Sonntag, 24. November 2013

Tipps vom 18.11. - 24.11.2013



WAS GESCHAH WIRKLICH MIT BABY JANE? - Spätfolgen des zynischen Showbusiness: Manische Eifersucht + zerfressende Furcht = Terror unter Schwestern, das komplette Paket! Ein wahrhaftig-heftiger Horrorfilm des teuflischen Hasses und der hoffnungslosen Quälereien - ein wahnwitziges Drama der Psyche - ein gewaltiger Geniestreich, 2 überlebensgroße Ikonen des alten Hollywood für die Rollen der verloschenen, verbitterten Sternchen zu besetzen - eine darstellerische Meisterklasse...

"Was geschah wirklich mit Baby Jane?", ok, ich sag's euch: hat viele meiner ♥♥♥ gefangen - also, der Film an sich, nicht unbedingt das verkorkste, groteske Kind Baby Jane mit seiner unbeholfenen, dick aufgetragenen Jahrmarktsschminke, auch wenn ich mitfühlen kann. Arme, arme Blanche...ich würde auch nicht um eine tote Ratte um meinen Teller herum essen wollen - hoffentlich holt dich jemand irgendwann aus der Hitze der Sonne heraus, welche deine Schwester, mit dem Frohsinn-spendenden Kugeleis in der Hand, für den Glanz des Ruhmes hält. Aber auch du hast Schuld daran, dass sie so ist, IST ES NICHT SO?! (Ein bisschen jedenfalls?)


Mein Gott, wie fantastisch, ungeschönt und intensiv es hier doch kracht. Dieser Film ist nicht nur allein von Konzept her mächtig gewaltig - man muss ihn einfach erleben, diesen perfiden Abgesang auf die erbarmungslose, Seelen-zerfetzende Populär-Vergewaltigung des Menschen und seines (vermeintlichen) Talents, wo selbst Geschwisterliebe nur noch zum zwielichtigen Schatten ihrer selbst verkommt. Ein geborener Favorit, wie er nur selten ins Häuschen flattert!




DIE SÜNDERIN - (GESICHTET BEIM CINEFEST 2013 - THEMA: 'VERBOTEN! FILMZENSUR IN EUROPA' IM METROPOLIS KINO HAMBURG, 35mm)

Unfassbar erdrückendes, beinahe durchweg mit hoffnungssuchendem Voiceover unterlegtes, Melodram um den harten Lebensweg der freimütigen Prostituierten Marina, die im Wandel zwischen Nazi- und Nachkriegszeit schlussendlich die wahre Liebe entdeckt: der obdachlose, gütige Maler Alexander, in dessen Schädel ein alles verschlingender Tumor heranwächst, welcher deren Höhen- und Tiefen-reiche Liebe hart und wehmütig aus der Bahn wirft - wodurch sich Marina sowohl zum größtmöglichen Opfer, als auch zur gütigsten Tat für ihren leidenden Alex entscheidet - beide fahren fort von all jenen Qualen...


Das düstere Sittengemälde scheut vor nichts zurück, selbst nicht vor allzu unsubtilen Gesten der Knef, aber vorallem nicht vor hart einwirkenden Momenten der emotionalen Zerbrechlichkeit, der Trauer und des unsagbaren Glückes, inmitten all diesem nihilistisch-vermummten Chaos des verkrüppelten Deutschlands, dem man nur schwer wieder auf die Beine helfen kann. Die Lichtblicke dafür mögen nur in geringem Maße auftauchen, aber dafür strahlen sie umso heller, und wenn auch nur im anstehenden, seligen Ende des Lebens. Wenn man sie nur davor freier lassen würde, es wäre noch soviel schöner.

 
Eine klare Ansage an das Gewissen des neuen Deutschland, von diesem Film, der schon in der Drehbuchphase von miefigen, kirchlichen Jugendschützern kritisch auseinandergenommen und im Nachhinein bösartig skandalisiert, dennoch ein großer Erfolg wurde - denn im Endeffekt ist DIE SÜNDERIN frei von jeder Sünde, stattdessen eine vollends humanistische Person, welche aufhört zu nehmen und nimmer aufhören will, zu geben. Eine tieftragische und bewegende Selbstaufgabe, in sehnsüchtig-umarmender Bild- und Tonsprache.




INCENDIES - DIE FRAU, DIE SINGT - Eins ist klar, erst recht nach PRISONERS und diesem Film: Denis Villeneuve ist ein Meister des immens taffen, bitteren Spurensuchens. Interessanterweise behelfen sich beide Filme gewissermaßen der selben Figuren- und Plotdynamik: es gibt 2 Dimensionen der Ermittlung, in diesem Fall die Vergangenheit und Gegenwart: eine durchlebt in ihrer aufopfernden Suche nach dem verlorenen Sohn ein Tribunal der Schmerzen, die andere (Gegenwart) deckt die Hintergründe dafür auf, rennt aber ebenso in mysteriöse Mauern des Schweigens hinein.

Dieselben Konstellationen und Charakteristika kann man ebenso auf Hugh Jackman's und Jake Gyllenhall's Charaktere in PRISONERS deuten, wo sie doch ebenso auf das Ziel hinarbeiten: wie kriegen wir die Familien wieder zusammen! Und genau wie dort entfaltet sich in INCENDIES eine einschlagende Revelation von Urknall-Format, welche das ganze Leben der Figuren und ihre Ansicht auf vorangegangene Ereignisse, Erfahrungen und Mitmenschen im tiefsten Innern für immer verändert - erst recht in der Hinsicht, was mit den (vermeintlichen) Söhnen nun tatsächlich geschehen ist.


Der Unterschied beider Fälle liegt nicht unbedingt im inszenatorischen Stil, eher in der Dichte, der Dringlichkeit des zu lösenden Knäuels der zerrütteten Familienverhältnisse, die ebenso für die furchtbar-trübselige Vertracktheit der jeweiligen krisengeschüttelten Länder, in denen jene Filme spielen, stehen - der man im Endeffekt zur Schließung des Kreises, weil man die Taten und Schicksale nun nachvollziehen, nur noch mit christlicher Vergebung entgegenkommen kann (Lubna Azabal's und Hugh Jackman's Charaktere halten sich ja auch bezeichnenderweise am Kreuze Jesu' fest und durchleben eine brutale Krise des Glaubens).

Von daher ist INCENDIES ein weit ruhigerer Film als PRISONERS, in welchem die Lösung des Problems eine Frage von Leben und Tod war. INCENDIES wiederum bringt das Leben nach dem Tode ins Gleichgewicht, legt die Verhältnisse ultimativ zurecht und zieht eine profunde (und harte) Wandlung durch dieses hindurch, mehrere Jahrzehnte hinein und zurück. Tolles Ding!


 

HUMORESKE - Die Chronik vom Aufstieg und Fall des ehrgeizigen Cellisten Paul Boray, der in seiner Sehnsucht nach Anerkennung und Erfolg an die verheiratete Frau hoher Gesellschaft, Helen Wright gerät, die sich ebenso nach innerer Erfüllung in ihrem prunkvollen, aber verbittert-leeren Leben sehnt. Doch ihre auffunkelnde, seelische Symbiose bringt das Gleichgewicht seiner Verhältnisse zu Freunden und Familie ins Wanken, schließlich teilt er sich seine Liebe nicht nur mit der Musik, sondern auch mit 2 weiteren Frauen: seiner schüchternen Jugendliebe Gina und seiner lieben Mutter, die nur das Beste für ihren Sohn will und dabei durchaus eine geheime, leicht perfide Ader von sich heraufbeschwört.


Alle 3 Frauen lassen sich von seiner Musik (also seiner ausgestrahlten Liebe) anziehen und ringen allein schon mit Blicken im Konzertsaal aufeinander um sein Gewissen - er stürzt damit alle unweigerlich ins persönliche Unglück; lässt die Fronten verengen, dass sich diese Frauen gegeneinander ausspielen (scheinbar auch metaphysisch, wie die letzte Konzertszene, abwechselnd mit dem Zusammenbruch Helen's zwischengeschnitten, suggeriert). Und je erfolgreicher seine Konzerte werden, desto weniger lassen sich seine 3 anderen Liebhaber dort blicken, versauern in ihrem tränenreichen Unmut - allen voran die äußerst fragile und ratlose Helen. Und so wird seine Karriere am Höhepunkt von dem schwersten Schicksal seines Umfelds überschattet, dass er wieder zum glanzlosen, einfachen Ursprung, zur Mutter zurückkehrt.

 
Eine klassische, kurzweilige Tragödie in formvollendeter Hollywood-Eleganz, die sich scheinbar nicht so recht entscheiden mag, ob sie sich auf das Schicksal Paul's (dessen Kindheit wir ausführlich begleiten durften) oder Helen's (deren stetiger Zusammenbruch die zweite Hälfte des Films für sich einnimmt) konzentrieren soll. Interessanterweise schafft sie es aber eben jene Halt-suchenden Schicksale, jene innerlich zerwühlten Charaktere zu einen, so dass ihre Handlungen und Gefühle in direkter, spiritueller Beziehung zueinanderstehen - die erweiterte Dimension von der Verbundenheit der Liebe. Was sie fühlt, fühlt er letztendlich auch und drückt es ganz natürlich in seiner Musik aus, die sich über beider weit entfernter Blicke legt, welche zum endgültigen, innig-trüben Abschied ansetzen. Welch wuchtiger Zauber...


 

DER GROSSE KRIEG DER PLANETEN - Was ist wohl die obligatorische Ausgangslage für einen japanischen Space-Spaß der 70er? Dieser Film hält die Antwort archetypisch parat: Ufos von der Venus greifen die Erde an, zerballern berühmte Sehenswürdigkeiten & Metropolen und schicken mörderische Vertreter nach Japan, welche in perfider Menschengestalt die einzige, potenzielle Rettung für die Menschheit, Wissenschaftler des Projektes 'Die Gothen', ausschalten wollen.


Doch zu früh gefreut! Jenes Projekt wird nämlich vollends von der (Welt-)Regierung finanziert und tritt als astronautastische Schlachtschiff-Rakete gegen die grünen, gerüsteten & pelzigen Invasoren mit ihren gefährlichen Lasern und Mutterschiffen an, welche römischen Galeeren nachempfunden sind und die Erde als neuen Lebensraum beanspruchen wollen, weil die Ressourcen ihres eigenen Planeten eingelaufen sind.


Selbstverständlich explodieren dabei zahllose Modellbauten mit internationalen, geradezu intergalaktischen Flair, während die sympathisch-dusselig gestalteten Alienmonster mit ihren bunten Leuchtgeschossen das jugendliche Eskapismus-Herz erweichen und der simplistische Plot dringlich-abenteuerlich & draufgängerisch ohne Schnörkel voranprescht, dass der Bock-Faktor im süß-funkelnden, herrlichen Sternenhimmel stets auf Mach 3 bereitsteht - Berliner Knalldampf-Synchro und funky Moog-Orchester inkl.

 
Aber zwischendurch gibt's auch ein niedliches Stück humanistischen Tragikitsch dazu, wenn z.B. der amerikanische Gast-Astronaut Armin an Bord der 'Gohten' erfährt, dass seine gesamte Familie bei einem Angriff der Aliens ausgelöscht wurde, sodann wehmütig-tränenreich vom Cockpit aus auf die sich immer weiter entfernende, gänzlich blaue Erde hinabblickt, während der Rest der Crew berät, wie man ihn aufmuntern könnte.


Es kommt dann aber auch immer wieder, wie es kommen muss, zu eindrucksvollen Eskapaden im mysteriösen Weltenraum, welcher hier zwar einigermaßen 'plastisch', aber fantasievoll, mit kindlich-wundersamen Engagement - ähnlich eines russischen Märchens - gestaltet wurde, wie auch die futuristisch-klobigen Interieurs der facettenreichen 'Gohten'. Diese dringt dann auch in die geheime Basis der Ausserirdischen vor, welche sich im felsigen Untergrund des verbrauchten Heimatplaneten befindet, setzt dort zum gepflegten, heldenhaften Dogfight-Himmelfahrtskommando an.


Der Bezug zum damaligen Blockbuster-Giganten STAR WARS ist dabei natürlich unübersehbar, erst recht als die tollkühnen Kerle auf ihrer Mission in die malerisch-antike Höhle des Löwen eindringen, dabei neben stilechten Phaser-Kanonen ein Gitterstäbe-durchbrennendes, blaues Laser-Messer benutzen. Aber in diesem bizarren Ambiente macht die phantastische Sause soviel Laune, dass man diesen gewissen Level an erfolgsträchtiger Rip-Off-Mentalität schnell außer Augen lässt, sich stattdessen am genüsslich-stimmungsvollen Erfolgskonzept knalliger Funken-Action und Weltall-Mystik erfreut, inkl. sentimentalem Aufopferungsfinale.

 
Leider war 'DER GROSSE KRIEG...' offenbar Fukuda's letzter Spielfilm. Warum er bis zu seinem Tod im Jahre 2000 keine weitere Kinoarbeit hervorgebracht hat, weiß ich leider nicht, finde es aber dennoch unfassbar schade. Aber über diesen Film hier wollte ich gerne noch ein paar Hintergrundinfos mit euch teilen, die imdb-user zillabob im Folgenden dort niedergeschrieben hat:

"By the late 70's Toho had seen the handwriting on the wall, after Godzilla's first retirement. This was seemingly their last big SPFX film until they got into the mid-80's when times improved. STAR WARS was playing big in the US in 1977 and it had yet to reach Japanese shores until Xmas time. (Toho had recently had the ball dropped on them with NESSIE which was to be a $5M Hammer/Toho production, that fell to pieces when investors pulled out-Toho had already spent money making a monster they were so sure it was going forward.) SO, two rival studios Toei and Toho decided to do their own space opera stories ahead of that. Toei's was MESSAGE FROM SPACE and Toho made THE WAR IN SPACE with a much hyped campaign claiming it was the most expensive film they'd made in years. [...] Because of budget, much of the destruction on earth is footage from THE LAST WAR and BATTLE IN OUTER SPACE, inserted over footage of the flying, firing globes. [...]"




DAS WOLKENPHÄNOMEN VOM MALOJA - Eine ca. 10-minütige Dokumentation von Arnold Fanck, welche in imposanten Zeitrafferbildern den anschmiegenden Fortschritt der Majolaschlange durch endlose, massive Berge und Täler für die Ewigkeit aufzeichnet - wo die nur am Rande auftauchenden, undefinierten Menschen bar jeder Führung auftreten, lediglich mit dem Floss durch die Seen schlendern und alsbald wieder ans Ufer treten, zurück ins Nirgendwo, im Bann der wandernden Wolkenschicht.

 
Getragen werden die meditativ-hypnotischen Abbilder der Göttergebilde im Angesicht der seidenen Himmelsgeister, zumindest in der arte-Fassung, von der recht modernen Musik von Paolo Fresu, der eine wehmütige Trompete mit Flügelhorn in ein elektronisches Rauschgewitter mystischer Schönheit bettet, welches in seiner unterwerfenden Reduktion unfassbar schön die altehrwürdige, geheimnisvolle Naturgewalt der alpinen Monolithen umgarnt - meiner Meinung nach weit eindringlicher als die epochal-erschlagenden Symphonien Fanck's, z.B. bei 'Im Kampf mit dem Berge'.

 
Ein klasse Mini-Meisterwerk, in welchem die Kamera/der Zuschauer gefangen wird in der atemberaubenden Begeisterung für den natürlichen Zauber, der sich vor einem entfaltet - so fantastisch in seiner beschwörenden Aura, dass man selbst bei lediglich ca. 10 Minuten Laufzeit keinen Augenblick verpassen, sogar geradezu einsaugen will.




GEMINI 13 - TODESSTRAHLEN AUF KAP CANAVERAL - Dieser stilechte, niedrig-budgierte Eurospy-Reißer von Antonio Margheriti mag sich 'vielleicht' an die Abenteuer eines gewissen 007 anbiedern, doch die ihm innewohnende, gewitzte Frechheit lässt GEMINI 13 zu einem höchst vergnüglichen Spaß avancieren.

 
In leichtfüßiger Selbstverständlichkeit werden die Essenzen des zeitgenössischen Jungskinos bedient, wenn auch schlacksig variiert, für die Erfüllung naivster Macho-Wunschträume: so bekommt unser Agentenheld Harry eine recht lockere Chefin an die Seite gestellt, mit der er unentwegt herumschäckern kann (Klaps auf den Hintern inkl.), weil sie sich auch ständig gegenseitig retten. Zudem bekämpft er seine Feinde meistens damit, dass er zunächst nicht zu Gewalt und Gadgets, sondern einem Checkbuch greift, was die meisten seiner Gegner dankend ablehnen...selbst Schuld, BÄMM!


Erst sobald ein weltbedrohlicher Raketenstart verhindert werden soll, greift er zum Lamborghini und rast die Karre, dank klobig-niedlichster Miniaturaufnahmen, in verranztes Archiv-Footage von echten, explosiv missglückten Raketenstarts ein (so als ob SKYFALL sich ungeniert Material der 'Challenger'-Explosion behelfen würde). Doch die Verantwortlichen für diese astronautischen Machtspiele lassen sich zunächst nicht unbedingt in hoch exotischen Locations finden - in der ersten Hälfte des Abenteuers dringt unser Geheimagent schlicht in stinknormale Häuser verdächtiger Leute im Umkreis von Kap Canaveral ein, während das Lokalgetränk, ganz profanes Bier, zum zentralen Handlungselement herangärt.


Direkter kann man das jugendlich-männliche Bahnhofskino-Publikum wohl kaum ansprechen, verlegt der Film sodann seinen Klimax in eine unscheinbare Brauerei, welche eine gigantische Unterwasserstadt beherbergt, von der aus ein verfetteter Stacy-Keach-Verschnitt Laserstrahlen zur Weltbeherrschung auf dem Mond installieren will. Zudem besitzt jener Herr eine Gefrierkammer mit vereisten Entführten, die er je nach Belieben auftauen und soweit erhitzen kann, dass sie innerhalb weniger Sekunden den verkeimten Mumien in MAN OF STEEL gleichen.


Doch Harry kann ihm und seinen 'Todesstrahlen' das Handwerk legen, lässt Lava ins unterirdische Reich strömen, welche 'wie' Tomatensauce mit Dampf aussieht, mehrere Puppen des an DIABOLIK erinnernden Schergenpersonals (welches ab un an auch grundlos Schürzen trägt) davonfegt. Mit der letzten metallenen Super-Kapsel fährt Harry zusammen mit dem einzig guten Professor nicht unbedingt zum Mond, aber mindestens genauso drollig wie einst Méliès an die Oberfläche über Wasser.


Dort wartet schon die Chefin auf ihn, die er ganz indiskret in der Minibar des rettenden Flugzeugs vernaschen darf. So ein ungezwungenes Arbeitsverhältnis können nur Geheimagenten haben, zumindest dort auf der Leinwand. Ein Margheriti weiß aber, wie man dem vergnüglichen Zuschauer solch märchenhafte Fantasien äußerst schmackhaft machen kann, selbst mit äußerst geringem Budget und einer guten Ladung Spaghettisauce. So mag ich meinen Italo-Schatz.




TANG CHING - FURIEN AM GELBEN FLUSS aka DIE LADY AUS GRANIT - Taubstumm schlägt sich die auf Alles gefasste Schwertkämpferin unseres Films durch das feudale, alte China, welches heimgesucht wird von skrupellosen Vagabunden und Glücksspielbetrügern. Wir erfahren nie ihren persönlichen Hintergrund, warum sie die Schergen ihrer gestohlenen Perlen entledigt - begleiten sie aber mit voller Kraft von einer Schlacht in die andere, vom stilisierten Vorspann vor roter Leinwand bis hin in die umschlingend rankenden Grashalme des Landes, eingehüllt vom schwülen Regen, der den Boden matschig aufweicht.

 
Dort entfacht sie einen nihilistischen, kompromisslosen Blutreigen sondersgleichen, welcher der stetig fließenden Muttererde den roten Lebenssaft in rauen Mengen zurückgibt. Die Schwester des Anführers, Lesuil, sinnt nun Rache auf unsere unschlagbare, elegante Furie Tang, verfolgt und vergiftet sie in tief-schattigen Wäldern, wo sie ein naiver, hilfsbereiter Kurier vorfindet. Er umsorgt sie und beide verlieben sich ineinander, beschließen sogar nach einiger Zeit in den dämmernden Sonnenstrahlen seiner kargen Hütte, zu heiraten.


Doch wie eh und je, wird das junge Liebesglück durch das Glücksspiel zerstört, zu dem sich der Verlobte durch einen Kollegen überreden ließ. Beide werden angeschmiert, schließlich ist Lesuil der Besitzer der Spielhalle - anhand ihrer erzwungenen Informationen will sie sodann Tang in eine Falle locken, ebenso mithilfe eines weiteren, mysteriösen Meister des Schwertes, Mai Ling (mit der Stimme von Klaus Kindler), der offenbar ebenfalls eine schlimme Vergangenheit mit Tang verbindet, welche aber nie explizit erläutert wird.


Jedenfalls treffen sie sich schließlich zu einem gnadenlosen, letzten Kampf auf Leben und Tod, welcher in einem Strand auf Ebbe gipfelt, der ebenfalls wieder ein Starkstrom an Blut in die aufgeweichte Erde schießen lässt. Der Kreis schließt sich und viele, ausgelöschte Leben kleben für immer an den Klingen der Kontrahenten - keine Überlebenden, der Sieger fängt von vorne an. Da drück ich gerne REWIND!


Eine recht aufregende und kinetische GOLDEN-HARVEST-Produktion, weit weniger verschnarcht monarchistisch als manche SHAW BROS.-Ableger, wühlt 'TANG CHING' doch so erbarmungslos in Dreck und Gedärm herum, ähnlich direkt und abgeklärt-zielstrebig wie die LONE WOLF & CUB-Reihe. Bringt aber auch besonders zur Mitte des Films eine Wehmut zum Vorschein, die man nicht durch ausgewalzte Rückblenden oder sonstigen Schnickschnack erklären muss - die Großzügigkeit von Tang's Retter und ihre unendliche Verbundenheit zu ihm, die auf eine harte Probe gestellt wird, sagen da schon alles.

 
Im Finale dann nimmt die brutale Action wieder den Mittelpunkt des Geschehens ein und gibt mächtig Vollgas mit unaufhaltbaren Schwertgefechten an zig ehrgeizigen, miesen Kerlen, die allesamt das Zeitliche segnen, auf recht krasse und stark-choreographierte Weise. Doch urplötzlich schlagen zudem ganz irrwitzige, typische HK-Fantasyeffekte auf, welche die physikalischen Gesetze so derb ausser Kraft setzen, dass Tang vollends zur unbesiegbaren Superfrau, im Kampf gegen den Zauber-geschulten Mai Ling, aufsteigt.

 
Wahrlich fantastisch-brachiales Eastern-Kino, zwar etwas spartanisch in seinem "Erst Action, dann Drama, dann bis zum Schluss Action"-Aufbau, aber dafür so wunderbar wild und aufreizend einkrachend, dass man ebenso in der Modder mit herumtollen möchte, mit der durchbrechend-geradlinigen Powerfrau Tang an der Seite. Schnörkelloses und konzentriertes Feuerwerk der ratschenden, zischenden Schwerter. Liebe Leute von filmArt, kommt ihr hier vielleicht auch an eine Widescreen-Kopie für eine DVD-VÖ ran?




MASTER AND COMMANDER - BIS ANS ENDE DER WELT - Nun denn, hängen wir mal über 2 Stunden ohne direktes, dramaturgisch-narratives Ziel (bzw. Spannungsbogen) bei der Mannschaft eines Kriegsschiffes ihrer Majestät, zur Zeit Napoleons, ab. Und merken recht schnell, dass jenes Leben auf See, im Kampf gegen die französischen Gegner, ein ganzes Stück taffer und natürlich blutreicher war als z.B. in Jack London's 'Seewolf'.

Regisseur Weir legt nämlich neben angemessen-unaufdringlicher Kamera- & Tonarbeit ausgesprochenen Wert auf strategische Authentizität, auch wenn einige ungeschickte CGI- und Greenscreen-Spielereien die Aura ein wenig schmälern (ist aber auch schon 10 Jahre alt, der Film). Doch wer bleibt immer am Ball der energetischen Glaubwürdigkeit? Russell Crowe als Captain dieses seines Tuggers natürlich!

Aber auch seine kernige Crew wagemutiger Rauhbeinkerle passen sich jedem Holzsplitter des Schiffes mit ihren Gefechts-erfahrenen Falten der abenteuerlichen Ehre untereinander an, die sogar in Meuterei umzuschlagen drohen, sich aber im Angesicht des Todes wieder fangen - sogar dem verletzten Doktor des Schiffes einen Zwischenstopp auf den von ihn studierten Galapagos-Inseln spendieren, weil sich das so gehört.


Und so rückt der knallige Action-Aspekt jener nautischen Schlachtenmäre allmählich in den Hintergrund, gibt sich dem Naturalismus der Reise und der Erforschung des Umfelds zur Meditation hin, bevor dann doch nochmal zum letzten, großen Hurrah gegen die feindliche Flotte angesetzt wird - Arbeit muss nun mal sein, natürlich "FÜR ENGLAND!".

So war's wohl nun mal - aber was in anderen Filmen jener Coleur unter ähnlichen Umständen schon als gefühlsduselige Propaganda herhalten müsste, macht hier einen (verhältnismäßig) angenehm-pathosfreien, im Gegenzug einigermaßen harten Eindruck und gibt den Feinden schlussendlich auch ein ebenbürtiges, würdevolles Gesicht.

Wie im wahren Leben regelt man das dann wie Ehrenmänner, ebenso das anschließende Seebegräbnis für die gefallenen Sieger und Verlierer. Doch danach gilt wie immer: setzt die Segel, die Reise geht weiter, der Auftrag wartet stets darauf, vollends erfüllt zu werden - macht das Beste draus, Krieg ist nicht alles, ihr seid auch nur Menschen.




CAMORRA - Der neapolitanische Abgrund der Gesellschaft, umringt von verschimmelten Häuserwänden und wuchernden Achselhaaren, im grellsten, omnipräsent-erschlagenden Sonnenlicht - zwischen blinden, trauernd-abgeklärten Paten, ehemaligen Prostituierten (welche das Metier schon seit der Kindheit kennen), notgeilen Drogenbaronen (u.a. Harvey Keitel) und karitativen Homosexuellen, die sich in der 'Tanzschule Broadway' um Straßenkinder kümmern. Ringsherum stapeln sich sodann allmählich die Leichen mit Heroinspritzen im Hodensack.

Und jedem Spieler dieser Geschichte werden stilsichere Eyeliner spendiert, welche permanent von der naturalistischen Handkamera umspielt werden.

 
Die Sehnsucht einer Frau nach einem geregelten Leben in dieser bunt-dreckigen, misogynen Hölle und der überschwängliche, mediterrane Folk-Kitsch gehen hierbei Hand in Hand, paart Lina Wertmüller in ihrer CAMORRA doch räudige Mord-Tatorte mit sensuellen Sexszenen und operettenhaften Gesang- und Tanzeinlagen am Nachmittagstisch, während das nächste kriminelle Komplott anhand zynischer Protzreden geplant wird.

Es geht natürlich alles weiter den anarchistischen Bach runter, weil veraltete Werte wie Ehre und Schamgefühl für die Cosa-Nostra-Herren der Schöpfung nicht mehr gelten, höchstens nur noch in alten Gemälden edler Damen verweilen, welche den gesamten Film machtlos umgeben, im grotesken Licht des Puffs gehüllt und obszön verzerrt werden.

 
Bockt einen die archetypische Mafia-Bredouille und das bemühte Entschlüsseln des Mord-Mysteriums im Verlauf damit umso mehr? Nicht unbedingt, weit interessanter und bitterer erscheinen da die hoffnungslosen Lebensverhältnisse und Schicksalsschläge unserer Protagonisten.

Diese werden sodann von der plakativ-exploitationhaften Schmierschminke-Gestaltung und dem dazupassenden, irrwitzigen Selbstjustiz-Plottwist insofern scheinbar ein Stück weit in ihrer Tiefe unterminiert. Aber das muss alles ja so sein und rechtfertigt sich im Endeffekt ganz ordentlich, wo CAMORRA in seiner ultimativen, mütterlichen Anklage gegen den international-destruktiven Drogenhandel schon von Anfang an mit dieser pompösen Ambivalenz herumjongliert.

Interessant, zerfahren, merkwürdig, heftig und trivial zugleich - Wertmüller's Film könnte seine Mischung durchaus gelungener, formvollendeter präsentieren, aber an sich stellt er ein beachtenswertes Kuriosum dar, insbesondere mit seinen ganz tollen Schlussbildern. In Deutschland bisher nur im Kino und auf VHS ausgewertet - in Italien bereits auf DVD erhältlich, wenn auch nur mit italienischer Tonspur.




NIGHTMARE CASTLE - Eigentlich ein recht unterbudgiert zurechtproduzierter Schwarzweiß-Grusler aus der Schauer-Hochphase der fantastischen Barbara Steele - hier in einer Doppelrolle, sowohl in verführerischem Brünett als auch unschuldigem Blond. Die Story um die sich aus dem Jenseits rächenden Liebesopfer ist nicht gerade das Hoch der Innovation und erst recht nicht jenes der Spannung.

 
Von ausreichend gestalterischer Inspiration darf man aber durchaus sprechen, sobald Jenny, die neue Liebe des mörderisch-gehörnten Ehegatten Steven (Paul Müller, der nicht zu erkennen vermag, dass sich die Geschichte mit ihr nochmals so entwickelt, wie mit der Verflossenen), in ihren hypnotischen Träumen, an der Grenze zur Interdimensionalität, vom Geist der Ex-Ehefrau/ihrer Schwester eingenommen wird, deren schmerzvolle Erinnerungen in ektoplasmischer Verzerrung nochmals erlebt und schlussendlich unbedarft-furchtvoll die Brücke zwischen Leben und Tod herstellt.

Sowieso bekommt man von der Augenweide Steele dadurch soviel extensives Anschauungsmaterial serviert, dass man sich eigentlich kaum beschweren kann, auch wenn einen das Geschehen nicht wirklich durchweg bei der Stange hält, trotz stimmungsvoll-gothischen Dekors und angenehmer Bild- und Tonebene.

 
Am Interessantesten ist da noch die Haushälterin und heimliche Geliebte Steven's, Solange, die an einer angeborenen Blutvergiftung leidet und fortwährend die Morde vorantreibt, um aus dem Blut der Opfer neuen, verjüngenden Lebenssaft zu gewinnen, ähnlich einem Vampir. Warum das so ist und ob da übernatürliche Kräfte mit im Spiel sind, wird nie detailliert erläutert - recht bemerkenswertes, selbstbewusstes Spiel mit altbekannten Genre-Charakteristika.


Wirklich schön wird's zum Schluss dann wieder allerdings, sobald sich die untoten Rächer als wandelnde Geister manifestieren und spirituelle Gerechtigkeit walten lassen, das monochrome Anwesen in ein weißes Inferno mit tiefschwarzem Aderlass gleiten lassen. Und wenn dies NIGHTMARE CASTLE bei manchen im Endeffekt bloß für eine Handvoll wunderschöner Bilder sehenswert macht, ist das schon mehr als das, was man von der geläufigen Jumpscare-Einheitsware heutiger Zeit erwarten kann.




DIE HERRSCHAFT DES SCHWERTES - Fragt mich bitte nicht, worum es in dem Film genau ging, das blasse Figuren- und Handlungsgefüge ging mir nämlich gelinde gesagt am Arsch vorbei...na gut, zumindest kann ich noch behaupten, dass hauptsächlich das Thema 'Verrat' Dreh- und Angelpunkt des austauschbaren Geschehens war - wie zu erwarten bei einer Historienschlachtplatte des Wuxia-Genres mit Schauspielerleistungen/Dialogen nahe des Bauerntheaters.

Was ich aber neben den tollen Kulissen des archetypischen Shaw-Brothers-Kolorits noch am Ehesten von diesem Film mitnehme, ist seine inszenatorisch-unberechenbare Irrwitzigkeit in Sachen Blutgehalt, Softerotik, Schwarze Magie und Kampfchoreographien (u.a. wird der nahende Tod durch Giftpfeile vom alten Herrn insofern bezwungen, dass er diese mit muskulöser Zauberkraft aus seiner Haut herausdrückt).

 
Diese wird in ihrer überwältigend-verwirrenden, energiegeladenen Dimension zudem von der ultra-verhonkten Neusynchro (Tappertsort?) verstärkt, mit ihren protzig-talentfreien Sprechern, dem bemüht-zusammengeschraubten Soundtrack und den aufgesetzten, neuen Martial-Arts-Foley-Geräuschen aus den 'Sony Pictures Sound Effect Libraries'.

Das alles macht in seiner Gesamtfassung, trotz einiger misslungen-ausbremsender romantischer (weil im Verlauf vollkommen ungenutzten) Gesprächsklötze, ordentlich Laune und hält eine gute Menge unfreiwilliger Lacher bereit, während die Klingen zum prunkvollen, aufgeblasenen Gemetzel ansetzen. Schön wilder, trivialer Royal-Swordplay-Quatsch zur besten Tele5-Sendezeit - hab's nicht bereut.

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