Sonntag, 13. November 2016

Tipps vom 07.11. - 13.11.2016 (DIE 200. AUSGABE!)

Liebe Leser,
ich möchte Euch hiermit zur 200. Ausgabe meiner wöchentlichen Tipps einladen! Ganz recht, auch wenn das vierjährige Jubiläum zum Bestehen des Blogs erst im Januar vollzogen wird (sogar einige Wochen vor der Amtseinführung von Präsident...Trump...), möchte ich diesen Meilenstein gerne festhalten und mich bei Euch allen bedanken, die sich bis hierhin jeden Sonntag aufs Neue die Zeit zum Anklicken nehmen, Filmempfehlungen wie Verrisse meinerseits nachlesen, gegebenenfalls Feedback geben und mich anhand dessen unterstützen, meine Fähigkeiten weiter auszubauen bzw. zu entdecken. Schließlich gehe ich nicht davon aus, einen Abschluss im Lernprozess zu erreichen, zudem sehe ich ohnehin keine Tendenz zur Routine, da es andauernd Herausforderungen und Transformationen im Schaffen sowie keinerlei absoluten Wahrheiten zu jedem Sachverhalt gibt – also fetzt es umso mehr, wenn wir weiterhin gemeinsam in sowie zwischen den Zeilen unterwegs sind, um stets den Fortschritt zu probieren. Den Erfolg dessen sehe ich allein darin, wie sich mein Schreibstil und Anspruch seit Anfang 2013 verändert haben, falls sich diese anhand der ersten Einträge überhaupt nachweisen lassen, im direkten Vergleich mit vielerlei Kollegen aus demselben Sektor natürlich so oder so noch auf Hobby-Level arbeiten dürften. Manchmal kann man Vorteile daraus schöpfen, schließlich ist das seit jeher nicht meine berufliche Bestimmung und mehr ein Labor of Love, das sich mitteilen sowie in erster Linie Film verstehen will. Auch wenn ich externen Abnehmern manch Textgut anbiete - ohne die lieben Leute von CEREALITY.NET und DIE DREI MUSCHELN wäre ich nie so weit gekommen! -, liegt ein Zwang an dieser Stelle demnach höchstens bei mir selbst, welche Inhalte Interesse und Besprechungspotenzial erwecken (deshalb die Filmauswahl zum heutigen Male), wie lang ich die jeweiligen Texte dazu ausführen will/kann und wie einfallsreich mein Gehirn arbeitet, um die resultierenden Zeilen lesenswert zu machen. Ein sicheres Konzept ist bis heute nicht zustande gekommen, was auch daran liegt, dass es bei mir wie bei wahrscheinlich jedem Autoren eine Schere gibt, inwiefern man sich mit der reellen Stimme face-to-face oder mit der virtuellen Stimme schwarz-auf-weiß ausdrückt, wie man einen Film bei Erstsichtung empfindet oder im Nachhinein durchkaut. Manchmal werde ich deswegen selber nicht das Gefühl los, dass zwei Menschen einen Witte ausmachen und dessen Schädel auf beiden Pfaden um Worte ringen lassen. Schwierig, aber immens wertvoll für die Selbsterkenntnis. Der Blog ist daher einer meiner größten Motivatoren, das Hirn stets auf potenzielle Höchstwerte hinzuweisen, auch wenn manch einer die Inhalte letztendlich für pseudo-intellektuell halten mag. Finde ich legitim, schließlich habe ich erst als Quereinsteiger wirklich zum Schreiben gefunden, vieles von bewundernswerten Kollegen emuliert und autodidaktisch weiterverarbeitet, bis ich zumindest aus eigenem Elan etwas schreiben konnte, was ich zumindest selber gerne lesen würde. Deshalb habe ich die Ehrfurcht bis heute nicht abgelegt, möchte aber zumindest ab diesem Tage stolz darauf sein, auf dieser Plattform inzwischen 200 Ausgaben inklusive Besprechungen zu bestimmt über 1000 Filmen aus eigener Keyboard-Tätigkeit verzeichnet zu haben. Feiern möchte ich das wie gehabt mit dem Material, was ihr von mir erwartet: Filmkritiken! Und die gibt es auch sofort, betone im Vornherein jedoch gerne noch obligatorisch tagesaktuell, dass die kommende Ära des binnen dieser Woche gewählten US-Präsidenten eine mittelschwere Beleidigung für meinen Glauben an Demokratie wie Menschenrechte darstellt. Aber allmählich muss allen (mich eingeschlossen) klar sein: Raus aus der Filterbubble, damit uns weitere böse Überraschungen wie diese erspart bleiben – insbesondere in einer Gesellschaft, die sich bei „Terror – Ihr Urteil“ per Mehrheit für Freispruch entscheidet. Apropos, zurück zum Eskapismus:




Könnte jedermann so drollig sein wie Hong Sang-soo, hätte dieser Globus tatsächlich eine Chance, bis ins nächste Jahrhundert zu überleben. Nun gut, Filme wie „In einem fremden Land“ präsentieren fürs Erste zumindest eine ideelle Insel an menschlichem Süßstoff, auf die man sich binnen Tagen wie diesen retten will. Insel wäre dann aber doch der falsche Begriff, so toll wie sich hier die südkoreanische Küstenstadt Mohang fürs charakterliche Hin und Her anbietet, dass alle essenziellen Telefonnummern schon auf den Ortsschildern abgebildet sind. Das lädt zum Durchwählen ein und englisch beherrscht da offenbar ohnehin fast jeder, was den Kontakt mit der dreifachen Protagonistin Anne (Isabelle Huppert) angeht. Ehe der Umstand klar wird, erbaut sich der Film allerdings noch einen zweiten fiktionalen Rahmen innerhalb seiner künstlerischen Fassung, sobald die junge Won-joo (Jung Yu-Mi) mit ihrer Mutter (Youn Yuh-jung) auf der Flucht vor Gläubigern direkt vor Ort ankommt und dort ein Drehbuch über eben genanntes Paradies schreibt. Hört der Leser da schon die Worte „metakontextuelle Selbstreflexion zum Medium Film“ und deren Arsenal potenziell sperriger Theorie antraben? Ich kann dich beruhigen, mon ami, bei Hong Sang-soo ist solch Methodik eher schlicht in der Praxis ihrer selbst präsent, als dass sie dem Ego wegen zur verkopften Entschlüsselung auffordern muss – ganz so wie die Präsenz Mohangs an sich selbstverständlich Charakter hat. Zudem ist unser Autorenfilmer hinter all dem ein Freund der Alltagskomiken und kommunikativen Verzweigungen, weshalb das Film-im-Film-Prinzip von seinen Figuren selbst angeeignet scheint, mehr von der Perspektive Won-joos aus Szenarien entwirft beziehungsweise aus ihrem Erfahrungskreis die inneren Charakterkonstellationen bildet, Sie binnen der Wechselwirkung der Ideale sodann selbst auftreten lässt. Und so trifft man innerhalb ihrer drei Geschichten Variationen und Dialoge gemeinsamer Themen wie Beziehungen, Affären, Grillkohle, kaltes Meerwasser, Zelte und vor allem notgeile Regisseure wieder, die sich allesamt um oben besagte Anne kreisen. Natürlich sind viele davon trotzdem noch Markenzeichen des Gesamtwerks Hong Sang-soos, der in dem Konstrukt wie gehabt ohne verkappten Pathos an der Selbstironie kurbelt und bei dem quasi jeder Film schon aus derselben Gestaltungsader zwischen Romantik und Selbstentlarvung des Miteinanders zitiert. Das sind aber natürlich nicht gerade ausschließlich Mittel zum Zweck, eben eher Projektionsflächen für Wundertüten der Natürlichkeit, wenn sich die von Huppert verkörperten Touristinnen aus Frankreich mit der Stadt treffen, nicht mal diese typische Feelgood-Kulturbegegnung bemühen müssen sowie ohnehin schon auf verstecktem Liebeskurs mit den sich um Kopf und Kragen redenden Kerlen vertraut sind.


Im Mikrokosmos ergeben sich daher reichlich Stimmigkeiten jenseits der Kontinuität, so wie die menschliche Erfahrung hier mehr oder weniger aus einem Guss kommt, Fixpunkte wie Ebbe und Flut, Leuchttürme, heimelige Pensionen sowie Täler ringsum reiteriert und diese (Achtung, das ist entscheidend) genießt. Wo sich bei derartigen Zyklen sonst gerne mal der Zerfall interpretieren lässt, wird jenen abgebrühten Dramaturgien hier stattdessen abgeschworen, der größte Spaß sowie die kompliziertesten Spannungen meistens allein aus gebrochenem Englisch geschöpft – Globalisierung, basically. Für Liebe, Manieren und genuine Kindness müht sich hier jeder gerne einen ab, in der jeweiligen Muttersprache wird gefeixt, gezankt (siehe die schwangere Geum-hee, gespielt von Moon So-ri), aber auch der Schönheit des Ganzen gefrönt, was keiner so gewinnend konzentriert wie der rote Faden im Rettungsschwimmer (Yoo Jun-Sang). Gleichsam gewitzt, dusselig, unbeholfen und obercool schafft er im Handumdrehen Lachsalven aus Abstechern in der Kommunikation, die in ihrer Spontanität eigentlich am Gewöhnlichsten wiedererkennbar sein sollten, doch bei einem Hong Sang-soo erst recht lebhaft empfunden werden, ohne dass sich dessen Stil daran erst aufzwingen muss. Ferner noch sind andere Verehrer wie Jong-soo (Kwon Hae-hyo) oder Moon-soo (Moon Sung-keun) abseits der Untreue ja auch keine rein miesen Säcke - in der zweiten Episode ist Anne zudem die mit dem Ehebruch - und nehmen sie in Schutz, agieren aber ebenso als Tolpatsche der Intelligenzija mit Hang zum Narzissmus, welcher selbst seine Paranoia extra-umständlich inszeniert und doch aufs Dümmste ins Fettnäpfchen tritt. Ein Klassenkampf findet allerdings nicht statt und von Geschlechterschelte will der Film auch nichts wissen, überreicht er Anne doch mit die beste Pointe, wenn sie Schafe imitiert, denen erst gar nicht einfällt, zurückzumähen – wieder eine Situation so bekannt wie eh und je, allerdings erst in den minimalistischen Zooms und Kamerabewegungen zur Großtat des reellen Humors geformt. Kleinigkeiten machen im hiesigen Dreiergespann ohnehin alles aus, wenn auch das gegenseitig austauschende Dasein im Mittelpunkt schon kernig genug am Gemüt schraubt, dementsprechend standhaft im Fokus bestehen kann, obwohl kaum mal eine Tiefenschärfe (auch der tollen Umwelt wegen) auszumachen ist. Soviel Transparenz (plus hochprozentiger Soju) schafft Leichtigkeit en masse, selbst wenn Anne schlussendlich den Weg ins Unbekannte geht, mit dem Regenschirm durch die Straßen schlendert, welchen sie vorher auch schon zufällig synchron mit dem von Won-joo aufgespannt hatte. Nach jedem Bye ein Hi, ne. Da schließen sich eben viele Kreise so rund wie der Erdball, hätte dieser vielleicht mal mehr als solche Inseln der Unschuld parat.




Wenn das Leben einem manchmal zu lang vorkommt, ist eine kleine Billy-Crystal-Retrospektive binnen des Heimkinos letztendlich dann doch keine allzu unwahrscheinliche Wendung. Seit wann hat meiner Einer das Bedürfnis, mich mit dem Herren zu beschäftigen? Nun, wie so oft war der Mann von der Pike auf ein Begriff, den man am ehesten per von ihn moderierten Oscar-Verleihungen auf den Weg mitbekam, wenn man mal von ikonischeren Ausnahmen wie eine Handvoll „City Slickers“-TV-Sichtungen sowie den obligatorischen „Harry und Sally“ absieht. Viele Jahre später kann es aber eben durchaus passieren, dass unversehens Domino-Steine der Neugier aufs Haupt niederprasseln, wenn das Schreiberteam hinter „Eine Wahnsinnsfamilie“ zufällig quasi als Stammautoren fürs Œuvre Mr. Crystals zuständig scheinen. Innerhalb jener Filme, die sich aus dieser Konstellation ergeben, findet allerdings eine interessantere, wenn auch nicht rein positive Entwicklung statt, die dem Berufskomiker sein Image perfektionieren und gleichzeitig in befremdliche Beliebigkeiten gleiten ließ. Nun werde ich innerhalb dieses Blogs nicht den Anspruch erheben wollen, eine vollständige Reflexion zum Werk genannten Billy Boys anbieten zu können, stattdessen werde ich spekulativ Verbindungen und Querweise innerhalb der singulären Erfahrungspunkte aufstellen, aus denen niemand schlauer werden dürfte – es sei denn natürlich, jemand unter den Lesern hat zufällig ebenso reges Interesse am brandaktuellen Thema Billy Crystal. Ich könnte es niemandem verübeln, denn der Komiker aus russisch-österreichisch-jüdischem Hause ist eben konsistent exzellent in dem Handwerk, das in letzter Zeit Überstunden machen muss, um einem die Angst zu nehmen: Humor (bitte übermäßig dramatisch lesen). Klingt pathetisch?


Nun, dann ist das eine stimmige Einleitung zu seiner ersten Regiearbeit „Der letzte Komödiant – Mr. Saturday Night“ (1992), die wie oben erwähnt in Zusammenarbeit mit Babaloo Mandel und Lowell Ganz entstand sowie als Biopic-Fiction eines alternden Late-Night-Comedy-Urgesteins mit jiddischem Background schon reichlich Auskunft darüber gibt, wie Crystal sein eigenes Wirken entfernt autobiographisch reflektiert und mit welchen Zutaten jedes seiner Narrative fortan ausgestattet wurde. Das fängt schon beim Rollennamen an, Buddy Young. Ich schwöre, man wird selten einen Charakter seinerseits ohne Spitznamenformat vorfinden, denn warum Distanz schaffen, wo der kleine Mann seines Rollentypus ohnehin schon jede Distanz trotz offensive jokes zu vermeiden versucht? Man bemerke allein in diesem Film, auf welch verlorenen Posten sein Buddy um die Zukunft in Beruf und Ehe hadert, die existenzielle Krisis an der Vergangenheit festmacht, nostalgisch auf Tuchfühlung mit dem Elternhaus bleibt und dementsprechend am energischsten im Thema Frauen unterwegs sein will. Can a brother relate? Das komplette Paket bietet speziell der Film noch anhand seiner Flashback-Struktur, da Buddy zudem den Kontakt zum eigenen Kind aus vielerlei Gründen nicht aufrechterhalten kann (siehe auch „Steve Jobs“), zudem ihm nahe Protegés und Bruder/Manager Stan (David Paymer) anmault, weil liebevolle Verbindungen in der human condition so rar scheinen wie der Erfolg jenseits ewiger Enttäuschungen. Die Umstände sind natürlich der ideelle Nährboden für Sarkasmus, Galgenhumor, respektlose Pointen und schlicht beobachtendes Feingefühl fürs Grobschlächtige, sprich ständige Begleiter in Crystals Wesen, die er an dieser Stelle aber über weite Passagen ins Lager des Dominanten bugsiert, welcher in objektiver Perspektive der Mitmenschen Gutes will, einen aber so exploitativ mitschleppt, solange man im Schlagabtausch zum Anderen Witze schöpfen kann. Ein Schutzmechanismus vonseiten Buddys flackert da erst recht auf. Kalauer sind in Crystal Melange aus Selbstkritik und Selbstinszenierung alles andere als Mangelware, doch jenes innere Zerwürfnis der Identität spaltet den Film doch irgendwann in wackelige Perspektiven vom Überleben im Business, die sich im Schlussschlagloch wiedergutmachender Selbsterkenntnisse mit Sentimentalität und Rückblicksfrust eindecken müssen, um eine Zielgerade zu fingieren. Die Ambition zum Gleichgewicht ist es durchaus wert, ungewisse Zukunft und verpatzte Chancen als Versagensängste des einsamen Schenkelklopfers zu ballen, doch hierfür bieten sich viel zu oft lediglich massive Ausformulierungen im Dialog, Bad-Grandpa-Make-Up sowie Stativaufnahmen als Aufhänger dessen an, die hoffen lassen, dass Crystal nach seinem Regiedebüt auch irgendwann mal einen Film in Angriff nehmen würde. Klingt harsch, hat sich aber zumindest auch so zugetragen.


Forget Paris“ (1995) heißt sodann der zweite Streich vom Schlage B.C., virtuoser (wieder mal) zwischen den Zeiten pendelnd und nicht aufs eigene Milieu beschränkt, so dass die Bahn frei wird für eine Beziehungskomödie, die alles tut, um vielleicht auch nur einen Moment lang „Harry und Sally“ zu sein. Der abgeklärten Weitsicht eines Rob Reiners kann er gewiss nur bedingt nachkommen, so wie sich sein Drehbuch inklusive Mandel-und-Ganz-Input wie schon im Film zuvor auf manch Allgemeinplätze pflanzt. Und ach ja, der Rollenname? Mickey Gordon, jetzt gleicht sich schon die Anzahl der Silben zum Darsteller! Eine Leidenschaft kommt jedoch addierend ins Spiel, die man ebenso symptomatisch fürs Gesamtwerk bezeichnen darf: Der Sport! Als ob Crystal nicht genug amerikanische Traditionen ins Feld führen könnte, gibt es in diesem Fall Basketball oben drauf und ihn als Schiedsrichter mitten drin. So ein Kleiner Mann und die Größen der NBA? Das muss man nicht mal gesehen haben, um den Witz zu verstehen! Man, ist der ein Kerl vom alten Schlage, so eine stets im Vornherein mit dem liberalem Hollywood verbundene Identifikationsfigur und so komisch, wenn er in seiner Wut vier Zentner wiegt, Jahrtausende des Leidens im jüdischen Volk lakonisch in First-World-Problems fortsetzt. Nicht falsch verstehen: Ich lass mich gerne auf charmante Bros ein, doch wie sich sicherlich schon heraus liest, arbeitet er auch mehr nach bestimmten Zutaten und Typecastings seiner selbst, was nicht nur innerhalb der 90er ohnehin Pflicht war für Leinwandwiederkehrer. Interessant wird es erst, wenn er in Paris per Zufall auf Ellen (Debra Winger) trifft und Stück für Stück die Liebe anbricht, dass das Happy-End in nächster Nähe scheint. Binnen der Rahmenhandlung, die sich aus mehreren Erzählern zur Rekonstruktion der Ereignisse heran traut, wird dann auch mit diesen Erwartungen gespielt, doch im flotten Tempo weiter drauf addiert, wenn sich die komplizierten Realitäten einer Ehe in die Ideale der Individuen mischen. Kompromisse zu finden, ist für diesen Film sodann mal mehr, mal weniger konstruiert ein Problem, obgleich Dialoge und Regiedynamik stets geschmeidig umeinander tänzeln, Klarinetten-Jazz als Surrogat ihrer selbst noch dazu rufen, wenn sie die Unmöglichkeit/Unbedingtheit von Mann/Frau diskutieren. Aus welchen Gründen allerdings? Naja, er ist seines Jobs wegen für längere Zeit weg und das hält sie nicht aus – wenn er sich wiederum an ihre Wünsche anpasst, ist er allerdings unglücklich. Jenes Wechselspiel ergibt im komödiantischen Aufwind der Mandel-Ganz-Manier durchaus eine gut balancierte Partie, natürlich wie alles an Crystals Methodik zudem ausgerechnet von den Erinnerungen ans Glück in Paris gequält, dem keiner gerecht werden kann. Interessanterweise wird sich das Paar später entschließen, sich mit Blick voraus davon abzulösen, doch merkt es der Leser schon? Das klassische Happy-End ist gleich unter mehreren Paaren ausgebrochen, alle Kreise schließen sich. Billy, man muss ihn einfach lieben, aber der geschulte Blick muss langsam damit klar kommen, dass das konservativere Americana ein festerer Bestandteil des Multitalents ist, als ich zuvor vermutete. Ja, zwanzig Jahre alte Filme sind nicht auf Zeitlosigkeit abonniert und als Vorschau darf ich auch verraten, dass der spätere Crystal zumindest die Annäherung auf neue Jahrzehnte versuchte (alter rustikaler/armseliger Mann als Fish-out-of-Water = witzig!), aber wie bei seinem Buddy Young hatte man schon Ende der 90er den Eindruck, dass er aus der Zeit gefallen wäre.


Das lässt sich vielleicht an seinem Status als mehrfacher Oscar-Moderator feststellen, aber wie daneben ist denn z.B. schon Ivan Reitmans „Ein Vater zuviel“? Übrigens wieder von Mandel und Ganz geschrieben, allerdings 14 Jahre nach dem Original „Zwei irre Spaßvögel“ (1983) neuverfilmt, wirkt die Prämisse allein zu hanebüchen für die billigsten Witze (Nastassja Kinski lügt Crystal und Robin Williams vor, sie wären jeweils der Vater ihres weggelaufenen und um unglaubliche 5000 Dollar verschuldeten Sohnes, den sie unabhängig voneinander, dann aber doch zusammen finden sollen), aber noch kurios genug für eine inzwischen irreparable Zeitkapsel. Mel Gibson in einem Cameo ist da vielleicht noch so unschuldig zu bewerten wie alle Schwärmereien zu seiner Person vom Ensemble der „Tiny Toons“ und „Animaniacs!“ aus, doch wenn Robin Williams als suizidgefährdet, manisch depressiv sowie mit Revolver im Mund eingeführt wird, versinkt der Film unfreiwillig im Boden. Schlimmer noch ist die Imitationsroutine, die er sodann am Wohnungsspiegel vollführt, ob er denn als Abziehbild eines Wiggas, Gurus oder Hippies besser beim Sohnemann ankommen würde. Man merkt: Der Film ist so energisch um den Zeitgeist bemüht, dass er sogar „The Impression That I Get“ von The Mighty Mighty Bosstones auflädt – mehrmals, wohlgemerkt! Überflüssig zu erwähnen, dass das Unterfangen sich selbst den Draht zerschneidet. Und wer ist mitten drin am verzweifelten Anbiedern? Billy Crystal, entgegen aller Tradition mit dem Namen Jack Lawrence aufgeführt, immerhin mit langjährigem Sparring Partner der Lacher, Williams, gepaart, was als Nukleus noch einen tolerablen Roadtrip aus der Sache schlägt, in allen Belangen aber weiter zurückliegt als das Entstehungsjahr 1997. So ist er ein Anwalt, der zu viel um die Ohren hat, mehrmals geschieden ist und in der frischen Liebe zu Julia Louis-Dreyfus trotz ewigem Kinderwunsch mehr als nachlässig wirkt. Der Film kommt da ganz nach ihm und kann so rein gar nichts mit ihr anfangen, wie dieser auch Frau Kinski als frustrierendes Plot-Vehikel im Irrationalen verharren lässt, während die Männer die ganze Arbeit auf sich nehmen müssen, aber auch zu blöd sind, um mit der noch so beknackten Wahrheit rauszurücken. Die schlimmste Situationskomik ist doch immer die, wenn beim Gegenüber im Telefongespräch Missverständnisse zustande kommen, nicht wahr? Ist es dann noch dümmer, wenn ein Gay-Panic-Gag draus gebastelt wird? Ohne als SJW dastehen zu wollen, möchte ich das einfach mal bejahen, aber nicht zu sehr auf die große Waage legen, weil: damals und so, jojo, inzwischen dürfte sich ja selbst ein Billy Crystal dazu gelockert haben, nich'? Oh. Naja, wie dem auch sei, kommt zwischendurch zumindest Jared Harris vorbei und bedroht den stets flüchtenden Sohnemann mit Original-Akzent, während Bruce Greenwood als leiblicher Vater ebenfalls auf der Suche nach diesem irgendwo im mittleren Westen hängenbleibt, da ein Abschleppwagen das Dixi-Klo mit ihm drin umgeschmissen hat. Pseudo-Farrelly-Brüder zu sein, ist für 1 Ivan Reitman 1 Armutszeugnis, aber auch k1e Vollkatastrophe. Selbst wenn Crystal und Williams im irrealen Konzept herumturnen, ist der Frust zu echt, um langweilig zu sein und je mehr Kopfnüsse die Spießer austeilen, desto besser. Aber mit welcher verballerten Soße sich Mann und Frau an allen Fronten wieder vertragen, hätte sich Crystal als Regisseur selbst nicht mal erlaubt.


Das überließ er jemandem wie Michael Lehmann, den ich für gewöhnlich als interessanten Regisseur besprochen habe, doch bei „My Giant – Zwei auf großem Fuß“ wirkt „Heathers“ ehrlich gesagt wie Lichtjahre entfernt. So blödelig wie bei „Airheads“ denkt er sich wiederum nicht in seine Prämisse, doch als ob ein PR-Team ohne jede Filmerfahrung Mr. Crystal vollends als Produktmarke verkaufen wollte, ist dessen Verkörperung des erfolglosen, geschiedenen und um eine Bindung mit dem Sohnemann bemühten Hollywood-Agenten Sammy Kanin so formelhaft ausgefallen, dass selbst seine schlechteren Witze à la Fips-Asmussen-Niveau eliminiert scheinen. Klar, der Voiceover mit neurotischer Schicksalsverdrossenheit und die Klarinetten-Soli schauen noch immer gen Himmel zum existenzialistischen Schmerz, aber oi vey, der Film versucht hauptsächlich das Herz zu rühren, familientauglich moralische Dilemma der gut gemeinten Notlügen und verzweifelten Versprechungen zu entwerfen. Wie schon zuvor in diesem Kapitel erwähnt, keine schlechte Angewohnheit an sich, das als Filmemacher zu wollen, doch ein fataler Fehler lässt die gesamte Maschine defekt zurück. Das Ding ist, Sammy ist in Rumänien unterwegs, wird vom verwöhnten Filmstar-Gör entlassen, nach einem Autounfall jedoch von Max (Gheorghe Muresan der Washington Bullets, New Jersey Nets und Maryland Nighthawks) gerettet, der mit seinen 2,31 Metern den großen Durchbruch aus der permanenten Geldnot für die laue Karriere Kanins bedeuten würde. Jener gütige Naivling will jedoch nur zu seiner alten Flamme Lilliana zurück, was Sammy insofern ausnutzt, dass er ihn mit nach Amerika zu ihr bringt, wenn er sich für Filme und weiteres zur Verfügung stellt. Soweit, so konfliktbeladen. Ehe der Film an sich aber eine genuine Herzlichkeit an Max erfahren will, steuert er seinen Fokus immer wieder auf Sammy zurück, dass die Suche nach Lilliana schließlich wortwörtlich seine Suche zur Ehefrau bedeutet. Der Schlussakkord dazu wäre sogar fast schon ein Cronenberg'sches Delirium der Identitäten und Voyeurismen, in dem Kontext allerdings hat der Film einen Hang zum Ego an sich, als ob man Crystal zur Selbsterkenntnis genauso gut ein Meta-Gleichnis vom Schlage Magic Negro zur Seite hätte stellen können, so sehr er auch für die Wünsche seines Freundes einstehen will und doch allein von der Körpergröße her schon halb am Riesen vorbei konzipiert ist – soll ja auch ein bisschen witzig sein. Die unstimmigen Sentimentalitäten werden zu alledem noch von niemand geringerem als Putin-Staatsbürger Steven Seagal ergänzt, der sich selbst spielt und wie oben Gibson schon als guter Tough Guy mit semi-asiatischem Karma idealisiert wird. Da muss sich „Ein Vater zuviel“ geschlagen geben, da Lehmanns Film immerhin Potenzial zum Verschenken hat, doch solch ein Lob macht eher mutlos als zufrieden zu stellen.


Nun, da die problematischen Reibungspunkte ausgearbeitet sind, lässt sich zumindest ein Erfolg verbuchen, da „Reine Nervensache“ daraufhin aus der Hüfte weg bessere Zahlen und Lacher bar jeder aufgezwungenen Sentimentalität für sich einsacken konnte. Der Film von Harold Ramis schaffte es dabei, erstmals den Kontrast zwischen dem milden Temperament Crystals und der Mafioso-Rolle Robert De Niros einzusetzen, was letzterer in folgenden Jahren noch mehrmals zum halbgaren Einstieg ins Comedy-Fach variieren würde. Hier jedoch geht die Rechnung noch so weit auf, dass keine typischen Situationskomiken aufeinander prallender Welten vorherrschen und zudem nicht von Vornherein verniedlicht werden, wenn sich die Gewalt und Einschüchterung des Unterweltapparates zur Therapie einberufen lässt, hin und her pendelt, wie viel Boden sie dem gewaltlosen Gegenüber zur Problembewältigung preis gibt. Die Pointen sind dann auch meistens versteckt im Prozedere der Angstzustände wirkend, die ein Paul Vitti (De Niro) lösen lassen will sowie Dr. Ben Sobel (Crystal) wiederum um die professionelle Fassung bringen. Das funktioniert vor allem deswegen, da weder Crystal noch De Niro wirklich die Idealisierung ihrer Milieus erfahren können, der Film den Fokus im Schlagabtausch der Gewohnheiten von Positionierungen frei macht. Klar, Sobel ist ständig um die perfekte Eheschließung zu seiner Zukünftigen Laura (Lisa Kudrow) bemüht, doch ehe ein anbiedernder Schmalz draus gerät, schlägt die Rücksichtslosigkeit Vittis zu, für die sich sein Seelenklempner schnellere Methodiken überlegen muss und trotz aller Widerstände nicht umhin kommt, dem Mann helfen zu wollen. Vielleicht eine konstruktivere Variante von „Was ist mit Bob?“? Gemeinsamkeiten sind ja trotz konträren Umgangston allmählich zu finden, wenn es um die Rolle der Väter und das hemmende Gerecht-Werden derer geht, an denen man aber reellere Bezugspunkte stilisiert als die Spielbergisierung von Mandel und Ganz jemals imstande zu wäre. Beinahe zeitgleich mit den „Sopranos“ gestartet, erfordert der Zeitgeist auch einfach abgeklärtere Handhabung mit dem Status des Kriminellen binnen der USA, weshalb die Daseins-Schocks Sobels des Öfteren alles auf sich zukommen lassen und ums Verrecken beruflich zu verarbeiten versuchen, was umso tollere Früchte trägt, wenn der Mafia-Hüne zur schlichten Schlussfolgerung in Tränen ausbricht. Die drollige Verletzlichkeit darin, selbst gegenüber kitschigen Werbespots, macht erst den Menschen hinter dem Arsenal garstigen Killer-Lingos aus, gleichwohl ein Hindernis für Sobel, der immer tiefer in die Machenschaften seines Patienten gerät, moralisch am Scheideweg steht und dort den Kugeln ausweichen muss. Ramis' Inszenierung verschreibt sich dann auch eher kernigen Eindrücken mit zackigen Shootouts, Blutbeuteln und Draufsichten ohne Überzeichnung, die mehr Bedrohung wie Erdung als für eine Komödie gewohnt zulassen, dennoch engagiert auf die Steigerung der Absurditäten zusteuern, inwiefern Vitti den Doc beanspruchen kann. Es kann sich zeitloser behaupten als oben genannte Beispiele der 90er Jahre, geht im letzten Drittel aber gleichsam auf eine Erschöpfung der Prämisse zu, die sich zwar weiterhin von Emotionalisierungen fern hält, auf neutralem Boden aber auch keine Happy-End-taugliche Heilung inklusive einiger Klischees auslässt. Das ist aber so oder so um ein Vielfaches besser als die Fortsetzung „Reine Nervensache 2“, die ungefähr dasselbe versucht, an der eigenen Existenz jedoch zusehends den Faden verliert, schwache Einzelmomente im Eiltempo ballt und in beliebigen Reiterationen der längst erreichten Substanz abflettert. Immerhin darf Crystal da eine eigene Katharsis im Anger Management finden, doch die Wege dahin geraten so vage, absurd und ohne Ziel verworren, dass es nur eine Frage der Zeit war, wann er wieder zu alteingesessenen Idealen zurückkehren würde.


Auftritt für „Die Bestimmer – Kinder haften für ihre Eltern“, ein Andy-Fickman-Film für die ganze Familie, der um 2012 herum die schleichende Antithese für den familiär entschiedenen Neoliberalismus politischer Korrektheiten unter Obama darstellt. Böswillig wird hier nur bedingt auf die antiautoritäre und pro-tolerante Handhabung der Elternschaft aktueller Generationen geschaut, doch das altmodische Verständnis eines Billy Crystals wird die Wogen schon glätten, wenn es vom Narrativ her heißen soll: Make families great again. Und da werden wahrlich alle Register gezogen, um die Charakteristika am Crystal-Konsens so vertraut wie möglich aufzutischen, so wie er als Baseballmoderator Artie Decker nach Jahren der Treue zum ortsansässigen Team seiner mangelnden Social-Media-Präsenz wegen gefeuert wird (!) und kurz vor der seligen Rente mit Ehefrau Diane (Bette Midler) noch daran nagt, mit Tochter Alice (Marisa Tomei) und wiederum ihrer Brut ins Reine zu kommen. Durch eine von vielen aufgesetzten Plot-Konstruktionen geraten allesamt jedoch unter die Aufsicht des hilflosen Opas, der im Herbst des Lebens nochmal den Stress der Veränderungen durchmachen muss, gleichzeitig die Bindung im Zauber der Vergangenheit findet. Berufliches Chaos in der Verzweiflung des Abgehängten; turbulente Anpassungsschwierigkeiten mit neuer Technik; High-Stress-Kids mit Violinenunterricht, Sprachstörungen und geduldet eingebildeten Freunden; Baseballspiele mit unendlich vielen Strikes sowie ohne Punktanzeige, um ja kein Konkurrenzdenken zu fördern: Es ist unfassbar, wie hoch der Film trotz seiner dusseligen Formelhaftigkeit inklusive radikalen Skateboardszenen und Zuckerbomben mit Ideologie angefüttert ist, was ihn trotz aller beliebiger Gestaltungsparameter schon wieder interessant macht, insbesondere wie er die Empathie zur Gegenseite zu finden versucht. Die verbrüdert sich nicht unerheblich mit der Freiheitssehnsucht der Eltern auf der Karriereleiter (Kapitalismus muss sein!) und lässt zudem vielerlei Fehler im Urteilsvermögen Artie Deckers geschehen, der unter Vorbehalt verspricht, alles unter einem Hut zu kriegen und doch scheitert, selbst wenn er noch so viele Zingers (nicht die von KFC) aus dem Ärmel schüttelt. Blut ist ohnehin dicker als Wasser und sucht daher Kompromisse der gegenseitigen Ergänzung, Anteilnahme und Verteidigung, weshalb mal sentimental von ewiger Verbundenheit geschwärmt und mal um die Verantwortung der Millenials diskutiert wird, wie viel Behütung und Autorität man durchgehen lassen soll. Alles pendelt sich mehr oder weniger dennoch ins Konservative ein, so wie es amerikanische Komödien selten vermeiden können und zur Frage stellen, ob es einen Unterschied macht, welche festen Regeln Familienmodelle für sich installieren oder ob sie in ihrer Grundform so oder so aufs Bewährte angewiesen sind. Dass der Film dafür einige äußerst ausgelutschte Klischees anwendet und trotz aller ausformulierter Familienbande wie vom Reißbrett amerikanischer Ideale wirkt, lässt jedenfalls auf eine möglichst baldige Dekonstruktion hoffen, doch so wie sich die USA in Kürze vermutlich gestalten, ist das Gegenteil wohl eher der Fall und Crystal mit diesem Film voller spezifischer Retro-Topoi seinerseits mitten drin.

2 Kommentare:

  1. Schöner Text zum 200. Posting! Darin finde ich mich doch sehr wieder. Auf die nächsten 200!

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    1. Danker dir, mein Lieber :D Die nächsten 200 sind auf jeden Fall in Planung, hihi ;) Liebe Grüße aus Hamburg!

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