ich brauche wirklich mal einen Tag mehr
am Wochenende. Das wünscht sich wahrscheinlich jeder von euch, in
meinem Fall hat sich nur wieder mal gezeigt, dass vieles, was man die
Woche über erlebt hat und zum Schluss hin vermitteln will, nicht
früh genug niedergeschrieben werden sollte. Und damit meine ich jetzt nicht nur die Veröffentlichung der Trailer für jetzt schon ungelogen extrem essenzielle 2017-Filme wie „Bibi und Tina - Tohuwabohu Total“ (Reflexionen und ungestimmte Töne über Willkommenskultur wie Rechtspopulismus in der kuriosesten Kinderfilmreihe überhaupt? Sign me up!) und „Tranformers: The Last Knight“ (aka „Und jährlich grüßt das Fest der digitalen Gewalt zwischen Dehumanisierung, Jingoismus und zelebrierter Hoffnung“).
Auf den letzten Drücker (wie oft habe ich den dieses Jahr schon erwähnt?) muss man also erneut raffen, was das Zeugs hält, obgleich man den Lesern etwas bieten will und trotzdem im Hinterkopf bedenkt, dass von den letzten zwei Filmabenden unter BFFs noch knapp ein Dutzend nennenswerter Unglaublichkeiten übrig bleibt – die ich an dieser Stelle nicht nenne, weil sie in der Zukunft nochmal auftauchen könnten, die Chance muss ich ihnen gönnen. Addiert man dazu den Gang in Pressevorführungen für Filme, deren Sperrfristen bis in die Unendlichkeit reichen, muss so oder so noch eine Doppelschicht an Schreibarbeit eingelegt werden, ob man nun für diese vorarbeitet oder schauen muss, dass in der Zwischenzeit genug Lesestoff zum Weekend aufbereitet werden kann. Ich weiß, das alles ist ein Druck, den man sich selber auferlegt und hauptsächlich von der eigenen mentalen Sprengkraft abhängt, auf welche nur die Wenigsten wirklich angewiesen sind. Aber warum sollte ich denn nicht um diese Ambitionen und Inspiration kämpfen, wenn ich für so eine Ausgabe wie die von letzter Woche echten Stolz empfinde? Nicht, dass ich dieses Mal keinen inne hätte, schließlich habe ich mich bei den heutigen fünf Besprechungen auch mal an einen etwas optimierten Schreibstil versucht, der sich ein Stück weit „In der Kürze liegt die Würze“ auf den Rücken tätowiert und doch denselben Gehalt an Empfehlungsmotivation aussendet, den ich meinem eigenen Anspruch nach verfolge. Der gehört einfach dazu, auch wenn ich durchaus ständig zwischen den Stühlen stehe, ob das Projekt Bloggen nun Fluch oder Segen ist.
Wie dem auch sei, ist jedenfalls erneut ein spannendes Spektrum an kurios verbundenen Werken zusammengekommen, das mit unkonventionellen Methoden abseits ihrer jeweiligen Genres in den Idealen herumstochert, oftmals auch per (notwendiger?) Gewalt Veränderungen in Psyche, Körper und Umwelt bewilligt und gewiss nicht an Offenbarungen spart, wie sich die Depressionen zur Vergangenheit/Nostalgie erkennen sowie jenen entkommen lassen. Jeder Film hat da seine eigene Art, wie er mit den jeweils zentralen Kräften seiner Protagonisten auf die Bewältigung trifft, mit ihr kommuniziert, sich vor ihr fürchtet oder eine gemeinsame Heilung bis hin zur Unbesiegbarkeit anwendet, also sollten sich zumindest da einige Werte ergeben, mit denen auch dieser Blogeintrag great again wird, gelle? Darf ich euch überzeugen? Dann mal ab die Post, tut auch höchstens nur ein bisschen weh:
Auf den letzten Drücker (wie oft habe ich den dieses Jahr schon erwähnt?) muss man also erneut raffen, was das Zeugs hält, obgleich man den Lesern etwas bieten will und trotzdem im Hinterkopf bedenkt, dass von den letzten zwei Filmabenden unter BFFs noch knapp ein Dutzend nennenswerter Unglaublichkeiten übrig bleibt – die ich an dieser Stelle nicht nenne, weil sie in der Zukunft nochmal auftauchen könnten, die Chance muss ich ihnen gönnen. Addiert man dazu den Gang in Pressevorführungen für Filme, deren Sperrfristen bis in die Unendlichkeit reichen, muss so oder so noch eine Doppelschicht an Schreibarbeit eingelegt werden, ob man nun für diese vorarbeitet oder schauen muss, dass in der Zwischenzeit genug Lesestoff zum Weekend aufbereitet werden kann. Ich weiß, das alles ist ein Druck, den man sich selber auferlegt und hauptsächlich von der eigenen mentalen Sprengkraft abhängt, auf welche nur die Wenigsten wirklich angewiesen sind. Aber warum sollte ich denn nicht um diese Ambitionen und Inspiration kämpfen, wenn ich für so eine Ausgabe wie die von letzter Woche echten Stolz empfinde? Nicht, dass ich dieses Mal keinen inne hätte, schließlich habe ich mich bei den heutigen fünf Besprechungen auch mal an einen etwas optimierten Schreibstil versucht, der sich ein Stück weit „In der Kürze liegt die Würze“ auf den Rücken tätowiert und doch denselben Gehalt an Empfehlungsmotivation aussendet, den ich meinem eigenen Anspruch nach verfolge. Der gehört einfach dazu, auch wenn ich durchaus ständig zwischen den Stühlen stehe, ob das Projekt Bloggen nun Fluch oder Segen ist.
Wie dem auch sei, ist jedenfalls erneut ein spannendes Spektrum an kurios verbundenen Werken zusammengekommen, das mit unkonventionellen Methoden abseits ihrer jeweiligen Genres in den Idealen herumstochert, oftmals auch per (notwendiger?) Gewalt Veränderungen in Psyche, Körper und Umwelt bewilligt und gewiss nicht an Offenbarungen spart, wie sich die Depressionen zur Vergangenheit/Nostalgie erkennen sowie jenen entkommen lassen. Jeder Film hat da seine eigene Art, wie er mit den jeweils zentralen Kräften seiner Protagonisten auf die Bewältigung trifft, mit ihr kommuniziert, sich vor ihr fürchtet oder eine gemeinsame Heilung bis hin zur Unbesiegbarkeit anwendet, also sollten sich zumindest da einige Werte ergeben, mit denen auch dieser Blogeintrag great again wird, gelle? Darf ich euch überzeugen? Dann mal ab die Post, tut auch höchstens nur ein bisschen weh:
„Queen of Earth“ ist so ein
Fall, bei dem ich das Gefühl habe, man würde ihn mir schon seit
knapp einem halben Jahrzehnt als Empfehlung ans Herz legen, weshalb
es dann doch endlich mal mit der Sichtung klappen musste. Wie sich
herausstellt, geht Autorenfilmer Alex Ross Perry hier einen recht
angenehmen Weg Richtung psychologischen Horrors, innerhalb dessen die
kommunikative Nähe des Mumblecore schon einen Umgang abseits
geläufiger Drehbuchsprache mit sich bringt und diesen mit den
brüchigsten Zuständen des Zwischenmenschlichen verknüpft, ohne
auch nur eine Genre-Impulshandlung einzuarbeiten. Das größte
Spannungsfeld lässt sich da in der Verschiebung an Sympathien
feststellen, die permanent zwischen Catherine (Elisabeth Moss) und
Virginia (Katherine Waterston) pendelt, wie die Lebensstile
abgeblockter Gefühlsmäßigkeiten nur im Haus am See einen Austausch
erreichen, der seine Berührungspunkte teils passiv mit Häme lädt,
teils unter ironischem Vorwand Ängste und Beziehungsunfähigkeiten
als gegenseitige Sorge herauskitzelt, teils verdutzt auf die
Selbstzerstörung heult oder auch von allem davon rennt. Wohin, ist
insbesondere für Virginia (unter dem Spitznamen Ginny bekannt, den sie hasst) eine kosmopolitische Angriffsfläche, so
wie sie die Lust lebt und abseits der Wurzeln tänzelnd alle/alles
einnimmt, doch immer wieder zu diesen zurückkommt, wenn das Ego eben
im Hellen bleiben sowie eine Liaison mit dem Frust schieben will. Die
vielen Jogging-Ausflüge mit Zopf und engem Jumpsuit bringen das gut
auf den Punkt, umgeben von den betörenden Perspektiven der Umwelt,
welche die Kamera auf lebhaftem 16mm bannt, die Aura eben so innig
verdichtet, dass sich die Psychose Catherines umso stärker
konzentriert. „It's a small world – Increasingly.“. Sie
hadert zudem mit dem Verlust der letzten Beziehung sowie dem Tod des
Vaters, einem erstrebenswerten Künstler, dessen Erbe ihr immer im
Hinterkopf bleibt und mit Blick auf ihre Skills nicht nur von einem
penetranten Provokateur wie Virginias Premium-Boyfriend Rich (Patrick
Fugit) per Mansplaining-Schiene wiederholt hinterfragt wird.
Natürlich wird dabei reichlich Gift in
die Luft entlassen, doch eine Katharsis in Camp-Melodram-Tradition
tritt nicht ein, so wie es eben um Gegenwart und Zukunft schleicht,
audiovisuell auch in makabrer Schönheit die Unruhe im Innern
vorantreibt. Im Blick zur Vergangenheit schafft der Film auch diese
mentale Unmittelbarkeit, wie man in einer Beziehung jede Situation
auf Anhieb mit einer glücklicheren, schlimmeren oder gar
unabhängigen Erinnerung assoziieren kann, wie jener allumfassende
Vergleich ebenso Hass, Verzweiflung und Zuneigung ballt, dass man
sich sehnsüchtig um alle Gefühlslasten am Individuum reißt.
Die Hassliebe zur Dysfunktion spielt sich ihre Bälle zu, binnen der
Strickjacken-Bohème von Entlastung zu sprechen, während die
Abwechslung im Ausschließen des jeweils Anderen geübt, beinahe jede
Annäherung in kritischer Skepsis hochgeschaukelt wird und die
Wiederentdeckung der Freundschaft unvermeidlich die Offenbarung des
verwirrten Geistes gleichsetzt. Die Hysterie entfaltet sich da
wohlgemerkt eher in subtiler Kontinuität - obwohl manch Ton an
extremen Symptomen teilnimmt und daraus Pointen mit verstörender
Symbolik vorbereitet, entdeckt man das meiste zwischen den Zeilen vom
Treffen des Hilfebedürftigen und Selbstgefälligen, die sich in
verletzender Dialogbedrängung nichts schenken. Das gelebte Mysterium
der Dissonanz, diese Abhängigkeit der Kontraste – darin vertieft
sich der Film wie auch ergänzend in die Gesichter seiner
Protagonisten, dass man trotz krankhafter Zustände binnen der
Naturschönheiten ins Schwelgen kommt, obgleich der inszenierte
Zerfall auf Polanskis „Ekel“ verweist sowie gefühlt alle
Farben des Sonnenuntergangs zur Stilisierung von Innen/Außen
anwendet. Kein Wunder, dass da sinnbildlich der beste Salat
vergammelt, wenn er auf die Dauer als gegeben empfunden und
vernachlässigt, unliebsam wie ein Klotz an Pflichten seiner selbst
überlassen wird und nur hoffen kann, geliebt/gefressen zu werden.
Eine unstete Tragik, die sich da in schmeichelnder Schwerelosigkeit
aufbaut, kurzweilig montiert als auch mit aufreibender Statik in die
Seelen brennt, auf dass die Gedanken im Kreise der Evaluierung von
allen Seiten aufeinander einstechen, bis das daraus entstandene Portrait eine ungebändigte Liebe ausstrahlt.
Bei einem deutschen Verleihtitel wie
„Pfui Teufel! - Daddy ist ein Kannibale“ möchte man
glauben, dass gleich Blödeln im Quadrat angesagt wäre. Obwohl man
Bob Balabans insofern bereits unterschätztes Low-Budget-Kleinod
durchaus als schwarze Komödie verstehen könnte, ist es weit mehr an
der Urfurcht im Kindsein interessiert, wie sich die Rätsel der
Unschuld mit den thronenden Eindrücken gegenüber frisch
hineingeborenen, schier ungewissen Existenzperspektiven koppeln. Daran
vermittelt sich im Verlauf ein Horror voller Verdächtigungen und
Bestätigungen, der sich im Schafspelz der Provinz-Spießigkeit umso
angepasster versteckt, bis sich die Spannungen zwischen Eltern und
Brut im Coming-of-Age moralischer Werte so verschärfen, dass
Albträume wie Kopfkino schließlich wahr werden. Ausschlaggebend
dafür sind die zwiespältigen Bezüge zum Eigenheim, eben zum
Unterschlupf einer Familienintimität, die noch in der Lernphase ist,
hier zudem von einem (wohl nicht ersten) Umzug herrührt, der den
kleinen Michael (Bryan Madorsky) in mehrere neue Ebenen des
Vertrauens einzuschwören versucht, obgleich das Amerika der 60er
Jahre hier gewiss keinen Frieden versprechen kann, ihn aber in
mittelständischer Art déco vorlebt. Vater Nick (Randy Quaid,
ungewohnt subtil) hat für jene Methodik einige passiv aggressive
Floskeln à la „Hop in, sport!“ parat, wenn er zusammen
mit Mutter Lily (Mary Beth Hurt) das Bilderbuchambiente schlechthin
vorzeichnet, dem Sohnemann jedoch eine Aufforderung zum
Fleischverzehr indoktriniert. Die morbide Suggestion darin, die der
Titel und vielerlei Entdeckungen vom brüchigen Kinderauge aus vermitteln, ist
nur stellvertretend für jedes Extrem an privaten Regeln innerhalb
solcher Verwandtschaften, die ein Kind kaum verstehen kann, darin
konstantem Leistungsdruck ausgesetzt ist. Das macht den Film im
Grunde zu einem universellen Konglomerat an Wiedererkennungswerten
und narrativen Basics, doch er zieht gleichsam viele Stärken
aus seiner Verzerrung der Nostalgie, die sich auf die verbindenden
Bewährungen jeder Kindheit stürzt und sie prozedural in der
Auffassung gen Grauen verstärkt.
Ganze Sequenzen leben deshalb in der
zerschlissenen Fantasie Michaels, der im Blutbett zu ersaufen droht,
dem sich Würste im Küchenschrank wie Schlangen um den Hals winden
und dem der Flur zum Kinderzimmer mit dem Effekt einer Blendgranate
begegnet. Selbst im Wachzustand dröhnen Angelo Badalamentis
Musikeinsätze eine Spannung voran, welche die Hitze unter der
Oberfläche der Ideale abzusondern scheint, zischend auf Pointen des
kontemporären Spleens trifft und doch an der Perplexität Michaels
heften bleibt, der unter Gleichaltrigen wenig sozial aufgehen kann.
Lediglich der Kontakt zu Nachbarin Sheila (London Juno) macht sich im
Fantasieren abseits der unbekannten Wesen Vater und Mutter
kindlich locker, aber die Zweifel der Lehrer sowie Schulpsychologin
Millie Dew (Sandy Dennis) sind damit noch lange nicht aufgehoben.
Ohnehin verdichten sich die Fronten im kollektiven Weltbild der
Erziehungsberechtigten, die ihre Kinder mehr dem Status des
Kapitalismus als alles andere zuzuordnen scheinen und mit
ihnen die Obrigkeit des Westens abfeiern, was Michael auch bei
Vorgesetzten des Vaters erfährt, wenn das Abtöten anhand ihrer
chemischen Produkte als Fortschritt verinnerlicht wird. Solche
Szenarien kommen mit dem Umgangston des Alltags durchaus auf drollige
Situationskomiken, die ihre Implikationen klein und folglich
kraftvoll verpacken. Der wiederholte Ansatz macht sich da latent als
Durststrecke bemerkbar, so wie Michaels Beweisführung finsterer
Befürchtungen ebenso stets kleinere Früchte trägt, dadurch aber an
Gehalt gewinnt, wie die versteckte Brutalität der Eltern auf ihn
abfärbt. Stille Wasser sind tief und auch an dieser Stelle mit
Heftigkeiten verbunden, je mehr man seinen Blick hinein wendet, womit
Michaels Funktion als Protagonist auch nicht immer sympathisch im
Abseits festzustellen ist, die Omnipräsenz der patriarchalischen
Zynismen aber nimmer abschwellt. Die mütterliche Entspannung als
Gegengewicht legt trotzdem noch einen Swing fürs reißerische
Abenteuer im Horror-Haushalt bereit, so wie die Schlussphase auch
psychische Eskalation aufs Genre-Schlitzen reimt,
Tim-Burton-Weitwinkel ins Menschenfleisch drückt, Leichen im Keller
versteckt und Klingen in Abstellkammern schießt, wenn Daddy als
Psycho auspackt. Das nenne ich mal amüsantes Terrorkino!
Wozu sind die bekannten Namen der
Filmwelt eigentlich gut, wenn solch ein seltener Zeitgenosse wie
Theodore Gershuny anno 1972 unverhoffte, heute noch nachwirkende
Überraschungen im (streitbar) verlebten Horror-Genre zaubern konnte?
„Blutnacht – Das Haus des Todes“ hat da von Anfang an
jedes Mal ein Ass im Ärmel, wenn man glaubt, sich mit bestimmten
Erwartungen orientieren zu können, ohne diesen Charme à la Drive-In
verlieren zu müssen, wenn er dich mit seinem schäbigen Würgegriff
in den Untergang des amerikanischen Herzens zieht - Vietnam, Sklaverei, etc.; Pick your poison. Zunächst einmal
spielt das Ganze über mehrere Jahrzehnte verteilt zu Weihnachten und
macht aufs Mörderische darin aufmerksam, wenn das Feuer aus den
düsteren Villen herausschreiend im Schnee landet, „Stille
Nacht, heilige Nacht“ sodann via Moll-Variante auf die Ewigkeit
einer Vergangenheit vorbereitet, die sich das Todesdatum vom
Grabstein kratzt, ehe die subjektive Kamera nach „Peeping
Tom“ den Prototyp für Slasher-Killer gibt, der in seiner
Identität jedoch noch entkoppelter als Michael Myers und Konsorten
keucht. Mit wem man sich anfreunden soll, wird für Gershuny ohnehin
ein Spielball mit der Zuschauerlaune binnen kalter Lüfte und flacher
Wälder, wenn die Narration von Diane Adams (Mary Woronov) in den
Winkeladvokaten-Hedonismus John Carters (Patrick O'Neal) übergeht,
der das Anwesen der Familie Butler für den alleinigen Nachfahren
Jeffrey (James Patterson) gefügig machen will, während er die
Geliebte Ingrid (Astrid Heeren) unter dem Vorwand der Geschäftsreise
vor der Gattin zuhause verheimlicht und sich frivole Stunden zu zweit
erhofft. Wie wenig sich das Unterfangen mit der Stimmung der
Gegenwart verträgt, zeigt schon das Treffen mit den Verwaltern vor
Ort, die als Herausgeber der Patrioten-Zeitschrift durchweg
kuriose Gestalten ergeben, was die Kamera mit Montagen des Schweigens
und Aneinander-Vorbeiredens stumpfer Visagen (u.a. ein stummer
John Carradine) untermauert. Zuvor finden aber schon Bild- und
Tonscheren mit Blick auf Spatzen statt, die jedem Anflug zur Realität
ein Bündel an unscheinbaren Disharmonien zustecken. Zudem stellt
sich in der wild intervenierenden Inszenierung des Schreckens die
Frage, ob Jeffrey aus der Klapse ausgebrochen ist und die kommenden
Stunden des Todes verantwortet, was der Film immer wieder mit
destruktiven Signalen anfeuert und natürlich dann offen lässt, wenn
die direkte Begegnung eintrifft.
Vorerst sind die Ecken und Schatten des
Gemäuers aber schon Brutstätten unberechenbarer Ruhe, in die sich
Carter und Ingrid trotzdem geilmurmeln können, auch wenn das Böse
schon mit geschliffener Axt seine Runden macht. Die Atmosphäre dazu
weiß die Vermengung von Schnee und Nacht gleichsam in wohlige
Stimmungserpressungen umzusetzen, die von einem stets greifbaren
Verhängnis zeugen, von dem man jedoch selber kaum mehr weiß, als
dass es effektiv im Verborgenen lauert, blutigst auf Fragen
einschlägt, die sich da nur verstärken anstatt im Aderlass wankelmütiger Empathien zu
versiegen - dazu immer wieder dieser Name: Mary Ann, Mary Ann... Dafür behält sich der Film auch Ruhephasen vor,
die mit schwachen PKW-Scheinwerfern auf endlose Straßen starren, die
Dunkelheit als Sicherheit vermuten müssen, obwohl da etwas
ist, wenn es schon mit Ankündigung vom Anwesen aus anruft. Die
Patrioten horchen auf und hoffen in jenen späten Stunden
ungesehen eine Entlarvung der Vergangenheit zu verhindern, doch der
Nachwuchs schläft bestimmt noch nicht, so wie sich Jeffrey über
mehrere kuriose Ecken zu Diane durchschlägt und darauf drängt, das
alte Butler-Haus anzufahren, was ihn gewiss nicht vollends
vertrauenswürdiger macht. Besuche auf dem Friedhof und unverhoffte
Begegnungen aus dem Straßengraben heraus legen sodann einen
bodenständigen Schauer übers bedingte Vertrauen, das sich nicht mal
seine Recherchen zur Familiengeschichte der Butlers mitteilt,
stattdessen nach dem Motto der stillen Nacht jeweils für sich
behält. Man kommt eh zu spät, so wird dann auch das Vergangene in
einer Art vergegenwärtigt, die sich um keine Spannungskurve schert,
sondern um das bis ins Hier und Jetzt nachhallende Gewicht der
Schuld, das die Generationen zu diesem Punkt geführt hat. Im
überstrahlt-ausgeblichenem Sepia, irgendwo zwischen „Stalker“ und
„Begotten“
im Tiefstand der Menschlichkeit körnend, ergibt sich die Gnade dann
als anarchischer Racheakt des Leidens - in seinen Köpfen so
unwirklich pechschwarz durchs stechende Weiß schleppend, dass die
Molltöne ebenfalls bitteres Blut in adagio ausstoßen. Was
danach als Konsequenz noch übrig bleibt, ist dann auch ein schnell
geklärter Abschluss/Doppelschuss mit der Tristesse. Die Bulldozer
sind schon zur Stelle, doch eine Frage bleibt: Wie kann so ein
starker Film im Lauf der Jahrzehnte solange versteckt bleiben?
Nachdem ich letzte Woche schon bei den
Yôkai über einige Grundpfeiler japanischer Folklore
geschrieben hatte, kam mir mal wieder ein Anime der Firma Toei
entgegen, der sich die Verknüpfung aus Natur, Mensch, Irdischem und
Übernatürlichen zu eigen machte: „Taro, der kleine
Drachenjunge“ (gibt noch weitere Varianten des Titels) von
Kirirô Urayama, ein in vielerlei Punkten kindgerechtes Abenteuer
über just genannten Hitzkopf mit großem Herzen, der sich für alle
Ebenen des Lebens binnen der altertümlichen Täler Nippons einsetzt
und dabei den Ursprung seines Drachenboy-Status nachzuforschen
versucht. Was dabei sofort auffällt, sind die packenden
Pastell-Hintergründe im Breitwandformat, in deren Äste, Berge,
Nebel, Hütten (immer schön im Profil mit Rand nach draußen) und Wolken man sich so lebhaft hineindenken kann, dass
Taros tolle Fähigkeiten nicht minder flott reizen: Er kann mit
Tieren sprechen, über Gebirge kullern, die Winde aus allen
Richtungen besingen und einen Handstand mit nacktem Arsch ausführen!
Dauert auch nicht allzu lange und er erhält von einem alten Mann die
Kraft von bestimmt 100 Bären, die ihn für einen Schlagabtausch mit
dem bösen Roten Dämon und dem noch böseren Schwarzen Dämon
prädestiniert. Das aber auch nur, wenn er damit anderen helfen will,
was er auch stets beherzigt, denn Ehrlichkeit besitzt hier enormen
Wert. Das ist im ersten Drittel eine knuffige Angelegenheit ohne
großes Spannungsgefälle, so wie Taro eben den unbedarften Helden
mit Hang zum Stolz gibt, dessen Wortschatz und Draufgängertum, wie
schon an der malerischen Synchro gemessen, von kecker
Liebenswürdigkeit gekennzeichnet sind. Da kommen auch überraschend
viele Farben im eigentlich kargen Gebiet seiner Umwelt zustande,
deren Bauern sowie Taros Oma sich auf unfruchtbarem Boden
durchschlagen müssen, während das junge Mädchen Aya schon mal aus
mancher Not gerettet gehört. Bei der Kleinen repräsentiert sich
durchaus die sanfte Anmut des gesamtes Films, der seine Abenteuer bar
jeder überholten Aufregung eher in der Fürsorge der Elemente
ansiedelt, doch mit Aya an sich versucht das Narrativ vergleichsweise
wenig, wenn man bedenkt, welch immense Rolle die Frauen in Taros
Leben übernehmen. Soweit ich das notiert habe, sind die Dämonen
auch die einzigen Machos im Prozedere, ein paar weitere Herren sind
eher still in ihrer Bescheidenheit unterwegs.
Ansonsten konzentriert sich der Film nämlich auf die Bestimmung, die Taro von seiner Mutter einverleibt wurde, dazu die Suche nach ihr inklusive Hoffnung, ob sie überhaupt noch lebt, verbunden mit anderen Frauenmodellen, die ihn auf die Probe stellen und mindestens auf einer Stufe mit der Relevanz mythischer Kreaturen in diesem Märchen stehen – da hat mal einer den Begriff Motherland definiert! Die Konstellation erlaubt sogar einige kleinere Bezüge zu sexuellen Berührungspunkten/Ängsten, hauptsächlich geht aber Taros Sinn nach Gerechtigkeit vor, endlich mal genügend Reis für allesamt anbauen zu können, wofür man die Täler fluten muss – eine brutale Intervention, die sich da gemeinnützig/patriotisch bewährt, da wundert es einen nicht, dass der Film auch in der DDR lief. Wie sich aber vermuten lässt, ist die Geschichte weniger auf Rücksichtslosigkeit gegründet, stattdessen ist sie eben matriarchalisch nah am Wasser gebaut und geduldsam, was enorm begrüßenswert ist, so wie der Film mit Essenzen des Erzählens, auch schlichten Einzelbildern, eine Nähe zum Schicksal Taros erzeugen kann, die im Selbstverständnis magischer Zutaten vieles an Verlust- und Trennungsschmerzen durchsickern lässt, insbesondere Aufopferung und Hunger empathisiert, wo man eh schon weich genug wird, wenn man gezeichnete Kinder und Tiere weinen sieht. Das Prinzip ist so alt wie man es auch emotionales Kalkül nennen könnte, aber davon ist der Film noch einigermaßen entfernt, ehe sein letztes Drittel mit noch krasseren, ungeschönten Mitteln zum taffen Tearjerking ausholt. Ehe dem hat man es bei Taro durchweg mit einem tapferen Helfer zu tun, der auch gemeinen Reisfeld-Damen zur Seite steht, weil er stets vom Guten im Menschen ausgeht, sicherlich auch einiges an Enttäuschungen und Grenzen innerhalb seiner Kräfte mitnimmt, aber immer mit gesteigertem Selbstbewusstsein in die nächste Stufe seines Heranwachsens schreitet. Als Filmerfahrung im klassischen 70er-Jahre-Flair involviert das ungemein, rührt und lädt zur Reflexion binnen einer Transparenz im Animationszauber ein, die noch Schneegeister, Hexen, fliegende Pferde und blinde Drachen dazugibt, um das Maß an Persönlichkeit derart zu stärken, dass sich manch geläufige Konventionen und Typen hieran wiederum verzeihen lassen – was mir z.B. bei der „Legende der Prinzessin Kaguya“ weniger gelang, heute aber nicht mehr unbedingt gelten muss, mal sehen.
Man ist ja nicht erst gestern geboren
und man hat schon einige italienische Superhelden-
oder Eurospy-Streifen
abgenommen, die von Vornherein mit den meisten Vorstellungen vom
Genre phantastischer Abenteuer gebrochen haben. Ob man „Das rote
Phantom schlägt zu“ unter dem Gesichtspunkt normal
nennen will, überlegt man sich trotzdem zweimal, da er größtenteils
eher in den Zwischenräumen eskapistischer Topoi ansetzt. Nicola
Nostros Film ergibt beinahe den meditativen Gegenentwurf zu einem
pausenlosen Prügelfest à la „Drei
Supermänner“, so geringfügig auf konkrete Action gesetzt
wird, welche daran allerdings auch zu Effekt-Eskalationen gelangt, die weit
mörderischer gegen das Böse ballern. In solchen Portionen zwar
deftiger als das gewohnte Jungskino operierend, ist dennoch weiterhin
von Atomraketen und fiesen Wissenschaftlern die Rede, wenn deren
bunte Schaltkreise und Aluminium-Uniformen als Feindbild herhalten,
kecke Sprüche die Bekämpfung dessen markieren. Das wahre Übel ist
in diesem Fall jedoch die Depression - damit hat das rote Phantom
(Giovanni Cianfriglia) zu hadern, nachdem es bei seiner Tätigkeit
als Catcher zu hart zuschlägt und Kollege/Bester Freund El Tigre
aus Versehen tötet. Der Titelvorspann nach psychedelischer
Bond-Manier bringt dementsprechend gepeinigte Visagen des Helden zum
Vorschein, die auch dann nicht abklingen, wenn Freundin Lidia (Mónica
Randall) ihn im Edel-Apartement besucht, wo er seine Trophäen zerschmettert, Whiskey eingießt und selbstverständlich
durchweg Verkleidung und Maske trägt, was den ganzen Film
über so beibehalten wird (er kriegt einmal auch eine tolle neue
Uniform zugeschoben, die beim Anziehen aber genauso wie die alte
aussieht – größter Frustfaktor in der gesamten Laufzeit!). Lidias
Ratschlag, sich mal wieder mit seinem alten Freund, dem Oberst
(Francisco Castillo Escalona), kurzzuschließen, gelingt dann doch
schneller als gedacht, da dieser das rote Phantom im Dienste seines
Geheimdienstes für den bislang „schwierigsten Auftrag“
überhaupt anheuern will. Der Teufel hat nämlich über
beachtlich unsichere Apparaturen Kisten an Uran und Quecksilber geklaut sowie die
Schiffscrew dazu ebenso gnadenlos grob im Off abgeknallt,
weshalb die Kräfte unseres Helden nun von äußerster Wichtigkeit für den Weltfrieden agieren sollen. Ehe der Einsatz starten kann, werden
diese jedoch erstmal zur Überzeugung der Kollegen im Labor
ausgetestet, was einige Übungen im künstlichen Ertrinken,
Einfrieren und Abstechen beansprucht, bis klar ist, dass das rote
Phantom alles aushalten kann.
Nur Strom mag er nicht, was ebenfalls
redundant demonstriert wird. Daraufhin zeigt man ihm noch seinen
speziellen Dienstwagen, sein Dienstboot und dazugehörige Gadgets wie
die 1000-Dollar-Olive, welche als Peilsender Positionen des Urans
ausfindig machen kann. Knapp die Hälfte der Laufzeit ist zu dem
Zeitpunkt schon verstrichen, doch so ausgiebig die ganzen
Erläuterungen des Comichaften ablaufen, so plötzlich ist das rote Phantom dann on the road und schnurstracks in einen Überfall (der Inszenierung)
verwickelt, der einige Faustschläge erfordert, bis er sich gleichsam
hastig von der Brücke stürzt, Scheintot-Pillen schluckt und nach
Abzug der Bösen weiter zur Karibikinsel des Teufels cruist. Zuhause
hält man jedoch sofort an der Todesnachricht des übermenschlichen
Agenten fest und gibt sich für kurze Zeit geschlagen, weshalb der
Druck auch insgesamt irgendwie nachlässt und somit bei der
Infiltration der teuflischen Insel mehrere Minuten an Tauch-Footage
abfährt, deren William-Basinski-artiger Musikloop wiederum das
Zwischendurch am Superhero-Dasein reinforciert. In den unheilvoll schrägen
Minen des Bösen wird das rote Phantom dann auch vorzeitig geschnappt
und auf eine Feuer-Folterbank gelegt, während der Obermotz (Gérard
Tichy) wie gehabt alle Pläne ausplaudert. Bald darauf trickst
unser Held jedoch so gewieft und brutal, dass mehrere Wachen mit dem
Maschinengewehr niedergemäht werden, wenn er sie nicht zuvor mit
Loren überfährt oder in Kältekammern verdammt - Der Teufel hat da jeden Toten mit seinen Kameras im Blick, offensichtlich ein Kommentar auf die blutgeilen Medien! Ab dem Zeitpunkt entfaltet
sich der Wandel zum explosiven Genre-Exzess erst vollends, wird um
Verrat und Fatalismus zur spekulativen Puppenkiste globaler
Verbrechensbekämpfung ergänzt, während das rote Phantom seine
gesamte Seelenkiste in der Katharsis des Tötens ausschüttet,
Handlanger in chemische Ströme schubst, Luftschläuche zerschneidet
und zu guter Letzt auch die Klappentür zum Raketenstart mit
Muskelkraft blockiert, dass die gesamte Insel untergeht. Die logische
Konsequenz zu dieser absurden Entwicklung kulminiert dann im Abspann,
welcher mit einer Anspielung auf den schlechtgelaunten Vorspann einen
Gewaltgag schlechthin vermittelt und sich dennoch eine Unschuld
vorbehält, die im quietschbunten Spektakel zum Glück findet –
so abseitig dieses auch vonstatten ging. Ein schön seltsames
Genre-Spiel, das dem heutigen Konsens wahrlich den Hahn zudreht.
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