Liebe Leser,
Hab ich euch mit dem Goldjungen wieder hinters Licht geführt? Seid nicht traurig, das geht den Leuten in L.A. meistens nicht anders, wir erleben es in der Nacht auf Montag ja wieder früh genug. Es ist quasi eine Poesía Sin Fin (vor dem gleichnamigen Megafilm von Alejandro Jodorowsky fürchte ich mich, diesen in einer mir zufriedenstellenden Form zusammenzufassen), wobei mich zu den folgenden Zeilen ganz andere aktuelle Faktoren inspiriert haben: Der Kampf um das Eigene, Fremdbestimmung, Gefangenschaft,
Vielfalt, Einheit und Erlösung - darum geht es in der heutigen Ausgabe an
Filmtipps. Wie so oft lassen sich nicht alle einem bestimmten Konsens an Gelungenheit zuordnen, doch die Eventualitäten
des Fehlerhaften sind dem Menschen inhärent und wie immer auch subjektiv, darf
man also schätzen, gelle? Innerhalb unserer (zumindest online) geballten Ära an
Debatten, Hashtagkulturen, politischen Hemmschwellen, Overstatements sowie Skrupellosigkeiten en masse kann man meines Erachtens eben
nicht anders, als mit dem ausgeschriebenen Chaos unter die Decke zu hüpfen und
sich gegenseitig zu befummeln. Denn trotz aller Offenheit gilt ringsum wohl
noch immer: Wir wollen die großen Unterschiede und hassen/ignorieren sie
trotzdem, ehe sich gemeinsam einsam auf Illusionen von Utopie wie Dystopie
eingeschworen wird. Solche Widersprüche sprengen zwangsläufig das Format, was
den Kanon von Gut und Böse, Ab- wie Tiefgründig angeht, bis wir uns von einer
gewissen Paranoia nähren und sie uns auch irgendwann in echt heimsucht – da
soll übrigens „Der Willi-Busch-Report“
von Niklaus Schilling als gefühlsmäßiges Äquivalent nicht unerwähnt bleiben (ich
wollte ihn anfangs näher besprechen, ist aber ergiebiger für euch, den einfach
zu sehen, Steadicam-Furiosität et al).
In diesem Sinne gehen wir mit den nächsten Merkwürdenträgern der Filmwelt
wieder ein bisschen dem unsteten Eigensinn auf die Spur, wie er sich für alle
und auch mal gegen jeden richtet, fesselt und zugleich irritiert. Ein
schwieriges Unterfangen, wohlgemerkt ohne klare Lösung, doch nützt ja nix,
stumm zu bleiben. Oder doch? Sind die Grenzen des Konformen und Nonkonformen
jetzt abstrakter denn je geworden oder was? Lasst mich mit solchen Fragen in
Ruhe! Ich kenn die Antwort! Hier kommt die totale Verwirrung:
MUTE (Duncan Jones, 2018) – David-Bowie-Sohnemann Jones hat bei Kritik und Publikum nun wohl vollends verkackt, obgleich das mehr denn je eher bei „Warcraft“
hätte passieren müssen. Als Nachhall dessen kann man sodann die beinahe
ausschließlich negative Auswertung seines aktuellen Werks verstehen, wobei
sicherlich auch eine Schippe Dissens gegen Netflix
sowie ein Überdruss an (seit letztem Jahr zufällig angehäuften) Cyberpunk-Topoi
mit beteiligt waren. Die Mehrheit verwechselt nun also so mir nichts dir nichts
Jones‘ Ambitionen innerhalb gewohnter Genre-Parameter mit derivativer
Anbiederung, wertet seine Studie sexueller Vielfalt sowie deren Regression ins
verklemmte Hinterstübchen als Trivialvoyeurismus, während „Blade Runner 2049“ - das von Ästhetikhipstern weltweit gelobte
Roger-Deakins-Vehikel - wiederum vom
Hocker reißt. Des Rätsels Lösung ist aber, dass sich alle diese Filme als
Gegenwartsbeschreibung natürlich überschneiden müssen, mit angezogener
Handbremse in eine überfordernde Zukunft zu ejakulieren versuchen. Der letzte „Ghost in the Shell“ lässt sich
ebenbürtig deuten, wie der Mensch (eine Perle der Futur) zwangsläufig vom
Körper abgekoppelt wird, sich binnen der Hochkonjunktur an Bevölkerung seiner
selbst schämt, im Gegenzug mehr und mehr ins Eigene/Digitale vorausflüchtet und
eben tendenziell embryonal lernt, wieder Wurzeln zu schlagen. „Mute“ steht da an seiner Oberfläche noch
am Ehesten zum Elterndasein und natürlich zur Suche nach Selbstverantwortung, welche
zwangsläufig im gehemmten Tempo dran ist, dazu mit dem eigenen Body (danach
erst mit der Soul) ins Reine zu kommen. Scheinbar völlig unverständlich für die
Filmbewertungs-Generation Pacing, die
mehr der Story sowie etwaig draufgepappten Erlösungssymbolen denn dem
Wesenszustand eines Protagonisten folgen will – bei sowas wie Louis Malles „Das Irrlicht“ wäre deren absolute
Überforderung garantiert. Bei der wird dann u.a. eben mehr drauf geachtet, wie man
in dem bewährten Tech-Noir-Rahmen „alles
schon mal gesehen“ hat, dass Alexander Skarsgård als stummer Leo nur ach so
stumpfe Blicke, sprich bewusst begrenzte Möglichkeiten der Kommunikation drauf
hat und sich darin zieht, einer längst verlorenen Zelle an Vertrautem (Freundin
Naadirah – Seyneb Saleh) hinterher zu traben. Dabei ist es doch nicht selten so, dass Mensch (erst recht in der Zukunft) unter dem Zugzwang fester Regeln, Riten und Vorstellungen steht, energisch mit der Bindung zum Gegenüber umgeht, dieses und sich selbst u.U. überfordert, oversexed
wie underfucked ist. Das sind keine
unbedingt schlechten Eigenschaften, allerdings scheint es bei der Einschätzung
des Films nur den wenigsten möglich, den individuell befürchteten Kontrollverlust
darin zu reflektieren. Dabei muss man dazu eigentlich nur mal beobachten, wie
allesamt im Ensemble (allen voran Cactus Bill – Paul Rudd) davon ausgehen, was
alles am Alltag zu funktionieren hat; weshalb sie dieses und jenes tun; wie
viel davon unerfüllt bleibt, hintergangen wird, sich transformiert – ganz gleich
aus welcher Quelle. Vielerlei Ebenen an bloßem Vertrauen verlaufen sich ins
Fegefeuer, Konfrontationen in manch herzlichen Neubeginn. „Mute“ sieht und führt einen permanenten Drang nach Zugang, indes
reiht er kunterbunt verzweigte Sets sowie verschlossene Türen, Suchende und
Ausgeknockte, sexuelle Freiheit als Unfreiheit unter dem Dach von Kleinst-Appartements. Er stellt zugleich keine reine
Retromanie, sprich konservative Dystopie dar - dann nämlich würde er es ja
begrüßen, wenn jeder nur unter seines Gleichen bleibt. Stattdessen geht er auch
mit äußerst schwierigen Charakteren wie Exil-Ami Duck (Justin Theroux) so
vieldeutig und wechselwirksam um, wie parallel dazu Leo manche Wahrheiten von
Naadirah entgegen seiner Beziehung zu ihr zu verinnerlichen imstande ist. Und
das, obwohl er als Amisch-Sohn ständig vom Glauben aus auf die Neonstadt Berlin um
sich herum reagiert. Vieles ist in seinen Augen dann eine Perspektive der
Furcht, aber da ist er gewiss nicht allein, wie sich eben viele im Film vor der
gesteigerten Unberechenbarkeit des Anderen fürchten, selbst wenn sie es gar
nicht müssen. Furcht oder die Gewissheit dieser wird hier nämlich mit Schutz
gleichgesetzt, ob nun vom kalten Blick kibernetischer Bodyguards ausgehend, als
trollende Handy-Nachricht einer vermissten Liebe bemutternd oder via angeschossenen Gangstern als finanzielles
Standbein agierend. Furcht ist auch mal Neugier, mit welcher sich der Sex anbietet/verkauft;
dann wiederum das dummschwätzende Ventil für eine Eifersucht, die sich über die
Fehler des ihr bevorzugten Liebhabers lustig macht. „Mute“ wühlt die Innereien des gegenseitig leidenschaftlichen Angriffs, wie er in der öffentlichen/privaten
Diskussion tagtäglich auftritt, mächtig auf – auch wenn er mit der Dynamik
dessen nicht immer rechtzeitig abschließt, an der konzeptbedingten
Sprunghaftigkeit auch holprig wirkt: Ein Mangel an eigenen Impulsen kann man
ihm nicht attestieren und als Beitrag zum Panorama der
Individualisierung/Gentrifizierung des Menschen hat er ohnehin Unmengen an
bleibendem Hirnschmalz zu bieten.
UNSANE: AUSGELIEFERT (Steven Soderbergh, 2018) – Den Herrn Soderbergh kann ich bei seinem
(wohl aus Prinzip) schier abwegigen Output nur schwer durchschauen und das
macht ihn sowohl reizvoll als auch zu einem Garanten an Frust. Jene persönliche
Dramaturgie in Folge (vergleichbar mit dem Auf und Ab der Leistungen des FC
Hansa Rostock) hat sich sodann erneut mit seinem jüngsten Abstecher in die
Genre-Aneignung bewiesen: Einladen kann er ja mit dem im Vornherein hochbrisanten Gimmick, das iPhone
als Kinokamera in Spielfilmlänge einzusetzen sowie der Fähigkeit, etwas
unter der Oberfläche seiner Stereotypen im Ensemble zu kratzen. Er wirkt dabei
geradezu unbeirrbar, konkret und möglichst natürlich auf die Stalker-Paranoia
seiner Sawyer Valentini (Claire Foy) einzugehen, wie er an ihr auch einen sehr
direkten/fettfreien Sog entwickelt, das Horrorszenario einer unfreiwilligen
Einweisung in die Klapse zu erleben. Ist mächtig scheiße, wenn keiner das
Individuum verstehen will und sogar noch insofern drauf legt, aus medizinischer
Verantwortung zig Freiheiten einzukassieren. Soderbergh trifft da natürlich
einen aktuellen Nerv, wie die Entmündigung des Ichs vonseiten unbelehrbarer
Obrigkeit global um sich greift, sich hier vor allem als Struktur aus
Geldgier/Versicherungsmandat offenbart. Man darf allerdings auch durchatmen,
dass er im Verlauf keinen spröden Problemfilm draus macht. Als Plattform der
Rationalität wirkt seine Handhabe dennoch unausgegoren, sobald sich ein
Szenario herauskristallisiert, das nur bedingt von Verwandten wie „Obsessed“, „Genug“ oder „The Perfect Guy“
abgegrenzt werden kann. Die Drehbuchautoren Jonathan Bernstein und James Greer waren
bislang ohnehin ein eher triviales Gespann, welches hier für sich zumindest
einiges an Boden gut macht, mit welch piesackender Methodik der Alltag unter
Verfolgungswahn und/oder Psychatrie vorangeht. Die Kontinuität des Dialogs
wirkt ebenfalls noch selbstsicher genug, doch sobald Antagonisten eingreifen,
ist die Kolportage daran schwer am Schuften, nicht vorzeitig zu verpuffen. Sie
kommt eben nicht umhin, stetig naiver zu psychologisieren, kintopptaugliche
Rachetricks vonseiten Sawyers (u.a. eine Beinahe-Vergewaltigung) in Gang zu setzen
und auf eine allzu amerikanische Erlösung zu verweisen, die insofern noch
unterhält, da sich Soderbergh durchweg größerer Aufregung verweigert. Seine
damit anbandelnde Transparenz hat auch was Sarkastisches an sich, insbesondere
beim Cameo eines illustren Stammgasts seinerseits, der allerdings so nonchalant
gut wie sonst nie spielt, genauso schlicht kommt wie geht. Vielleicht rechnet
Soderbergh eben auch mit der Authentizität seiner Schlichtheit, dass er anhand
dieser jedes Genre bewältigen kann, ohne es als Bewältigung (eher als bloße
Präsenz binnen der Gegenwart) verstehen zu müssen. Bin unschlüssig bei solch
einem Eigensinn, ist ja auch schon mal was.
DEEP THROAT IN TOKIO (Kan Mukai, 1975) – Ein kurzes wie kurzweiliges Vergnügen
aus dem Hause Toei, das die
berüchtigte Porno-Marke mit der Klitoris im Rachen auf vermeintlich ernsthaftem
Terrain reimplantiert. Das junge Unschuldswesen Kumi (Kumi Taguchi) heiratet
nämlich in eine Familie mit Monsteranwesen ein und da der Gatte von
Betriebswegen her oftmals abwesend ist, versucht der schwerreiche
Schwiegervater Takehiko Sakuma (Hideo Murota) als obligatorischer Genre-Sadist,
sie seiner Triebe gefügig zu machen. Hundsgemein wie solche Kerle sind und Pinku-eigas ihre
Abhängigkeitsverhältnisse ohnehin zu steigern verstehen, geht Sakuma-san
soweit, seine Oral-Fixierung anhand jener eingangs erwähnten, absurden Prämisse
gegen Kumis Willen an ihr zu erfüllen. Dass dies gelingende Experiment so stark
im Kontrast zur visuellen Strenge und Melodramatik des japanischen Leidenskinos
steht, stellt sich als Wahnsinnsaktion heraus, ohne welche der Film nur bedingt
erwähnenswert wäre. Innerhalb dieser ergibt er sich jedoch einer
psychedelischen Symbolkraft und Hysterie, die Kumis Flucht in die Prostitution
sowie den geilen Groll des Ehemanns folgen lässt, ehe sich die Situation in
eine bissfeste Konklusion steigert, von der man in der deutschen Fassung nur
vermuten kann, wie sie sich genau abspielt. Warum da geschnitten und vorher
trotzdem am Derbsten untereinander parliert wird (obgleich Kumi nach der
Operation stumm wie „Mute“‘s Leo wird),
lässt sich vorerst nur als fragwürdig abstempeln. Das diffuse Tempo als auch
die Haltung des Films, als Exploitation
an der Erniedrigung der Frauen teilzuhaben und dies gleichzeitig als Zentrum
der Empathie gegen oberfiese Obrigkeiten zurechtzurücken, ist wie gehabt ein
schwammiges Grundgefühl des Genres - selbst bei der letztendlichen Emanzipation
von kapitalem Rang. Wäre allerdings auch zu viel des Guten, hier jedwede
ernsthafte Absicht zu attestieren, zumal sich Spitzen und Untiefen der Lust ja
immerzu an einer Kreuzung treffen. Jene Wechselwirkung wissen die Erotomanen
Japans schamlos (sowie im klaustrophob-klassischen Gewand) auszunutzen, aber
ist auch nur menschlich und nicht minder aufregend-ambivalent wie „Die
Taschendiebin“. Außerdem noch empfehlenswerter, aber an dieser Stelle nicht
näher besprochen: „SEXUAL ASSAULT AT A
HOTEL: RAPE ME!“ aka „HOTEL KYOSEI
WAISETSU JIKEN: OKASHITE!“. Den erlebt man besser ohne nähere Erklärung
meinerseits, aber so viel kann ich verraten: Er ist höchst innig mit seiner
Protagonistin in der Hin- und Hergerissenheit zur Sexualität verbandelt, wird
von den Granatsplittern ihrer Mitmenschen in einen Abgrund gesellschaftlicher
Anpassung/Enthüllung gezogen. Ein zunehmend heftiges Erotikdrama!
DEATH WISH (Eli Roth, 2018) – Nun ist es doch endlich geschehen: Eine
Neuverfilmung der fünfteiligen (und in hiesigen Jugendschutzanstalten fast
vollständig rehabilitierten) „Ein Mann
sieht Rot“-Reihe flattert ab 18 ins Kino. Dass anno `18 sowas noch passiert,
strahlt jedoch mehr Relevanz aus als der Film an sich, wenn seit 1974 weiterhin
zur Diskussion steht, ob Selbstjustiz tatsächlich einen Platz in der
modern-zivilisierten Welt haben kann – oder zumindest die Fantasie, böse Jungs
im Alleingang abzuballern. Eli Roths Film erscheint zudem überaus pünktlich
während einer von vielen Kontroversen innerhalb der USA zum second amendment, sogar mit einem Cameo
des Kultgewehrs AR-15 an Bord, den
Mythos des rächenden Einzelgängers in die Gegenwart zu platzieren. Das bringt
schon mal mehr Aufmerksamkeit als jeder x-beliebige Vergeltungsthriller mit
sich; der Neuinterpretation mangelt es dennoch an Differenzierungspotenzial.
Das fängt schon bei Joe Carnahans Drehbuch an: Wer die Twitter-Präsenz des
Manns verfolgt, bekommt alle paar Stunden eine Anti-Trump-Tirade seinerseits
spendiert - dementsprechend beschwerlich setzt er an, wirklich unsympathische
Positionen zum Sachverhalt Paul Kersey oder überhaupt mehr als ein vages Übel
an Verbrechern ins Visier zu nehmen.
Dem guten Gewissen wegen schröpft er also die Mentalität aktuellen
Superheldenkinos, höchstens einen Robin Hood mit Hoodie und Glock hinzustellen,
bei dem die ideologische Entlastung Stück für Stück leichter von der Hand geht
als man es einem Charles Bronson oder eben Michael Winner zugestehen will (was
die potenzielle Identifizierung mit deren Argumenten umso interessanter macht).
Regisseur Roth hingegen versucht noch jede (kurze) Chance zu nutzen, die Lust am Töten
aus seinem Protagonisten herauszukitzeln und darf für den Hauptanteil an
hiesigem Zynismus sorgen, wie explizit die Carnahan’sche Selbstverteidigung (unter Beihilfe von Kettenreaktionen à la „Nackte Kanone“) bis hin zur reinen
Folter ausfällt und Kersey sich selbst dabei gefällt. Gleichsam zurückhaltend
persifliert er den amerikanischen Waffenkult, umso stärker die mediale
Aufmerksamkeit rund um die Abkratzaktionen des sogenannten Grim Reapers. Podcasts und Memes agieren da so reaktionär und
aufgegeilt, dass ihm die Sense zittern müsste, im Gegenzug begründet der Film
an jener Bestätigung ein Stück weit die Heilung seines Traumas. So wie sich das
liest, müsste es provokant sein, doch dafür fehlt schlicht die Fallhöhe der
Vorlage. Bruce Willis sieht man es sofort an, dass er sich nach Kloppe sehnt -
der Zuschauer erwartet eben jenes und in seiner neuen Berufung als Dr. Kersey
ist die Trennwand zwischen Leben und Tod so logistisch aufgesetzt, dass sie dem
Publikum kaum was in Richtung „Krass,
dass der sowas machen würde“ bedeuten kann. Sein zerstörtes Familienleben
(Ehefrau Elisabeth Shue und Tochter Camila Morrone) ist als Motivator dann auch
eher zur reinen Klausel verwässert, deren Sprengkraft im Off bleibt – wie ein
Versatzstück aus späteren „Death Wish“-Teilen,
nur eben nochmals in voller Länge durchgekaut. Carnahan traut sich nichts
(weder Justizirrtümer noch unfähige/korrupte Bullen, Gott bewahre) und Roth
muss unter MGM Folge leisten, dass beidesamt zudem einen Mediator via
Kersey-Bruder Frank (Vincent D’Onofrio) einbauen, nach welchem für den
Zuschauer keine Fragen mehr über bleiben. Keine
Sorge, er sagt euch, wenn’s alles zu weit geht. Was also bleibt ist ein
glatter Reißer, der als Formaterfüllung noch Spaß macht und von Roth solide (u.a.
mit Ursache/Wirkung abgleichenden Splitscreen-Montagen) erzählt wird - zudem
einen Willis aufbietet, der sich wieder etwas mehr um Charakter bemüht -, aber
höchst unentschlossen ist, nun doch was aus seinem Skandal in greifbarer Nähe
zu machen. Dass der Effekt der Rache mehr Nerven kitzelt als die Ursache
dessen, ist da als Erkenntnis auch nur ein schwacher Trost.
GEFANGEN – DER FALL K. (Hans Steinbichler, 2018) – Schau an, Hansi Steinbichler lässt
sich zum zweiten Mal in meinem Blog blicken. Ich hatte gerade mal Anfang des
Jahres sein Debüt „Hierankl“
gesehen und schon lief dieses sein jüngstes Justizdrama zur besten Sendezeit
bei den Öffentlich-Rechtlichen. Wahrscheinlich bleibt es im Nachhinein auch in jenen
Kreisen verortet, da alle paar Minuten u.a. das „Interstellar“-Thema
erklingt und einiges an ausgeliehener Emotion liefert. Man bedient sich ohnehin
der Vorlage vom Fall Gustl Mollaths, um zu chronologisieren, wie ein Mensch frei
von Schuld in den Schlund eines bestechlichen Rechtsstaats geraten kann. Ab in
die Forensik heißt es da für Wastl Kronach (Jan Josef Liefers), so als hätte
Mimon Baraka mal Wort gehalten – ersterer will zunächst voll brennendem Entsetzen aufdecken, in welch
korrupte Machenschaften seine Frau Elke (Julia Koschitz) im Auftrag einiger Schweizer Banken verwickelt ist. Dies hat zur Folge, dass Kanzleischwergewichte
und Gutachter alles an seiner Person ansengen sowie Falschaussagen vor Gericht
durchsetzen, während ihm die sonstigen externen Instanzen ohnehin keine Aussage
zu gewähren scheinen, weil er der Fassungslosigkeit halber halt schnell laut
wird, ALLES GELOGEN (ist hier quasi der Bruderfilm zu „Unsane“)!
Was hat der Deutsche immer für Wut im Bauch! Alles also weiterhin extrem
dramatisch bei Steinbichler – Liefers im Zentrum bleibt dementsprechend ein arg
bemühter Mime, wird der schicksalsschwangeren Verschwörungsparanoia seines
Charakters damit aber umso gerechter. Konterkariert werden solche Signale des
Zwielichts allerdings mit sehr durchsichtigen Ansagen an den Zuschauer, dass
Kronach alles genommen wird, seine selbstverständlichsten Grundrechte bei
Autoritäten auf taube Ohren stoßen und Revisionen im Vornherein per
konspirativem Personal abgewürgt bleiben. Alles Lug und Trug und böse – außer
die Guten, die an allen Grenzen scheitern. Ist da natürlich nicht ineffektiv,
wie der Film die Hoffnung begraben kann und daraufhin moralische Gerüste der
Gesellschaft einfordert - und seien es nur Apfelkerne oder festes Schuhwerk. Plakativ und konventionell bleibt er trotzdem, bis hin
zur Katharsis letztendlicher Rechtmäßigkeit. Damit ist er allerdings auch der am
Einfachsten zu verdauende Film dieser Ausgabe.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen