Sonntag, 6. März 2016

Tipps vom 29.02. - 06.03.2016

Diese Woche sah es erneut etwas mager aus, was die Sichtung von Filmen anging, da muss ich mich entschuldigen, aber nun ja, ab und an steckt das Leben halt dahinter, da will ich keine Illussionen schaffen. Ich hab es zumindest in zwei Kinovorstellungen geschafft, auch wieder reichlich Gutes wiederholt und mich zwischendurch auch erneut an "Eine schrecklich nette Familie" herangewagt, sobald die tägliche (Schnitt-)Arbeit daheim erledigt war. Abseits dessen war die Woche ohnehin ziemlich verrückt - es fing bei den Oscars voll aufdringlicher political correctness an, dann musste sich um eine (noch immer) defekte Kochplatte in der Wohnung gestritten werden und Frau Mutter war das Wochenende auch noch zu Besuch. Alles nicht so schlimm übrigens, wie zur MRT unter die Röhre geschoben zu werden, mit einer Kanüle voller Kontrastmittel im Arm 20 Minuten lang in (gut belüfteter) Enge zu verweilen und dabei sogar melodramatisch klassische Töne à la "Opfergang" über Lautsprecher serviert zu bekommen - Galgenhumor deluxe. Doch selbst dieses Ereignis malt man sich anfangs schlimmer aus, als es eigentlich ist - es ist keine Schande zuzugeben, die Tage zuvor eine Panikattacke hinsichtlich dessen zu erleben, ahnungslos und allein den Weg antreten zu müssen. Wer es nicht selbst erlebt hat, wird die Furcht davor vielleicht nicht ganz verstehen, doch es macht schon bange, eventuell (aber natürlich recht unwahrscheinlich) die Diagnose eines Gehirntumors erhalten zu können (die Möglichkeit sollte im Rahmen der Behandlung eben ausgeschlossen werden und so war es dann auch), nur weil man vor knapp einem Monat noch mit Gleichgewichtsstörungen sowie einer Art Benommenheitsschwindel zu hadern hatte.

Wer sich mein Video zu "Chibi-Robo!" zu Gemüte führt, sieht die damit verbundene Konzentrationsschwäche und Ermattung übrigens voll in Aktion, wenn auch zusammengeschnitten wie nur möglich. Inzwischen haben sich die Symptome aber auf ein kaum noch spürbares Minimum verzogen und auf den MRT-Aufnahmen, die man mitkriegt, lässt sich auch nichts Besorgniserregendes erkennen. Wie dem auch sei, ist die Angst, die man danach hinter sich gelassen hat, eigentlich kaum noch zu toppen, von daher wird man im Nachhinein so oder so ein bisschen lockerer. Bezeichnenderweise verselbstständigte sich das bei mir sodann am selben Tag noch in einem Kinobesuch für den Western-Klassiker "12 Uhr Mittags" von Fred Zinnemann. Obwohl da in den ersten 10 Minuten irrtümlicherweise "Faustrecht der Prärie" lief, sodann für die eigentliche Vorstellung auf Digital umgesattelt werden musste, ein älterer Sitznachbar bei jedem Satz von Grace Kelly wie ein sexistischer Wicht zu prusten anfing und mein rechter Arm sich zudem noch vom Einstich der Kanüle per Muskelkater erholte, war es mir alles egal. Witzigerweise hat es Gary Cooper dabei auf der Leinwand nicht leichter, gedenkt sich dem Schergen Frank Miller (!) zu stellen, erhält allerdings keinerlei Hilfe von der Stadtgemeinschaft, für die er Jahrzehnte lang als Sheriff gedient hat - alle haben ihre nachvollziehbaren Gründe, doch die Verzweiflung unseres Helden der Rechtschaffenheit steht ihm mit wehmütigen Rhythmus von Dimitri Tiomkins Soundtrack ins Gesicht geschrieben; genauso die Abgeklärtheit, mit der er sich aus der Realität der Genügsamkeit verabschiedet und (beinahe) im Alleingang das schaffen muss, wofür ihm eigentlich genug Ressourcen zur Verfügung stehen dürften.

Quasi ein in etwa misantrhopisches Happy-End, wenn man so sagen will (auch ein Abgesang auf einen oder mehrere Western-Mythen), zumindest eins, von dem aus es sich weiter Richtung Selbstbewusstsein blicken lässt (und nicht in einer haltlos starrköpfigen und destruktiven Art wie in "Ein Mann wie Sprengstoff", ebenfalls mit Cooper); Furcht konfrontiert und bezwungen werden kann, auch wenn es nicht als Sieg herausgestellt werden muss. Also bin ich erneut vor die Kamera getreten und im fixen Durchlauf (fast alle) meine neuen Errungenschaften vom Februar binnen meiner Mancave vorgestellt. Von Ansteckern über Poster bis hin zu Büchern und natürlich Filmen ist ein Arsenal an tollen tollen Sachen vertreten (Nicht im Video, aber auch neu im Archiv: "Die Angst des Tormanns beim Elfmeter", "Poltergeist" - siehe hier). Das Schöne ist: Es kommt im März so oder so noch mehr zusammen und auch wenn schon meine guten Vorsätze für dieses Jahr, erst recht im Bezug auf Optimismus, vom Schicksal offenbar derartig entschieden auf die Probe gestellt werden, sind der eine oder andere Filmabend, Hamburger, Bücherhallen-Leihfundus, Freundschaften, Familie, Alf oder eben ein "Batman v Superman" stets nicht allzu weit entfernt. Es wird auch mal wieder besser und ich werde auch mal wieder mehr hier schreiben, im Moment lässt sich mit folgendem Video wie gesagt aber auch was anfangen. Und Achtung, danach hab ich doch noch eine Filmbesprechung in Textform in petto, also Augen aufhalten und viel Spaß mit dem ganzen Kram :D






SONNE, SAND UND HEISSE SCHENKEL aka JUNG, SCHÖN UND LASTERHAFT - (Gesichtet im Rahmen des BIZARRE CINEMA im Metropolis Kino Hamburg, 35mm, dt. Fassung)

Mal wieder einer von der Sorte „Genussfilm“. Wer die Reize der beiden Hauptdarstellerinnen Gloria Guida und Dagmar Lassander zu schätzen weiß, kann schon insofern erfreut sein, dass Regisseur Silvio Amadio ihnen hiermit gewiss eine Liebeserklärung schenkt. Diese mag in der dramaturgischen Dimension vielleicht mit der Sprache eines Groschenromans erscheinen und vom Budget her nicht allzu viel Aufwand sowie herzliches Schmuddelfilmflair vorzeigen (allein dieser Soundtrack), doch offene Filmfreunde empfangen derartig schludrige Präsentationen eben als freundschaftliche Bodenständigkeit, aus der sich Massen an Potenzial ergeben - bezeichnenderweise verheimlicht der Film auch seine Quasi-Adaption von Françoise Sagans „Bonjour Tristesse“ und verhält sich stattdessen durchweg eher so, wie es ihm gerade passt, was wiederum eine ungeheure Lebhaftigkeit hervorbringt. Jene Methodik findet sodann schnell die Schönheit in der Kulisse vor, in den Körpern der Frauen sowie deren jugendliche Sprunghaftigkeit. Euphorisch kombiniert der Film dies mit elliptischer Erzählung, pendelt schon nach dem Vorspann zwischen den Zeiten hin und her und ergänzt auf die Art trotzdem punktgenau die Wahrnehmung der jungen Angela (Gloria Guida) zu ihrer neuen Stiefmutter in spe, Irene (Dagmar Lassander), für welche sie sich schon allmählich ein kleines Komplott zusammen mit Inselficker Sandro (Fred Robsahm) ausdenkt. 


Diese Jugend heutzutage... doch fern moralischer Verurteilung besitzen Amadios Charaktere im Grunde ein unbedarftes Wesen, umgeben sich allesamt mit wilden und gleichzeitig heimeligen Dekors unter der angenehmen Hitze des Ambientes und feiern bar jeder Verantwortung Freiheit, Liebe, Natur und Klamotten, während die Sonne so gleißend von der Leinwand strahlt, wie sie in der Naivität der Intrigen auch trügen kann. Angelas zentrales Spiel mit den Gefühlen (inklusive Versteckspiel unter grotesken Felsmassiven) basiert nämlich durchaus auf kindlicher Motivation, geht lediglich mit Vermutungen im Geheimen gegen Irene an, ehe sie diese überhaupt kennen lernt. Mit gleichsam keckem Esprit inszeniert sie sodann eine Zuneigung für Irene, obwohl der Film gerne damit spielt, wie viel Wahrheit doch darin stecken könnte. Erotik ist natürlich ein bindendes Glied in diesen Verhältnissen und bietet Amadio vor allem reichlich Freiraum zur Verinnerlichung von Blicken und im lauen Wind glänzenden Frisuren (Lassanders Rot lässt die Sinne explodieren!) sowie zur Begutachtung der unbekümmerten Nacktheit Guidas, doch neben dieser Zeigefreudigkeit ist das Narrativ ohnehin mit der Chemie der Verführung gepfeffert, welche vor allem den Frauen des kleinen Ensembles zusteht, bei dem die Männer eher im Hintergrund verbleiben. Selbst Sandro, der sich als Lover zwischen drei Damen versucht, hat nicht allzu viel zu melden, kommt mit seinen Anmacher-Allüren bei Irene erst recht nicht weit, ferner blickt er stetig tiefer in eine der mehrmals vertretenen J&B-Whisky-Flaschen.


Ein Arschloch macht der Film aber auch nicht aus ihm, sind ja alles junge Menschen - mit Buggy, Mode und Teleobjektiv ausgestattete Touristen der seligen Lust, in die sich die um eine Generation ältere, aber kaum weniger bezaubernde Irene ebenso hinein verlieren könnte, wenn ihre Zuneigung zu Frauen denn nicht aufgrund tragischer Erfahrungen unter einem schlechten Stern stehen würde. In ihr schlummert die Verletztlichkeit - Angela ist sich dessen im Leichtsinn der jungen Unschuld noch nicht bewusst und spielt dann auch mit der Liebe, als dass sie die Bedeutung derer in ihrem Leben schon wirklich erfahren hat. Visuelles und Dramatisches kreuzen sich dabei übrigens nicht allzu kalkulierbar zur Filmerfahrung zusammen - die Fühlbarkeit bleibt jedenfalls nimmer auf der Strecke, wenn geballte Sehnsucht in den Bildern und Handlungen der Figuren steckt, Motive und Komplexe derer im Unterbewusstsein der Sinnlichkeit jedoch stets weiterlaufen und für Impulse sorgen, welche die Schwärmerei für das weibliche Geschlecht und das Ambiente zwar bis zum Ende nicht als Heuchlerei oder Fantasterei entlarven, wohl aber die Macht der Reize aus der Funktion als Spielzeug herausheben. Von einer möglicherweise konservativen Schlussmoral emanzipiert sich Amadio aber auch, indem er sich stets die Freiheit nimmt, verspielt zu bleiben und das Korsett formaler Strenge sowie Bedeutungsschwangerschaft zu vermeiden.


Bezeichnenderweise liest Irene in einer Szene auch einen „französischen Roman“, den sie sehr interessiert verschlingt, bei dessen intellektueller Haltung sie aber auch Verständnis zeigt, dass diese eigentlich auch „überflüssig“ wäre - gleichsam bringt der Film auch nebenbei Sigmund Freuds Theorien zu Wort, ohne sich an diese allzu lange klammern zu wollen (siehe auch „Emanuelle Nera und ihre wilden Hengste“, ebenso mit Lassander). So lässt sich auch dieser im Deutschen schon gar nicht mal so falsch, aber auch unterschätzt betitelte Film reflektieren, dessen hormoneller Appeal nicht bloß primitive Exploitation hergibt, sondern als Mogelpackung mit den hellen Strahlen allzu menschlicher Freuden kokettiert und an seiner ganzen Ausstrahlung auch nicht vergisst, die Liebe im Individuum und dessen Fragilität empathisch zu beleuchten. Selbst wenn man dabei eine sexy Sause mit Sonne, Sand, heißen Schenkeln sowie Spaghetti und tollen Sprüchen Marke Schier/Eder empfängt, erhält die Subversion im Endeffekt mehr an Gehalt, als der allgemeine Anspruch zu sehen glaubt. Dabei sind Amadios Bildkompositionen gerade in ihrem eigentlich kleinen Rahmen eine kleine Sensation - und seine Darstellerinnen fern forcierter Allüren absolut hinreißende Herrscherinnen der Leinwand.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen