Ieelb Eelsr,
lasst mich von Vornherein klar stellen,
dass ich mich selber wieder mal am meisten glücklich schätzen kann,
dass aus dieser Ausgabe überhaupt etwas geworden ist, denn im
Endeffekt hatte ich meiner grandiosen Planung wegen hauptsächlich
erneut nur am Samstag hierfür Zeit, eben Texte, Bilder und
Erinnerungen zusammen zu tragen sowie als wöchentliche Revue
salonfähig zu machen. Ich zweifle sowieso schon an mir selbst, warum
ich dauernd so schwer mit der Clock umgehen kann und sogar glaube,
dass ich mir mit der Banner-Erstellung noch mehr davon wegnehme,
anstatt gute Filme zu sichten und auf kritischer Ebene
durchzuargumentieren. Wäre ja im Grunde kein Ding, sich mit den
potenziell starken Stoffen sowie einem geregelten Raum fürs
Schreiben entspanntere Stunden zu leisten, aber nee: Man muss ja
länger als nötig ausschlafen, dann noch an die Arbeit denken, von
der das Einkommen herrührt sowie auf Einladungen eingehen, die man
gerne auch ausnahmsweise einmal auslassen könnte, wenn man denn
nicht so ein Gewohnheitstier wäre. Quatsch mit Soße, für solch
eine Selbsterkenntnis bin ich nicht qualifiziert genug – zu alledem
weiß ich auch jetzt schon wieder, dass nächste Woche mit einem
Übermaß an Filmen angereichert sein wird, also: Be careful what
you wish for – richte ich übrigens hauptsächlich an mich
selbst. Ein Tag hatte es dieses Mal aber besonders in sich, nämlich
der Dienstag. Nach einigen Monaten an Komplikationen und
verschleppten Arztbesuchen begab ich mich endlich zu einem
Kieferchirurgen, der mich von meinen grausamst vergammelten
Weisheitszähnen am Oberkiefer befreien sollte. Außer den
Milchzähnen wurde mir noch kein Beißer herausgezogen, also war
dieses erste Mal solch eine Granate an Ungewissheit und Angst, dass
ich nicht wusste, ob ich a) in die richtige U-Bahn eingestiegen bin,
b) mir die richtige Uhrzeit zum Termin abgespeichert hatte, c) erst
ein Vorgespräch haben oder gleich zur Behandlung übergehen sollte,
d) Betäubung und Schmerzen aushalten könnte. Voilà, eine
mittelschwere geistige Umnachtung verfolgte mich bis in den
Behandlungsstuhl, dass ich kaum sorgenlos mit jemandem kommunizieren
konnte, beim Lesen des Buches „Glorious Technicolor“ und
Ausfüllen des obligatorischen Fragebogens zur Person endlos nervös
überflüssige Zittrigkeiten vollzog.
Dann kam der Doktor, sah sich das Elend
an, meinte dann, dass erstmal nur ein Zahn gezogen werden könne und
spritzte schon beinahe unbemerkt das Betäubungsmittel ins Fleisch.
Ein paar Minuten Wartezeit brachten die Wirkung an den Mann und nach
gefühlt zehn Sekunden und einigen beherzten Griffen/Zangen an der
Kauleiste war der Übeltäter auch schon rausgebastelt, obgleich das
Knirschen und Brechen des Zinken noch den ganzen Tag über im Ohr
blieb. Die Moral von der Horrorstory: Nach dem Eingriff gings mir in
etwa nie besser und auch sobald die Betäubung wieder außer Kraft
war, konnte ich mich weder über Schmerzen noch über Blutungen
beklagen. Also: Ab zum Filmclub am selben Abend! Der Weg dorthin
wurde lediglich vom Konvoi des türkischen Außenministers
unterbrochen, der dank seiner Räudenpropagandatour mittelschwere
Staus verursachte und eine Handvoll fahnenschwingender Dösbaddel
inklusive Ghettoblaster mit Polizeischutz adelte. Live vor Ort
einfach dran vorbei gehen, hat auch was für sich, aber ansonsten ist
ja wie schon alle Wochen zuvor nicht gut Kirschen essen mit der ganzen
Problematik. Zumindest kann ich noch froh sein, mir eine
Krankenversicherung und derart unkomplizierte Zahnbehandlungen
leisten zu können, anstatt mich der brandaktuellen Trumpcare
geschlagen geben zu müssen. Das deckt soweit den persönlichen Bezug
zum Weltgeschehen dieser Woche ab, ansonsten gab es noch soviel an
Mord und Totschlag und allerlei, das ihr sicherlich schon im
Nachrichtenportal eures Vertrauens nachgelesen habt, also: Geschenkt!
Wem aber noch vertrauen, wenn die CIA überall ihre Lauscher auf hat,
hmmmmmmmmmmm? Man, dieser Assange; ein Tool muss eben tun, was ein
Tool so tool muss, selbst wenn's wie mit Hillary mehr als wackelig
und parteiisch ausschaut. Boah, verschon' uns mit deiner halbgaren
politischen Bildung, Witte, höre ich euch da jetzt sagen – Euer
Wunsch sei mir Befehl! Schließlich habe ich ja noch die eine oder
andere Kuriosität aufgegriffen (ergo nicht unbedingt nur die Blödheiten der Goldenen Kamera), wie diesen einen Totalausfall, der
Pro7 bei der Ausstrahlung der Simpsons am Montag ereilte – Klickt
hier für
einen Eindruck jener Dauerwerbesendung für Le Snotterie.
Außerdem:
Nic Cage kam heute im Traum an mir vorbei und meinte nur so: "You're next!" 👺— Christian Witte (@GUSaefkow87) March 11, 2017
Und sowieso hoffe ich natürlich, dass ihr alle einen schönen Weltfrauentag am Mittwoch verleben konntet! Zu Ehren jenes Tages kommt diese Ausgabe an besprochenen Filmen ja sowieso schon zu spät, aber in zwei Titeln ist jeweils eine Ikone der Weiblichkeit genannt, im Werk dazwischen sind allenfalls noch leichte Damen zugegen. Wie gesagt, gute Vorbereitung ist nicht unbedingt mein Steckenpferd, dennoch hoffe ich, dass diese Tipps, von denen zwei ja auch noch etablierte Klassiker sind, ein jeweils aufregendes Klettern in sozialen Strukturen darstellen, von denen unsere Titelhelden Sehnsucht und Eigensinn abkriegen, nicht nur unbedingt Schüsse ins Bein, ins Fell oder glatt durch den Schuh, sondern anhand eines spannenden Umgangs mit ihrer natürlichen Umgebung sowie eines erkenntnisreich verrückten Konflikts mit bislang unbekannten Neuigkeiten auf dem Pfad der (Selbst-)Zerstörung! Also dann: Paris, Hamburg, New York, Skull Island, ihr Weltmetropolen unserer Zeit – wir sind startklar!
Die schönste surreale Komödie kann ja
nur von Louis Malle kommen, direkt um 1960 eine vorzeitige Überhöhung
des Nouvelle-Vague-Schnittprinzips anleitend, sobald das
deftig turbulente Top-Kid „Zazie“ die Metropole Paris
aufmischt. Den kompletten Titel inkl. deren Zustand „in der
Metro“ wollte man sich zur hiesigen Erstaufführung wohl der
reinen Faktenlage wegen nicht gönnen, dafür die
FSK-18-Freigabe angesichts einer Slapstick-Anarchie im
Überschallmodus, welche Alltag, Autoritäten und Co. kreuz und quer
ins audiovisuelle Tohuwabohu jagt, den urbanen Schlafrock der
Identitäten sowie sozialen Muster bis in die Nacht hinein abschält.
Nicht mal ansatzweise so maßgeregelt leichtfüßig wie z.B.
„Tatis herrliche Zeiten“, gibt sich die Stadtdynamik
urigster Typen, Mädels und allem dazwischen zu alledem auch gerne
dafür her, eine Kanonade der Enthemmung binnen permanenter Reibung
zu bilden, eben eine Zufriedenheit im Überschäumen der Energien
darzustellen, wenn sich Liebe, Frust, Arbeiterklasse, Rotlichtmilieu,
Tourismus und viel zu volle Vehikel auf allen Wegen treffen, in den
Straßen ineinander verkeilen sowie an der Spitze des Eiffelturms
balancieren. Bei Ein- und Ausfahrt in jene Gegend kriegt man noch nen
wohligen Pfiff mit auf den Weg, das Tempo wird beim Empfang durch
Onkel Gabriel (Philipp Noiret) aber schon an jeder Framerate
vorbei geschossen, wo auch der Umgangston dazu, wer wie stinkt, in
eine rhetorische Pointe von vielen mündet. Erwartungen lassen sich
zwar gerne etablieren, doch die Göre (Catherine Demongeot) und ihre
Gesellen umspielen jede reelle Schlussfolgerung per Fingerschnips der
Inszenierung – Positionensprünge, Stopptricks, ein
Stimmungskaleidoskop in Eastmancolor:
Wo Stummfilme und Zeichentrick zuvor schon des Mediums Lust am
Experiment zum Eskapismus ausgelotet hatten, bringt Malle seine
Demontage/Glorifizierung der Stadtvielfalt aus der Kinderperspektive
zur Eskalation, ohne es auf das gesellschaftskonforme Ideal des
Kindseins zuzuschneiden, stattdessen dessen Chaos der Fantasie einen
Spielplatz anzubieten, der sich selbst stets zur Jagd aus
Leidenschaft zum Gegenüber, Überfluss und Geltungsdrang motiviert.
Exemplarisch dafür geht auch Vittorio Caprioli auf die Barrikaden,
sich mehrfacher Rollen anzunehmen, im Wirrwarr der eigenen
Antagonistenfunktion jeweils den aristokratischen Kidnapper,
Markthändler, Flic und Fascho mit wie ohne Bart zu steigern.
Kleider,
Kohärenz und individuelle Stilführung verknoten sich da voller
Selbstverständlichkeit zur Lächerlichkeit, ebenso die Kulissen in
einer Montage unmöglicher Höhenflüge und spontaner
Transformationen, bis auch der typischste Klamauk aus dem Kintopp
knallrot wird, Zazie alles und jedem ein „Leck mich am
Arsch“ gönnt, durchweg keck
und froh auf Reisen jenseits jeden Streiks und aller Physik geht. In
der boulevardesken Posse (nach dem Roman von Raymond Queneau) drum herum wimmelt es dann natürlich auch
von Stereotypen erwachsener Verzweiflung, ebenso überzuckerter bis
pathetischer Träumerei, die sich zeitweise noch scheut, ihr wahres
Gesicht zu zeigen, u.a. Zazies zig Fragen zur Homosexualität
ausweicht, obgleich das (ohnehin androgyne Jeans-) Kind von allem
gespielten Regelzwang Bescheid weiß, sodann die Befreiung
anstichelt, so wie die Travestie darauf schon aus der Litfaßsäule
springt bzw. zur Nacht hin die große Feier vorausschickt. Da lässt
sich zeitgleich die Mütterlichkeit, Würde und Ruhe der Freundin
Gabriels, Albertine (Carla Marlier), gewiss nicht verpassen, sobald
an ihr und dem verrückten Ensemble drum herum der Jazz zum
Zeitraffer der Neon-Strahlen angestimmt wird, das wilde Leben binnen
der Reizüberflutung in Geborgenheit bettet. Doch auch wenn der lange
Tag der Blödelballerei irgendwann sein Ende in der Vervielfachung und Erschöpfung des
Enthusiasmus finden muss, kann sich der Zuschauer schlicht keiner
Ruhepause ausgesetzt fühlen, so wie sich das Tänzeln der Entrückung
auf viele kleine Schönheiten und Überraschungen stützt, in seiner
Entladung das Spektrum filmischer Erzählung verquickt und dessen
Mittel bricht, ehe die große Keilerei zum Schluss wiederum das
Erwachsensein im Kreise der Kindlichkeit feststellt. Prompt fallen
alle Ziegelwände, sodann knallen Schüsse aus der Schuhsohle und
Rückprojektionen um die eigene Achse, dass sich das ganze Studio aus
den Angeln hebt. Auf die Frage der Mutter hin, was sie so alles
erlebt hätte, hält sich Zazie dennoch halbwegs unbeeindruckt
zurück, schließlich sei sie vor allem um einiges gealtert. Was für
ein Troll, aber zumindest einer, der uns am Wunderland herzlicher
Frech- und Freiheiten teilhaben lässt, bis die Schwarte kracht.
„Bone Tomahawk“ - Der erfrischend unaufgeregte Neo-Western-Gegenentwurf von S. Craig Zahler hantiert zwar ausgiebig mit Topoi und Typen des Genres, bleibt dem Selbstzweck einer Bedienung von Erwartungen jedoch per konsequenter Entschleunigung fern, deren naturalistische Schlichtheit zwar nicht durchweg an Essenz gewinnt, wenn das Ensemble mit den einfachsten Sinnlichkeiten, Idealen und Sehnsüchten seiner Ära in den moralischen Diskurs gerät, binnen der durchweg ebenso pragmatisch gehaltenen Einkehr an Gewalttätigkeiten aber umso stärker nachwirkt, wenn jeder Pathos im Halse stecken bleibt, zwischen den Zeilen zwar auf die Versprechungen des letzten Opfers setzt, in dieser Referenzarbeit strikter Verdammnis aber auch mehr als oft als Stein in den Sand ohne Horizont fällt.
„Rauchzeichen“/„Pink“ - Weitere Begegnungen mit Rudolf Thomes Werk sind garantiert, doch diese Spätzünder an verkappten Altherrenfantasien, von der Degeto geförderten Urlaubswochen und weltfremden Berührungsversuchen zur Natur allgemein sowie den Konflikten wechsellauniger bis aufrichtiger Beziehungszufälligkeiten ziehen einen im Doppelpack bewusst weniger per Stringenz oder Überzeugungskraft mit, als dass sie mit der Trivialität ihrer Protagonisten auf natürlich absurde Pointen zusteuern, auch Kitsch im Tempo zielloser Redundanz zueinander führen, teils höchst spießige Ideale des Glücks (4 Hochzeiten und 2 Teiche) abspulen lassen, aber nimmer daran mangeln, ein liebenswertes Karussell kurioser Menschlichkeit zur Spontanität anzuregen und gelegentlich sogar der Faszination zur Beobachtung zu verfallen.
Steht es überhaupt noch zur Debatte, ob es etwas Tristeres gibt, als über die Qualitäten eines etablierten Klassikers zu schreiben? Ich hadere beim Schreiben dieser Zeilen grundsätzlich mit der Frage „Müssen die Leser das wissen?“, insbesondere, wenn jene zu einem Beispiel wie „King Kong und die weiße Frau“ schon in Hülle und Fülle beantwortet wurden – doch einige persönliche Eindrücke zur unverbrauchten Größe des Films sollten durchaus noch drin sein, insbesondere wenn sein Erbe via „Kong: Skull Island“ etwas von dieser lernen könnte. Und das fängt einfach schon - ab den ersten schlicht und schmerzreich gereiften Sequenzen - bei der Charakterisierung des Menschenensembles an, das hier aus dem Alltag der Großen Depression Stück für Stück an ein Klimax des Kinos geführt wird, welches seine Maßnahmen des Eskapismus im Rausch des Entdeckens reflektiert, als Tauziehen der Gewalten umsetzt und in dessen unvermeidliche Selbstzerstörung klettert. „Beauty killed the beast“, weiß der Unternehmer und Reißaus-Regisseur Carl Denham (Robert Armstrong) im Angesicht seiner eskalierten Ambitionen zu sagen, wenn die Vergänglichkeit der Ablenkung, die brutale Offenbarung der Gefühle vom Empire State Building gestürzt wird. Die Begrifflichkeiten seines Zitats sind austauschbar wie so ziemlich jedes Kontrastprogramm, das sich in diesem Fall aus Größenverhältnissen und Ursprüngen bis ins Märchenhafte hinein bildet - sein Wille zur Verknüpfung jener Variablen bleibt aber durchweg ein ehrlicher; ideell auf eine Art Fortschritt gesteuert, die zwar den Kommerz vorspielt und sich trotzdem so menschlich darin verhaspelt, sein Hau-Ruck-Anliegen zur Neuerfindung als Zeichen der Empathie durchsickern zu lassen. Der naive Charme des einst sehr jungen Hollywoods kommt an Denham zum Vorschein und ist da weitab vom bestimmt schon präsenten, aber erst später verstärkten Zynismus zur Industrie – insbesondere, wenn er Ann Darrow (Fay Wray) zufällig beim hungergesteuerten Stehlen trifft und ihr eine Chance zum bezahlten Abenteuer der Schauspielerei anbietet.
Ein
paar neue Gestalten sollte man ja immer Woche um Woche mit ins Boot
holen, daher begrüße ich Walter Bockmayer und seinen
Lebensgefährten Rolf Bührmann, die anno 1983 als Regisseure und
Autoren im „Kiez –
Aufstieg und Fall eines Luden“
aufgeräumt haben, eine Chronik von hoher Absturz- wie
Pointenleistung zu installieren. Bockmayer inszenierte zuvor schon
die Bühnenfassung der Vorlage aus der Feder Peter Greiners, für die
Leinwand begibt man sich jedoch umso effektiver in die steilsten
Ecken der Siffigkeit, welche Hamburg für den Berliner Cowboy Knut
(Wolf-Dietrich Sprenger) zu bieten hat. Der hagere Antiheld mit
Dalton-Brüder-Schreckschussvisage knüpft sich jedoch so fix wie er
ins Ambiente reinräudet gleich ein Opfer vor, dessen ausgebeutete
Naivität im Grunde schon jedes Mitleid in die Theorie verfrachtet,
ganz gleich, welch brutale Prozesse der Film an ihr via punkiger
Gnadenlosigkeit (u.a. von der Gruppe „Die Partei“,
einigen Hafenschenken-Evergreens und Pete Tex) amplifiziert: Heinke
(Katja Rupé), frisch vom Dorf in den Kneipen verloren und direkt in
den Kerl verliebt, weil der tagein tagaus rödeln kann und einen als
erste sexuelle Erfahrung scheinbar blind bumst, trotzdem kaum noch
ein Frühstück, geschweige denn Kost und Logis des Stundenhotels
abbezahlen kann. Also gibt es von ihm ganz kalt und manipulativ
verklickert die Forderung, dass sie doch auf den Strich gehen könne.
Tja, das soziale Elend nimmt seinen Lauf und fetzt sich von Freier zu
Freier, was seine Wahrhaftigkeit spätestens dann gegen „Babystrich
im Sperrbezirk“-Vibes
eintauscht, sobald die Synchro einige Kleindarsteller äußerst
drübber übernimmt und ohnehin durchweg das Spencer/Hill-Klatschen
für Prügeleien einsetzt. Nicht, dass die Milieu-Situationen zudem
spekulativ ausfallen würden, doch der Umgangston scheut sich vor
jeder noch so subtilen Exposition, wenn er stattdessen verbale wie
non-verbale Eskalationen en masse anleiern kann.
Passt
ja auch zu der asozialen Klientel, mit der sich Knut allmählich so
vertraut macht und trotz aller Querelen als quasi-familiäres Bündel
bewandert/anschnauzt. Da lässt er sich sogar eine Zigarette auf dem
Arsch ausbrennen, um als Aushilfsbarkeeper die paar Kröten eines
Saftladens vor Gangstern zu verteidigen, die allerdings auch nur von
Kumpel Nil (Rainer
Philippi) angeheuert wurden, welcher ihm jene Stellung ohnehin der
reinen Schuldentilgung wegen verschafft hat. Der Macker mit
Sonnenbrille, Hut, schroffster Tanztalente und übertrieben
abgeklärter Attitude
kreischt tatsächlich die verrücktesten Ausbrüche ins Geschehen
hinein, bringt Knut aber noch zum Dreier binnen der Verführung
Minderjähriger in die Kiste, wie er ihm auch die im Innern
ausgehöhlte Ditte (Brigitte Janner, fast schon einer älteren Schwester Rupés gleich) sowie einen Klunkerraub von
bisher ungesehener Grobschlächtigkeit andreht. Letzteres bringt Kurt
dazu, ihn zu verpfeifen, was nur bedingt vom Ehrgefühl
eines „Scarface“
zeugt, als von einem unausweichlichen Hang zur Konfrontation mit
Ego-Vorteil. Knut scheißt auch partout auf die Haus- und
Kinderträume von Heinke, schlägt bei schreienden Nachbarn
pflichtgemäß beinahe alle Wände ein und bölkt die Vermieterin mit
fuchtelnd behaartem Gehänge an, wenn er müde und mit vollen Taschen
aus der Nacht zurück getorkelt kommt. Der Mann ist eine schön
hässliche Vollkatastrophe, der Lage entsprechend auch auf Prügelkurs
mit sich sowieso gegenseitig fetzenden Transvestiten, die nicht bloß
jede Beerdigung mit Schmackes aufstacheln können, wenn sie im
Dauerzustand der Hysterie dieses Films - wie schon die Gespräche
unter Frauen - auch nur als kleinere Flamme agieren (Auftritte der
Bockmayer-Entdeckungen Hella von Sinnen und Dirk Bach sind trotzdem
zu begutachten).
Kleinere
Durchhänger in der Dramaturgie werden ohnehin nicht vermieden,
schließlich ist eher der „Fall des Luden“
die vorherrschende Gefühlslage bei dem Arsenal an Notlügen,
polierten Fressen und Exploitation,
das den Vergewaltigern Heinkes eine Buddel aufmacht, später auf der
Flucht mit Ditte in den Geldbeutel der Schwester/Schoß des Schwagers
greift, um sich beim Saus und Braus vom Fick und Sauf schließlich in
die Haare zu kriegen. Scherge Charly (Karl-Heinz von Hassel) ist mit
„geilen Porno-Stories“
und Eichelcreme allerdings dann noch der treuere Dreh- und Angelpunkt
für Geschäftsniete Knut, der die Schnauze wie auf Knopfdruck
irgendwann auch wieder voll hat und Ditte zum Ausraster einer ohnehin
schon verlorenen Existenz verleitet, der sich vielleicht Caterina
Valentes „Kismet“
drüber legt, jener Romantisierung - wie man sie auch dem
ortsansässigen Kintopp von Rolf Olsen ansah - aber kaum noch gerecht
werden will. Die 80er sind weit fieser als Tetanus-Quelle belichtet, mit der Spritze an jedem
Geschlechtsteil und der Krankheit dazu dran, im Ballungstempo einer Reißer-Kolportage
zwar ultravulgärer, aber nicht minder am Abgrund wie „Paul“
zugegen, dementsprechend aber auch stilistisch nicht so vordergründig an
Tristesse beladen, wie man jetzt von den geschilderten Prozessen
vermuten könnte. Das menschliche Drama spielt seine Schockwirkung
eher im Hintergrund aus, Bockmayer und Co. schaffen insofern eine
Übertönung nach „Polyester“-Prinzip,
bei dem selbst der brutalste Schlag - den haushoch sich selbst
kaputtformulierenden Typen sei dank - zuallererst als
Zwerchfellangriff funktioniert. Kommt wohl auch darauf an, wie weit
der moralische Abstieg beim Zuschauer von Vornherein fortgeschritten
ist, doch wenn sich ein Film der Beihilfe freut und trotzdem auf die
moralische Gnade der Elbe hoffen kann, dann dieser „Kiez“.
Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!
„Das
Hochzeitsbankett“ - Als Culture-Clash-Dramödie noch in manch
durchkonstruierter Prämisse und Schicksalsmelodramatik voll
emotionaler Erpressung eingeordnet, hält sich Ang Lee dennoch
überwiegend behutsam im Interessenkonflikt an Generationen auf, das
sich binnen vielerlei Notlügen aus Tradition am Bekenntnis zur
Homosexualität vorbeizuschmuggeln versucht und die Wahrheit als
Staudamm familiärer wie individueller Liebe kontinuierlich
anschwemmt, sobald die Eltern aus Taiwan zu Besuch kommen und auf
einen Stolz hoffen, den der Sohn lediglich in der Scheinehe erfüllen
kann, während die Inszenierung tolerante Signale eines Kompromiss
zwischen den Welten sendet, aber in einer wahrscheinlich noch
belastenderen Ballung an offenen Geheimnissen endet lässt.
„Bone Tomahawk“ - Der erfrischend unaufgeregte Neo-Western-Gegenentwurf von S. Craig Zahler hantiert zwar ausgiebig mit Topoi und Typen des Genres, bleibt dem Selbstzweck einer Bedienung von Erwartungen jedoch per konsequenter Entschleunigung fern, deren naturalistische Schlichtheit zwar nicht durchweg an Essenz gewinnt, wenn das Ensemble mit den einfachsten Sinnlichkeiten, Idealen und Sehnsüchten seiner Ära in den moralischen Diskurs gerät, binnen der durchweg ebenso pragmatisch gehaltenen Einkehr an Gewalttätigkeiten aber umso stärker nachwirkt, wenn jeder Pathos im Halse stecken bleibt, zwischen den Zeilen zwar auf die Versprechungen des letzten Opfers setzt, in dieser Referenzarbeit strikter Verdammnis aber auch mehr als oft als Stein in den Sand ohne Horizont fällt.
„Rauchzeichen“/„Pink“ - Weitere Begegnungen mit Rudolf Thomes Werk sind garantiert, doch diese Spätzünder an verkappten Altherrenfantasien, von der Degeto geförderten Urlaubswochen und weltfremden Berührungsversuchen zur Natur allgemein sowie den Konflikten wechsellauniger bis aufrichtiger Beziehungszufälligkeiten ziehen einen im Doppelpack bewusst weniger per Stringenz oder Überzeugungskraft mit, als dass sie mit der Trivialität ihrer Protagonisten auf natürlich absurde Pointen zusteuern, auch Kitsch im Tempo zielloser Redundanz zueinander führen, teils höchst spießige Ideale des Glücks (4 Hochzeiten und 2 Teiche) abspulen lassen, aber nimmer daran mangeln, ein liebenswertes Karussell kurioser Menschlichkeit zur Spontanität anzuregen und gelegentlich sogar der Faszination zur Beobachtung zu verfallen.
So, jetzt geht's weiter im Text!
Steht es überhaupt noch zur Debatte, ob es etwas Tristeres gibt, als über die Qualitäten eines etablierten Klassikers zu schreiben? Ich hadere beim Schreiben dieser Zeilen grundsätzlich mit der Frage „Müssen die Leser das wissen?“, insbesondere, wenn jene zu einem Beispiel wie „King Kong und die weiße Frau“ schon in Hülle und Fülle beantwortet wurden – doch einige persönliche Eindrücke zur unverbrauchten Größe des Films sollten durchaus noch drin sein, insbesondere wenn sein Erbe via „Kong: Skull Island“ etwas von dieser lernen könnte. Und das fängt einfach schon - ab den ersten schlicht und schmerzreich gereiften Sequenzen - bei der Charakterisierung des Menschenensembles an, das hier aus dem Alltag der Großen Depression Stück für Stück an ein Klimax des Kinos geführt wird, welches seine Maßnahmen des Eskapismus im Rausch des Entdeckens reflektiert, als Tauziehen der Gewalten umsetzt und in dessen unvermeidliche Selbstzerstörung klettert. „Beauty killed the beast“, weiß der Unternehmer und Reißaus-Regisseur Carl Denham (Robert Armstrong) im Angesicht seiner eskalierten Ambitionen zu sagen, wenn die Vergänglichkeit der Ablenkung, die brutale Offenbarung der Gefühle vom Empire State Building gestürzt wird. Die Begrifflichkeiten seines Zitats sind austauschbar wie so ziemlich jedes Kontrastprogramm, das sich in diesem Fall aus Größenverhältnissen und Ursprüngen bis ins Märchenhafte hinein bildet - sein Wille zur Verknüpfung jener Variablen bleibt aber durchweg ein ehrlicher; ideell auf eine Art Fortschritt gesteuert, die zwar den Kommerz vorspielt und sich trotzdem so menschlich darin verhaspelt, sein Hau-Ruck-Anliegen zur Neuerfindung als Zeichen der Empathie durchsickern zu lassen. Der naive Charme des einst sehr jungen Hollywoods kommt an Denham zum Vorschein und ist da weitab vom bestimmt schon präsenten, aber erst später verstärkten Zynismus zur Industrie – insbesondere, wenn er Ann Darrow (Fay Wray) zufällig beim hungergesteuerten Stehlen trifft und ihr eine Chance zum bezahlten Abenteuer der Schauspielerei anbietet.
Der
Gönner wird ihr und der Crew Richtung Skull Island zwar partout die
Gefahr verheimlichen (zeitgleich Spannung und Erwartungen aufpumpen), doch an ihm
sieht man weder den Schürzenjäger noch einen Ausbeuter, wenn er die
abendliche Stille (!) und Ungewissheit New Yorks mit dem schlichten
Versprechen des Fluchtgedankens reanimiert, seine kurzzeitige
Illusion als gemeinsames Ziel anspricht, das den Helfer im Ton des
Schaumännischen entlarvt.
Die Regisseure Merian C. Cooper und Ernest B. Schoedsack ziehen einen
mitten in die Ära der Verzweiflung rein, fortan ist die Reise zu
Kong eine willkommene Immersion, die ihre zeitgemäßen
Ungleichheiten (auch den mehr oder weniger latenten Rassismus) trotzdem nicht verbergen kann, allerdings gleichsam thematisiert. An Bord des
Schiffes Venture zur
Expedition der inszenierten Naturdokumentation
Denhams ist der delikat an der Lächerlichkeit vorbeischrammende
Topos des chinesischen Kochs Charley (Victor Wong) ebenso vorhanden wie die Abneigung zur
Präsenz einer Frau innerhalb der Mannschaft – Urheber letzteren Kontras ist John Driscoll (Bruce Cabot), welcher schließlich
dennoch mit dem Wesen Anns per du sein wird, da die übergreifende
Motivation des Neuen auch seine harte Schale weich klopft. Die
Vorschau kommender Ereignisse setzt sich sodann auch an Testaufnahmen
fort, in denen Denham (parallel dazu Cooper/Schoedsack) seine
Schauspielerin zu Begeisterung, Furcht und Verführung vor dem
Unsichtbaren anleitet, so wie die Szene nicht nur den Übergang vom Stumm- zum
Tonfilm anspricht (Max Steiners Musik war hier auch als erste
zur Untermalung von Dialogen im Einsatz), sondern auch den
Quantensprung in der fortwährenden Involvierung von Spezialeffekten
als neues Markenzeichen filmischen Erzählens vorwegnimmt. Bis dahin
folgt noch die Begegnung mit dem Abziehbild eines urtümlichen
Inselvolkes, das seine geheimnisvollen Traditionen zu hüten weiß
und auch auf den Wegen behutsamer Verständigung nur dann zu einem
Kompromiss des Kameraeinsatzes bereit ist, wenn Ann sowie ihre Erotik der Unschuld als Opfer zur Verfügung
gestellt werden kann.
Der
Clinch mit dem Austausch an Ressourcen zieht sich offenbar durch alle
Stationen der amerikanischen Geschichte, an diesem Punkt
eskalieren dann auch die Selbstverständnisse parteilicher Ansprüche,
die sich insofern entspannen, da King Kong ebenso an Ann Gefallen
findet. Wir als Zuschauer verkumpeln uns aber mehr mit dem
Riesenaffen, der da in seiner archaischen Stop-Motion-Form
angestapft kommt, so roh und lebhaft in erstmaliger
Verwirklichung auftritt, dass man sich selbst in einer historischen
Begegnung wiederfindet. Allein auch dieses Dauergrinsen, wenn zur
animatronischen Variante des Kopfes geschnitten wird! So
durchschaubar die Effekte von Willis O'Brien jetzt teilweise auch
sind, mit denen Kong und weitere Inselmonster zum Angriff übergehen:
Ihre Bewegungen als Urzeitgiganten versprühen so, weit ab von der
Perfektion, die sinnigste Lebendigkeit; kratzen sich, sind manchmal
viel zu schnell sowie von Szene zu Szene unstet in der Größe,
ohnehin fast schon lautlos
für ihre Umwelt. Passt ja auch zur vorherigen Stille
der Depression, an sich schon unwirklich verdichtet, hier jedoch
anhand der Brutalität des Ganzen und der Riesenmauertür davor mit Gebrüll zum Ausbruch gebracht, indes die Mannen der
Venture mehreren
Viechern grausam zum Opfer fallen und Kong zum Schutze der holden
Maid zudem den unfassbar spannenden Kampf mit einem Saurier eingeht.
So ruppig wie das im magischen Dschungel vonstatten geht, trägt
einen die Unberechenbarkeit mindestens so effektiv ins Eingemachte
des Zelluloids wie die Urgesteine eines Méliès, doch was man
eventuell eher als historisches Archiv empfinden könnte, wird emotional weiterhin als das achte Weltwunder
innerhalb der Materie wahrgenommen. Es besitzt eben auch ein Großmaß an
Persönlichkeit! Man bedenke, wie drollig Kong an Anns Klamotten
schnuppert, im Gegenzug jedem Widersacher die Kiefer ausrenkt oder
die Eingeborenen in eigenen Gebiss mampft, diese im nächsten Moment
auf den Boden klatscht und platt tritt. Ist ja auch per Definition ein
Monster, deshalb ist's ja auch ok, wenn Denham
Betäubungsgasbomben auf die Kreatur wirft, Ann permanent vor Angst
kreischt und mit John zur gemeinsamen Rettung an manch gefährlicher
Liane hangelt – den verratenen Liebhaber an Kong vergisst man aber
so schnell nicht.
Ebenso wenig diese
Reminiszenzen/Schuldgefühle an den Prozess der
Sklaverei, sobald Kong von seinem Königsdasein weg nach Amerika
verschifft und des Entertainments wegen ausgestellt wird, was einen
als Zuschauer fasziniert und doch ankotzt. Die Wut des Entwurzelten
tritt da erst recht als Element des Mitgefühls auf, doch der Film
maßt es sich trotzdem nicht an, innerhalb der Parteien einen Vorzug zu gewährleisten. Denham und sein Publikum (also auch wir) sind ihrer human condition wegen auf Angebot, Nachfrage und Enthemmung gegenüber der
Alltagsschwere vor Ort, füreinander da und dennoch vom eigenen Drang
höherer Ziele abhängig (gemacht). Kong ist ebenso von der Sehnsucht
getrieben, von seinem Volk vergöttert, welches er der Liebe wegen
rücksichtslos verspeist und binnen New York ebenbürtige Zerstörung
anzettelt, wenn sein Status angesichts ihm unbekannter Mächte
herausgefordert wird. Die Menschheit und der Riesenaffe erwischen
sich da auf gemeinsamen Fuße, sprich: King Kong gegen die Große Depression auf der Spitze der Welt, deshalb lassen sich die Subjekte
binnen „Beauty killed the beast“
in ihrer tief tragischen Wechselwirkung ja auch so einfach austauschen –
ganz zu schweigen davon, wie stark man Kong auf diesem Wege ohnehin
vermenschlicht wahrgenommen hat, dass Denham seinen Werken Beauty und Beast gleichberechtigt wehmütige Herzenstreue vermittelt. „Die Fabel von King
Kong“ (Erstaufführungstitel)
lässt sich u.a. bestimmt nicht ganz ohne jene Rhetorik wahrnehmen, mit
welcher der weltweite Rechtsruck derzeitig auf seine nationalen Identitäten
Anspruch zu nehmen versucht; jene Krise war anno 1933 sowieso keine
Neuheit, in der Geschichte des zum Kultobjekt avancierten Kong aber
schon darin entkräftet, wie universell die Größenverhältnisse auf
sich gegenseitig abfärben sowie zur Begeisterung angeregt sind, aus
verschiedenen Perspektiven im Aufeinandertreffen mit ihren Ängsten
überrumpelt oder auch umarmt werden, Hürden des Menschenmöglichen
überwinden, von diesem ebenfalls zu Fall gebracht werden können.
Das nur mal kurz zu diesem Meilenstein der Filmgeschichte, der sich
in unter 100 Minuten Laufzeit auf eine Reise des kollektiven Ichs im
Verhältnis zur Leinwand und seinen Geschöpfen gemacht hat, bis
heute bahnbrechende Neuheiten draus herbei gefördert hat.
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