Sonntag, 28. Juli 2013

Tipps vom 22.07. - 28.07.2013

 

PERRAK - Der posthum skandalisierte Horst Tappert spielt den ruppig-zackigen Sprüchebullen Perrak unter der Regie von Alfred Vohrer, muss dabei nicht nur einen perfiden Mordfall in der Transvestiten-Szene Hamburgs aufklären, sondern zusätzlich immer im Clinch mit seinem lausbubigen Womanizer-Sohnemann Joschi liegen. Er hat die Schnauze voll, setzt deshalb indiskreteste Methoden ein und stößt in die verkommensten Orte vor, trägt dabei tatsächlich irgendwie zur Lösung des Falls bei, was einem als Zuschauer nicht immer greifbar vorkommt.

Dabei wird in diesem kaltherzigen Machotrip natürlich nicht nur mit billigsten "Tunten"-klischees und hilflosesten Frauenbildern gespart, es wird sogar massig Sex, Sleaze und Pulp-Action eingesetzt, von Anfang bis Ende, so dass ein stetiger Unterhaltungsbogen auf zynisch-frechem Exploitation-Level gehalten wird.

Prädikat-wertvollig ist dieser Film wahrlich nicht, dafür herrscht aber ein schön ungezwungener Nihilismus, verbunden mit dreckigstem Winter-Ambiente, barschigen Darstellern und einer allenfalls zweckmäßigen Kameraarbeit, die einen naiv-assig-harten Gesamteindruck ohne großen Kitsch oder Feingefühl vermitteln, ähnlich eines schmierigen Italoreißers (oder "pulvertrockener Sittenreißer", wie das Werbematerial zum Film diesen betitelt).

In seinem grade noch "inspiriertesten" Moment inszeniert Vohrer eine Szene, in der ein armer Schwarzer vom Gangsterboss Kaminski, auf seine Bitte hin aus dem Geschäft auszusteigen, nacheinander durch Einschüsse in Lackfässer über ihn mit schwarzer, dann gelber, und schließlich roter Farbe übergossen wird - wohl ganz klar platt-symbolisch für die deutsche Bundesflagge stehend, die den Emigrierten somit aufgrund seiner einzigen, ihm "zutraubaren" Berufswahl in Deutschland, der Kriminalität, asozial unterwirft, in den Moloch zwängt.

Schließlich muss er für den Boss kuschen, wird "Bimbo" gerufen und muss jeden erdenklichen Dreck erledigen, den man von ihm verlangt. *SPOILER* Bis er schließlich brutal zurückschlägt, sich danach aber im Angesicht drohender Verhaftung selbst richtet *SPOILER ENDE*, in einem Film, der ohne Hoffnung, Menschlichkeit, aber mit reichlich Selbstgefälligkeit, Abtrünnigkeiten, Perversionen und Scheiß-egal-itäten versehen ist; in dem Gewalt die Macht ist, das "Gesetz" wie das Verbrechen keine Grenzen und Obrigkeiten mehr kennt, rücksichtslos in die Fresse schlägt; bizarrerweise in ein Comedy-Ende mündet, dass an MÄNNERWIRTSCHAFT erinnert, in kompakt-rasanten 88 Minuten (PAL-DVD-Laufzeit).

Somit also das kinetischste, räudigste Crime-Kino, dass man sich aus deutschen Landen wünschen kann, gleich neben BLUTIGER FREITAG und zahlreichen weiteren Rolf-Olsen und Ernst-Hofbauer-Milieu-Knallern.




DAS NETZ - Ein ganz entspannter Italo-Thriller von Manfred Purzer, über einen verblendet-hochkultivierten Schriftsteller Aurelio Morelli (Mel Ferrer), der von Reporter Bossi (Klaus Kinski) umgarnt wird, seine mörderischen Memoiren rauszurücken, für mächtig viele Lire.
Morelli zieht sich zum Schreiben in die verträumte Provence zurück, wo er die Zeit auch gerne damit verbringt, tote Fische aus dem von Kühlwasser verseuchten Fluss zu begraben. Doch die Schlinge zieht sich immer weiter zu, als die Polizei in Rom ihm langsam auf die Spur kommt, obwohl Bossi ihn lange zu decken versucht - um die ganze Story seiner Frauenmorde für seine Gazette zu erlangen.

Purzer inszeniert die eigentlich recht reißerische Krimi-Geschichte mit ganz viel Feingefühl (und toller Kameraarbeit), strahlt eher Leichtlebigkeit und Atmosphäre aus (und lässt eigentlich jeden Mord im Off); gestaltet auch seinen Mörder wehmütig, ruhig und tagträumerisch (selbst das Finale liefert keine richtige Auflösung, eher Fassungs- und Machtlosigkeit). Vergisst dabei aber auch nicht eine gute Portion Sleaze und nackte Haut, die sehr schön zum sonnig-fiebrigem Ambiente passt.

Ein wunderbarer Film, um cinephile Nächte angemessen ausklingen zu lassen.




NACHTS, WENN DRACULA ERWACHT - Franco akzentuiert genau das, was mir bei der Ansicht unzähliger Dracula-Verfilmungen immer am Liebsten war: Atmosphäre. Da ist es mir letztendlich vollkommen gleich und absolut nebensächlich, wie unbeholfen das Schauspiel teils daherkommt, wie "kostengünstig" die Effekte sind und wie ultravorsehbar die Handlung ist - das Hauptaugenmerk liegt einfach vollkommen woanders. Neben Hans W. Geissendörfer's "JONATHAN" und Carl-Theodor-Dreyer's "VAMPYR" wohl der beste cineastische Vertreter surreal-eindringlicher Vampir-Gothik.




DIE MACHT DER BILDER - 3-Stunden-Doku über das komplette Schaffen Leni Riefenstahl's. Mit ihr, inzwischen 90-jährige Oma, im ständigen Interview. Enthusiastisch berichtet sie von ihren ereignisreichen Dreharbeiten unter Arnold Fanck und ihren Beweggründen für die Gestaltung ihrer Regiearbeiten, geht vorallem detailliert auf ihre ästhetischen Methoden ein. Aber wenn dann wieder das Nazi-Thema angesprochen wird, liefert sie schon recht bemüht (weil das ganze Nachkriegsleben damit konfrontiert) Pro- und (weit mehr)-Kontra-Argumente über ihre Mitschuld, begründet sich so, dass sie apolitisch war und einfach eine schöne Inszenierung abliefern wollte, auch weil sie dem Hitler verfallen war wie alle Anderen auch, sie unter anderen Lebensumständen die Kommunisten in Russland genauso inszeniert hätte, etc. etc. Die Doku an sich ist aber ausgeglichen genug, um sich für keine Seite fest zu entscheiden. Im Endeffekt muss man sowieso selbst wissen, wie man dazu steht, Kunst vs. Verantwortung vs. Politik. Dafür liefert der Film zu dem Thema aber auch den definitiven Anreiz.




SUPERMAN: DOOMSDAY - Gelungene "Umsetzung" der DEATH AND RETURN OF SUPERMAN-Story aus den 90ern. Die hier animierte Action und Zerstörung fand erst 6 Jahre später ihr Kino-Äquivalent. ;) Und auch die emotionalen Punches zünden richtig gut! - bislang leider noch nicht in Deutschland erschienen, aber Pflichtmaterial für jeden Fan.




S.O.S. EISBERG - Trotz Tonfilmaufnahme konnte Regie-Veteran Arnold Fanck den Mitteln des Stummfilms nicht komplett abschwören und erzählt dieses recht spannende Expeditionsabenteuer fast ausschließlich, aber teils beeindruckend-impressionistisch, visuell - stellt dabei (wie gewohnt in seiner Filmographie) die Natur(-aufnahmen) und das Spektakel der physischen Bezwingung dieser durch den Menschen in den Vordergrund, begleitet von symphonisch-epischer Orchestermusik (die auch zum Schluss hin "Im Frühtau zu Berge" anstimmt) und seiner naiv-dreinblickenden Stammschauspielerin Leni Riefenstahl, die Fanck offensichtlich zu ihrem größten Lehrmeister in Sachen Film zählte.

Der Natur-und-Abenteuer-Bombast, der einem hier entgegenschlägt, kann einem aber manchmal auch zu viel werden. So kommt es auch, dass für mich ab der Hälfte des Films eine gewisse Übersättigung eintraf, auch weil nicht wirklich viel erreicht wird, dem Zuschauer der Überlebenskampf der Protagonisten in den Eisschollen dennoch stetig bewusst bleibt. Somit herrscht konstant Bewegung und auch der Schnitt bleibt konsequent rasant, gibt der Dramatik das nötige Gewicht, so dass man dennoch von einem gelungen-unterhaltsamen Film seiner Zeit sprechen kann, der auch heute noch gut funktioniert, obwohl die Charaktere im Vergleich zum Setting bloße Schachfiguren bleiben.

P.S.: Vorsicht, leichter Tiersnuff.




TOPLINE: DIE SCHLAGZEILE - Ein Italo-Groschen-Abenteuer in Kolumbien spielend, welches ganz unansprechend anfängt, als hätte Franco Nero einfach mal im Urlaub nebenbei einen Film gedreht, dann aber nach 20 Minuten in obskur-spaßige Gefilde vordringt, die bis hin zu den unfassbaren letzten 30 Minuten das Herz jedes Trash-Liebhabers begeistern dürften. Dabei bleibt es inszenatorisch konstant diletantisch-entspannt und schnarchig-flach, dass man neben der abstrusen Handlung mit ihrem unfähigen Helden vorallem das schöne Setting genießen kann. Das allein macht den ganz-low-budgierten Film schon recht sympathisch, aber in der schon oben erwähnten letzten halben Stunde gelingt dem Film eine aberwitzige Wende ins unbeholfen-pulpige Italo-Sci-Fi, dass man als Genrefan schon allzu gut aus Filmen wie MIAMI GOLEM oder ASTARON kennt. Das der Film dann an Tempo zulegt, kann ich guten Gewissens zwar verleugnen, aber unterhaltsam bekloppt bleibt er trotzdem. Ich mag ihn :)




GEFANGENE DER LIEBE - Solides Heimkehrer-Melodram, dass sich allerdings im Verlauf immer mehr von seiner bittersüßen Bewältigungs-Menschlichkeit abwendet und relativ platt-alltägliche Vaterschafts- und Beziehungsverstrickungen durchspielt, als Sinnbild für den Nachkriegs-Identitäts-Konflikt dennoch gut funktioniert. Unterstützt wird dies durch das authentische Spiel von Curd Jürgens und Annemarie Düringer, sowie durch die stimmungsvolle, wenn auch noch stark von Harlan-geprägte Kameraarbeit Bruno Mondi's. Es waren sich offenbar alle (reflektiert in der Handlung) noch recht unschlüssig, in welche Richtung das deutsche Kino weitergehen sollte.




DER MÖRDERCLUB VON BROOKLYN - Ein Hoch auf die vergnügliche Zugsequenz dieses G-Man-Krimis, der mit Leichtigkeit die CGI-Zugsequenz des aktuellen X-Men-Spin-offs übertrifft (allein vom Soundtrack und Stuntwork her) - ähnlich toll: die finale Verfolgungsjagd. Ansonsten allerdings nur eine vorhersehbare Standard-Groschenroman-Verfilmung ohne besondere Härten, übermäßig witzige Sprüche oder psychotronische Einschläge, dafür aber mit kurzweiligen Pustekanonen-Actionszenen, einigen netten Herbst-Settings und einem schmissigen Easy-Listening-Score von Peter Thomas. Besonders sehenswert: redundantes, minderwertiges Bluescreen-Compositing an allen Ecken.

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