Sonntag, 8. Mai 2016

Tipps vom 02.05. - 08.05.2016



KANTOKU · BANZAI! - Ein klassischer Fall à la „Allein vom Cover her...“ bot sich bei dieser Regiearbeit Takeshi Kitanos an, die bisher leider noch nicht den Weg nach Deutschland gefunden hat, aber als Film geradezu hoch gen Himmel fliegt. Zudem ist schwer zu sagen, wie viel man von der Erfahrung am Ganzen nacherzählt, wenn ich doch nur äußerst enthusiastisch beteuern kann, welch abenteuerliches Konzept sich hier Stück für Stück offenbart, schließlich auch in einer Wahnsinnsstunde der Beglückung mündet. Die Übersetzung vom Titel wäre eigentlich schon zu viel des Guten, aber einige Eckpunkte sollten an dieser Stelle der Orientierung wegen erlaubt sein, nämlich dass man hier ein stark selbstreferenzielles Stück von circa 100 Minuten Länge abbekommt, welches - zudem in Kitanos gewohntem Stil der Schlichtheit gegenüber Absurdem sowie emotionalen Impulsen - vielerlei Muster des japanischen Kinos betrachtet, in jeweiliger Funktion glaubwürdig, teilweise auch legitim spannend und gefühlsecht ausfüllt (bei Beat Takeshi gibt es nun mal keine halben Sachen), aber genauso verspielt und effektreich parodiert. Kitano kommt dabei schon witzigerweise nie darüber hinweg, in jedem Metier über die Gewalt zu erzählen oder in deren Milieus anzusetzen beziehungsweise die Alltäglichkeit des Leidens durch die Zeiten hinweg zu stilisieren. 


Quo vadis?“ fragt sich der Filmemacher, der die harte Schale zum weichen Kern und umgekehrt als Multitalent in die Hand genommen hat, womöglich eine Sackgasse für sich selbst darin erschafft, wie sicher er jedes Format (auch außerhalb des Medium Films) beherrscht. Nun, schlussendlich kommt er in einem Remix an, der alle Elemente zu einem Dadaismus der Genres und Themengebiete vermengt, welcher größtenteils so straight-faced in ein Narrativ voller uriger Überraschungen springt, dass man gar nicht mehr fragen muss, wie viel Chaos Kino verträgt, wenn ein Regisseur schier alles - also auch Urkomisches, Nonsens, Zoten und Eskalationen albernem/veralbertem Testosterons - daraus erschaffen kann. Für einen Episodenfilm wird hier jedenfalls äußerst kurzweilig und auch gar nicht mal so redundant gefeiert, so sei er ohnehin jedem Freund der japanischen Filmlandschaft wärmstens empfohlen, wenn Kitano sogar ohne elitären Pathos, stattdessen eben herrlich verrückt seine Hymne auf das Wunder des Unendlich-Zeigbaren vorträgt.




MURDER ROCK - Lucio Fulci lässt in seinem Gesamtwerk nicht immer wirklich subtil durchscheinen, dass er eine ideologische Abneigung gegen Frauen hat, jedoch nicht davon ablassen kann, sie in den Fokus der Spannung, manchmal auch der Empathie (siehe „Don't torture a duckling“), zu stellen. „Murder Rock“ stellt diese Wechselwirkung vielleicht sogar expliziter heraus als es seine Zombie-Filme taten, vor allem in der letzten Auflösung zieht er Schlüsse aus Erfolgsdrang, Traumata der Schwäche, Ehrgeiz und Neid, dass man diese im Zeitalter politischer Korrektheit nicht mehr derartig kritisch dem weiblichen Geschlecht zuordnen wollen würde, es sei denn der Film darüber hieße zufällig „Black Swan“. Natürlich ist Fulcis Giallo als Exploitation-Reißer entschiedener im Voyeurismus schöner Körper, zudem noch im zwielichtig gestalteten Milieu der New Yorker Tanzszene unterwegs, dass man ihm demonstratives Ausnutzen seiner Darstellerinnen sowie die Dämonisierung ihrer Umstände unterstellen könnte. Gleichzeitig aber ist er gänzlich der Dynamik ihrer Choreographien, ebenso verstärkt den großen wunderbaren Augen von Olga Karlatos verfallen, die hier gegenüber einer Reihe weit jüngerer Damen die Hauptrolle einsackt, wobei deren gemeinsames Leiden einer mysteriösen Mordserie durchweg stilistisch kraftvoll verinnerlicht wird - soweit auch, dass Fulci die Albträume seiner Frauen gefühlsnah als virtuose Angstmomente vermittelt. Es gibt allerdings durchaus Dialoge, wie z.B. in der Charakterzeichnung des ermittelnden Kommissars Borges (Cosimo Cinieri), die über mühsame Arbeit mit Östrogenen seufzen, es sowieso durchschauen, auch wenn der hingenommene Umgang Frust herauf beschwört. 


Für Tanzschulendirektor Gibson (Claudio Cassinelli) sind Frauen sogar alles nur Nutten auf ihre verschiedensten Arten (die er gerne als solche benutzt); Fulci oder auch seine Frauenfiguren geben darauf gar nicht mal so fix ein Kontra. Das gibt es aber doch noch darin, inwiefern die Männerwelt sich hier voller Schwächen und Betrügereien verdächtig macht, psychisch instabil und gleichsam fies dreinblickend der Karriere willen gegen Gefühle verschwört, während die junge Unschuld um sie herum per Chloroform und Hutnadel dahingerafft wird. Der Tod besitzt hier trotz seiner inhärenten Brutalität mehr Zärtlichkeit als man es von Fulci gewohnt ist, wortwörtlich mitten im Herzschlag einstechend. Ganz passend also, trotzdem ungewohnt, transformiert sich der Film von seinem anfänglichen Showbiz-Slasher in eine bizarr konstruierte Liebesgeschichte, bei welcher sich Tanzlehrerin Candice (Olga Karlatos) in die Vision ihres Todes, Kleindarsteller George Webb (Ray Lovelock), verliebt, nachdem sie ihn wie Kevin Costner beim „Feld der Träume“ einfach kennenlernen musste, obgleich sie zunächst bleich wird vor Furcht in seiner langwierig ermittelten Anwesenheit. Die Faszination der Hassliebe überträgt Fulci nun mal von sich selbst auf seine Charaktere, dass diese sogar in ihrer schablonenhaften Zeichnung eine emotionale Achterbahn vorweisen dürfen, die sich ohnehin mit dem Whodunit des Hauptnarrativs decken lässt. Das Spiel der Geschlechter verzweigt seine Strahlen in zig Richtungen, visuell überwältigt jenes Licht selbst die finstersten Aussichten des Todes in pumpender Beständigkeit, wobei da auch der Fame-Faktor an der Luminanz herumschraubt - auch Leichen können berühmt werden, so krass das hier auch auf die Spitze getrieben wird. 


Dabei sieht man zudem noch einige Bekannte aus Fulcis Darstellerfundus von Al Cliver bis Silvia Collatina wieder - ganz zu schweigen von Fulci selbst in der Rolle eines hohen Tieres von der Künstleragentur, auf dass die Geilheit auf Fame in allen Ebenen repräsentativ greifbar wird. Der Film bietet in seiner Grundstruktur natürlich doch etwas wenig, um große Wellen zu schlagen, so plump er seine kriminelle Analyse auf Zufälle, Naivitäten und Spekulationen richtet, teilweise noch von einer kernigen Menschenkenntnis herleitet, aber auch konventionell triviale Mittel anwendet, um den Zuschauer auf falsche Fährten oder die nächste Mordschau zu lenken. Was ihn gewiss von der Langeweile abhebt, ist Fulcis ambitionierte Bildgestaltung, die im Verlauf der Achtziger nicht immer zur Selbstverständlichkeit wurde, hier aber zumindest eine tolle Verkettung der Paranoia (so auch ein Titel aus Keith Emersons Soundtrack) aufziehen kann, die sich u.a. auf mehreren Fernsehschirmen zur Drangsalierung der Schuldgefühle ballt, in derer Dunkelheit drum herum auch endlos erscheinende Fliesenkorridore in Beschlag nimmt. Wenn man dann noch den ganzen abperlenden Schweiß auf nackter Haut im Tanzrausch dazu zählt, bekommt man durchaus einen Fulci auf den Teller, der seine besten und ärgerlichsten Qualitäten eines Brutalo-Deliriums mit sich bringt, aber irgendwo mittendrin durchaus über dem Durchschnitt als abenteuerlicher Wahn der Träume und Triebe reizen kann.




BOILING POINT - Einen weiteren von Kitano-san habe ich mir dann auch noch gegönnt, den bereits 1990 erschienenen „Boiling Point“, eben genau die Art der Betrachtung der Gewalt, mit der er seit jeher effektiv aufwarten kann. Die Grenze zwischen offener, doch kritischer Darstellung und zynischer Exploitation zieht er dabei entschieden zur Vermittlung des Schmerzes durch, welcher sich in seinem Gesellschaftsbild des kontemporären Japans kontinuierlich wiederholt und keine Sieger aus einem Spiel zieht, das eine Reaktion eingebrannter Machtmentalität nach der anderen nach sich zieht. Steigt einer auf, steigt der andere ab und nur selten ergeben sich beide Wege aus der Wurzel einer gütigen Katharsis, obgleich genug Charaktere hierin den Fortschritt der Bescheidenheit fördern wollen: Die Strukturen aus Tradition sowie der Demut darin hemmen sich, bis nur noch an Explosionen, Faustschlägen, Vergewaltigungen und Blei Zeichen gesetzt werden, welche natürlich lediglich zerstören. Kitanos Charaktere verharren schließlich schon in der Kadrierung mehr unter der Hälfte der Bildmitte zum Boden hin, so stark die Verwurzelung zum Leiden und Hass, Schüchternheit, Männlichkeitsidealen sowie anderen Persönlichkeitskomplexen bestehen bleibt. Interessant ist dabei auch wiederum die perverse Poesie, die Kitano in jenen Verhältnissen findet, die er schlicht und abstrahiert innerhalb natürlichen Terrains vermittelt, selbst bei sowas Gewöhnlichem wie Amateur-Baseball den kollektiven Zwang zur Wettbewerbsfähigkeit ausdrückt, der an sich schon nicht mit selbstsicherer Entschiedenheit aus sich heraus kommt.


Keiner ist unschuldig und doch ist jeder ein Opfer. Dem stillen Einverständnis folgen aber bald auch Taten sowie ungelenke Impulse in einem Ensemblestück, das sich daran dementsprechend mehr in funktionellen Rollen wiederfindet, als dass ein durchweg empathisches Grundgerüst für sich stehen könnte. Grund dafür ist eben auch die wechselhafte Handlungsebene, welche zwar dem Einfluss allzu reeller Willkür gerecht wird, sodann jedoch eine konzentrierte Nähe, also auch einen involvierenden Bezug zum Ganzen, aus den Augen verliert. In einem vom Grund auf freien Narrativ ist es zwar widersinnig, den Mangel an striktem Plot-Abzählen abzustrafen, doch vor allem in der zweiten Hälfte wird man das Gefühl nicht los, dass sich Kitano wirklich in gewisse Einbahnstraßen am Strukturlosen verläuft, während er eben Eindrücke von Gewaltstrukturen findet, die sich bald nicht mehr steigern lassen, so wie sie das Vorangegangene nochmals aufgreifen. Er wahrt zumindest durchweg Distanz, ehe er einen Nihilismus forciert; viel Hoffnung kann er aber ebenso nicht auf den Weg mitgeben, wenn der „Boiling Point“ stets wieder auf den Anfang zurücksetzt und quasi nur abgewartet werden kann. Es wird so oder so nicht schön, wenn er an Hitze überläuft.




DIE UNVERGESSLICHE WEIHNACHTSNACHT - Mitchell Leisens Film funktionierte für mich in erster Linie recht gut als Introduktion zum Schaffen Barbara Stanwycks, deren Schlagabtausch mit Hauptdarsteller Fred MacMurray in Sachen Erfahrungen mit der Güte anderer oder eben dem Mangel dessen ein recht angenehmes Stück Rom-Com abgibt, das sich im Dialog sogar mit den Qualitäten eines Preston Sturges brüsten darf. Durchweg präsent und bezeichnend für 1940 hält sich das X-Mas-Abenteuer zudem in den Gefilden bedingungsloser Nächstenliebe auf, die sich aus dem Screwball-Ambiente der Großstadt in die Heimeligkeit netten Landlebens zurücksehnt. Dem Film geht dort im Verlauf aber leider auch ein bisschen der effektive Reality Check abhanden, den Stanwycks Rolle der Lee Leander im Angesicht ihrer Mutter erlebt, welche den Jugendsünden der Tochter (in einem Musterbeispiel von Krebsgeschwür angewurzelten Hasses innerhalb des Dorfhorrors) nimmer verzeihen mag. Das addiert sich auch noch gut mit der recht natürlichen Aufbauphase der Sympathie zwischen unserer Hauptfrau und jenem Hauptmann, die über schöne Eigenarten der Persönlichkeiten (allein dieser Kontrast zwischen ihm als gesetztestreuer Staatsanwalt John Sargent und ihr als unscheinbare, missverstandene Delinquentin) in eine gut aneinander abprallende Friend Zone der Geschlechter einläuft - einem Talent wie Sturges sei dank, der aber natürlich mehr clevere Phrasen als aktive Handlungen sprechen lässt. 


Bei manchen Eindrücken muss man eben aber erheblich an deren Schatten vorbeischauen, erst recht hinsichtlich des konservativem Konsens, der hier allzu idyllische Familienverhältnisse zur Weihnachtszeit zeichnet, in denen Grautöne hauptsächlich als gut gemeinte Bitten zum Wohl des Gegenüber rüber kommen - siehe die Bevormundung durch Johns Mutter, dass Lee sein Glück mit ihren persönlichen Problemen ins Gegenteil treiben könnte. Gut, dass John letzten Endes für sich selbst und für das Risiko der Liebe sprechen kann, obgleich er im Zwiespalt zwischen Berufspflicht und Herz ebenso diffuse Signale aussendet, so wie der Film ebenso irgendwie nur wenige Emotionen mit voller Bravour euphorisieren kann - manchmal kommt daraus Subtilität raus, manchmal stockende Dynamik. Und dann wäre da ja noch die Sache mit Johns schwarzem Hausangestellten Rufus (Fred Snowflake Toones), dessen Rolle vonseiten Johns als nicht besonders hell im Kopfe, aber zumindest praktisch denkend bezeichnet wird. Es wird gewiss eine nicht immer taktvolle, mehr weiße Weihnacht, zumindest trägt das Verständnis für eine starke weibliche Figur hier Früchte, welche die Empathie zum Außenseiter verstärken, ohne einen Antagonismus aus dem anderen Lager zu schlagen. 


Der verallgemeinernde Frieden darin ist vielleicht zu naiv und dadurch auch ein Stück gehemmt ausgefallen, doch zumindest bleiben Sturges und Leisen dabei auch bis der letzten Minute fern des Heuchlerischen innerhalb ihrer Charaktere und nicht einer alles vervollständigenden Kino-Magie verpflichtet, wenn man das Ende bedenkt, an dem sich der interne Weg der Charaktere trotz aller äußeren Ungewissheiten absehen lässt. Zur Weihnachtszeit kann man sich damit vielleicht gar nicht mal so schlecht für eine Zeit lang aus der individuellen Finsternis ziehen, wenn der Bedarf denn besteht - die meisten Abstriche muss man da zwar beim Zeitkolorit sowie dem Wechselspiel aus Glaubwürdigkeit und konventioneller Katharsis machen, doch in vielerlei Hinsicht ist man wenigstens Frau Stanwyck danach ein Stück näher gekommen. Mal ab von meinem persönlichen Ziel darin ist eine klassische Reise durch die Staaten, am Gesetz vorbei und in den Familiensinn hinein, noch das mindeste, was man voll gelungener Unterhaltung hier erwarten darf.






Die uramerikanischen Genres von Sportfilm und Western (hier in italienischer Variation) driften in ihrer Katharsis der Hero's Journey manchmal schon bemerkbar voneinander ab, doch sie lassen sich irgendwie doch leicht verbrüdern, wie es in einem übergreifenden Medium à la Film (auch im Vergleich anderer cineastischen Perspektiven) geradezu utopische Ausmaße der Vorbildlichkeit annimmt. Im folgenden versuche ich als vielleicht schon längst überflüssige Beweisführung dessen eine immens geeignete und hoffentlich unterhaltsame Übung: Stephen Herek kam mit seinen „MIGHTY DUCKS - DAS SUPERTEAM“ 1992 langsam als formvollendeter Hollywood-Regisseur an, weit gestriegelter als bei „Bill & Ted“ und erst recht nicht so chaotisch wie zu Besuch bei der „Fast Food Family“, dennoch lässt er auch in diesem Disney-Sportsabenteuer keine seiner gut eingeschossenen Noten an anarchischem Cartoon-Slapstick aus, während sich das eigentlich gewöhnliche Genre-Prozedere noch tiefer im Herzen einschießt, als Herr Herek es zuvor nur im Ansatz (da aber schon mit enthusiastischem Kampfgeist) schaffte. Damit entsteht eine profunde Gemeinsamkeit zu Enzo Barbonis „DJANGO - DIE NACHT DER LANGEN MESSER“ von 1970, einem Reißer voller zunächst oberflächlicher Gewöhnlichkeiten, die zwischen den Zeilen jedoch reichlich menschliche Momente, Humor und starke Figurenschicksale finden - und das obwohl Rainer Brandt und Karlheinz Brunnemann mit ihrer Synchro so manche davon im Blödel-Zynismus zu entwerten versuchten, obgleich dieser ansonsten sehr einen willkommenen Charme überraschender Pointen dazu gab.


Mighty Ducks“ gewinnt in der deutschen Fassung ebenso an Witz dazu mit seinen rotzfrechen Jungs und Mädels, so wie diese gewiss nicht an kuriosen Beleidigungen sparen und erst recht mit dem neuen Coach Gordon Bombay (Was ein Name! Ach ja, gespielt von Emilio Estevez) auf Kriegsfuß stehen, der zur Gemeinnützigkeit verdonnert nun die Verlierermannschaft schlechthin betreuen soll. Django (Leonard Mann) ergeht es in seinem Film auch nicht besser, zumindest kommt er anhand eines externen Banküberfalls frisch aus dem Kittchen, allerdings hat er auch schon vor einiger Zeit sein Gedächtnis verloren. Zusammen mit den Genre-Heroen George Eastman und Woody Strode ist er sodann auf der Flucht gen Heimat und zur Rückbesinnung des eigenen Ichs (Coach Bombay widerfährt das ja zunächst noch etwas unfreiwillig), doch die Rocco-Gang, welche ihn für tot glaubte, hängt sich auch bald auf eine ganz gemeine Art an seine Fersen, indem sie sich als seine Familie ausgibt und ihn somit gegen ihre Widersacher, eben seinen Vater und seinen Bruder aufhetzt. Bruder gegen Bruder wird letztendlich auch ein Thema bei den „Mighty Ducks“, wie überhaupt eine ideologische Dualität besteht, die so weit zurückreicht, dass sie ganz bewusst Anklänge an den Bürgerkrieg evoziert. Bei Coach Bombay kommt das vor allem in der traumatischen Begegnung mit seinem alten Trainer Reilly (Lane Smith) zur Eskalation, so wie dieser nun zu seinem direkten Rivalen wird, unter seiner Aufsicht zudem einst derartig auf Sieg getrimmt wurde, dass ein kleiner, doch entscheidender Fehler die Missgunst ewigen Versagens über ihn herein brachte. 


Das verletzte Selbstwertgefühl trägt bei „Django“ ebenso Konsequenzen im Rückblendenformat, vieles geht dabei auch von den Vätern, ob nun den scheinbaren oder echten aus, die anhand ihres Leistungsdrucks in vielerlei Hinsicht den Tod des anderen forcieren, selber jedoch noch oft genug an den Gräbern der Opfer stehen werden, eben ihre Söhne verlieren. Wie so oft bei Disney und somit auch bei den „Mighty Ducks“ ist es ohnehin ein schwieriges Thema mit den Vaterfiguren, die hier schon verstorben oder verlassen wurden, anhand dessen es deren Söhne schwer haben, einen Weg in die Zukunft zu finden - das gilt sowohl für Coach Bombay als auch für seinen tapfersten Schützling Charlie (Joshua Jackson), der derartig viel Vertrauen zu ihm entwickelt, dass eine neue Familie daraus gebildet werden könnte. Wo sich das bei den „Mighty Ducks“ mit der zwischen den Stühlen stehenden Single-Mutter Casey (Heidi Kling) ergänzen würde, sollte das bei „Django“ und seiner Jugendliebe Sheila (Ida Galli aka Evelyn Stewart) sogar schon früher von statten gehen, doch als Angehörige der Roccos muss sie sich unter dem Zwang von Vater und Bruder vorzeitig als seine Schwester ausgeben, ehe er womöglich doch noch sein Gedächtnis wiederfindet. Die wahre Zugehörigkeit aufzusuchen, ist ein Sujet, in dem beide Filme ihre Protagonisten empathisch reflektieren, doch sie bleiben gewiss nicht allein, so wie sich das aus mehreren Gesellschaftsschichten gebildete Ensemble an Freundschaften gemeinsam durch Zweifel, Missverständnisse und Hürden kämpft, um einen Sieg der Güte gegen die Raffgier von Gewalt und Macht anzuführen. 


Das Prinzip der Inklusion wirkt bei den Ducks, beispielhaft unter dem gemeinsamen „Quack Quack Quack!“-Schlachtruf, womöglich an ausgeprägtesten, doch das Selbstverständnis, mit dem Django, Eastman, Woody sowie Peter Martell (!) den Western aufmischen und trotz Trennung durch die Roccos im Showdown wieder zueinanderfinden, sich sogar füreinander opfern, besitzt ebenso einschlagende Herzlichkeit angesichts schroffer Umstände. Dabei sind viele kleine Momente außerhalb der Dynamik des Plots schlicht den wunderbaren Persönlichkeitsmerkmalen einzelner Supertypen gewidmet, so einfach und trivial-komisch sie auch sein mögen. Ob Woody bei „Django“ nun als Outlaw noch Zeit findet, in der Kirche an der Orgel zu spielen oder ob die ganze Gang der „Mighty Ducks“ ein Sportwarengeschäft zu den Sounds der „Good Vibrations“ von Marky Mark auf den Kopf stellen: Die Unbekümmertheit überspielt galant jede Redundanz, wenn der Spaß am Leben stimmt. Witzig sind beide Filme ohnehin, doch wenn es hart auf hart kommt, schaffen sie ihre Genre-Richtlinien mit einer sauber verdichteten Dringlichkeit, wie es bei der Spannung zum Underdog eben zur Gewohnheit gehört, aber dennoch in der Zuschauergunst ankommt, ganz gleich ob mit Blei oder mit dem Puck: Die letzte Schlacht entscheidet alles für einen Haufen verwegener wie sympathischer Hunde. Die „Mighty Ducks“ können einen da auch recht astrein catchen, wenn sie auf Fairness beharren, aus Zynikern aufrichtige Vertreter des amerikanischen Traums via Teamwork machen - bei der „Nacht der langen Messer“ hat es dieser schwierig, letzten Endes seine Versprechungen jemals wieder einhalten zu können, zumindest steht das Gute nicht alleine da, wenn es seinem ehemaligen Vorbild desillusioniert den Rücken kehrt. 


Für Coach Bombay und Django ergibt letztere Aktion auf jeden Fall die Emanzipation, für Bombay somit eine Entlastung des Gewissens aus dem Schatten der Vergangenheit raus und hin zum Pfad der Selbstverwirklichung, während Django zwar auch seiner eigenen Vergangenheit vollends gewiss wird, sich aber genauso gut wünscht, in deren Schatten verblieben zu sein. Nichts an der Persönlichkeitsbildung funktioniert in beiden Fällen ohne Geburtsschmerzen und bei keinem lassen sich 1:1 Erfolgsrezepte anwenden, so wie diese Filme ohnehin durch ihre jeweilige Ära, manchmal auch in ihrer inszenatorischen Qualität sowie ihrem Tempo, von außen hin als trennbar empfunden werden können. Dass es aber möglich ist, mit vereinter Stärke und Empathie, nicht mit einer viel einfacher zu empfangenden Boshaftigkeit, die unglücklichen Zustände intimer wie globaler Größenordnungen anzupacken, beweisen beide Filme letztendlich mit einem ehrlichen Ansporn aus der Universalität ihrer Genres heraus. Chancengleichheit, unantastbare Würde und Co., Wahrheiten und Gemeinsamkeiten finden - warum vergessen das dieser Tage so viele kontemporäre Zeitgenossen, wenn es selbst „Django“ und die „Mighty Ducks“ schon längst verinnerlicht haben? 

PS: Nuri Bilge Ceylan hat sich wohl auch bei Stephen Herek orientiert, wenn man bedenkt, wie die Fensterscheiben der Autos ihrer Protagonisten sowohl in „Mighty Ducks“ als bei „Winterschlaf“ während der Fahrt von Kindern eingeschlagen werden. Aber das ist eine Geschichte für eine andere Woche ;)

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