Sonntag, 4. Mai 2014

Tipps vom 28.04. - 04.05.2014

Servus, liebe Leser! In den letzten Wochen habt ihr sicherlich bemerkt, dass die wöchentlichen Filmtipps seit Ostern etwas kleiner ausgefallen sind. Inzwischen dürfte ja dem ein oder anderen auch bekannt sein, dass ich in dieser Zeit schwer an meinem neuen Kurzfilm 'DER UNENDLICHE PLANET' gearbeitet habe und ihn sogar diese Woche schon on demand veröffentlichte. Sodann könnt ihr davon ausgehen, dass in nächster Zeit wieder mehr Filme an dieser Stelle besprochen werden - diese Woche allerdings sind wir wieder nur bei 3 interessanten Werken angekommen, welche ich aber auch recht umfassend bespreche, also hoffe ich, dass das zumindest ein kleiner Trost für euch ist. So oder so, wünsche ich nun viel Spaß beim Lesen :)




IMMENSEE - Mit knapp einem Jahr Abstand besuchte ich zum zweiten Mal diesen Film vom stets heiklen Veit Harlan. Ich konnte damals nicht viel anfangen mit dieser Art von Genrearbeit, einem auf Theodor Storm basierend Heimatfilm-Drama, dem zeitweise Tendenzen zur Blut-&-Boden-Ideologie nachgesagt werden, worauf man hinsichtlich der Entstehungszeit und früherer Arbeiten des Regisseurs schnell schließen könnte, wenn man nur oberflächlich-ideologisierend hinschaut, wie ich es einst auch tat. Jenen Vorwürfen wird allerdings durch das gegenseitige Verständnis verschiedener Lebensarten zu Filmschluss das versöhnliche Gegenteil bewiesen, doch dazu später mehr.

Im Vordergrund steht nämlich die komplizierte Dreiecksbeziehung zwischen Carl Raddatz als Reinhardt Torsten, Kristina Söderbaum als Elisabeth Uhl und Paul Klinger als Erich Jürgens, die als junge Menschen im Dorf Immensee einer heimatlichen Romantik frönen, die in strahlenden See-Schwimmereien und Symphonie-Klängen gehüllt wird, während sich die Sonne am Horizont erneut zur sehnsuchtsvollen Energiequelle des Lebens profiliert. Genauso lyrisch, wie Bruno Mondis Bilder diese idealistisch-erblühende Idylle einfängt, versuchen es unsere Protagonisten in Worten und seliger Körpernähe.


Doch der Drang zur Sonne, zum Leben hinter dem Horizont, begeistert den jungen Komponisten Reinhardt, welcher dadurch seine naiv-süßliche Elisabeth misstrauisch macht, die ihn am Liebsten stets bei sich wissen möchte. Doch so wie er sie liebt, liebt er auch seinen 'Glauben' zur Musik, zu Bach, Beethoven und deren ewigen Klängen. Diese beiden Lieben versucht er sodann stets unter einem Hut zu kriegen, selbst wenn sie seiner Ausbildung wegen getrennt voneinander leben müssen: u.a. widmet er seinen Erinnerungen mit Elisabeth ganze Kompositionen (als Ersatz für seine Unfähigkeit, auf ihre sehnsüchtigen Briefe ebenbürtig ausdrucksvoll zu antworten) und möchte diese nur mit ihr, unter Ausschluss der Öffentlichkeit, teilen.


Zudem verbindet sie das Symbol der Seerose - gepflückt im jugendlichen Eifer, vom Ufer mit Schlingpflanzen -, das stets an vergangene Zeiten erinnert und wie ein empathisches Denkmal durch den Narrativ schwebt, ähnlich wie das ewig-junghaltende Foto von Elisabeth, dass Reinhardt durchweg bei sich trägt (die emotionale Macht der Standbilder - ein beliebtes Thema bei Harlan). Doch das leidenschaftliche Stadtleben und die erquickende Karriere bewegen ihn innerlich derartig, dass sich mit den Jahren auch sein Liebesverständnis verändert bzw. auf andere Ebenen verlagert.


Er denkt trotzdem, dass er eines Tages ohne Wenn und Aber zu ihr zurückkommen kann, auch wenn er u.a. kaum zu Besuch kommt, jenes Foto von ihr an sie zurückschickt und sein Herz an die Opernsängerin Lauretta (Germana Paolieri) in Italien verliert - wo er sodann sogar zulässt, dass sie seine Liebeslieder an Elisabeth der Welt vorträgt. Durch ihre Stimme und ein ergänzendes Top-Orchester erscheinen sie durchaus anders, "wie Verdi", als in intimer Präsentation mit Elisabeth als Gesangstimme und der Heimorgel als archaischen Noten-Speier, stellt er gefühlsmäßig fest. Gleiches gilt auch für die innige Aussicht zum Nachthimmel, der eigentlich überall gleich ausschauen müsste, aber an diesem Fleckchen Erde ein bisschen anders leuchtet: nichts wirkt wirklich so wie früher, aber dahin kann man doch durchaus wieder zurück, denkt sich Reinhardt.


Dies stellt sich als Trugschluss heraus, erzielte er doch bei Elisabeth durch seine permanente Abwesenheit eine emotional-bittere Verwahrlosung, die trotz aller profunder Herzensstärke von stetig vermehrenden Enttäuschungen kontinuierlich herbeigeführt wurde und ebenso die Symbole der Einigkeit aufgab, wenn auch in diesem Fall besonders schweren Herzens - insbesondere der kleine Vogel, den sie nach ihrem Liebsten benannte, welcher eines Tages starb und sodann von ihr ermattet-trübselig im Garten begraben wurde, zusammen mit einer Seerose (eine besonders ergreifend-leidvolle Szenenfolge, ähnlich stark wie die tränenreichen und nach Hoffnung greifenden Abschiede Elisabeths von Reinhardt am örtlichen Bahngleis).


Doch da kam der schüchterne, doch charmante Erich zur Stelle, der aus humanistisch-verständnisvollen Beileid bereits einen neuen Vogel mitbrachte, unwissend der tieferen Bedeutung des gestorbenen Tieres für Elisabeth. Er war ohnehin schon seit Ewigkeiten in sie verliebt und bekam von ihr letztendlich die Chance zum Glück der Zweisamkeit. Nun sind sie verheiratet, doch Elisabeth bleibt unzugänglich in ihrem anhaltenden, inneren Schmerz. Als sich Reinhardt jedoch nach langer Zeit wieder im Dorf blicken lässt, erfährt er durch seinen alten Kumpanen Erich keineswegs eine eifersüchtige Abfuhr (er selbst übt ebenso keine Eifersucht, nur bescheidene Melancholie hinsichtlich der vollzogenen Heirat), wird stattdessen von ihm eingeladen, seinen Herbsturlaub beim jungen Ehepaar zu verbringen.


Der Grund dafür ist verständlich: durch die Ergänzung von Reinhardts Anwesenheit fängt Elisabeth wieder zu blühen an, präsentiert einen Lebenswillen, der scheinbar die Jahre der Jugend wieder in ihr aufflammen lässt. Doch ihr Gewissen hindert sie schlussendlich daran, zu Reinhardt zurückzukehren, selbst als Erich sie vollkommen selbstlos und demütig freigibt, damit sie ihren eigenen Lebensweg wählen kann. Sie entscheidet sich nun mal für den, der sein Glück für sie opfern würde, anstatt für den, der nach seinem persönlichen Glück strebt. Im gemeinsamen Einvernehmen trennen sich erneut Elisabeths und Reinhardts Wege, wobei Letzterer noch immer stets der magischen Sonne und dem abwechslungsreichen Leben entgegen wandert, was hinsichtlich seiner Kunst auch sein gutes Recht ist.


Jahre später jedoch treffen sich die Beiden wieder und schwelgen gleichsam in Erinnerungen, wobei vor allem er noch immer am Liebsten die alten Kompositionen über Elisabeth mit Orchester aufbereitet. Doch auch wenn Erich inzwischen verstorben ist, beschließen Reinhardt und Elisabeth voller innerer Sehnsucht, doch ebenso respektvoller Bescheidenheit, weiterhin nicht zusammen zu ziehen. Ihre Liebe füreinander scheint unzerbrechlich hinsichtlich der Vergangenheit, doch ihre Herzen akzeptieren die Distanz, basierend auf den gewünschten und beidseitig geduldeten Lebensverhältnissen. Gegensätze ziehen sich an, bleiben hier jedoch entschieden Gegensätze, nur eben mit empathischer Toleranz zueinander.


Ein bittersüßer Schlusspunkt, welcher die poetisch-emotionale Symbolfokussierung des Narrativs und die ebenso lyrischen Gestaltungsparameter Harlans ergreifend komplettiert. Seine Romanze im Zwiespalt lebt durchgehend von eindrücklichen Schwelgereien über das allgegenwärtig-sonnige Ambiente jeder Lebenseinstellung und der jungen, unschuldig-sinnlichen Liebe, kann aber aufgrund individueller Selbstbestimmungen und Wünsche nicht konventionell bestehen bleiben, selbst wenn man versucht, die Erinnerungen vom Zurückgelassenen in der Ferne adaptiert zu präservieren - so wie es Reinhardt und seine Musik durch die genial-suggestive Inszenierung Harlans in den massiv-empfänglichen Oper-Hallen & temperamentvollen Menschen Roms versuchen.


Passend dazu steht auch die Beziehung zwischen Elisabeth und Erich, die offenbar nur aufgrund der Heimatverbundenheit funktioniert, sich aber noch immer an den Verheißungen und Schönheiten des Vergangenen klammert, was auch dann nicht aufhört, wenn man sich trotz aller emotionaler Vorteile für die demütige Gegenwart entschieden hat. So entsteht im Ying-Yang-artigen Umkehrschluss eine geradezu platonische Dreiecksbeziehung; eine ewige Freundschaft, die sich stets heiß und innig zueinander sehnt und dennoch ehrfürchtig Entsagung übt - beispielhaft dazu sei genannt, wie die Kamera/Reinhardt über das Wasser der Elbe hoffnungsvoll hinauf zum Horizont blickt und am Ende des Weges, also hin zu Elisabeth, die abgeklärte Rückkehr zum gegenüberliegenden Ufer des Wassers antritt, wo aber auch wie erwähnt bereits die wunderbare Sonne wartet.


Von daher ist 'IMMENSEE' per Definition zwar natürlich ein Heimatfilm, jedoch keiner, der auf seine urtümlichen Werte pocht, sonder einer, der stets die Verbindung zum Äußeren und zum individuellen Glück suchen will. Der zwar in der Wechselwirkung der Gefühle keinen gemeinsam-erfüllenden Nenner finden kann, aber stets sympathisch und innerlich liebevoll gegenüber dem Andersartigen bleibt - selbst wenn Enttäuschungen und Missverständnisse die jeweiligen Herzen verwirren und auseinander bringen: sie pochen stets füreinander und das gar nicht mal so plakativ-kitschig, sondern psychologisch nachvollziehbar und einfühlsam. Ganz stilecht im malerisch-warmen, sorgfältig-montierten Agfacolor und den darin eingebetteten, hautnah-agierenden Menschen. Humane Poesie auf Zelluloid, die über den Schatten des dritten Reiches hinweg erhalten geblieben ist und mehr ein Zeichen christlicher Versöhnung setzt, als alles andere - wahrlich eine Wiederentdeckung wert.




WETTERLEUCHTEN AM DACHSTEIN - Anton Kutter, der seine Karriere schon vor dem dritten Reich begann, darin allerdings als einer der wenigen Filmschaffenden Versuche von Sci-Fi-Streifen unternahm (woraus später der Zusammenschnitt 'WELTRAUMSCHIFF 1 STARTET' geborgen wurde), war, wie man sich wohl hinsichtlich jener Ära gut vorstellen kann, kein Unbekannter im Genre des Heimatfilms. Auch nach dem Krieg tobte er sich in diesem Feld aus, wobei jener Film hier offenbar eines der krasseren Beispiele seines Gesamtwerkes darstellen soll.

Zwar ist sein semi-düsteres Salzkammergut-Drama keine allzu packende oder bizarre Angelegenheit und verliert im Verlauf ein gutes Stück innerer Spannung, beherbergt allerdings auch manch aufbrausende Elemente. So hält er seinen Mikrokosmos des Tiroler Salzerhofes, geführt von der Witwe Jutta Salzer (Gisela Fackeldey), in blassem, trostlosen Schwarz-Weiß und dicken Nebelwänden, welche vor allem anfangs wunderbar grantig und statisch einen Schleier der Bedrohung brodeln lassen - speziell hinsichtlich der Hofbesitzerin, die einsam und verschlossen ihren Lebenswillen allmählich niedersinken lässt und zum zynisch-missmutigen Biest ihrer Umgebung mutiert, während sie stets vom Echo des Dynamits penetriert wird, mit dem das Salz aus den Tälern geborgen wird.


Sodann schlägt sie auch herzlos alle Warnungen vom Einsturz jener abgebauter Höhlen nieder. Das Desinteresse gegenüber ihrer sozialen Verantwortung nimmt aus Frust heraus Überhand, lässt ihr aber in ihrer bornierten Ziellosigkeit noch immer Raum für herrische Besitzansprüche - insbesondere, wenn es um den Großknecht Hannes (Pero Alexander) geht, welcher schon länger mit ihr eine Beziehung anstrebt und einstweilig von ihrer Aura gefangen zu sein scheint. Der Ansatz seiner Einsicht folgt schon bald, mit einer Handlung der jähzornigen Natur (die dem alten Testament entsprungen sein könnte und Jutta wohl belehren soll) als nämlich eine Bergwand bei Sturm & Blitz einreißt, 6 Menschenleben beansprucht und den Wasserfluss im Hof unterbricht. Lediglich ein Bub konnte die Katastrophe als Waise überleben, welcher nun in die Obhut des Salzerhofes kommt und dabei vornehmlich von der Magd Christl (Marianne Koch) umsorgt wird, deren Charakter die blanke Güte in Heimatfilm-gemäßer Romantik manifestiert.


Und so verlagert sich der Film schließlich auf das schüchterne Glück ihrerseits, da sich der Hannes, trotz seines inneren Banns an die Gutsherrin (forciert durch Reverb-Beschwörungen ihrer Stimme im Hirn) allmählich von dieser abwendet und mit der Christl anzubandeln beginnt - wobei auch der alte Schäfer, schlicht "Tiroler" (Eduard Köck) genannt, seine einflussreichen Hände bei dieser erstrebten Einigung im Spiel hat. Jutta (und ihre Darstellerin) ist vor seelischer Enttäuschung und Raserei kaum noch aufzuhalten und verweist Hannes des Hofes, weshalb er aber auch recht nachvollziehbar das Angebot annimmt, mit Christl eine Bergwanderung zu unternehmen. Schließlich scheint die Natur sich wieder erholt zu haben und vermittelt eine Idylle, die soviel langweiliger auftritt als jene von den brachialen Momenten Juttas Jähzorn; als das Land nämlich noch so unfruchtbar dreinschaute wie der Friedhof aus der 'NACHT DER LEBENDEN TOTEN', was der Soundtrack Herbert Jarczyks ebenfalls entsprechend würdigte.


In der darauffolgenden Ruhephase sei aber auch jene Szene erwähnt, als Hannes und Christl in die Eishöhle gehen und dort bei elektronisch-schrägen Orgel-Tönen (siehe 'CARNIVAL OF SOULS') inmitten der tropfend-weißen Katakomben den Grundstein für ihren jugendlichen Frohsinn einer neuen Liebe setzen. Solch eine auffällige Bild/Ton/Inhalt-Schere möchte wohl ähnlich wie in G.W. Pabsts 'GEHEIMNISVOLLE TIEFE' romantische Mystik ausdrücken, verstärkt aber nochmals das Gefühl der Unentschlossenheit, das diesem Film zugesetzt worden ist. Knapp die Hälfte der Laufzeit bekommt man kaum noch was von Jutta mit, fühlt sich wie in einem normalen Heimatschwank und muss zudem die provinziellen Comic-Relief-Peinlichkeiten einer Jutta Bornemann als Hausmagd Cilly (wohl eher 'Silly') ertragen, während allgegenwärtig die malerisch-verblendende, aufdringliche Zither erklingt.


Eine leidliche Ablenkung von der innewohnenden Spannung des Stoffes (= Jutta), aber auch eine stilistisch-verharmlosende Ernüchterung des Gesamteindrucks. Gottseidank schreitet gegen Ende hin nochmals der Zorn der Jutta über das Tal hinweg und so scheint es auf einmal so, als ob die Natur nun in ihrem Auftrag arbeitet und somit als urgewaltiges Racheinstrument das junge, ihr unbequeme Liebesglück in Eismassen und umstürzenden Bäumen schüttet. So weit wollte sie selber jedoch gar nicht gehen, da ist die Natur dann doch zu eigenmächtig und scheint sie für ihren Fehler verurteilen zu wollen. Doch wie zuvor folgt daraufhin erneut eine heile Welt, denn das Tal hat Gnade bewiesen, ein sonniges Happy-End herbeigeführt und der Jutta sogar trotz verlorener Liebe doch noch den Waisenjungen Peter als Sohn/Trostpreis geschenkt. Und auch dort schreitet der weise, vermittelnde Schäfer, der "Tiroler", mit gewissem Lächeln und dem Wanderstock in der Hand davon - ist er gar selbst eine göttliche Gestalt/Vertretung?


Er scheint jedenfalls zusammen mit der alles-umgebenden Natur das soziale Gleichgewicht im Zaum zu halten, Gerechtigkeit walten zu lassen, Zuckerbrot & Peitsche auszuteilen, wenn seine Mitmenschen von sich aus einen Fehler begehen. Da ihre Beweggründe für jede noch so perfide Tat auch stets nachvollziehbar sind, bleiben wahrlich fatale Folgen für die Hauptpersonen aus - sie werden im Innern letzten Endes stets zusammengehalten. Dies ist dann leider auch die größte Schwäche von Kutters Film, da er durchaus sein Risiko ausspielen kann, aber nicht weit genug gehen möchte, der bequemen, Genre-gemäßen Gnade willen. Im humanen Sinne ist das durchaus lieb gemeint und bietet dennoch den ein oder anderen Nervenkitzel sowie schön pflaumige Stimmungen und Darstellerleistungen. Doch insgesamt bleibt er dadurch weit hinter seinen Möglichkeiten zurück, auch wenn das Glück mit der jungen Marianne Koch durchaus was Reizvolles hat: ich hätte lieber eine biblische Zersetzung sonders Gleichen, sprich "mehr Jutta" erlebt. Naja, kann man ja nicht immer haben.




SALLY - HEISS WIE EIN VULKAN - Neues aus der Kategorie "Das Gehirn gibt auf". Wer zufälliger Weise bereits auf Tuchfühlung mit den Werken des Hans "Barny" D. Bornhausers ging, hat dabei auch sicherlich schon mal Bekanntschaft mit seinem zerfahrenen Selbstironie-Wust 'LUSTIG IST DIE JODELEI BEI DER FUMMELFILMEREI' gemacht - eine hysterische Random-Erotik-Klamauk-Hetzerei, der ich persönlich nur knapp 30 Minuten am Stück folgen kann. Knapp ein Jahr zuvor erschien dieser wahnwitzige Prototyp, der kaum mehr Sinn ergibt und in seiner permanenten Unfähig- & Planlosigkeit ebenso die Fontanelle zermartert. Dabei gibt er sich stets mutig und selbstbewusst, schleudert seine eigenen Regeln jedoch durchgehend anarchisch gegen die Wand und schmeißt noch weit mehr wahllose Genre-Zutaten zum matschigen Filmbrei dazu.


Da hätten wir zum einen die "Rahmenhandlung", in welcher Karin Lorson als Sally uns Zuschauern direkt und keck eine frech-frivole Reportage verspricht, welche - an 'Vorsicht, Kamera' angelehnt - die Männerwelt mit nackten Tatsachen verwirren und foppen, als schweinisch-hormonfixiertes Pack entpuppen möchte. Dies gestaltet sich aber so, dass die Frauen dominant zur Tat schreiten und die Kerle verlockend aufgeilen, um sie daraufhin für ihre berechtigte Lust lächerlich zu machen (und dafür auch mal eine Vergewaltigung kassieren - welche aber dann doch nicht so schlimm ausfällt?!). Voll Banane! Noch irrer erscheinen sodann aber die spekulativen Technik-Vorstellungen des Bornhausers, der die 'versteckten' (durchweg inszenierten) Live-Aufnahmen per Monitor verfolgen lässt - und das obwohl alle Aufnahmen auf 35(?)mm gebannt sind. Wo sich die jeweiligen, 'portablen' Cams dann befinden sollen, ist ebenfalls (für seine Zeit) recht utopisch durchdacht worden. Mithilfe von GoPro und Iphone ist heutzutage allerdings insofern so einiges möglich geworden, speziell was das geheime Einfangen von POV-Pornographie betrifft - da muss man dem Bornhauser einen gewissen Weitblick zustehen, auch wenn er wohl kaum Durchblick hatte.


Jene Reportage "Sallys" wird sodann nämlich nicht nur mit Flashbacks in ihre eigene sexuelle Vergangenheit, sondern sogar ständig in der Brechung der vierten Wand unterbrochen, schließlich befindet man sich in einem Filmstudio (jenes, das Bornhauser im real life besaß), wo noch so allerhand mehr geschieht, in Spielfilmform wohlgemerkt = pures, inszenatorisch-erzählerisches Chaos. So erleben wir Bornhauser selbst, der als Showbiz-Guru vor und hinter der Kamera Filmemachen spielt und Weiber beim Casting klar macht, während er eingedeckt von Promomaterial zu 'SEMMEL, WURST UND BIRKENWASSER' und anderen Film(sowie Verkehrs- und Polizei-)-Plakaten die Kamera im Zoom-&-Jumpcut-Rausch auf letztgenannte loslässt und dennoch nicht vergisst, die prallen Vorzüge der Darstellerinnen ins rechte Licht zu rücken.


Ab und an legt er aber auch einen Fokus auf motorisierte Spielzeugtiere, die immer irgendwo an den Sets rumkrabbeln, anstatt sich auf eine kohärente Vermittlung der jeweiligen Szene zu konzentrieren - da nahm er wahrscheinlich alles, was er gerade irgendwo finden konnte und "toll fand" und baute es offenbar wahllos ein (auch wenn man darin mit ganz viel Fantasie eine Metapher zur mechanisch-mühsamen Maloche des Schauspielerberufes sehen könnte). Er jagt ohnehin von einem Subplot zum nächsten, hin und her und zwischendurch, wobei jeder einzelne 'Handlungsstrang' lediglich die stets wiederholende Erzählung eines bestimmten Gags repräsentiert, anstatt auf Charakterentwicklungen oder überhaupt ein narratives Ziel hinzuarbeiten. Die Folge ist ein klamaukiges Irrenhaus: ein Regisseur dreht blutige Krimi-Szenen (das war scheinbar schon der Witz), ein Bäcker wird von schwulen Assistenten belästigt, ein fescher Bengel knallt alle Frauen durch und Sallys Reportage macht sowieso ihr sinnbefreites Ding.


Die Synchro muss das alles letztendlich richten und tut sich hierin besonders schwer blödelnd, um noch eine gewisse Kontinuität aufrechtzuerhalten, selbst wenn man dafür ständig dilettantisch-asynchrones Übergestammel in Kauf nehmen muss - wo die visuelle Ebene doch schon an akutem ADS leidet. Eine wahrlich anstrengende und in ihrer chaotischen Aufdringlichkeit schnell ermüdende Angelegenheit. Dass die schön anzusehenden Darstellerinnen sich nimmer generieren sich zu entblättern, ist da noch eine äußerst tröstliche Zugabe - verbunden mit dem originären 70's-Charme des gesamten Ambientes -, verpasst aber wie jeder beliebige CFNM-Porno mit vollem Schub den Eingangsgedanken von der Verballhornung der Männerwelt. Da appelliert Sally dann auch zum Schluss - nach einer endlosen Reihe durchgepeitschter Sketch-Wirrheiten und noch weit mehr gleichgültige T&A - recht inkonsequent an das weibliche Publikum, dass es selber doch auch lieber Frauenkörper sehen will, als einen Typen im Adamskostüm. Und ohnehin sollte man als Frau mal die Initiative in die Hand nehmen und die Kerle hormongetrieben anmachen/flirten.


Das klingt wie ein Echo der sexuellen Revolution und Emanzipation jener Produktionsära, macht aber die 'entlarvende' Reportage des Films mit einem Schlag rhetorisch-nutzlos und heuchlerisch. Womöglich steckt da aber auch ein Stück parodistische Kritik von Seiten Bornhausers aus drin, spielt er doch teilweise explizit auf die (Hier beliebigen Begriff einsetzen)-Reports jener Zeit an und lässt durch sein Sprachrohr Sally deklarieren: "Diese Filme sind auch nicht der Weisheit letzter Schluss". Ein interessanter Ansatz, der leider nur schlicht beiläufig als Jux aufgegriffen wird und in einem überwältigend-überfüllten Schwall pubertärer Amateur-Ulkigkeiten und Badewannen-Fummeleien untergeht.

'SALLY - HEISS WIE EIN VULKAN' ist das schillernde Beispiel eines filmischen Verständnis, das mit bloßer Entfaltung aller Genre-spezifischer Zutaten die Erfüllung eines durchgehenden Unterhaltungsfaktors sieht, ohne diese aber in einen stimmigen, gar nachvollziehbaren Rahmen zu setzen. Letztendlich wirkt er dadurch höchst schludrig zusammengeschustert und ungreifbar-belanglos, sogar trotz aller plakativer Hysterie witzlos und lahmarschig (weit mehr noch als bei der FUMMELFILMEREI), weil eben nichts Handfestes zustande kommt, erst recht im Vergleich mit jedem beliebigen, episodenhaften Reportfilm (wo die Episoden an sich ja immerhin geschlossene Geschichten ergeben wollen - und mögen sie noch so formelhaft sein). Aber auch hier gilt: man muss es gesehen haben, um es zu glauben. Wer nämlich meint, dass man einen blöden Sexfilm in seinen Grundeigenschaften kaum wirklich vermasseln kann, der kennt noch nicht die mal mehr, mal weniger gelungene, unqualifizierte Über-Ambition des Barny Bornhausers.

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