein per konspirativem Personal abgewürgt bleiben. Alles Lug und Trug und böse – außer die Guten, die an allen Grenzen scheitern. Ist da natürlich nicht ineffektiv, wie der Film die Hoffnung begraben kann und daraufhin moralische Gerüste der Gesellschaft einfordert - und seien es nur Apfelkerne oder festes Schuhwerk. […]“


Nun aber wird es schon etwas enger in der Auswahl! Wenn das Abwegige und Routinierte alles nichts mehr nützt fürs gesteigerte Selbstbewusstsein, befindet sich der Film meist in einer Zwickmühle mangelnder Inspiration oder seltsam abgesteckter Zuschauererwartungen, dass sich selbst die Guten den einen oder anderen Fauxpas erlauben, natürlich ambitionierte Versuche unternehmen, aber dann doch an uns unergründlichen Faktoren scheitern, stimmige Gesamtbilder zu ballen. Manchmal weiß ich bei denen auch nicht weiter, aber eine Distinktion möchte ich ihnen ebenso wenig entsagen. Nun denn!


Hinter den Erwartungen zurückgeblieben:

A BEAUTIFUL DAY (Lynne Ramsay, 2017)Dieses Drama um eine traumatisierte Variante des Equalizers via Joaquin Phoenix geht einem gut und gerne aus dem Weg, nicht Halbes und nichts Ganzes über die verrottende Ambivalenz der Gerechtigkeit zu erzählen. Stil und Inhalt sind da nur folgerichtig aufeinander abgestimmt, aber nicht minder mühsam als Filmerfahrung. Im mal sperrigen, mal authentischen Schnitt ist der geplagte wie konsequente Protagonist des Niemandslands Amerika (k)ein Held – allerdings in solch einem Verhältnis, welches jedweder Faszination und Emotion dann doch teils zu kalkulierte Mengen an Unergiebigkeit voraussetzt. Bei der klammen Sehnsucht bleibt der Film durchaus eigen, wenn sich ihm auch kaum entgegenkommende Argumente zur Rettung einer kaputten Welt herauskitzeln lassen. Der Originaltitel „You were never really here“ spricht in dem Sinne Bände.

3 TAGE IN QUIBERON (Emily Atef, 2018)Auszug vom 18. März: „[...] Die Auflösung einer Person des öffentlichen Lebens scheint keine Gefangenen zu machen, obgleich man hauptsächlich Reaktionen denn wirklich konstruktive Reflexionen erwarten dürfte. Seelen-Exhibitionismus halt. [...] Unter Umständen geht man mit so einer Charakteristik eher noch in Sachen biographischer Einzelheiten in die Tiefe, wirklich vielschichtig fällt der filmische Wert dessen auf dem Papier dann trotzdem nicht aus. Dass es nicht so herbe ins Gewicht fällt, ist Marie Bäumer zu verdanken, die selbst aus der noch so peniblen Mimikry des Interviews stets Echtes nach vorne fördert. [...] Die Spannung kommt in jenem Szenario deutlich aus der zwischenmenschlichen Reibung, aber ihre Gestaltung, Kameraführung und Sounds bleiben konstant auf demselben Level von basic coverage. [...] Dankenswerter Weise schließt Atef auch mit einer Note des Aufschwungs, der Ablösung vom Zwang des per Öffentlichkeit verprellten Ichs. Doch mit solch einer dem Zuschauer gereichten Methodik bleibt der Film halt nochmals absolut vage. [...]“

DER HAUPTMANN (Robert Schwentke, 2017)Die Lügenbündnisse und –bereitschaften der Macht, im giftigsten Schwarzweiß aus der Kernschmelze des Dritten Reichs zusammengeballt, machen sich hier teils hart per overacting - schuldverdrossen in Exzessen und Sadismen verloren - Luft. Gegen sowie um die Menschenwürde geht’s hier ja von Vornherein im bereits verlorenen Überlebenskampf der Nazi-Ideologie; mit der Uniform sodann umso toller. So sind die damit verbundenen Tendenzen gen Exploitation binnen Schwentkes strammer Schocks nicht ineffektiv geraten, aber sie tragen nun mal platte Blüten, die allen voran in der Laufzeit eher hartnäckigst auszuhalten sind. Übertrifft so natürlich jeden bisherigen US-Export des Regisseurs.

UNSANE – AUSGELIEFERT (Steven Soderbergh, 2018)Auszug vom 4. März: „[...] Soderbergh trifft da natürlich einen aktuellen Nerv, wie die Entmündigung des Ichs vonseiten unbelehrbarer Obrigkeit global um sich greift, sich hier vor allem als Struktur aus Geldgier/Versicherungsmandat offenbart. Man darf allerdings auch durchatmen, dass er im Verlauf keinen spröden Problemfilm draus macht. Als Plattform der Rationalität wirkt seine Handhabe dennoch unausgegoren, sobald sich ein Szenario herauskristallisiert, das nur bedingt von Verwandten wie „Obsessed“, „Genug“ oder „The Perfect Guy“ abgegrenzt werden kann. Die Drehbuchautoren Jonathan Bernstein und James Greer waren bislang ohnehin ein eher triviales Gespann, welches hier für sich zumindest einiges an Boden gut macht, mit welch piesackender Methodik der Alltag unter Verfolgungswahn und/oder Psychatrie vorangeht. Die Kontinuität des Dialogs wirkt ebenfalls noch selbstsicher genug, doch sobald Antagonisten eingreifen, ist die Kolportage daran schwer am Schuften, nicht vorzeitig zu verpuffen. [...]“

I STILL SEE YOU - SIE LASSEN DICH NICHT RUHEN (Scott Speer, 2018)Allzweckwaffe Speer lauscht weiterhin an den Mauern der High School entlang, um seine Handwerkerfähigkeiten auch beim schwierigen Genremix des YA-Dystopie-Grusel-Dramas zu beweisen. Bella „Midnight Sun“ Thorne gibt nun ein Gothgirl inmitten einer Welt von Normalos und koexistierenden Geistern, das einigen gefährlichen Geheimnissen auf den Grund geht und gleichsam einen Schlussstrich unter ihre Vergangenheitsbewältigung setzt. Blass und sentimental, angereichert mit Jumpscares und Teen-Quirks zugleich, bietet der Film irgendwie für jeden was, ohne wirklich an sich selbst denken zu können. Der doch recht klein und konventionell geratene Kern schleppt sich also mit dieser Schale voran – und der Zuschauer landet hauptsächlich doch eher bei der Erkenntnis, die Cast & Crew nicht übersehen wissen wollen: Thorne hat jetzt ein Nippelpiercing!

DEATH WISH (Eli Roth, 2018) Auszug vom 4. März: „[...] (Roth) versucht noch jede (kurze) Chance zu nutzen, die Lust am Töten aus seinem Protagonisten herauszukitzeln und darf für den Hauptanteil an hiesigem Zynismus sorgen, wie explizit die Carnahan’sche Selbstverteidigung (unter Beihilfe von Kettenreaktionen à la „Nackte Kanone“) bis hin zur reinen Folter ausfällt und Kersey sich selbst dabei gefällt. Gleichsam zurückhaltend persifliert er den amerikanischen Waffenkult, umso stärker die mediale Aufmerksamkeit rund um die Abkratzaktionen des sogenannten Grim Reapers. Podcasts und Memes agieren da so reaktionär und aufgegeilt, dass ihm die Sense zittern müsste, im Gegenzug begründet der Film an jener Bestätigung ein Stück weit die Heilung seines Traumas. So wie sich das liest, müsste es provokant sein, doch dafür fehlt schlicht die Fallhöhe der Vorlage. […] Carnahan traut sich nichts (weder Justizirrtümer noch unfähige/korrupte Bullen, Gott bewahre) und Roth muss unter MGM Folge leisten, dass beidesamt zudem einen Mediator via Kersey-Bruder Frank (Vincent D’Onofrio) einbauen, nach welchem für den Zuschauer keine Fragen mehr über bleiben. […] Dass der Effekt der Rache mehr Nerven kitzelt als die Ursache dessen, ist da als Erkenntnis auch nur ein schwacher Trost.“



FAHRENHEIT 11/9 (Michael Moore, 2018)Moore wirft alles in dem Topf, um ein Abbild des modernen Amerikas zu entwerfen (obwohl es eingangs um das Phänomen Trump und wie es dazu kam gehen soll): Die Volkskrankheit der politischen Kluft, der Trinkwasserskandal von Flint Michigan, korrupte Verfehlungen der Republikaner und Demokraten, politische Newcomer und Parkland-Shooting-Überlebende als Hoffnungsträger, der falsche Bombenalarm auf Hawaii, eine Handvoll Bilder aus Charlottesville, sich selbst als unterstützenden PR-Stunt. Die Trefferquote an bewegenden Erkenntnissen und/oder Voiceover-Montagen bewegt sich noch in den schwarzen Zahlen, doch die Relevanz einiger Passagen kommt selbst im Nachhinein noch weniger zu Potte als z.B. bei Kollege Dinesh D’Souza.

THE OUTSIDER (Martin Zandvliet, 2018)Auszug vom 18. März: „[…] Anstatt Spannung zu ballen, verlässt er sich auf Steadicam-Strecken, Neonfarben und die ältesten Kamellen von Schuss und Gegenschuss, um irgendwo ein Hauch von Zen auszumachen. Es bleibt aber Wunschdenken, solange die Verhältnisse untereinander mit Binsenweisheiten, Territorialdrohungen und reaktionärem Gangster-Einmaleins allein begossen werden. [...] In denen wacht der Film ja am Meisten auf und hält selbst dann spekulativ drauf, wenn auch zum dritten Mal hintereinander der kleine Finger abgeschnitten wird. Solche Szenen sagen zwar aus, wie weit der Gaijin für seine Befreier gehen würde, aber es wird letztendlich nur im lustlosen Abhaken an Topoi draus geschlossen, wie dieses Verhältnis z.B. im Kontrast zum eigentlichen Nachkriegsverhältnis anno dazumal steht, eben was jene wechselseitige Anpassung macht oder ausmacht. [...] Die Motivation des Narrativs gründet sich dann zwar noch immer auf der (spätestens seit Kurosawa/Leone erwiesenen) Faszination der westlichen Welt zum Themenkomplex Nippon und andersrum, verharrt aber in der Hemmung, schlicht von außen rein zu schauen und infolge dessen aus dem Innern in die Beliebigkeit zurück zu starren.“

BUYBUST (Erik Matti, 2018)Einerseits eine haptische wie brisante Verquickung von moderner asiatischer Martial-Arts-Garstigkeit mit der moralischen Ambivalenz des war against drugs powered by corruption binnen der Philippinen. Andererseits ein in alle Richtungen blutendes Labyrinth, das jeden profunden Ansatz chaotisiert und seine bestmöglichen Effekte genauso verpasst wie die auf allen Ebenen missratene Tongestaltung.

IN DEN GÄNGEN (Thomas Stuber, 2018)In den Längen, da verliert sich Stubers Supermarkt-Panorama an aufgehaltenen wie abgehängten Existenzen mehrmals aus den Augen (nicht aus dem Sinn), wie es ohnehin eher wortscheu bleibt. Nicht jede dieser inszenatorischen Entsagungen kommt auch charakterstark aus dem Bauch heraus - mit einigen kunstgewerblichen Gesten der Alltagspoesie ist’s ebenso wenig getan, dem Ost-Trott viel Wahrhaftiges abseits spärlicher Sozialtristesse und unerfüllter Liebe abzugewinnen. Einige Stalker-Fantasien, schlechte-Einflüsse-von-einst und alkoholische Trübsaltauchgänge später ist man aus dem Rundgang kaum schlauer geworden – das bringt die bedrückende Dead-End-Atmosphäre aber auch mit sich, jene Stimmigkeit muss man dem Film schon lassen.

MOGLI - LEGENDE DES DSCHUNGELS (Andy Serkis, 2018)Es geht wieder ab ins Dschungelbuch und alles, was binnen seiner aktuellen Umsetzung als weiterer Hybrid nach Avatar-Manier an frischen Aspekten addiert wurde, lässt sich vermutlich an einer Hand abzählen. Dass man sich nun eher mit den Unvereinbarkeiten und Enttäuschungen des Tiermenschen Mogli innerhalb sowie im Wandel benachbarter Zivilisationen beschäftigt, macht sich dann allerdings auch als fähige Erkundung heller und finsterer Seiten des Identitätswillens bewährt; gibt sich weniger handzahm als die allein schon per Motion-Capture-Verfahren geißelnde Blockbuster-Sprache, deren Konsens Serkis letztendlich doch zuviel Platz überlässt. Eben ein gedrosselt ergiebiger Weltenwandler.

MARY POPPINS' RÜCKKEHR (Rob Marshall, 2018)In Marshalls formeller Hingabe zur Rekreation des Erstlings mag das Herzblut kaum nachlassen, doch bei allem ausstattungsfreudigen Pomp fletscht das Drehbuch allenfalls für jene Konfitüre die Zähne und gerät beim Abwarten zwischen den Gängen zusehends ins Nachplappern an Plotpoints (teils beat for beat anno 1964), bis lediglich das schöne Nichts zum Bewundern über bleibt. Vorm Mindestsatz an emotionaler Belastung oder verdienter Euphorie geht der Film sodann ebenfalls in Deckung, ersetzt jene Qualitäten des Originals u.a. mit einer deplatzierten wie ausdauernden Meryl-Streep-Episode sowie großzügigen Mengen an Deus ex machina. Nostalgie als Verzweiflung ewigen Blühens.


Kate Mara in "Sergeant Rex - Nicht ohne meinen Hund"

NATSUKI: THE MOVIE (Chris Broad, 2018)Online erschienen und als etwas größerer Wurf des „Abroad in Japan”-Kanals angekündigt, folgt die Dokumentation dem exzentrischen Friseur/Teilzeitrocker Natsuki auf seiner fixen Idee einer 1. Europareise. Skurrile Kommentare auf einige Pflicht-Sightseeings sind die Folge, freundschaftliche Spontanbegegnungen sowieso - euphorisches Einkaufen und sogar einige Mutproben sind im kostenlosen Viewing mit inbegriffen! Die Ziellosigkeit des Unternehmens macht dem Narrativ aber am Härtesten zu schaffen und so versanden die verstreuten Aspekte an Midlife-Sehnsüchten und Motivationsphilosophien schlussendlich in einem vorgeschobenen Musikvideo angehobener Cringe-Werte.

GAME NIGHT (John Francis Daley und Jonathan Goldstein, 2018) Eine Jason-Bateman-Komödie der Eskalationen, in welcher das vorstädtische Spießerdasein via einer Kette an Spieleabendmissverständnissen kopfüber in die Nacht schlittert. Prompt leiten jede Menge Gangster, Blödheiten und Kultfilm-Namedroppings die teils extraseichten/-langen Situationskomiken an, aus vermeintlich harmlosem Roleplay heraus auf die wahre Unterwelt zu treffen, während besagter Bateman (wie gehabt für sein Œuvre) permanent Bindungsängste ausstrahlt. War’s nicht schon bei der „Date Night“ so? Diese hier jedenfalls kommt auch nicht drumherum, aus dem netten Zug ihrer Prämisse geschmissen zu werden, um im klischierten dritten Akt plus Standard-Obermotz zu verebben.

MEG (Jon Turteltaub, 2018)Haihorror muss nicht immer auf Tele5-Niveau absoffen – aber es gestaltet sich nicht minder problematisch, ein dürres Unterwasserdrama verästelter Schicksale anzusappeln, um dann doch nur durch die berechenbare halbe Handvoll an CGI-Schauwerten zu hechten. Mit Jason Statham am Steuer würde man auch nicht unbedingt von Vornherein davon ausgehen, einer kapitalistischen wie kommerzkritischen China/US-Synergie beizuwohnen, doch deren allenfalls nettes Networth macht längst nicht so viel her wie das Finale. Dort fängt der Film erst an, sich binnen Massenpanik und unmöglicher Posen des Heldentums zu vergnügen – der späteste aller Spätzünder.

WOLFSNÄCHTE (Jeremy Saulnier, 2018)Zu Beginn schon per Passivität verquast, findet Saulniers schneeweiß und blutrot bedeckter Thriller durchweg keine richtige Erdung als Territorialkrieg aus dem Innern, eher nur sporadisch packende Sequenzen von einer dies anstrengenden, menschgewordenen Wolfsfamilie. Blutrünstige Schocks ergeben dabei das Hauptargument an Ambitionen - die fragmentarische Rahmung voll uninspirierter Bilder und Töne kann dagegen nur wie eine per Sperrigkeit kaschierte Pflichterfüllung wirken, auch wenn sie einen im Verlauf noch etwas enger einzuschnüren vermag.


An diesem Filmabend lernten wir sowohl Drexel Hemsley als auch Dinesh D'Souza kennen!

AUSLÖSCHUNG (Alex Garland, 2018) Auszug vom 18. März: „[...] Eine Expedition ins Herz der Finsternis als Selbstbeweis Natalie Portmans für die Wissenschaft oder auch wahlweise den Ehegatten (Oscar Isaac) – von Anfang bis Ende so schicksalsschwer mit Rückblenden und ausgestellten Mysterien beladen, dass es dem kollektiven Schauspiel schon die Luft abwürgt. [...] Genauso verhält sich Regisseur Garland mit seiner fulminanten Bilderwelt, die an sich eigentlich gut mit Faszination liebäugelt, aber stets auf Distanz bleibt, ebenso frustrierend an der Immersion vorbeimontiert ist [...] selbst wenn er sich in einer (nicht immer gelungenen) Verschachtelung übt, welche das labile Wesen des Menschen sowie seiner Wahrnehmung ins Gewissen rückt. Der Punkt ist durchaus die stichhaltigste Schlussfolgerung des Films, der darin auch Ängste der Übernahme aus unserer Gegenwart behüteter Identitäten reiht, als kämen die Körperfresser wieder zu Besuch. Dafür nimmt der Film aber auch einige Plattitüden an Menschenkenntnis in Kauf, die es einem einfacher als nötig machen und letztendlich halt auf eine Odyssee reißerischer Entdeckungen/Schocks abzielen [...]“

THE CLOVEHITCH KILLER (Duncan Skiles, 2018)Eine etwas durchsichtig geratene Murder Mystery binnen des US-amerikanischen Suburbia, welche mit falschen Fährten und bestenfalls soliden narrativen Schleifen bei der Stange hält, sich aber auch dem Kreislauf der Lügen binnen omnipräsenter Heimeligkeiten widmet: Familie, Gemeinde, Religion. Kühl im Stil und einigermaßen intensiv im Spiel, reicht das thematische oder psychologische Spektrum aber auch nicht derart tief, das man mit größeren Spannungsmomenten jenseits gewohnter Serienkillerstoffe zu rechnen hat.
 
THE KISSING BOOTH (Vince Marcello, 2018)Eigentlich eine Coming-of-Age-Dramödie nach Schema-F, bei welcher der Faktor Friendzone allerdings absurde Züge annimmt, die daraus resultierende desaströse Pubertät dennoch aus dem Ärmel zu schütteln glaubt. Poppigst geht es also in ein toxic love triangle, welches Joey King zwischen einem prügelnden Zwei-Meter-Kontrollfreak und seinem Bruder, dem zutiefst eifersüchtigen BFF pendeln lässt. Auch wenn’s zuckersüß überspielt wird: Abhängigkeitskomplexe und forcierte Leidenschaftsansprüche geben nicht unbedingt das beste Vorbild ab und das zentrale Mädel gibt sich ebenfalls mehr schlecht denn recht widerstandslos der Regression als Spielball hin. Schwierige Umstände in einem Film, der alles an sich dann doch zu leicht nimmt und merkbefreit daherkommt.


Bella Thorne in "I Still See You - Sie lassen dich nicht ruhen"

READY PLAYER ONE (Steven Spielberg, 2018)Auszug vom 20. Mai: „[…] binnen einer Virtual-Reality-Dystopie hat es selbst ein Spielberg schwer, vom Polierten weg das Herzstück rauszukramen. Seine Führung zieht stattdessen höchst unpersönlich durch, die I-Love-the-80’s-Hobbynerds (aka Fans vom saulahmen Buckaroo Banzai) mit Eindrücken aus zig IPs im Strom zu halten, während der Junge (Tye Sheridan) auf der Jagd nach dem Schatz das Mädel (Olivia Cooke) trifft und die Welt vor dem Bösen rettet, Realität als einzig real erklärt und den Online-Kasten daher für jeweils 2 Tage in der Woche (!) dicht macht. Nichts gegen jene Essenz von Heldensage, wenn man diese abseits des Grundgerüsts anfüttern würde. Bei hiesigen Stereotypen kommt allerdings relativ nix neben der Markenidentität hinzu – schlicht grelle Gesellen in funktioneller Perfektion, die selbst mit Muttermal im Gesicht natürlich noch vor Schönheit strotzen. In jener denkfaul positiven Haltung ist der Widerspruch von Kommerzfreundlichkeit und Anti-Großkapitalisten-Adventure natürlich umso stimmiger im emotionalen Nirwana unterwegs - ebenso bleibt der technische Esprit auf Vordermann, also wie viele Renderfarmen in Sekundenschnelle verpulvert werden können. Und das ist zusehends anstrengender anzuschauen, so wie sich die Derivate im Pre-Viz-Mantra türmen. […]“

DER SEX PAKT (Kay Cannon, 2018)Hysterische Eltern (u.a. John Cena und eine besonders faschistoide Leslie Mann) wollen unter allen Umständen verhindern, dass ihre Teens Sex haben – eine turbulente Tour durch die Nacht und zig aus dem Ruder laufende Feten sind die Folge. Was ist der „Clou“ an solch einer dutzendfach ausgereizten Prämisse? Na hör mal: Die Beteiligten sprechen die Klischees ihrer Rollenmodelle an, dass ihre Verhaltensmuster alte Hüte sind, relax! Ganz im Sinne des ähnlich gearteten „How To Be Single“ heißt das natürlich auch, dass die Klischees so oder so, teils einfach mit Verzögerung eingelöst werden, denn die hier als Einsicht/Innovation verbalisierten, versöhnlichen Noten des Genres gehören auch so schon ewig dazu. Die Seichtigkeit und Lustfeindlichkeit der Gags wäre jedenfalls auch ohne Pseudosubversion auf Augenhöhe miteinander.

ZOE (Drake Doremus, 2018)Abklatsch von „Her“ oder auch: Gefühlsduselei für eine künstliche Intelligenz, die sich selber als Mensch glaubt und es doch nie sein wird. Produzent Ridley Scott fährt weiterhin seine Kampagne vom Verständnis für den besseren Menschen im Androiden, wollte für diese schmächtige Romanze aber wohl nicht zuviel ausgeben. So muss sich die uninspirierte Handkamera mit einer Handvoll Sets sowie dem repetitiven Sog von Blicken und Spaziergängen begnügen, deren rübergeschmierter Soundtrack aus Dream Pop und Sehnsuchtsgeständnissen Terrence Malick Konkurrenz zu machen scheint. Theo James („Die Bestimmung“) darf noch einen etwas raffinierteren Roboter-Charme ausspielen, muss aber Scotts gesteigertem Willen zum Cyber-Positivismus passiv bleiben, obwohl er anfangs noch voller Spannungspotenzial ins Liebesdreieck zwischen Erfinder Ewan McGregor und Robotermaid Léa Seydoux platziert wird. Da ist eine Energiewende fällig.


"On the beach alone at night"

PACIFIC RIM: UPRISING (Steven S. DeKnight, 2018)Die eher unnütze Fortsetzung eines singulären Jungstraums probiert sich als verstärkt inklusiver/stereotyper Cinematic-Universe-Startschuss und nimmt alles, was am Topoi-remixenden Erstling Laune machte, als spaßbremsende Ansage zum regulären Blockbuster-Prinzip auf – schlechte „Echt jetzt“-Witze, Worldbuilding-Übererklärungen sowie unverschämte Anbiederungen an den chinesischen Filmmarkt inklusive. Das Potpourri bunter Farben binnen fast gewichtloser Kaiju-Kämpfe dürfte sich fortan trotzdem als harmloses Testbild an geistloser Unterhaltung bewähren bzw. vergessen werden.

CALIBRE - WEIDMANNSUNHEIL (Matt Palmer, 2018) Stilistisch eher fernsehtauglich aufbereitete Reihung von moralischen Dilemmata des Tötens – wo’s zunächst ein Unfall ist, daraufhin Notwehr, gefolgt von geplanten Notlügen und Racheaktionen. Die psychologische Last der Schuld macht sich ja schon u.a. seit Poe als immersive Zugkraft stark – umso ernüchternder, dass Regiedebütant Palmer im Vertrauen auf Konventionen an Intimität oder ähnlicher gestalterischer Verengung spart. Er kriegt seine narrativen Schlüsse zumindest glatt wie dünn hin – wer mit der alljährlichen B-Ware des Fantasy Filmfests vertraut ist, kennt diese Art von Streifen.

INGRID GOES WEST (Matthew Spicer, 2017)Falsche Identitäten und Freundschaften der Instasphäre sind die Grundlagen dieser Stalker-Dramödie (?), in welcher die Obsession zum Public Image mit der Unzuverlässigkeit gen Real Life gekoppelt wird. Bei der Menge an Gegensätzen kann der Zuschauer nur ins Kippeln geraten, ehe er sich von den allzu banalen dramaturgischen Lösungen verschaukelt fühlen wird. O’Shea Jackson Jr. und seine Batman-Forever-Schwärmerei geben dem Film dennoch ein denkwürdiges kleines Stück Herz dazu.

GUTLAND (Govinda Van Maele, 2017)Freddy Lau guckt verschämt in eine luxemburgische Kaffgemeinde rein, übernimmt als schweigender Vergangenheitshüter allmählich Rollen und Liebschaften eines zuvor verlebten Doppelgängers seinerseits, während zu allem Übel noch alte Gangsterbekanntschaften ihren Anteil fordern. Die surreale Provinzmystery macht für solche Entwicklungen aber auch nur bräsigst Boden gut und gibt auch im Nachhinein eher magere Auflösungen/Bilder/Emotionen dessen ab. Ein unsicheres Regiedebüt im Tauziehen zwischen Atmosphäre, Krimikonventionen und wahrscheinlich auch Förderanstaltkompromissen.

BATMAN: GOTHAM BY GASLIGHT (Sam Liu, 2018)Zeichentrickadaption eines DC-Comics-Spin-Offs, welches den bekannten Flattermann ins London zu Zeiten Jack the Rippers verlegt. Diese entpuppt sich als Detektivarbeit nach Maß – die Neuinterpretation der Topoi jenes Helden gerät mehr oder weniger stimmig/fantasielos, das Whodunit zur kunstlosen Erbsenzählerei. Letzteres lässt sich auch über den Direct-to-DVD-Animationsstil sagen, aber da ist man auch nur der altbekannten Linie treu geblieben. „Batman Ninja“ reigns supreme!

CRAZY RICH (Jon M. Chu, 2018)Der ansonsten zuverlässige Journeyman Chu darf der aktuellen asiatisch-amerikanischen Identität filmisch die Ehre erweisen, landet aber allzu unreflektiert in eine elitäre Romanze, die vorgibt, den Traditionen und Vorurteilen per Selbstbestimmung zu trotzen, nur um sodann trotzdem durchweg alles im Kapitalismus wegzuprotzen. Was bleibt sind Intrigen, Entscheidungen aus Liebe und Dynastien der Marke Seifenoper, aufgelockert durch hohle Nicht-Gags und bekannte Popsongs in chinesischen Coverversionen (in etwa wie in „Die wahren Memoiren eines internationalen Killers“).


Sarah Gilman in "Daphne and Velma"

OPERATION: 12 STRONG (Nicolai Fuglsig, 2018)Chris Hemsworth konnte dieses Jahr keinen Film retten, #1: Ein 08/15-Kriegsmärchen, das sich als moderner Western verstehen will und zudem so entschieden ewiggestrig gibt, dass es von den ersten Militärheldentaten Post-9/11 berichtet. Keine Faser dieses Films glänzt mit Innovation - muss er auch gar nicht, aber selbst mit dem Vorwissen ist Stumpf noch lange kein Trumpf. Man bleibt auf Nummer Sicher, untereinander sowie bei der Bevölkerung Ehrenmann, ohnehin flach auf der Spannweite von Schauwerten und Schicksalen. Entbehrlich.

KEEP WATCHING (Sean Carter, 2017)Ein typisch weit hergeholter Home-Invasion-Thriller aus der Perspektive eines mörderisch beliebten Livestreamevents. Psychos vs. Family mit einem Twistfinale, dessen hanebüchene Aufregung schon im Rest des Films aufzuspüren ist, wenn nicht gerade ellenlang über Flure und Keller geschlichen wird. Mit Bella Thorne, deren „Amityville: The Awakening“ (2017) ich hier viel lieber besprochen hätte.

SUMMER '03 (Becca Gleason, 2018)Die Joey-King-Teensploitation macht sich weiterhin per Flashback-Voiceover auf die Suche nach dem ersten Sex – und findet ihn! Als wäre Ernst Hofbauer wiedergeboren, spielen sich typisch spekulative und falsche Hoffnungen des Frühreifen-Anschraubens ab, sobald der Tod der Großmutter eine ganze Handvoll dysfunktionaler Geheimnisse in der Familie des Mädels ablädt. Fortan bemüht sich Joey/Jamie dem Wunsch der Oma entsprechend vom jüdischen Glauben weg hin zum süßen Priesterschüler, dass sie ja einen ordentlichen Blowjob hinkriegt und (inszenatorisch natürlich sehr feinfühlig) defloriert wird – stärkere Charakterwerte als der Jugendfrust aus allen Filmen zuvor bleiben allenfalls am Schockfaktor, der jungen Fleischbeschau und sonstigem Indiefilmkonsens hängen. Streitereien mit der Mischpoke bleiben nicht ausgeschlossen - vom „Du hättest auch mal ans Handy gehen können!“ bis „Dein echter Vater ist ein Antisemit!“ sind fast alle Situationskomiken elterlicher Hysterie vorhanden; das promiskuitive High-School-Dilemma sowieso. Eine voll vorhersehbare und stilistisch abgegriffene Rahmung, welche in ihrer ersehnten Verwandtschaft mit z.B. dem „Diary of a Teenage Girl“ vergleichsweise verklemmter, kopfloser als auch derber auf den Leim geht. 
  
BAD TIMES AT THE EL ROYALE (Drew Goddard, 2018)Chris Hemsworth konnte dieses Jahr keinen Film retten, #2: Dem Titel nach hat man es mit einer dieser unsäglichen Tarantino-Emulationen aus den 90ern zu tun – und der Film an sich löst genau das ein, als ob Goddard ein olles Jugendscript seinerseits abgestaubt hätte. Kapitelweise rücken Perspektiven, Zeitsprünge und Evergreen-Montagen um besagtes Hotel zusammen, seiner dubiosen Charakterschar reichlich Rückblenden, Stilblüten sowie blutige Konfrontationen aufzutischen. Innerhalb dieser kommt ein einigermaßen belangloser Zeitvertreib zusammen, der zumindest schicke Plansequenzen entwerfen kann, auf der Suche nach dem Kultstatus aber größtenteils stocksteif Philosophien (in Blei) austauscht.


Ihr habt es wirklich versucht, Leute! Und damit seid ihr auf jeden Fall noch besser dran als die letzte kommende Kategorie, die vom Bodensatz aus teils besonders energisch (oder langweilig) daran gelegen war, 2018 als ernüchternde Filmsammlung erscheinen zu lassen. Bei manchen muss man sogar von böswilligen Absichten sprechen, selbst wenn die Liebe zu den jeweiligen Stoffen noch so künstlich massentauglich behauptet wurde. Wenn sowas Kino sein soll, dann sind das die…


Grabsteine:

BAD SPIES (Susanna Fogel, 2018)Dass derart absehbare Agentenkomödien der Marke „Susan Cooper“ dieser Tage noch an die knapp zwei Stunden Laufzeit grenzen können, ist schon ein dreistes Unding. Dies versucht die überproportional redselige Mische aus Mila Kunis und Kate McKinnon sodann mit legitimen, teils rabiaten Actionschauwerten zu kontern, welche jedoch den Kontakt zum Rest des Geschehens regelrecht scheuen. So ergeht es auch dem Zwerchfell mit hiesigen Pointen aka aufgezählten weird facts seitens McKinnon, dass man durchweg zwischen Fremdscham und Durchzug pendelt.

OCEAN'S 8 (Gary Ross, 2018)Wieder ein Film, in dem alles, aber auch wirklich alles, nach Plan gelingt – wie für einen Pfandautomaten geschaffen! 

WER IST DADDY? (Lawrence Sher, 2017)Ed Helms, Owen Wilson und wahllos zusammengestreute Charakterdarsteller (plus Sportskanone Terry Bradshaw) versuchen herauszufinden, wer denn nun der leibliche Vater oben genannter Midlife-Krisen ist. Aus jener hauchdünnen Prämisse laufen eventuell einige basische Familienwerte raus – von gelungenen Witzen oder rein-objektiv-gesehen urigen Situationskomiken kann hingegen nur bedingt die Rede sein, auch wenn sich das Breitwand-Einheitsbild der US-Komödie hier noch so gefällig runternudelt.

THE CLOVERFIELD PARADOX (Julius Onah, 2018)Ein Sci-Fi-Thriller von der Stange, der unter vielerlei unterhändlerischen Marketing-Faktoren sowohl fallen gelassen als auch überambitioniert ausgestellt wurde. Nichts anderes als jene Kontroverse um seine Übergabe von Paramount an Netflix bestimmt die Relevanz dieses Films, der alle erdenklichen Topoi zum Thema in stilistischer Routine (wie schon „10 Cloverfield Lane“ an jeglicher Klaustrophobie vorbei inszeniert) und narrativer Arschlosigkeit verebben lässt. Lieber „Life“ (Daniel Espinosa, 2017) reinlegen!

FIFTY SHADES OF GREY – BEFREITE LUST (James Foley, 2018)Alles beim Alten im Farbspektrum der Lustineffizienz, dass selbst eine Highway-Verfolgungsjagd mit anschließendem Beischlaf nichts Unterhaltsames/Erhellendes zu dieser missratenen Trilogie aus Schundroman- und Beziehungsratgeber-Restposten beizutragen imstande ist.


Mindy Kaling, Oprah Winfrey und Reese Witherspoon in "Das Zeiträtsel"

SOLO: A STAR WARS STORY (Ron Howard, 2018)Nun völlig dem Zauber und Einfallsreichtum der eingekauften IP entwöhnt, liefern Kathleen Kennedy bzw. Ron Howard als zweite Wahl in Sachen „Regie“ die Origin zum Stereotypen Han Solo ab. Zig Nebenfiguren drum herum probieren eine Ahnung von Charaktergehalt, doch das Überangebot an blasser Gesamtgestaltung lässt allesamt im luftleeren Raum der Belanglosigkeit zurück. Ließ man nur allzu gerne am Box-Office implodieren. 
  
HOW TO PARTY WITH MOM (Ben Falcone, 2018)Die nächste Melissa-McCarthy-Komödie voll beachtlich energischer Humorverweigerung klopft dünnste Frauenbündnisse ab, während sich die Reihung ständig verfehlter Pointen per Eltern-Cringe dann irgendwie noch zur Spielfilmdauer klumpen kann. Der tollpatschige Zugzwang zu Nettigkeiten auf allen Ebenen der Filmerfahrung stellt sich ohnehin als reiner Sadismus heraus. Haben die Eheleute Falcone solch einen öffentlich ausgetragenen Fetisch wirklich nötig?

VOLLBLÜTER (Cory Finley, 2017)Eiskalte Engel aus der High Society kriegen ihre elitäre Inszenierung oben drauf, während sich deren Dialog ganz peinlich schlau mit Bret Easton Ellis (lol) zu messen wollen scheint. Das Gepose der Soziopathen kommt dem behäbig kühlen Film gerade recht, den Nihilismus die ganze Arbeit machen zu lassen. Für dessen vereinzelte durchkonstruierte Eskalationen geht er dann noch kunstgewerblicher als zuvor auf Distanz – die Leinwandkrankheit des permanenten „One perfect shot“ wie schon bei „Hereditary“ (siehe unten) in voller Blüte.

SLENDER MAN (Sylvain White, 2018)Da wir den Man im UCI Mundsburg sahen, muss ich gestehen, dass wir bei dessen dusterer Projektion bestimmt so an die 70 % des Films nicht erkennen konnten. Soviel ließ sich aber aller Wahrscheinlichkeit nach nicht verpassen. Die geradezu lethargisch runtergewetzte Horrorsülze arbeitet wenn überhaupt nach Stichpunkten, den titelgebenden Internetmythos aller noch so trivialen Reize zu berauben. Selbst der noch bei „Wish Upon“ so übersteuerte Teen-Slang wird hier zusammen mit seiner Urheberin Joey King auf die hinteren Sitze verbannt, wo auch schon die kurz vor Kinostart rausgeschnittenen Mordszenen dahin vegetieren. Kaum Camp und noch weniger genuiner Terror – was bleibt diesem bemitleidenswerten Schlafwandler aus 1001 Studiomandaten denn noch?


An jenem Filmabend mussten "Demonic Toys" und "Orgy of the Dead" durch "Between Worlds" ersetzt werden.

HOT DOG (Torsten Künstler, 2018) Die Schweighöfer/Schweiger-Kombo hat wohl nun endlich auch an der Kinokasse ausgedient. Liegt eventuell an der omnipräsenten Faulheit jenes Actionkomödien-Prozederes, das gleichsam altbacken wie infantil die einfachsten Handlungsmuster und Schauwerte jener Zunft in den Sand setzt, zudem mehrmals für die Dümmsten der Dümmsten durcherklärt. Der Macho und der Hänfling, deren „Ich bin nicht schwul!“-Wortgefechte und osteuropäische Gangster-Kisten sind halt auch sowas wie gelebtes Essig-Syndrom.

HEREDITARY - DAS VERMÄCHTNIS (Ari Aster, 2018)Der Hang zum Kubrick-Perfektionismus im Horrorfilm des digitalen Zeitalters hat nach seinen mehr oder weniger verdienten Hypebeastern „It Follows“ oder „The VVitch“ nun einen Trittbrettfahrer erhalten, der allenfalls zum Idiotentest tauglich geschrieben werden kann. Ari Asters überkonstruierte wie lieblos zusammengeschusterte Hausarbeit an Genre-Versatzstücken überlässt dem Zuschauer keinerlei Raum zur Entdeckung, lädt jede Einstellung mit durchsichtigen Symbolen auf, um sein unausgegoren derivatives Prinzip an Unterkühlung und Distanz u.a. allein schon aus der Puppenhausästhetik eines „Paddington“ heraus zu motivieren. Er will damit aber nur permanent die Fäden ziehen, macht seinen Film zur bemühten Demonstration kontrollierter Sperrigkeiten, die sich weniger mit dem inneren Leiden seiner Toni Collette als mit dem formalen Muskelspiel beschäftigen. Asters ständiges Zerwürfnis mit Genrekonventionen, die er anhand seiner Inszenierung selber offenbar zu verachten scheint, lassen seine letztendliche Hinwendung zur Effektschau im (eigentlich auch vollkommen hintergangenen) Trauerprozess zudem erst recht heterogen daherkommen, dass es einen so oder so komplett kalt lässt/lassen soll. Was manche Leute nicht alles tun, um dem Trend anzugehören.

DOWNRANGE - DIE ZIELSCHEIBE BIST DU! (Ryûhei Kitamura, 2017)Mehrere Opferschablonen werden unter der glühenden Sonne Amerikas nacheinander vom Heckenschützen niedergemäht und sind - dem stetig degenerierenden Lebenswerk Kitamuras entsprechend - lediglich als Vorlagen für zynisch ausgewalzte Splattereffekte vorgesehen. Single-Setpiece-Terror-Einmaleins, wie es jüngst nur „47 Meters Down“ noch langweiliger hinbekam.

DESTINATION WEDDING (Victor Levin, 2018) – Beim Publikum des Winterhuder Fährhaus würden solche hyper-boulevardesken Dialogflaggschiffe wahrscheinlich zum Burner avancieren – auf der Leinwand hingegen sitzen Winona Ryder und Keanu Reeves wie Blei im Gemüt, wenn sie sich mit selbstgefälligen Zynismen zuschwafeln, bis die Attraktivität der Gehässigkeit das jeweilige Incel-Dasein zum Techtelmechtel animiert. Vollkommen abgekapselt vom Rest der Menschheit im Kamerastillstand des abgefilmten Theaters und als Film dementsprechend unergiebig strampeln beide ansonsten noch durch eine der unerträglichsten Sexszenen des Jahrhunderts, ehe sich diese Null an Beziehungskomödie in aller Flachheit auserzählt wie sie angefangen hat.

Frankenstein in "Death Race: Anarchy"

GUN SHY (Simon West, 2017)Ein höchst penetrantes und witzloses Actionkomödien-Vehikel für Antonio Banderas, welcher als alternder Rockstar seinen Chile-Urlaub zwischen entführter Frau und CIA-Trotteleien wegalbert. Das Crowdfundingprojekt lässt stets anmerken, wie mickrig es ausgestattet wurde - doch der ziellos überdrehte Anti-Humor voll betagter Abenteuerfilmtopoi, Depp-Allüren und Stilübungen, die einem David Ayer peinlich wären, dürfte unter jedem Budget auf die Nerven gehen. Nichts daran findet eine Erdung und erst recht kein Ende – eine Probe für jeden noch so hartgesottenen Filmfreund.  

WUFF (Detlev Buck, 2018)Nach vier sympathischen und knallbunten Bibi-&-Tina-Filmen war Buck wohl selber schier verwirrt – anders kann man sich dieses geballte Unvermögen in Sachen Rom-Com plus Hundepower nicht erklären. Storytechnisch schon eine weitere esot(i)erische Verkettung von Zufällen und Kalendersprüchen via „SMS-Für-Dich“-Autorin Andrea Willson, gehen im Folgenden selbst die Genre-Gefälligkeiten per mangelndem Timing unter/an allen Zuschauergruppen vorbei. Bucks „Asphaltgorillas“ aus selbiger Saison sollen anscheinend ebenfalls für niemanden funktionieren – gute Besserung!

BLACK PANTHER (Ryan Coogler, 2018)Diese grenzwertig blasierte Sage vom schwarzen Ethnostaat und seiner Herrenrasse bewies, dass selbst der Regisseur des soliden „Creed“ nicht davor gewappnet ist, binnen des Marvel-Kosmos jede Lust und Dynamik hinter sich zu lassen. „Wakanda über alles“ lautet der Schlachtruf der Langeweile eines Films, der alles an sich so versimpelt weglabert wie aufbauscht. Ein Milliardenerfolg, der so eben auch Hollywoods Haltung zur Diversity als Lachnummer entblößt.

AVENGERS: INFINITY WAR (Anthony und Joe Russo, 2018)Chris Hemsworth konnte dieses Jahr keinen Film retten, #3: Der Tod des Kinos gähnt sich als entschieden passive Stilmischung aus Fanfiction-Kurzsichtigkeit und Cutscene-Funktionalität aus. In diesem Epos der Balancen, also künstlicher Nichtigkeiten und Lumpengags, wiegt der Großteil der Spannung eben darin, wie lange sich die Sequels der jeweiligen Franchise-Helden hinauszögern werden – wie sich herausstellt: bis spätestens diesen Frühling.


Aber wie gehabt möchte ich das Jahr nicht bloß mit sauren Gurken verabschieden, sondern vor allem den vorherigen Kategorien für ihre bereitgestellten Stunden der Unterhaltung und Reflexion so weit danken, dass ich natürlich auch erneut eine kleine Auswahl dessen aufstellen möchte, was ich mir von 2019 als mindestens tolle Filme erhoffe:

Triple Threat, Holmes und Watson, The Lego Movie 2, Happy Deathday 2U, Nobody’s Fool, Beale Street, mid90s (noch vom letzten Jahresrückblick übergeblieben), Dumbo, Shazam!, Godzilla 2, Streetdance – Folge deinem Traum (ehemals Streetdance: Broadway, sollte auch letztes Jahr schon kommen), Once upon a Time in Hollywood, Joker, Drei Engel für Charlie, The Mule, Ip Man 4, Master Z: Ip Man Legacy, Das von Andrew Bujalski geschriebene Susi-und-Strolch-Remake, Jungle Cruise, Hobbs and Shaw, Altar Rock (bestimmt schon zum dritten Mal in Folge an dieser Stelle erwartet), Kickboxer: Armageddon, Avengement, Moose, Speed Kills, Doom, Project X-traction, Endless (von Scott Speer) u.v.m.

Und für euch Statistiker da draußen eine kleine Übersicht meinerseits zur Anzahl gesichteter Filme:

Erstsichtungen 2018: 640
Erstsichtungen 2017: 617
Erstsichtungen 2016: 568

Wiederholungssichtungen 2018: 89
Wiederholungssichtungen 2017: 92
Wiederholungssichtungen 2016: 135

Insgesamt 2018: 729
Insgesamt 2017: 709
Insgesamt 2016: 703

Bei all den Zahlen möchte ich auch ungern unerwähnt lassen, welche abseits von 2018 entstandenen Filme mir besonders in Erinnerung blieben, vor allem, nachdem wir uns bis vorhin noch mit den Schlimmsten der Schlimmsten abgeben mussten - hier nun die tollste Retrokutsche!


TEENAGERLIEBE (Klaus Lemke, 1975)
DIE SWEETHEARTS (Klaus Lemke, 1977)
IDOLE (Klaus Lemke, 1976)
LAURIN (Robert Sigl, 1989)
WOLF WARRIOR 2 (Wu Jing, 2017)
DAS GEHEIMNIS (Rudolf Thome, 1994)
BAHUBALI: THE BEGINNING (S.S. Rajamouli, 2015)
BAAHUBALI 2: THE CONCLUSION (S. S. Rajamouli, 2017)
BACKDRAFT - MÄNNER, DIE DURCHS FEUER GEHEN (Ron Howard, 1991)
DAS SCHWEDENMÄDCHEN ANITA (Torgny Wickman, 1973)
DAS WUNDER (Eckhart Schmidt, 1985)
CASINO UNDERCOVER (Andrew Jay Cohen, 2017)
DER FALL BACHMEIER - KEINE ZEIT FÜR TRÄNEN (Hark Bohm, 1984)
BORN HERO 2 (Liu Chia-Liang, 1988)
PADDINGTON (Paul King, 2014)
DIE WILDEN ENGEL VON HONGKONG (Kuei Chih-Hung, 1976)
KARATE COPS (Leo Fong und George Chung, 1988)
DADDY'S HOME 2 - MEHR VÄTER, MEHR PROBLEME! (Sean Anders, 2017)
TAROT (Rudolf Thome, 1986)
FRAUENARZT DR. BERTRAM (Werner Klingler, 1957)
THE IDENTICAL (Dustin Marcellino, 2014)
BAILEY - EIN FREUND FÜRS LEBEN (Lasse Hallström, 2017)
CHEN SING - DER UNBEZWINGBARE MÖNCH (Ulysses Au-Yeung Jun, 1975)
THE UNDERGROUND BANKER (Bosco Lam, 1994)
IP MAN 3 (Wilson Yip, 2015)
HONGKONG COP - IM NAMEN DER RACHE (David Chung, 1986)
NEW DRAGON GATE INN (Raymond Lee Wai-Man, 1992)
MR. BEAN MACHT FERIEN (Steve Bendelack, 2007)
HEILIGABEND AUF ST. PAULI (Klaus Wildenhahn, 1968)

Man sieht und hört: Filmsucht lohnt sich! Auf dann!


Der Cast von "Support the Girls"