Sonntag, 3. November 2013

Tipps vom 28.10. - 03.11.2013



THE INSIDER - Michael Mann, was für ein Talent. Aus so einer faktenbasierten und bodenständigen Geschichte, direkt aus den Schlagzeilen, fördert er das Maximum an empfindbarer Furcht hervor und versetzt selbst den unbeteiligsten Zuschauer in eine seelisch-einschlagende Krise. Hält zunächst einen Furchtlosen (Al Pacino) bereit, der dem unsicheren & furchtsamen Familienvater (Russell Crowe) Vertrauen zusichert und ihm hilft, die Wahrheit ans Licht zu bringen, um der Welt die Augen zu öffnen, trotz greulichster Todesdrohungen.

Doch selbst um den Furchtlosen herum versammelt sich soviel juristische Paranoia, dass die Augenöffnung verhindert wird. Und so erleben wir diesen Zusammenbruch an allen kämpfenden Beteiligten so hautnah mit, dass es uns selbst im Innersten erschüttert, auch wenn oder gerade weil Regisseur Mann dieses Mal vollkommen ohne intensive Waffengewalt gegen die menschliche Seele arbeitet (wie z.B. in dem vorangegangenen HEAT), hier vollends auf die inneren Konflikte, theoretischen Gefahren und persönlichen Opfer der allzu realen Figuren eingeht, die ihr Vertrauen in ihre Partner in fataler Gefahr sehen.

Aber wie in beinahe jedem Mann-Werk treten diese Menschen ans offene Meer, sozusagen an die faire Natur heran, um sich über ihr Gewissen klar zu werden und die rettende Insel zu sichten, nach ihr mit allen Kräften zu schwimmen. Und am Ende dieser Reise, infolge eines unterkühlten und bitter abweisenden Tribunal nach dem anderen, schenkt es ihnen durch harte Arbeit und dem letztendlich unerschütterlichen Vertrauen den glorreichen Wiederaufbau der Weltordnung und der Seele, die reinende und gerechte Erfüllung ihrer und somit auch unserer Wunschbilder.

Mann lehrt uns nochmals, in seiner packensten Form, dass nicht die Furcht, sondern nur die Wahrheit, der Ursprung und der Antrieb des menschlichen Gewissens, der ultimative Sieger sein kann - was sich bis zum heutigen Tage, in Zeiten von Snowden und dem immer tiefer gehenden NSA-Abhörskandal, noch immer bewährt hat...'Whistleblowing? Back in my day, we called that journalism!', besagt da ein gewisses Internet-Meme. THE INSIDER ist der filmgewordene Tribut an diesen Gedanken.




BLOW OUT - Erstmals (dank dem Metropolis Kino in Hamburg) von der Leinwand aus gesehen, diese knallige Watergate-Verschwörungs-Reflexion und Ehrerbietung an die Schnitt- und Tontechnik des Kinos als spannendes und genüsslich-schöpferisches Thriller-Werkzeug von Brian De Palma.

Zudem auch recht bezaubernd zu sehen, wie zwischen all den perfiden (Auftrags-)Morden und politischen Intrigen zudem eine süße Romanze zur niedlich-unbedarften Nancy Allen in die Wege geleitet, ein herrlich-chaotisches Exploitation-Filmstudio portraitiert und allgemein eine hohe Geschicklichkeit in Bild- und Tonsprache sowie sympathische Darstellerleistungen an den Tag gelegt werden.

Ein Goldwerk - leichtfüßig, anspannend, methodisch, gefühl- und humorvoll und reißerisch zugleich ♥




LUMIÈRE ET COMPAGNIE - Die Zusammenkunft 40 kontemporärer Filmemacher, die 1995 in Tribut an das 100jährige Bestehen des Kinos der Gebrüder Lumière mehrere Kurzfilme auf dem alten Lumière-Kamerakasten Cinématographe drehten - mit ganz klaren Vorgaben: kein Film darf länger als 52 Sekunden dauern, kein direkt beim Dreh aufgenommer Ton darf verwendet werden, nicht mehr als 3 Takes.

Zwischendurch werden die Filmemacher von Projektleiterin Sarah Moon zu dem Vorhaben und ihrer Philosophie zum Kino befragt, Behind-the-Scenes-Material wird auch en masse beigefügt, um nochmals zu verdeutlichen, was hinter der Filmemacherei wie eh und je so alles steckt. Die Liste der Beteiligten ist dabei lang und bemerkenswert:

Merzak Allouache, Gabriel Axel, Vicente Aranda, Theo Angelopoulos, Bigas Luna, John Boorman, Youssef Chahine, Alain Corneau, Costa-Gavras, Raymond Depardon, Francis Girod, Peter Greenaway, Lasse Hallström, Michael Haneke, Hugh Hudson, Gaston Kaboré, Abbas Kiarostami, Cédric Klapisch, Andrei Konchalovsky, Patrice Leconte, Spike Lee, Claude Lelouch, David Lynch, Ismail Merchant, James Ivory, Claude Miller, Idrissa Ouedraogo, Arthur Penn, Lucian Pintilie, Jacques Rivette, Helma Sanders-Brahms, Jerry Schatzberg, Nadine Trintignant, Fernando Trueba, Liv Ullmann, Yoshishige Yoshida, Jaco Van Dormael, Régis Wargnier, Wim Wenders, Zhang Yimou

Die einzelnen Ergebnisse ihrer Leistungen hier jetzt zu beschreiben oder einzeln zu bewerten wäre hier zwecklos (weil sich sowieso alle von selbst erklären), viel wichtiger ist das Projekt an sich und wie diese Regisseure ihre persönlichen Stile und Visionen an diesen unsterblichen Aufnahmemodus anpassen, ihm dabei, sowie dem Kino und seiner innovativen Ursprünge an sich, mit voller Liebe und Hingabe ein ehrwürdiges Denkmal setzen - eine Zelebration des Triumphs der Fantasie und der Filmkunst.




DER GROSSE SPRUNG - Ich bin 25 Jahre alt und kann auf ein bisher einigermaßen bewegtes Leben zurückblicken - aber was die hier traumhaft-drollige Riefenstahl mit ihren damaligen 25 Jahren für den Film alles geleistet hat (Stichwort: Bergsteigen!), tja, da kann ich ehrlich gesagt nicht mithalten.

Sehnsucht und Bewunderung für dieses (hier noch) komplett unbedarfte und herzliche Landmädel treibt sodann Figuren & Handlung dieser aktions- und temporeichen Slapstick-Komödie aus der Stummfilmzeit hauptsächlich an - erst recht den kurbedürftigen Berliner Millionär Hans Schneeberger, der zu ihr in die Südtiroler Alpen zur Entspannung hingeschickt wird, dabei aber in irrwitzig-akrobatische Abenteuer gerät und sich durch ihre Rettung & ihrer Aura (berechtigterweise) hoffnungslos in sie verknallt.

Doch auch ihr Nachbar aus der Heimat, Luis Trenker, hat ein Auge auf sie geworfen - und so entbrennt ein erbitterter Zweikampf um das Herz der unschuldigen und doch neckischen Maid, bis in die stürmischen Tiefen des selig-flockigen Winters und dem obligatorischen 'großen Skirennen' hinein (das man zudem auch mit filmtechnischen Tricks gewinnen kann - grandioser Moment übrigens :D) - wobei der Berliner Diener Paul einige ausgefuchste, irrwitzige Erfindungen zur Unterstützung hervorzaubert.

Ein wirklich zuckersüßes, mit zahlreichen tollen Ideen und Spielereien gespicktes und hochamüsantes Lustspiel aus einer scheinbar weit, WEIT entfernten Galaxie der ulkigen Glückseligkeit.




LONE STAR - Im Schatten der Vergangenheit bemüht sich die Gegenwart um eine gemächliche Zukunft, doch wie kann diese erreicht werden, wenn das Vergangene - das Werk vorheriger Generationen - jenes Gegenwärtige nochmals unterwandert und aufmischt, da sich die unausgesprochenen Geheimnisse wieder an die Luft wagen und entschlüsselt werden wollen? Denn das letzte Wort ist ganz bestimmt noch nicht gesprochen...und das ist auch gut so.

Eines ist auf jeden Fall sicher: diese investigativen Entschlüsselungen von Sheriff Sam Deeds werden endgültige Konsequenzen für jede mögliche Zukunft mit sich bringen - auch wenn sie nicht unbedingt jeder sehen wird - und schlußendlich die Gerechtigkeit walten lassen, für welche die götzenartige Sheriffslegende, sein Vater Buddy Deeds, im bewundernswerten wie im fragwürdigen Sinne, in der Grenzstadt Frontera stand. Unausweichlich müssen nämlich Grenzen überschritten werden - zur Brüderlichkeit, zum Herzen, vorallem zur Wahrheit.

Ein humanistisches Crime-Epos im interkulturellen Kosmos zwischen Mexico und Texas, dass die jeweiligen Generationen ineinanderfließen lässt, um das soziale Klima wieder ins Gleichgewicht zu bringen, wenn nötig auch mit einer beinahe katholischen Vergebung, in einer schon selbstgerechten, doch herzbetonten Cowboy-Mentalität. Mir scheint übrigens, 'PLACE BEYOND THE PINES' hat hiervon so einiges abgeguckt - ich kann's ihm nicht ganz verübeln, so ergreifend und dennoch bescheiden LONE STAR sich wie ein gut geöltes Uhrenwerk selbst löst.




PORCO ROSSO - 'Werner - das muss kesseln!!!' hat offenbar eine gute Menge hiervon 'geklaut', auch wenn das Schwein dort weder sprechen, noch fliegen konnte ;)

Wie gewohnt bekommt man aber auch hier ein herzliches, süßes und fantasiereiches Abenteuer-Epos von Hayao Miyazaki geliefert, hier im stark fiktionalisierten Rahmen des Italiens zur Zeit des Faschismus. Die Szene mit dem 'Flugzeughimmel/-hölle' war da übrigens mein persönlicher Höhepunkt.

Für meinen persönlichen Geschmack blieb in 'PORCO ROSSO' der großartig-eindringliche Zauber anderer Miyazaki-Kracher etwas auf der Strecke, folgte er doch hier eher einem Eskapismus-Konzept, das weit näher an der revisionistischen Blockbuster-Mentalität eines INDIANA JONES oder ROCKETEER angelehnt ist, als wirklich persönlichen Ambitionen, wie z.B. in 'MEIN NACHBAR TOTORO'.

Und dennoch verspüre ich auch hier reichlich Liebe und Charme durch und durch - das kann sich Studio Ghibli einfach gottseidank nie verkneifen.




THE LORDS OF SALEM - Rob Zombie entdeckt erstmals das Konzept der Kadrierung für sich (landet dabei irgendwo zwischen Stanley Kubrick & Ken Russell) und bleibt im Vergleich zu seinen vorherigen Werken mit diesem seinen klassischen Satanisten-Ulk überraschend bodenständig, bietet zudem eine einigermaßen unaufgeregte und auch ein Stück weit herzliche Charakterzeichnung für seine Hauptprotagonistin Heidi (Sheri Moon Zombie) und ihrem umliegenden Figurengefüge - schneidet seine gewünschte, subtile Gruselaura aber anfangs manchmal etwas kurz, um sich dem eher publikumswirksamen Jumpscares und Blutklatschern zu widmen.

Der Spannungsbogen bleibt sowieso recht gemäßigt und methodisch, um sodann ab und an einige garstige Visionen unter Aufsicht eines einfach zu entziffernden, Symmetrie-fixierten Symbolismus einzuschieben, der nur bedingt den eigentlichen Narrativ über die Auswirkungen und den Umgang mit Drogensucht als Subtext verschleiern kann. Dies nimmt allerdings teilweise dermaßen bizarre und eigensinnige Auswüchse an, dass sich allmählich eine schöne Chemie der Sympathie zwischen Zuschauer und 'Zombie' entwickelt, welcher durchweg echte Hingabe für sein Sujet vermitteln kann und zudem die gewitzt-perfide '3 Hexen'-Dynamik eines 'Die Hexen von Eastwick' wiederbelebt.

Erst recht schön wird es in der Eskalation des delirischen Satanswahns, der sich mehr wie eine körperlich-spirituelle Katharsis anfühlt, als die fucked-up Horrorshow, die er eigentlich darstellt. Echt süß, Rob, wie überraschend warm du deinen okkulten Surrealismus in die Welt gesetzt hast - gerne mehr davon!




DER RE-ANIMATOR - Ja, auch mir gefiel diese Frankensteinvariante von Stuart Gordon, basierend auf der H.P. Lovecraft-Kurzgeschichte gleichen Namens, die an sich schon den ausserordentlichen, perfiden Drang der Wissenschaft nach grenzenerweiternder Körperlichkeit um einige schauerliche Gedankengänge erweiterte - wohl auch voraussah, was für Grausamkeiten skrupellose Perverse wie Todesengel Mengele mit dem menschlichen Körper im Namen der Wissenschaft anstellen würden.

Aus dieser Vorlage entwickeln Gordon und Produzent Brian Yuzna sodann, unter dem Klangteppich eines an PSYCHO-mahnenden Titelthemas, eine irrwitzige, schwarze und kunterbunt-syruprote Komödie um den staubtrockenen, abgeklärten Mad-Scientist Herbert West, der hinter das Geheimnis gekommen ist, wie man Menschen nach dem Tode zum Leben wiedererweckt, wobei diese sich in groteske, attackierende Monstren mit einigen intakten Erinnerungen und Grundmotoriken des vergangenen Lebens verwandeln - allerdings auch die Grundessenz ihrer alten Persönlichkeit ausstrahlen.

Doch auch der Uni-Professor Dr. Hill hält seinen Humanismus für den potenziellen Fame dieser Entdeckung entschieden zurück und missbraucht die neue Unsterblichkeit, derer er selbst Opfer wird - nun ganz offensichtlich als der grässliche Sack auftritt, der er schon vorher im Innern immer war - für persönliche Rachegelüste und sexuelle Begierden. Daraus entwickelt sich sodann eine gewisse Tragödie für das zunächst unbedarfte Liebespaar des Films, Dan und Megan, welches schließlich von der Macht der Verführung verzerrt und auseinandergetrieben, sogar ethisch herausgefordert wird, doch selbst für sie bleibt am Ende eine Aussicht auf Hoffnung - wenn diese auch alles andere als erstrebenswert ist. Aber ihr kennt ja das alte Motto: 'Long live the new flesh.'

Eine recht wilde und brachiale Angelegenheit, dieser heraufschaufelnde und rücksichtslos-zynische Vorstoß ins Totenreich - in seinem innerlichen (Figuren-)Konstrukt schnörkellos und behutsam, sogar anfangs bieder und um Vernunft buhlend aufgebaut, in seinen eruptiven Körperexperimenten dann allerdings so knallig und anarchisch, dass es der pure Wahnsinn ist. Nicht nur für Halloween eine feine Horrorgrotesken-Kost, da freue ich mich doch mal auf die Fortsetzungen!




BRIDE OF RE-ANIMATOR - Brian Yuzna steht hier seinem Vorgänger stilistisch in fast nichts nach, folgt sogar beinahe den selben Plotbeats, denkt allerdings das perfide Experimentieren mit menschlicher Körperlich- und Sterblichkeit konsequent sowie schnörkellos weiter und ergänzt die morbide Schlachtpallette um einige effektive, scheußliche Dimensionen - trotz verhalten-dusseligen Score, welcher leider manchen Situationen die nötige Subtilität und Ernsthaftigkeit raubt, im Grunde allerdings bewusst dazu dient, den Schrecken etwas zu entwaffnen.

Der schwarze Humor ist ja tatsächlich noch immer grundlegend präsent, allerdings nehmen die versifften, grausamen Horror-Abstrusitäten amoralischer Forschungsrücksichtslosigkeit zusammen mit dem weitaus schäbigeren Ambiente und Figurengefüge, im Sinne von 'more bang for the buck', eine durchaus erdrückendere und nihilistischere Aura ein (man bemerke, wieviel skrupelloser West inzwischen geworden ist), die das Original noch nicht komplett ausspielte.

Jene Aura kommt auch davon, dass das unaufhaltbare Sterben hier allgegenwärtiger den Ton bestimmt, die neue Körperlichkeit im Vergleich zum ersten Teil noch weniger als potenziell-positive Lebensoption behandelt wird und somit die wissenschaftliche Verblendung eben als solche sofort von jeder Rationalität, meist lediglich anhand kritischer und effektiver Bilder, konsequent entkräftet wird. Ähnlich verhielt es sich auch später in Yuzna's durchgehend dystopischen Beitrag zur Zombie-Comedy-Reihe 'RETURN OF THE LIVING DEAD'.

Lediglich zum Ende hin steigert sich der Film hier wieder in eine Cartoonhaftigkeit hinein, die dem Witz des Originalfilms eher gerecht würden dürfte, im Gesamtkontext dieses Teils allerdings doch nicht ganz stimmig, eher entkräftend und ernüchternd wirkt - was aber nicht heißt, dass dieses Ende 'falsch' für die Story und die Charaktere wäre. Lediglich die Stimmung überschreitet hier ihre bis dahin ordentlich aufgebaute Glaubwürdigkeit, behandelt die dort stattfindende Entwicklung eher irrwitzig (Stichwort: Fledermaus-Kopf) und hätte stattdessen in eine weit tragischere Richtung schlagen müssen.

Dennoch eine durchaus gelungene und finstere Fortsetzung zum Stuart-Gordon-Genreliebling, die noch tiefer und kritischer in dessen ungeschönt-grässliche Ansätze des verzerrten Mad-Scientist-Ethos vordringt.




JACKASS: BAD GRANDPA - Knoxville, Tremaine und Crew weben erstmals einen recht losen Narrativ um ihre krassen Streiche öffentlicher Erregung, lassen den verdorbenen Opa einen wilden, formelhaften Roadtrip (inkl. klassischer, zweckloser Rückblende) mit seinem frechmäuligen, stets-entspannten Bengel-Enkel erleben und liefern dabei einen genüsslichen Querschnitt durch die amerikanische Bevölkerung, ob high class oder low class - hier wird jeder mit den absurden Slapstick-Sketchen, platt-obszönen Anmachen vom Make-Up-Opa und Verarschungsmanövern des dynamischen Duos konfrontiert.

Dabei entwicklet sich aus der gelungenen Chemie des Gespanns das anarchische, gewitzt-blödelige Herz dieses unhaltbar platten und höchst unterhaltsamen Films, gerade weil teilweise die ältesten Vaudeville-Taktiken in die Öffentlichkeit hineingetragen werden, was teilweise hysterisches Entsetzen der aberwitzigsten Sorte hervorruft und dennoch sympathisch-gemütliche Bodenständigkeit ausstrahlt. Wer sich hier bewusst reinwagt, wird garantiert nicht enttäuscht!





A SNAKE OF JUNE - Japanern sagt man nach (und lassen sich darin öfters in der Popkultur bestätigen), dass sie einerseits voller Scham mit ihrer Sexualität umgehen, diese aber dennoch in abstruseste, offenherzliche Bahnen leiten. Diese Mentalitäten treffen in A SNAKE OF JUNE aufeinander, um der verhalten-unsicheren Hauptprotagonistin Rinko, Mitarbeiterin einer Hilfs-Hotline, zu ihrer sexuellen Selbstfindung zu verhelfen, selbst mit durchaus perversen, psychopathischen Anleitungen eines mysteriösen Stalkers, dem sie zunächst widerwillig gegenübersteht, aber schließlich mit steigender Obsession folgeleistet.

Unterstützend für diesen Sinneswandel wirken auch die stetige, schwüle Feuchtigkeit ihrer bewachsenen Umgebung und der prasselnde, in Strömen fließende Regen, der die Grenzen zwischen Menschen und erdrückenden Stadtbeton aufweicht, die sehnsuchtsvollen Seelen preisgibt und mit seiner Transparenz beinahe metaphysisch zusammenführt. Dem Ehemann Rinko's hingegen wird vorgeführt, wie weit die Perversion inzwischen voangekommen ist, trifft sogar jenen Stalker, der selbst daran zu scheitern droht, seine Mission für Rinko allerdings nie aus den Augen verliert - in die sich ihr Ehemann sodann keinesfalls konfrontierend, sondern ebenso voyeuristisch hineinverliert.

Shinya Tsukamoto sucht nach einem Gleichgewicht der sexuellen Wahrnehmung in Japan's Gesellschaft, dass sich schließlich im ewigwährenden, hitzigen Regen findet, wo immer wieder neue Mutanten, Fetische und Auswüchse der Körperlichkeit im sozialen Gefüge heranwachsen. Sowie auch der Krebs in Rinko's Brust, gegen die der Ehemann allerdings offenbar nichts zu tun vermag, wodurch sich ihm der Stalker gewaltsam ins Gewissen redet. Er sieht es ein und so treffen sich seine und ihre Seele nochmals bzw. erstmals in seliger Harmonie, endlich ausserhalb des strömenden Regenfalls, ganz intim und voller Hingabe. Schöne Lösung, wie direkt von 'Shōnen Bat' herbeigeführt.




HACK-O-LANTERN - Der ist nun vielleicht nicht besonders fantastisch oder überhaupt phantastisch, aber immerhin ein schön unschuldig-sleaziges, schnell-heruntergekurbeltes und quirlig-buntes 80's-Okkultfamilien-Slasherkleinod für den Videomarkt. Spielt dabei im Dosen-mit-der-Stirn-zerdrückenden Hinterwald-Americana, mit einem schmierig-hillbilligen, lüstern-knurrenden Opa als Satanisten-Oberhaupt und seinen 3 grundverschiedenen, allerdings dysfunktionalen Enkeln. Und das ist nur der Gipfel der Verrücktheiten!

Selbst ein offensichtlicher, unterdurchschnittlicher Stand-Up-Comedian wurde für eine Art Showcase seines Halloween-themenbezogenen Programms bei der obligatorischen Teen-Kostümparty am Ende eingesetzt (wo u.a. ein Cowboy mit einer Konkubine japanisch paliert). Und wenn das nicht reicht, besitzt der Film zudem eines der krachigsten White-Trash-Metalstücke des Genres, direkt aus den Gehörgängen des aufgepumpt-soziopathischen, 'vom Teufel besessenen' Arschloch-Enkels Tommy (der dazu eine Traumsequenz geliefert bekommt, wo ihn sogar ein Teufelsweib mit zahlreichen Armen, ähnlich Vishnu, verführt - man merkt nochmals: Regisseur Jag Mundhra und seine Produzenten sind indischen Ursprungs):



Ich denke, der Track vermittelt und suggeriert schon viel mehr in Sachen Inhalt und Stimmung, als meine Worte auf die Schnelle hierfür ausdrücken können. Na gut, ich erwähne wohl besser noch die rohen Mengen an Full-Frontal-Nudity, damit auch der letzte Leser diese kleine Genrespielerei ausfindig macht. Aber jetzt mal im Ernst, 'HACK-O-LANTERN' ist ein wirklich sympathischer und gewitzter Whodunit-Dussel von Film, der nur allzu gerne in die Abstrusitäten seiner Enstehungs-Ära abdriftet.

Und weil ich nichts besonders Schönes unerwähnt lassen will, arbeitet der Film zudem auf diskrete, leicht zynische, aber doch herzliche Weise (die ich hier nicht verraten will) darauf hin, dass der Arschloch-Tommy sich letztenendes doch wieder mit seiner verbitterten und um seine Liebe ringende Mutter versöhnt, die ihn seit seinen Kindheitsjahren an seinen dreckig-verschmitzten Satans-Opa verloren sah.

Schön!




MONEYBALL - Baseball interessiert mich einen Scheißdreck und typische Underdog-Stories hat man schon zu genüge gesichtet.

Aber 'Moneyball' gestaltet seine fast schon dokumentarisch-methodisch dargelegte Mastermind-Geschichte so stilsicher, gediegen und taktisch-effizient (siehe auch den pragmatischen Soundtrack-Anteil zwischen Wehmut und cleverer Offenbarung), mit pointierten Einsätzen von natürlichem Witz und glaubwürdigen Darstellerleistungen, dass man die knapp 130 Minuten Laufzeit um den Triumph des Vertrauens mit durchgehender, cinephiler Hingabe genießen kann.

Dabei macht sich aber auch eine undramatische Kälte fortwährend bemerkbar, da eine Menge tiefgreifender Emotionen lediglich suggeriert wird und sich meistens im passiv-aggressiven Kaputtmachen von Büromaterial ausdrückt, während die verschiedenen Teamplayer nicht viel Raum zur Entwicklung bekommen, mehr als austauschbare Zahnräder im Gesamtkomplex zu sein. Das ist aber eigentlich nicht weiter schlimm, weil der Film ja ganz klar seinen narrativen Fokus darauf legt, dass Brad Pitt's Billy Beane es allen nochmal zeigen und sich beweisen kann.

Im Endeffekt lernt man dabei als erfahrener Zuschauer zwar nicht viel Neues hinzu, darf aber die wohl meisterlichste und bodenständigste Umsetzung des kinotauglichen Sujets erleben. Eben der altbekannte Aaron Sorkin-Deal, bei so einem Drehbuch. Aber erst in den letzten Momenten des Films, mit dem mahnenden Song seiner Tochter in den Ohren, erkennt Pitt dass er seine Zeit mit seinem Job lieber genießen soll, statt ihn allzu sehr zu verkopfen - das hätte der Film selber auch irgendwo gebraucht, finde ich.




BURIED ALIVE - Wer hätte das gedacht, vor dem Publikumsliebling 'DIE VERURTEILTEN' inszenierte Frank Darabont diesen perfiden und zynisch-schwarzhumorigen Genrefilm, einen astreinen und konzentrierten Crime-Thriller, als Langfilmdebüt fürs Fernsehen.

Stadtmädel und kaltschnäuzig-zickige Femme Fatale Jennifer Jason Leigh hat die Nase voll vom langweiligen Leben im Hillbilly-County mit ihrem Beau Tim Thomersen, der ab und an mal gerne mit dem Sheriff angeln geht - unterhält währenddessen lieber eine Affäre mit dem Mogul-Doktor William Atherton (wer's glaubt), der sie überredet ihren Mann mit dem einzig giftigen Extrakt eines japanischen Fisches, den sie vorher gegessen haben, umzubringen (erinnert sich da sonst noch jemand an die Simpsons-Folge 'Die 24-Stunden-Frist'?).

Doch wie sich herausstellt, war das Gift wohl nicht genug und so schlägt der Gatte aus dem maroden Grab gegen seine nihilistisch-verschmitzte Frau und deren Liebhaber zurück! Diese Wiederauferstehung geschieht zudem unter einem comichaft-reißerischen Gewitter, wie direkt aus einem klassischen Gruselstreifen, schön vermischt mit der eklig dreckigen Modder der Graberde, die den Ausstieg aus dem ranzigen Inferno nochmals unterstreicht, während der Synth-Soundtrack peitschend in die Nacht hineinpumpt.

Er zieht sich zunächst in den Keller seines Hauses zurück, greift dann aber auch zu seinem alten Gewehr, um sich an seiner Frau zu rächen, die zudem das von ihm selbst aufgebaute Haus sowie sein Geschäft verkaufen will UND sein Baby durch Atherton nur allzu gerne abtreiben ließ. Er entschließt sich jedoch, seine Rache deswegen noch etwas extravaganter zu gestalten und so beginnt er einen psychischen Terror an seinen konspirativen Mördern, der sich gewaschen hat.

Da löst er zunächst seine Fingerabdrücke mit Säure ab, während sie kichernd die Summen der Versicherungpolis nachzählt. Doch schon bald kriegt sie nur allzu deutlich mit, dass jemand ins Haus eingedrungen ist - sie kann nicht einmal ihren Liebesarzt erreichen, der sowieso bei ihr vorbeischaut, um sie wegen ihres Geldes mit dem selben Gift loszuwerden, und so entfalten sich an Beiden bereits die erste Phasen des sadistischen Racheplans. Jetzt sind sie nämlich dran, unter dem verbarrikadierten Mauern des Hauses, lebendig begraben zu sein - und sich gegenseitig an die Gurgel zu gehen.

Krasser, augenzwinkernder Stoff.




BODY SNATCHERS - Die Angst vor dem Militärfaschismus nach dem 1. Golfkrieg und dem eskalierenden Rassismus nach Rodney King - recht effektiv von Abel Ferrara umgesetzt, der den altbekannten Invasorenschrecken an den kleinsten, gemeinsamen Nenner des kleinstädtischen Amerikas versetzt und ihn in der organisierten Macht des stets allgegenwärtigen und nun bestialisch-um-sich-packenden Armeestützpunktes erblühen lässt.

Ein unterkühltes und bitteres Schreckensszenario durch und durch, noch immer einigermaßen 'close to home', gibt aber im Vergleich zu den Vorgängervefilmungen leider auch rein gar nichts Neues hinzu und bleibt inhaltlich wie auch gestalterisch etwas zu 'behutsam' (und in den letzten Minuten auch etwas zu peinlich platt), auch wenn der Score einige recht dramatische Höhen trifft - das Figurengefüge allerdings eher austauschbarer (tihihi) Natur ist.

P.S.: Wie konnte so ein komplett unfertiger Spezialeffekt in einem Mainstreamfilm unbeachtet unterkommen - vorallem auch noch im Finale (*SPOILER*)?


Der Junge hat auf einmal keinen Unterkörper mehr (ausser natürlich im nächsten Greenscreen-Shot, da ist er wieder da)!




HIDEAWAY - Nach einer wirklich stimmungsvoll inszenierten und fotografierten Eröffnungssequenz (über die Gestaltung des Restfilms kann man durchaus streiten) wurde mir aber schlagartig klar, dass Brett 'Rasenmäher-Mann' Leonard hier am Ruder saß. Schließlich lässt er den Doppelmord/Selbstmord des Satanisten nicht nur geschehen, sondern begleitet dessen verdammte Seele ins effektreiche Jenseits mit CGI-Tunneln, wie direkt aus Leonard's vorherigen Virtual-Reality-Thrillern.

Jene Sequenz wird im Verlauf des Films sodann öfters variiert. Und auch wenn die eingebetteten Gesichter der reisenden Seelen allesamt zum Kichern anregen, interessierte mich diese bizarre und abstrakte Darstellung des Totenreiches am meisten am ganzen Film. Das restliche Geschehen, basierend auf einem Gruselroman von Dean R. Koontz (der immerhin noch die Vorlage für DES TEUFELS SAAT vorweisen kann), ist da weit weniger packend oder inspiriert - schmeißt im Verlauf immer mehr potenzielle Glaubwürdigkeit & Motivation ungeschickt und unfreiwillig komisch-unnatürlich aus dem Fenster, bis nichts mehr übrig ist.

Ein Glück also, dass sich tatsächlich Jeff Goldblum bekloppt-teilnahmslos durch die Hauptrolle langweilen und die ein oder andere, verwundert-doofe Fresse ziehen darf - was den Spezialitäten-Bonus des allmählich recht bissfreien und durchweg-dusseligen Films um einige Punkte nach oben drückt. Dazu gesellen sich dann auch noch einige recht schäbig gestaltete Club- und Mordszenen, die von der Beleuchtung & Wirkung her einem SEGA-CD-FMV ähneln.

Aber hey, immerhin steigert sich 'DAS VERSTECKSPIEL' im Verlauf immer mehr in forciert-hingeschissene Dialoge, unfassbar plakativ-hölzerne Regie-'Einfälle' und irrsinnigste Wendungen, dass er zum unübersehbar-knalligen, durcheinandergewürfelten Quatsch mutiert (DAS FINALE!!!). Fast zeitgleich erschien übrigens Leonard's, in meinen Augen, bester Film 'VIRTUOSITY'. Dieser Streifen hier jedoch wird wohl eher ausschlaggebend dafür gewesen sein, dass er danach erstmal 10 Jahre lang keinen Spielfilm mehr in die Welt setzte. Nach dieser Pause förderte er aber auch u.a. 'HIGHLANDER - DIE QUELLE DER UNSTERBLICHKEIT' (2007) zu Tage, also bezweifle ich, dass er irgendetwas aus diesem Unding von Film hier gelernt hat. Heiliger Bim-Bam!




PHANTOMS - LOOOOUUUDDDD NOOOOIIIIIIISSSSEESSSSS!!!!

Wann sonst erlebt man mal, wenn nicht in PHANTOMS, das Äquivalent eines unbeholfenen Kindergeburtstag-Gruselspaß-Heimvideos (man bemerke den noch jungen, wunderbar-vorlauten Ben Affleck als Kleinstadt-Sheriff mit einem viel zu großen Hut) auf Mainstream-Größe und im ungünstigen TV-Look - dessen überhastete Story scheinbar erst während des offenbar spaßigen Drehs ausgedacht wurde?

Ich spreche da aus Erfahrung, habe mich damals selber oft genug an solche Sachen versucht, wenn auch nicht auf dem selben Budget wie hier. Doch die einst im Kinderzimmer entfalteten, scheinbar willkürlich gewählten Zutaten & Zitate, basierend auf einer rudimentären 'In den Filmen machen die das immer so'-Genrekompetenz, sind in Joe Chappelle's Arbeit eindeutig die selben - wobei er vorallem auf JUMPSCARES zurückgreift.

Und ja, ich weiß, dass PHANTOMS auf einem Roman von Dean Koontz basiert, aber nach HIDEAWAY bin ich mir nicht mehr so sicher, ob es überhaupt möglich ist, irgendeines seiner Werke ordentlich umzusetzen oder ob man sich als Regel bei der Adaption einfach stets für das unfähigste Team entscheidet.

Immerhin macht der Film ab der Hälfte dann einigen irrwitzigen Boden gut, lehnt sich an Genre-Lieblinge wie Carpenter's THING, Chuck Russell's BLOB, INDEPENDENCE DAY, BODY SNATCHERS, TERMINATOR oder auch eine beliebige Stephen-King-Template mit religiösen Anspielungen an. Furchterregend wird's dabei zu keinem Zeitpunkt, wie so oft bei einer DIMENSION FILMS-Produktion liegt das Augenmerk auf Spaß für die jugendliche Zielgruppe - und den liefert PHANTOMS durchaus, wenn auch ab und an unfreiwilligen (das CGI!).

Vom Unterhaltungsfaktor her bekommt man also durchaus beständig was geboten - die formale Gestaltung, allen voran was Glaubwürdigkeit und Schauspielerführung betrifft, lässt aber insgesamt ziemlich zu wünschen übrig, fährt gerade so einigermaßen zweckmäßig auf platten Reifen durch die endlose Straße des Horrorquatsches und findet seine finale Einfahrt zumindest auf einem recht niedlich-perfiden Schlussgag.

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