Sonntag, 26. Februar 2017

Tipps vom 20.02. - 26.02.2017 (#Oscars2017-Edition)


Lib Les,

seid ihr nach der letzten Ausgabe auch noch so ausgelastet wie ich, was dieses Sextett an Filmen angeht, das wir jüngst zusammen durchgeackert hatten? Wusste ich's doch! Ich glaub, dann werden wir uns einigermaßen einig, dass diese Woche mal wieder einen Gang zurückschaltet und nur 3 Filme zur intensiven Besprechung vorlädt, schließlich soll man sich ja auch schnurstracks in Feierlaune begeben, wenn diesen Sonntag erneut die Oscars verliehen werden! Wow! Stress, Relevanz, Alltag und Kummer zur Lage der Welt – was sind das nur für Begriffe, keine Ahnung, Hauptsache, wir können wieder lange aufbleiben! Aber Freundchen - wird mir manch einer zurufen -, du wohnst doch gar nicht in Los Angeles, wer hat dich eingeladen?! Ihr habt ja recht, wir schauen uns den Laden vom Fernseher aus an, weil wir hier oben im Norden allesamt arme Schlucker, sprich Künstler sind – aber mitreden kann ich von Vornherein schon, schließlich habe ich als meisterhafter Mordsmann von Kritiker den einen oder anderen Nominierten sichten können! Klar, wenn ich ehrlich bin, habe ich einige essenzielle Kandidaten bisher noch nicht am Augapfel runterrattern sehen, manch Film auch schlicht noch nicht besprochen, aber damit ihr den Überblick behaltet und informiert bleibt, habe ich folgende Werke aus allen Kategorien gereiht, die sich schlicht nicht vor mir drücken konnten:

Arrival
La La Land
Elle
Suicide Squad“ (huh?)
Passengers
Sully

Toll, überlegt mal, wie viele Stunden ich schon mit diesem Angebot durchgezecht habe, da wird es ein Leichtes, die Verleihung von ebenbürtiger Länge auszuhalten. Was das nur für einen Wochenabschluss ergeben wird, nachdem der Großteil der letzten 7 Tage entweder reichlich Schnittarbeit, Glotzen Glotzen Glotzen oder eben die pure Verzweiflung via Twitter brachte – und ich dachte letztes Mal schon, dass die Pressefreiheit auf dem absteigenden Ast wäre, das wird ja immer schlimmer! In den USA lässt Snowflake-Don-Don schon bestimmte Medien außen vor, weil sie als „Feind des Volkes“ anonyme Quellen nutzen, während er und seine Freunde sich auf der Con-Con selbst feiern, Russlandflaggen schwingen und den Bruch ihrer eigenen Gesellschaft herbeisehnen, weil das ja zum Wahlversprechen dazugehörte. Der Schutz der Transgender-Mitbürger gehörte auch dazu, aber musste ja so kommen, dass der Stichpunkt nicht allzu lange erhalten bleibt. Nun wissen wir dank Betsy DeVos aber auch: Wer im White House bei solchen Entscheidungen nicht konform geht, fügt sich diesen einfach kurz darauf – Junge, was für ein Rückgrat! Und wer wird jetzt übrigens gerade nicht abgeschoben, vom Protest weg festgenommen? Das Prozedere erlangt da drüben langsam Deutschland-Niveau, so wie hier die Willkommenskultur schon anhand ihrer Initiatoren irgendwie abzusterben scheint. Trotzdem, in other news: #FreeDeniz, #MartinSchulzRettetUnsVorHartzIV?, #JuhuWirHabenZuvielGeld, usw. und sofort. Solche und ähnliche Erkenntnisse, Hoffnungen, Ängste, Grenzen und Parallelen der letzten Tage häufen sich wie die Karnickel, von allen Kanälen aus kriegt man davon mit, aber besser so als gar nich, wa? Muss ja auch nicht durchweg so eine triste Whatever-Stimmung wie auf Youtube herrschen, wo sich die breite US-Gamer-Clique trotz fettester Jokes und Memes z.B. apolitisch gibt, aber zur Gewichtung freier Meinungen und Schockhumor-Überangebote gerne mit Alt-Right-Sprachrohren wie Sargon of Akkad auf Kuschelkurs geht – huch, etwa auch Pewdiepie, wer hätt's gedacht? Da kuschen die wenigen Kritiker untereinander sogar schon mal vor Rassistenlügnerräudenbacke Keemstar, wenn sie dieser sonst als Verräter brandmarkt. Millionen Abonnenten haben gewählt!


Shit, jetzt bin ich wieder bei dem ganzen Demagogen-Drama gelandet, das sollte doch gar nicht sein, ich wollte einen fixen Abwasch und zurück zur Party mit den Hollywood-Homies sowie deren politischen Botschaften, voll meine Vorbilder! Ach Mensch, irgendwie sind alle diese Milieus anno 2017 nicht mehr so ganz das Wahre, '16 hat uns puttemat. Ich habe es sowieso viel lieber und sicherlich bereits an die 100mal erwähnt, mit meinen Buddies zu schnacken, individuelle Erlebnisse/Highlights/Belanglosigkeiten Revue passieren zu lassen und natürlich über schlechtes Entertainment zu meckern, wenn sowas wie „Jerks“ im Fernsehen läuft, auf der Presseveranstaltung zu „Logan“ die Scorsese-Variante von „Silence“ gefürchtet wird und kleine Filmabende über gemeinsame Enttäuschungen lachen. Ebenso im Doppelpack diese Woche: An zwei Tagen hintereinander wurde ich an Haltestellen gefragt, ob der kommende Zug/Bus zum Hauptbahnhof fahren würde. Na sicher! Außerdem: Gerade erst am Samstag hat es bei mir vor der Haustür geschellt, denn eine neue Mieterin mit Umzugskisten und Mutti am Start suchte bei mir Rat, ob sie sich eher DSL oder Modem besorgen solle. Hey, man hilft wo man kann und deshalb gibt es im Folgenden wieder einige schöne Empfehlungen für die Netzhaut, die mit Sonnenbrillen, Zeigefingern, Sex, Blood, Sauerkrautsuppen and Rock 'n' Roll Superkräfte entfesseln oder gerade anhand derer in der Desillusionierung verharren, bis eben alle Träume ein Ende finden bzw. eine bessere Hälfte, die mit allen Wassern gewaschen ist. Verspreche ich zu viel bei so wenigen Filmen? Lest selbst, ich wünsche wie gehabt viel Spaß bei jener Tätigkeit und drück die Daumen, dass sich eure Oscar-Tipps bewahrheiten, nachdem ihr von diesen Nicht-Oscar-Filmen gehört habt!




Man mag es kaum fassen, aber in Sachen William Castle bin ich trotz der Sichtung einiger seiner Ausflüge mit Joan Crawford noch immer ein Novize. Dafür kenne ich jetzt das Zauberwort „Zotz!“, welches die wilden, leicht Capra'esken Abenteuer des Professors Jonathan Jones (Tom Poston) entfesselt und für allerhand Schabernack sorgt, wenn Castle wie gehabt stilistische Gimmicks daraus entwickelt, als amerikanischer Tati Politik wie Zeitgeist binnen des Eskapismus voller Slapstick auf die Schippe nimmt. Zu alledem scheint ein unterschwelliger Sadismus via der Unschuld des Protagonisten durch, wie er Versuchszwecken wegen seinen Zeigefinger zum Spontanschmerz des Gegenübers richtet, den moralischen Hinweis solcher Kräfte von Vornherein an der Eskalation vorbeischmuggelt und damit in etwa das Alter Ego seines Regisseurs ergibt, wenn Tausendsassa-Effekte in die Kamera glucksen – aber mal langsam mit den jungen Pferden, ja, wie kommt es in diesem Fall überhaupt dazu? Nun, nachdem sich unser Bill wieder mal meta-vergnügt mit der Dame des Columbia-Logos kurzgeschlossen hat, begegnen wir sodann auch unserem spleenigen, Sauerkrautsuppe spachtelnden Spezi Jones als Frühaufsteher von Berufswegen her hin zur Stelle als Experte antiker bis ausgestorbener Sprachen, welche er so fleißig studiert, dass er die Straßen auf seinem Drahtesel wie ein waschechter Pee-Wee unsicher macht. Der Mann hat seinen Kopf in den Wolken, den Lehrergestus mit ebenbürtig luftigem Gemüt auf dem Stundenplan, was gemäßigtere Kollegen wie Prof. Horatio Kellgore (Jim Backus) doch manchmal sehr verwundert und Nichte Cynthia (Zeme North) ohnehin Kirre macht, wenn sie die Launen und Wissensweisheiten ihres Onkels mal mehr, mal weniger verträgt und ansonsten dem typischen Teenagermodus frönt, Drive-Ins besucht sowie doofe Boys (den Filius Kellgores z.B.) datet.


Innerhalb jener naiv gezeichneten Gesellschaftsverhältnisse der frühen 60er Jahre wird ihr jedenfalls ein Talisman mit geheimer Inschrift zugeschickt, welche unser Prof sodann aus charmant kaschierter Neugier zu entziffern versucht. So kurios die Entdeckung von der Größe einer Münze schimmert, so kurzweilig entwickelt sich an ihr die Prämisse schwarzer Magie, welche der Gelehrte in stetig verrückteren Situationskomiken voller Selbstverständlichkeit zu beweisen versucht. Nachdem er per Zufall versteht, dass er jedem Wesen mit bloßem Fingerzeig Schmerzen bereiten, mit der Erwähnung des Wortes „Zotz“ die Zeit verlangsamen und in der Kombination jener Manöver sein Ziel zerstören kann, legt er es darauf an, sowohl seinen Dekan Joshua Updike (Cecil Kellaway) als auch im Verlauf das Militär unter General Bullivar (Fred Clark) von seinen Fähigkeiten zu überzeugen. Im Interesse der Wissenschaft und nationalen Sicherheit kommt wie gehabt der pflichtbewusste Rationalist zum Vorschein, doch alle Welt hält ihn glatt für verrückt, wenn stets der Vorführeffekt einsetzt, weiße Mäuse bei einem wichtigen Diner freilaufen und Jones ausgerechnet dann nicht den Talisman in der Tasche hat, während Cynthia damit völlig unverhofft eine ganze Schar an Fußgängern in die Knie zwingt. Da geht’s anhand ökonomischer Schwarzweißoptik mit Screwball-Pointen auch hin zum Psychiater auf die Couch, doch wenn man jenen kecken Ball schon erwähnt, sind die Begegnungen mit Professorin Virginia Fenster (Julia Meade) keineswegs zu missachten. Allein, wie umständlich sich der Jonathan da als ewiger Junggeselle anstellt, dass es ihm die Sprache verschlägt und doch noch darauf hinarbeitet, dass man sich in gerade dem Gebiet ja eigentlich in bester Gesellschaft befindet, bietet eine Drolligkeit an, die dennoch kaum vergessen lässt, wie krass seine Versuchszwecke via Zotz eigentlich ausfallen (vom Griff zum Wodka ganz zu schweigen).


Unter anderem Motten, Eichhörnchen, Echsen und Schüler stehen zum angetesteten Schmerzempfinden bereit, damit holt er später fast schon ein Flugzeug vom Himmel, nachdem ihm beim Nachvollziehen bloßer Wegbeschreibungen ebenso zufällig der Finger ausrutscht, weil wir einen mittelschweren Tolpatsch hoher Intelligenz-/Sympathiewerte vor uns haben und einen Regisseur, der dies als Plattform surrealer wie tolldreister Späße zu verdichten weiß. Wenn dann noch die russischen Geheimdienste ins Spiel kommen, mit Folter und Erpressung drohen, einen US-Widerstand phantastischster Ausmaße erleben und der Tag so formvollendet vorm Lincoln Memorial höchstpersönlich gerettet wird, dass der „First Dog“ seinen Hut ziehen muss, mustert sich der Retrotrip ohnehin zum Perma-Augenzwinkern kindlicher Freuden. Wenn man nach politischer Korrektheit oder potenzieller Zeitlosigkeit bewertet (*seufz*), mag zwar einiges daran wohl kaum noch zeitgemäß nachwirken (z.B. das Klischee der schwarzen Hausdame oder überhaupt alle - zumindest teilweise umgekehrten - Geschlechterrollen), wie auch manche Engpässe im Budget, sprich die Nutzung von Archivmaterial inkl. Castles „Mörderisch“ (1961), durchscheinen, doch solch eine sprunghafte Variante der Red-Scare-Agenda begibt sich zumindest eher weniger auf reaktionären Sturzflug, als dass sie ihre Gewitztheit schlicht vonseiten der Leinwandmagie auf die Spielwiese der Satire zieht – eine gute Portion musikalischen Affekts darf da ebenso nicht fehlen! Schließlich schüttelt sich Castle auch vielerlei Umstände zum Handlungstrieb unvermittelt aus dem Ärmel, schwebt verträumt im Strudel des Außergewöhnlichen und pegelt sich bei unter 85 Minuten Laufzeit kompakt auf den Unterhaltungsfaktor der Entfaltung vom kleinsten Alltagsfaktor bis hin zur globalen Schlagzeile ein, wie man es von ihm als Enthusiasten fürs High-Concept eben (gern) gewohnt ist. Und sowieso: Wer meint, dass Lachen gesund macht, kriegt meiner Empfehlung nach „Zotz!“ als Rezept nur so hinterhergeschmissen!



Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!

„Our Sunhi“ - Bei Hong Sang-soo macht man erneut nicht viel falsch, wenn man per Schlichtheit und narrativer Ironie mit der Dreifaltigkeit von Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft schlendern gehen will, weshalb sich hier auch ein Trio der (wie gehabt filmschaffenden) Männlichkeit mit seinen vergänglichen Kompetenzen/Ratschlägen im versteckten Frust begegnet, eine Beziehung mit Studentin Sunhi anzufangen/zu reinitiieren, obwohl jene Projekte projizierter Gefühle an einer Wechselwirkung abprallen, in der weder Mann noch Frau vom wahren Ich wissen, dieses aber in trister wie betrunkener Halbtotale ersehnen, fordern und zwischendurch bestes Hähnchen empfehlen, selbst wenn die Szenarien nicht dazu ganz so keck wie sonst ins Herz hüpfen – abgesehen vom Ende, ne.

„Hye-hwa, dong“ - Der südkoreanische Tearjerker weiß anhand seines knuddeligsten Überangebots an Hunden und Welpen in Sachen „Awwww!“ zu überzeugen, die zurückhaltende und manchmal erbarmungslose Stille der Inszenierung beißt sich allerdings mit tendenziell plumpen Kreisläufen des Schicksals, bei denen die Generationen an versagter wie unfreiwillig getrennter Mutterschaft zwar noch kuriose Persönlichkeitsticks und länderspezifische Leinwandhärten erhalten; nach Kidnappings, bösen Hundefängern und Rätseln der Identität allerdings auch in ein klischeehaftes Melodram rutschen, das binnen seiner Schlag-auf-Schläge sadistisches Herzleiden ballt, teilweise effektiv ankommt, im Verlauf sodann schon etwas blöd-pianoseicht auf die Hoffnung im Mutterinstinkt anspringt.

„Tschick“ - Als Jugendabenteuer nach Wolfgang Herrndorf dürfte die Sommerlaune unter Teens auf der Flucht vor dem alten Leben potenziell hinhauen und besitzt ja auch ein grundsympathisches Duo mit Tiefkühlpizzakicker-Pfiff, doch was Fatih Akin in Zusammenarbeit mit Hark Bohm als „Nordsee ist Mordsee“ 2.0 suggeriert, ist selbst ohne jene Messlatte oftmals am jugendlichen Affekt vorbei inszeniert und spekulativ im Jungs-Esprit (sowie in Deutschland allgemein) unterwegs, welchem man Richard Clayderman, Jan Delay und weiteres Standard-Gedudel als Zeitgeist aufzwingt, passend dazu gestelzten Jargon zur fördergeldtauglichen Dramaturgie, #NoHomo-Sprüche, Optik- und Sinnlichkeits-Konsens knapp über den Schauwerten biederster Kinderfilme sowie die Klischee-Checkliste für die erste Liebe, auch wenn die Herzlichkeit (nicht der Voiceover) zur Momentaufnahme da einiges wieder gutmacht und Uwe Bohm toll ausrasten darf, die Ernüchterung aus mangelnder Wahrhaftigkeit und standardisierter Traumtänzerei aber nur bedingt negiert.

„When Alice broke the mirror“ - Lucio Fulcis Spätwerk wird mir von Mal zu Mal fragwürdiger und auch wenn mir seine Misogynie nicht gerade ein Geheimnis war, ist die hiesige Schlachtplatte dazu nochmal besonders giftig ausgefallen - mit Warzen, Damenbärten und Narben auf Frauen kotzend -, ehe die Kettensäge diese zerteilt und der Ofen das Gesicht zerschmelzen lässt, da ein alternder Psycho der Wettmafia wegen ständig neue Geldeinlagen braucht und daher hässliche Witwen verführt/erledigt, was als pechschwarze Komödie gelten will, sich anhand des Grads stilistischer Schäbigkeit allerdings übermäßig schleppend in der Redundanz suhlt und der Tristesse des späten Mario Bianchi eher stehen würde, als einem Grand-Guignol-Surrealisten vom Status Fulcis.

„Army of One – Ein Mann auf göttlicher Mission“ - Für Regisseur Larry Charles und Hauptdarsteller Nicolas Cage der jeweils enttäuschendste Film der Karriere, es sei denn man findet am belanglosen Overstatement eines Anti-Humors Gefallen, der nicht nur anhand seiner penetrant typischen Inszenierung ätzt, sondern auch derart einfallslos auf einer Stelle tritt, dass man an der Verkumpelung quirliger Verschwörungstheoretiker und aufdringlicher Volkstümlichkeiten noch eher hängenbleiben will, als an der Pointenfreiheit permanenter Schrägheit (Cages blödeliger Akzent ist vom Unterhaltungsfaktor her schnell verlebt), der weniger als halbgaren Romanze zur alten High-School-Flamme, dem „Krüppel“-Humor zu derer Adoptivtochter oder der schier ungenutzten Möglichkeit, einen freispielenden Cage à la „Borat“ auf den Mittleren Osten reagieren zu lassen.

So, jetzt geht's weiter im Text!




LOGAN - THE WOLVERINE - "[...] Man kann nicht aus seiner Haut – jenes Leitthema wird folglich Urheber aller Stärken und Schwächen jenes grimmigen Comic-Abgesangs, welcher es sich zudem noch explizit aus „Mein großer Freund Shane“ ausleihen muss [...] Mit jener Abgeklärtheit brüstet sich der Film dann auch in eine Gangschaltung der Räude hinein, wie er sich im Vergleich zum Rest des Franchise freier und menschlicher äußern kann, aber inhaltlich ständig um dieselben Konflikte wie bisher greift, jede Handlungsentwicklung und emotionale Deutung so ausformuliert vorwegnimmt, wie die Geradlinigkeit des Scripts ohnehin abseits einer Spannungskurve arbeitet. [...] Da könnte man Hugh Jackman und Co. Eintönigkeit unterstellen, wenn denn nicht das Engagement zum Dauerzustand so genüsslich ruppig umgesetzt wäre, in der Verweigerung der Selbstreflexion umso dringlicher die Spannung an Entscheidungen ballt, eben den Ausbruch ins Ich staut, ohne Brotkrümel des Pathos auf dem Weg verstreuen zu müssen. [...] Ist auch eine der wenigen Innovationen in diesem Best-Of an meist ernstgenommener Comic-Ikonographie, das zudem mit den Merkmalen des Westerns, der „Mad Max“-Endzeit, der inländischen Wurzel des home of the free, der Sehnsucht aufgelöster Grenzen und natürlich Johnny Cash oben drauf anbandelt. Wie man's schon liest, ist Innovation dann vielleicht auch nicht sooo wichtig, wenn die reichhaltige Mischung jenes Best-Ofs Punktlandungen der Effizienz erfüllt. [...]"


(Die komplette Kritik gibt es bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




Mit der Spitzhacke in die Entmystifizierung des Daseins als Rocker hinein, hält Chûsei Sone innerhalb seines Pinku-eiga-Dramas der Firma Nikkatsu, „Akai bôkô“ (der Übersetzung nach allgemein auch als „Red Violation“ bekannt), konstant aufs Fegefeuer versiegender Ideale drauf, ohne den Frust entkoppelter Zwischenmenschlichkeiten unbedingt als Lehrstück an Moral aufbereiten zu müssen – nun, zumindest nicht ohne gewisse Schauwerte der Ambivalenz. Der Blick hinter den Kulissen der Band „The Devils“ bleibt eben durchweg einer, welcher sich der allgemeinen Desillusionierung innerhalb seiner Ära um 1980 verschreibt, No Future bei Alt und Jung erkennt, Wahlautos mit mehr Dezibel als jedes Rockkonzert zur Übersteuerung ins Passive passieren lässt und jene Ziellosigkeit weniger als Kommentar vermittelt, denn als Einfluss für seinen Bezug zur Körperlichkeit, welcher im Porträt der jeweiligen Bandmitglieder zutage tritt. Jene Kids zwischen 19 und 23 können zwar im ersten Eindruck eine treue Fangemeinde vor der Bühne vorweisen, hinterher decken sich die Ausgaben jedoch kaum mit den Einnahmen, weshalb höchstens eine Runde Alk zur Feier des Auftritts noch drin ist, ehe man weibliche Bekanntschaften via des Mini-Fames anpumpen muss. Die Masche mit Groupies und Co. läuft einigermaßen (selbst in Sachen Frisuren), doch jener Umgang lässt alle Machtfantasien hinter sich, wenn die jungen Herren im Selbstbetrug der Milieu-Coolness durchweg ihre Abhängigkeit signalisieren und sich zudem nur in eine Sexualität hineindenken können, die ungelenk und leidenschaftslos auf die Befriedigung des Egos hinsteuert; sich dennoch wundert, wenn jede Bindung daraufhin abgewürgt wird.


Bei Fujito (Fujio Takahashi) lässt sich der Prozess initiativ erkennen, wenn er seiner On/Off-Beziehung schroffes Abrödeln aufzwingt, daraufhin nach Geld für ein Taxi nach Hause sowie einer Erlaubnis fürs Telefonieren fragen muss, da der Laufpass der Freundin schon längst vorbereitet und in kurz, schmerzloser Gleichgültigkeit ausgeführt wurde. Regisseur Sone zeigt die Reaktion darauf als Songwriting-Session, welche im Parallelschnitt mit der Konzertattitüde der Devils potenziell die ironische Schere auspackt, gleichsam auch den gehemmten Ausdruck von Schmerz und Individuum, wenn die Totale jenes Motels, in dem die Gruppe auf Geheiß des Managers einquartiert ist, als Klammer dessen mit drückt. Die Karriere jenseits des Erfolgs sucht sich sodann umso mehr ihre Schuldigen, keilt sich mit einem nach dem anderen auf kargen Fluren und lässt Blut fließen. Insgesamt kocht dieses aber auch nur lauwarm auf und verdingt sich eher in der Rauschaufnahme oder im fixen Aufbau einer Erektion – von Adrenalinschüben zur Bühne hin kann man da nicht wirklich sprechen, wenn die permanente Probe zu Musik und Zusammensein am Nervenkostüm durchexerziert wird. Exemplarisch dafür geht Gitarrist Hunt (James Hunt) der Tristesse aus dem Weg, indem er alleine in einer Bar sitzend auf die nächste Spenderin hofft, wie gehabt fündig wird, zusammen auf ihre Kosten einen trinkt und für einige Momente am Morgen danach den Tunnel ungefährer Freiheit bewandert, ehe jene Dame anhand des Hangs zum Selbstmord sowie ihrer Veruntreuung von Firmengeldern mindestens eine Seifenblase platzen lässt – mal abgesehen davon, dass sich Hunts gehetzter Drang zum Koitus nur bedingt gegen die von den Fingernägeln der femininen Leidenschaft gesetzten Kratzer am Rücken behauptet.


Dem Zuschauer tun aber beide Leid, so unvereinbar sie auf Modelle und Strukturen der Liebe einzugehen versuchen und daran nur scheitern können, während sich die (übrigens wie so oft im Genre gewohnt fabelhafte) Audiovisualisierung in schlichter Erfassung zurückhält, der Lust vielerlei Möglichkeiten der Entfaltung und Romantik erlaubt, wenn sich diese auch sichtlich in Mühen wägt. Unsere teuflischen Boys scheinen trotzdem weiterhin an den Reiz ihres öffentlichen Status zu glauben, was ein Fujito z.B. an der jungen Ärztetochter Mari Ikemoto (Megumi Saki) bestätigt sieht – ein Mädel wie der Rest des Films weg von Autoritäten, in blutjunger Naivität aber auch als Spielball verkappten Nihilismus eingeführt, der ihr anfangs im Durcheinander schon ein Hot-Dog klaut (starkes Intro übrigens – Pantyshots und Hände-Choreo inklusive) und im Verlauf noch soviel mehr. Die Opferrolle bleibt größtenteils jedoch außen vor, eher versucht sie noch mit Fujito, diesen als Berühmtheit an ihrer Seite vorzuführen, während kein Laden seine Platten führt, Idole nebenan dieser zumindest interessante Qualitäten nachsagen. Vor Mari nennt Fujito sowas arrogantes Gequatsche, bei den Kollegen eine Chance zum Weiterkommen – nicht die einzige Situation, in der die doppelte Zunge wirkt, obgleich damit trotz kalter Miene weniger Intrigen, denn die Deeskalation motiviert werden soll. Die Maßnahme zum Vorteil bleibt trotzdem mehrheitlich eine fürs Ego und verläuft vergleichsweise extrem ungeschmeidig, wenn Fujito Mari zum Sex überredet. Er manipuliert ihre jugendliche Neugier, so wie er dieser selbst dem adoleszenten Wunschtraum wegen nachjagt und ständig darin pendelt, wie er seinen Frust umsetzt bzw. aushält, bis er Mari damit in die Ecke drängt.


Der Film lässt dazu auch teilweise dieselben Kadrierungen, Bewegungen und Sätze sequenziell wiederholen, um die Schwere der Situation sowie ihre ausweglose Erfüllung an Verhaltensmustern darin zu illustrieren. Die Devils leben in Rhythmen, erliegen dem Faulungsprozess und suchen darin noch die wilde Power des Rock'n'Roll – oder zumindest das, was der industrielle Komplex drum herum übrig lässt. In einer klimatischen Aufnahmesession, wie alle Proben des Films von schleppender wie verschleppter Reibung, überlässt Regisseur Sone dem Raum hingegen noch eine Hoffnung im Talent, die Passion aus verstecktem Leiden, mit welcher der Fluchtgedanke im Angesicht aller Schwächen noch seine Harmonie findet. Das Finale überbietet dennoch die Bitterkeit eines „La La Lands“ (das hier ist immerhin die Oscar-Ausgabe!), so wie die „Red Vialation“ auch offener auf rohe Wunden schielt, dezentralisiert um die Ziellosigkeit fickt, Leere und soziale Massen auf eine Stille hin konterkariert, die selbst in der Zappelei verzweifelter Männlichkeit weder um richtige noch um lautstarke Töne weiß. Wohl deshalb sieht man manch trivialen Streit durch eine dämpfende Tonstudioscheibe, schwere Unfälle sowieso im Vakuum einer Rückblende, das sich nur per Musik vorm Zerfall schützen kann. Die Sinne des Zuschauers vervollständigen jedoch das gnadenlose Bild, das Regisseur Sone in derart zielgenauer Unaufgeregtheit skizziert – die Moral zieht trotz stilistischer Distanz, Erotik und elektrischer Furiosität im Fokus Bilanz und hemmt sich da ein Stück weit selbst als gerichtete Impression, wo sie im Gegenzug aber auch eine tolle Pointe ergibt. Wäre ja auch langweilig, wenn solch eine Eindeutigkeit, wie auch der Sex, nur eine Funktion reflektieren würde.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen