Sonntag, 9. November 2014

Tipps vom 03.11. - 09.11.2014



CITIZENFOUR - Wie weit sieht man sich selbst vom NSA-Skandal betroffen? Empörung war ja auf allen Ebenen zu spüren, doch scheinbar hat man's schnell hingenommen, quasi als unausgesprochene Gewohnheit, dass die Weltregierungen eh alles abhören, meistens weil man selber als Otto-Normal-Bürger aufgrund des kleinen Interessenfeldes der eigenen Person offenbar nichts zu befürchten hätte, à la "Was wollen die mit meinen Daten schon anfangen?". Man hatte stattdessen schlicht ikonische Bilder von Edward Snowden vor Augen und den öffentlichen Sensationalismus eines globalen Whistleblower-Thrillers, um das Thema für sich eventuell abzuhaken. Sogar die Merkel wurde ausspioniert, wie ulkig! Danach ging für jeden alles wie gehabt weiter.


Doch wie weitreichend die Implikationen von Snowdens Informationenausgabe in Effekt traten und ihn auch speziell als Person im Mechanismus der sinestren Informationsbeschaffung trafen, zeigt diese umfangreiche und sehr konkrete Dokumentation von Laura Poitras, die sich mit ihren Mitstreitern innerhalb dieses Themas ebenfalls in die Gefahr der nicht nur digitalen Beobachtung und Verfolgung begab. Konzeptionell wagt sie dabei nach einer abstrahierten Zusammenfassung vorangegangener Ereignisse eine Konfrontation mit dem Zuschauer, der in minimal-montierter Fassung ihre tagelangen Begegnungen mit Snowden und anderen Journalisten in einem Hotelzimmer in Hongkong erlebt.

Von dort aus lässt Snowden sich auf die Preisgabe seines Wissens ein, erklärt im minutiösen Detail, wieviel Überwachung schon anhand normaler Mobilgeräte geleistet werden kann bis hin zur internationalen Infrastruktur des gesamten NSA-Komplexes, vorgetragen mit einer Entschlossenheit, die im Vornherein allein durch die angesprochenen Maßnahmen motiviert und von Poitras nicht noch nachträglich emotionalisiert oder heroisiert wird. Hier soll schlicht die nackte Wahrheit für sich stehen. Diese bricht nämlich mit ihren effizienten und entmenschlichenden Maßnahmen im Verlauf immer weiter auf ihn ein, auch wenn er sie nur von außen wirklich mitbekommt, aber wie ein Gefangener in dieser potenziell fatalen Zelle des Hotelzimmers außerhalb der USA verweilt.


Für ihn und alle Umstehenden zieht sich die Schlinge spürbar zu, da reicht schon das reine Kopfkino der zukommenden Erläuterungen durch Fernsehen, Internet und 'The Guardian'. Schauerlich erlebt man dabei, wie auch die Macht des freien Journalismus im Angesicht von sanktionierten Menschenrechtsverletzungen ein Risiko eingeht, bis hin zur Filmemacherin Poitras selbst. Der Mensch Snowden jedenfalls, der sich bewusst als Initiator entblößt, nimmt aber den meisten Druck auf sich, um mit seiner Präsenz ein Zeichen zu setzen, selbst wenn er dafür einen Großteil seines Menschseins und seiner Freiheit aufgibt.

Doch in Sachen Freiheit sieht es eh finster aus, je breiter sich die Investigationen zur Spionage in die Welt ausbreiten und Informationen zu Tage schöpfen, welche mit ihrer Brisanz und Darstellung in der Dokumentation an sich schon als belastbares Material auch gegen die Macher dieses Filmes gelten könnten. Aber ein Streif der Hoffnung kommt mit neuen, anonymen Informanten der geheimen Wahrheit zusammen, auch wenn sie mit ihrem Wissen schlicht nicht sicher bleiben können. Man muss alles Aufgeschriebene zerreißen, zerschreddern und womöglich verbrennen, wenn dabei noch das Prinzip der Privatsphäre unantastbar bleiben soll.



Die kalte Erkenntnis des hautnah-realen Films ist aber das stetige Verschwinden der Privatsphäre anhand einer Welt-überspannenden Verbundenheit der Datenbeschaffung, der man sich schon längst ergeben hat und die von den Obersten scheinbar geduldet und verharmlost wird, während die Verfolgung des Aufdeckers jenes Sammelnetzes höchste Priorität erlangt, mehr mediale Aufmerksamkeit erwirkt als der Skandal an sich. Dagegen setzt 'Citizenfour' allerdings ein einvernehmendes, direktes und furchtloses Zeichen, gegen das Vergessen eines aktuellen Zustandes.




IM KELLER - "Mehr oder weniger freiwillig schließt man sich unter der unbarmherzigen Führung von Ulrich Seidl in eine provinzielle Unterwelt versteckter Perversionen und Obsessionen, ausgelebter Machtfantasien und auch psychischer Verstörungen ein, denn „Im Keller“ herrscht moralische Gesetzlosigkeit im Sinne extremer Selbstgefälligkeiten. Mit stummer Statik wird sich dabei an horrible Bilder eines zeitlosen Alltags geklebt, bei dem man sich wünscht, das eingebaute Neon-Licht würde versagen, damit man es nicht alles mit ansehen müsste. Fluchtmöglichkeiten sucht man als Zuschauer ohnehin vergebens wie das unwissende Meerschweinchen bei der Schlange im Gehege. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Sonntag, 2. November 2014

Tipps vom 27.10. - 02.11.2014



INTERSTELLAR - "Sind Poltergeister echt? Ist die Liebe eine Zeit und Raum durchbrechende Macht? Ist die Menschheit anhand ihrer Gefühlswelt zu Höherem bestimmt, mindestens zur Rettung ihrer selbst und der Heimaterde? Irrationale und geradezu esoterische Fragen, die den stark eckigen Grundstein des ansonsten auf wissenschaftliche Rationalität fokussierten Rahmen von „Interstellar“ bilden. Dieser hierin verbundene Widerspruch ist nur allzu bezeichnend für den Regisseur Christopher Nolan an sich: ein passionierter Technokrat voller Pathos für die Alchemie des Mediums Film. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen. Und sowieso: obwohl sie schon am Anfang des Textes verlinkt ist, möchte ich auf die Zweitkritik von Stefanie Schneider verweisen. Essenziell lesenswert!)




LEFT BEHIND - "[...] Jene Penetranz gründet sich auf einem belehrenden Moralfinger; doch angesichts des modernen Lebensverständnisses jedweder Zuschauergruppe und des unbeholfen ausstaffierten Settings des Films bleibt diese mahnende Note, wie direkt aus puritanischeren Zeiten vergangener Jahrhunderte importiert, von harmloser, gar lachhafter Wirkung. Ein Publikum gibt es dafür sicherlich leider immer noch, aber ob das noch genauso lange in der Filmwelt zurückbleiben wird, wie die schier unberechenbaren Höhen und Tiefen von Nicolas Cage, ist mit Hinblick auf diese durch und durch misslungene Qualität durchaus fraglich."

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Sonntag, 26. Oktober 2014

Tipps vom 13.10. - 26.10.2014

Die Woche zuvor kam leider nur allzu wenig zusammen, um eine Ausgabe der wöchentlichen Tipps präsentieren zu können, auch weil private Gründe erstmal Vorrang hatten und die nötige Aufmerksamkeit von mir erhielten. Doch so ein Leben kann nicht wirklich lange ohne Filme auskommen, besonders dann, wenn echt gute darunter sind - drum bin ich stolz, diese Woche wieder einige jener Art vorstellen zu können. Ich wünsche viel Spaß beim Lesen, Entdecken und Vormerken:




BIRDMAN ODER (DIE UNVERHOFFTE MACHT DER AHNUNGSLOSIGKEIT) - "[...] Unter diesem Druck lässt der Verstand wie der Film an sich keine Pause zu, da wird beständig mit harten Eindrücken und bewährten Vorurteilen draufgepackt, die Seele entblößt, Anschuldigungen und absurde Zufälle durch den Raum geworfen wie der Schminkraum als schnellste Option der entladenden Zerstörung. Demütigung, Ambition, Hass, Liebe, Realität und Fantasie gehen Hand in Hand, spielen immer tiefer und unzertrennlicher am Abgrund der Kunst und Selbstbestätigung, in den so einige Riggan gerne schubsen wollen, auf dass er am Boden aufprallt und sich den alten goldenen Schnabel seiner früheren Erfolge bricht. Doch wie in John Cassavetes thematisch ähnlichen „Die erste Vorstellung“ liegt in diesem Eifer der Verausgabung und ersehnten Enttäuschung die unzerstörbarste Motivation [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




EINE TAUBE SITZT AUF EINEM ZWEIG UND DENKT ÜBER DAS LEBEN NACH - "[...] Die hier auf das Gefühl der Drögheit reduzierte Visualisierung beherbergt dadurch einen schleichend genüsslichen Grad an existenzialistischer Komik, der im Folgenden immer weiter – nicht unbedingt extremer – ausgebaut wird. Das Konzept des Films verfestigt sich nämlich nicht darauf, Fragen über das Leben zu beantworten, sondern dessen absurde Unberechenbarkeit zu pointieren, anhand meisterhaft ausgewalzter Plansequenzen, in denen unter anderem Ziellosigkeit, Spaßlosigkeit beim Verkauf von Spaßwilligkeit, Feindschaft, Sehnsucht und Kraftlosigkeit vorgezeigt und vom freiläufigen Figurenkosmos ratlos entgegengenommen werden. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




PRETTY IN PINK - Howard Deutch ist vom Inszenatorischen her vielleicht nicht derartig flink und konkret wie John Hughes, doch er versteht es dennoch, dessen Drehbuch einer archetypischen High-School-Coming-of-Age-Geschichte mit dem nötigen Feingefühl umzusetzen, gerade auch, weil der sonst so präsente Humor hier eben nicht wirklich vorhanden ist (Spaß schon, nur nicht die krassen Gags), die jugendlichen Charaktere dennoch mit ihrer Angst und ihrem Drang nach Liebe effektiv zu hadern haben. Dies gestaltet sich hieran als bittersüße Dreiecksgeschichte im Angesicht bereits auf dem Schulhof wirksamer, gesellschaftlicher Rollenmodelle - letztere werden thematisch aber nicht zu sehr ausgereizt oder extrem/plakativ beleuchtet, dafür sieht man selbst in den kleinen Unterschieden beim suburbanen Mittelstand Unruhen (stellvertreten durch James Spaders Rolle des Kotzbrocken Steff) wachsen, sobald eine Verbindung etabliert werden will.

Diese minimalen Ungleichheiten treffen die Individuen so oder so mit frustrierender Härte, allen voran Andie Walsh (Molly Ringwald), die in etwas ärmlicheren Verhältnissen mit ihrem allein erziehenden Vater Jack (Harry Dean Stanton) lebt, ihre Kleider selbst zusammennäht und dafür an der Schule zum Aussenseiter deklariert wird, somit umso erbitterter mit dem Druck zu kämpfen hat, einen Partner für den Abschlussball zu finden. Da bietet sich gut und gerne der quirlige Verehrer Duckie (Jon Cryer) an, ein etwas aufdringlicher, doch herzlicher Springteufel von Teen und ihr bester Freund, aber als potenzielles Herzblatt mit ziemlich doll großer Bemühung am Start, wenn auch das ideale Spiegelbild für ihre Persönlichkeit. Doch daneben erscheint der nette Boy aus besserem Hause, Blane (Andrew McCarthy), der zwar eigentlich wenig auf seinen Stand gibt, sie unabhängig davon lieben will und insofern auch ihr Herz erobert, aber mit zunehmender Zeit vom Einfluss seines Freundeskreises durch geradezu psychisch-erpresserisches Zureden dazu gebracht wird, ihr eher aus dem Weg zu gehen.



Daran droht sie zu zerbrechen, wie auch so vieles in ihrem Leben schon zerbrochen ist: sei es der treu sorgende Vater, der von seiner Frau verlassen wurde und seitdem keine rechte Motivation der Arbeitskraft mehr aufbringen kann oder ihre Freundschaft zu Duckie, der sich um sie kümmern wollte und sich nun von der langsamen Abfuhr verletzt fühlt. Das einzige, was bleibt, ist trotzdem für sich selbst am Abschlussball einzustehen, zu zeigen, dass man nicht zerbrochen ist und da werden auch die Verhältnisse ein für alle mal klar gestellt - eben auch als Entscheidungsphase, über sich selbst und die sozialen Barrieren hinauszugehen, während in gemächlicher, doch bunter 80's-Provinzialität New Order, OMD, Echo & The Bunnymen und andere den begleitenden Zeitgeist geben. 'PRETTY IN PINK' ist da wie der Großteil von Hughes' Output in der Ära eine treffende und verständnisvolle Angelegenheit für die Stimme und Sorgen der Zielgruppe, aber noch immer ein sympathisches Jugendstück für und gegen gebrochene Herzen auf dem Weg zum Erwachsensein.




SERENA - "[...] Ein bisschen Stil muss wohl eben dem Zeitkolorit geschuldet sein, aber jene filmische Sedierung geht auch ernüchternd einher mit dem Gesamtkonzept des inneren Konflikts, der meist nur über den erklärenden Dialog herausgeschöpft wird – wenn er dann aber auch mal über die Bilder und die dort geschehenden Handgreiflichkeiten rüber kommt, weiß er zu fesseln beziehungsweise kräftig zu würgen. Doch kurz darauf muss er sich wieder in sein Korsett schicksalhafter Story-Erfüllung pressen und die von vornherein zum Scheitern verurteilte Liebe in Flammen und Rauch aufgehen lassen, denn schließlich sind wir ja immer noch in den Smokey Mountains. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)


BONUS-ZEUG:

Es hat sich wieder mal ergeben, dass ich zwei Videos mit Vorstellungen von besonders schrecklichen Witzen in die Welt gesetzt habe. Wer sich daran geradezu sadomasochistisch ergötzen will, dem seien folgende Links empfohlen:


Sonntag, 12. Oktober 2014

Tipps vom 06.10. - 12.10.2014



NIGHTCRAWLER - In 'PRISONERS' musste er noch ganz oft blinzeln, jetzt reißt Jake Gyllenhall die Augen weit auf und glubscht mit reißender Präzision und sprachgewandter Eleganz durch das neon-durchflutete Nachtleben von L.A. - ein Karrierist ohne Skrupel, scheinbar auch ohne Fett und Ruhepausen, immer auf dem Laufenden und doch ohne Qualifikation, dafür mit einer Ambition, die keine moralischen Grenzen kennt, von Empathie ganz zu schweigen (das emotionale Maximum beschränkt sich auf Wut). Ein idealer Kandidat also für den allgegenwärtigen Sensationalismus, für die rasante mediale Markteroberung, kalkuliert nach größtmöglicher Tragweite in punkto Gewalt, Angst und urbanem Schrecken. Der lässt sich gerne für die Berichterstattung rausschicken, jener kalter Erfolgsbesessener im geradezu instinktiven Drive, der die erforderten Werte des Nachrichten-Horrors ebenso pragmatisch vertreten kann.



Kollegen sind da nur im Weg, der Stärkere hat sich zu behaupten, doch um manipulierbare Hilfe ist man sich ebenso nicht zu schade, bei kleinsten Ausgaben natürlich. Viel mehr Wert liegt eben auch auf den Forderungen, auf die Ausweitung des Einflusses und der Technik, wobei sich im letzten Faktor das gute Aussehen mit der flinken Praktikabilität trifft, soviel Stil hat man nun mal. Die drahtige Bestialität, aus den finstersten Winkeln der Nacht starrend, geht aber dennoch entschieden auf ekstatischen Beutefang - und die Sender lassen's laufen, auch für die Polizei bleibt's unantastbar, da in der journalistischen Grauzone. Schlechthin eine Aufstiegsgeschichte, dieses Debütwerk von Dan Gilroy, halbwegs sogar mit ähnlich stetiger Stilisierung des Gelingens, wenn auch mit einer Hinwendung in schattigste Formen des Erfolgserlebnis, konzentriert in das Portrait eines parasitären Multitalents auf Nachtstreife.

Der 'NIGHTCRAWLER' ist ein waschechter, runtergerissener Achiever und sein Film dazu ein bitteres Prozedere des haltlosen Talents, gemessen an einer Mediensatire, die leider noch immer etwas auf Distanz geht, aber auch nur, um ja nicht so bösartig, brutal und zackig aufzutreten wie ihr grausam-amoralischer Protagonist. Solch eine Ambivalenz gibt's vielleicht eher bei Scorsese, hier lenkt Gilroy eher in die moralische Richtung, doch der böse Humor und die Konsequenz der Anziehungskraft bleiben trotzdem nicht verdeckt, wie auch nicht das reizend-beleuchtete Rot im städtischen Schwarz. So schleicht sich die Nacht nun mal hindurch und der helle Mond guckt hämisch zu - ein ewiger Kreislauf im modernen Amerika.




THE EQUALIZER - "[...] Wenn da doch bloß nicht dieser Schlusspunkt des gesicherten Status quo wäre, diese stilisierte Gutheißung der Reinigung als Selbstaufgabe, statt als ebenso soziopathisch-angehauchte Selbstjustiz, könnte man schließlich etwas mehr aus „The Equalizer“ ziehen als die blanke Verwirklichung einer fatalen Expertise, einer Lizenz zum Töten, wie man sie aus dem Genre schon zu oft gesehen hat. Beschränkt man den Film aber auf seine direkten Konflikte, erhält man durchwegs dringliche Selbstverständlichkeiten des Schlagabtausches: blutig, bösartig und mit gnadenlosem Blick nach vorn, während der treibende Soundtrack in ruppiger Aufregung verbleibt. So wie sich eben die Welt im Krieg, im Leben der gesellschaftlichen (Un-)Verhältnisse, nun mal leider seit jeher dreht und mit grässlichem Nihilismus zuschlägt. Washington transformiert sich darin auf einer moralisch-verbürgten Ebene noch halbwegs zu einem Diener der Menschlichkeit, doch er würdigt dem von ihm gelegten Feuer hinter sich ebenfalls keines Blickes. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




TEENAGE MUTANT NINJA TURTLES - "[...] Doch auf jener eckigen (und irgendwo auch unterhaltsamen) Grundierung braut sich ein ungebremstes und doch pointiertes Furioso an Action-Szenarien zusammen, das einige knallige Fights zwischen Mutanten und Menschen in Roboteranzügen aufbietet, spritzige Verfolgungsjagden zwischen Berg und Tal am Rande des eskapistischen Gipfels treibt und zu guter Letzt einen Tower-Showdown über New York City entfaltet, bei dem die letzte Explosion in eine waschechte, doch tödliche Semi-Attraktion mündet (bezeichnend für den gesamten Film an sich). Und zwischen all dem gibt sich ein gewitzt-eingespieltes und handfestes Quartett per Motion-Capture-Verfahren die Ehre, das seine Fähigkeiten von früher und das Pathos brüderlichen Zusammenhalts zur heroischen Reife bringt [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)

Sonntag, 5. Oktober 2014

Tipps vom 29.09. - 05.10.2014



WHIPLASH - Es wetzen im kleinsten Raum bei Nacht Bassdrum, Snare und Cymbals, bedient von der kreativen Leidenschaft des sich selbst dort umsetzenden Menschen (Miles Teller, meist auch selber das Schlagzeug-spielend), unentwegt auf der Suche nach der Einfahrt in die Glorie, in die eigene Erfüllung. Aus dem Nichts kommt der geneigte Lehrmeister (J.K. Simmons - bestialisch-geil wie noch nie), ein Fanatiker des Tempos, der aus der innewohnenden Intensität seines Schülers die volle Power herausschöpfen will. Gemein und sarkastisch muss er da sein, leicht-intrigant, unbarmherzig und lauter als die Musik, die sie zu erschaffen gedenken. Das Äußerste wird abverlangt und der Drummer spürt stets die Bedrängnis, das Äußerste herauszuschlagen.


Schweiß, Blut, zerrissene Haut und Schwielen an den Händen - mit Pflaster und Eiswasser muss man drüber stehen, denn wer sich fertig machen lässt und davon weicht, wer ist derjenige am Ende dann schon? Dafür muss die Unschuld bitter drauf gehen, potenziell hemmende Freund- und Liebschaften aus Respekt vor dem Gegenüber sowieso, denn die Selbsterkenntnis kennt nur schlicht die Ambition, den Schub des Schaffens, den Drang des Besten. Und dennoch ist man an den ungünstigsten Stellen ab und an mal schludrig und muss dafür die seelische Prügel einstecken - es folgt die Enttäuschung, die provozierte Wut, doch für den Weg der Entmutigung will man sich trotzdem nicht entscheiden, PUSH IT TO THE LIMIT!



In Damien Chazelles zweiten Spielfilm ist die Musik schlicht alles und steht mit explosiver Schusskraft über jeder Möglichkeit von dramaturgischem Ballast. Ihre taktvolle Energie mit Doppel-Schwung ist dementsprechend hinreißend und nahe an der Schallmauer inszeniert, ebenso die obligatorische Anspannung des Anstimmens jener Bewährungen, die auf unseren konzentriert-etablierten Protagonisten warten und der von J.K. Simmons erbarmungslos auf der Suche nach Perfektion mit der mächtigen Peitsche des Sounds bis zur Besinnungslosigkeit geschlagen wird. Doch die enervierende Sehnsucht nach dem Ziel der unerläuterbaren Großartigkeit lässt sich universell übertragen.



Einen schlichten "Good Job" abzuliefern kann schließlich jeder, doch wirklich bis zur Selbstaufgabe die Grenzen des Bisher-Möglichen zu überschreiten, sich in den Rausch zu schießen, auf den Mond zu fliegen und mit der Gewissheit des meisterhaften Könnens wieder auf der ermatteten Erde zu landen - das ist das Streben nach wahrer Kunst und in diesem Film so eine gottverdammt-brutale LEIDENschaft, dass es einen vor Spannung und per Leinwand-übertragener Motivation zerfetzt, gar in Tränen des Glückes treibt! Bezeichnender Weise tauschen sich sodann zwei Peitschen gegenseitig aus und lassen es zusammen krachen, auf dass es sich auch auf den Zuschauer überträgt. Eben ein waschechter, purer Schaffensfilm, mitten aus und mittendrin in der Adrenalin-geschüttelten Verbissenheit der Willensstärke.




WINTERSCHLAF - In jenen anatolischen grotesk-schönen Gebirgen, die wir schon als phantastische Welten aus z.B. 'EINER GEGEN DAS IMPERIUM' kannten, kraucht sich anhand dieses Filmes von Nuri Bilge Ceylan eine weit realere Gemeinschaft an Menschen zusammen, die mit der allmählichen Ankunft des Winters von der Hülle der Zivilisation und dem Verständnis blank und kalt enttäuscht werden. Die Vorzeichen dafür sind aber schon länger präsent, tauchen zwar meist nur in Donner-artigen Ausbrüchen rauf, hinterlassen aber auf ewig zerbrochene Scheiben und blutige Knöchel, für die sich der wohlhabende Vermieter und Hotelbesitzer Aydin (Haluk Bilginer) zwar am Liebsten nicht ganz verantwortlich sehen möchte, aber trotz bescheidenem Nicht-Aufregens mehr beiträgt als er denkt. Denn eigentlich könnte man 'WINTERSCHLAF' auch 'AYDIN KANN'S NICHT LASSEN' nennen, so wie er sich mit seinem akademischen Gestus des denkenden Mannes in Diskussionen involviert, für die er schlichtweg immer eine Meinung, aber nicht unbedingt die Perspektiven des Gesamtkomplex inne hat.


Den Fehler können wir ja alle mal ausreizen, doch in seinem Fall kommt noch erschwerend hinzu, dass er mit zweierlei Maß misst und schlichtweg jede Seite, nur nicht seine eigene, kritisieren kann. Das beweist der Film sodann in seinen zahlreichen, kurzweilig-aufgelösten, doch KOMPLETTEN Konversationen, die in der gemütlichen Einöde zwischen Ofen, Holzbau und Laptop abgehalten werden. Wie bei normalen Gesprächen driftet man als Zuhörer dann auch mal gerne ab, da bietet Regisseur Ceylan mit seinem behutsamen Aufbau immer eine heimelige Vertrautheit, die vom gemeinsamen Miteinander der Familien-Charaktere und der visuellen Stringenz auf limitierte Einstellungen noch unterstrichen wird - aber wenn sich da ein Streit entwickelt, dann aber auch ein richtiger und dann ist man auch ganz Ohr. Wie dann nämlich die Ideale des Gegenüber (in diesem Fall Aydins Schwester Necla und seine junge Ehefrau Nihal) mit fehlender Einsicht auseinander genommen und alle dazugehörigen Faktoren verurteilt werden, ist keine Glanzleistung von Aydin, der immer das letzte Wort haben muss und sich unweigerlich immer tiefer in ein antagonistisches Loch gräbt.


Er merkt nämlich schlicht nicht, dass z.B. Neclas Ansicht des Sich-Nicht-Gegen-Das-Böse-Wehren, bei dem der Täter im Nachhinein ein geplagteres Gewissen haben dürfte, auch an ihm angewandt wird - sei es nun, ob er anfangs nur die Sinnhaftigkeit seines Blogs verteidigt, seiner Schwester frustriert von ihrer Handlungsunfähigkeit überzeugen will oder sich bei seiner Frau besserwisserisch in ihre karitativen Unternehmungen einmischt. Klar kann man letztgenannten eine gewisse Naivität nicht absprechen und nicht jede Meinung und Handlung der Frauen kann hier bedenkenlos abgestempelt werden (da fehlt es dem Film auch bewusst an dramaturgischer Berechenbarkeit), doch so wie Aydin diese Sachen nicht stehen lassen will, auch weil er sich als gebildeter Mensch bewähren muss und alle Anderen unweigerlich demütigt, macht es ihn immer mehr zu einem umherschleichend-invadierenden Tyrannen des Gut-Meinenden.


Da läuft's einem eiskalt den Rücken runter, trotz Heizung, auch weil man bei 196 Minuten Laufzeit nicht so schnell davonkommt. Dabei verbleibt Ceylan aber auch nicht immer allzu lange in einem festen Szenario, löst den Narrativ ab und zu wieder mal in kurzen Zwischenschnitten auf, die wiederum beweisen, dass Aydin wirklich nur wenig Ahnung von seiner Umwelt hat, speziell was die Tiere angeht. Dass die wilden Pferde von ihm genauso klobig in den Stall versetzt werden, wie er es mit seinen Frauen macht, erklärt dann auch, warum er sich zusehends vor beiden Gruppen fürchtet, entweder vorsichtig durch die Nacht stakst oder bemüht seinen Grund und Boden behauptet. Sein Standpunkt bleibt oberflächlich auf jeden Fall eisern, doch im tiefen Schnee bleibt er dann auch seinen geplanten Entschlüssen fern und versucht eine Bestätigung mit alten Freunden, während Nihal die Wiedergutmachung mit den von ihn Verletzten ausüben will, was natürlich nicht gelingen kann.


Letztendlich werden sich doch beide klar über ihren inneren Status, auch zueinander. Ob die Einigung ausgesprochen wird, scheint nicht absehbar, die Aufteilung wird schlicht optisch unüberwindbar und mündet in einen ewigen weißen Schlusspunkt ein, der die Zelle der Ehe zwar noch mit ursprünglicher Seelenverwandtschaft, aber auch generationsübergreifender Verzweiflung gründet. Wo geht man ab hier weiter, lässt man dem Gegenüber seinen Raum oder verschließt sich jeder dem anderen? Menschlich lässt sich an diesem Film nun mal so einiges ergründen, von Kopf bis Fuß, von den sich-langsam-entwickelten Gesprächen bis hin zur natürlichen Einzwängung und Konfrontation verbissen-selbstverständlicher Mentalitäten. Muss man erlebt haben!

(Diese Kritik gibt es auch bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




BEAVERLAND - "[...] Da hebt er sich schon am Anfang von allem ab, was man so aus dem Genre erwarten würde und blickt aus dem Kosmos heraus auf die Chronologie des Bibers, wie er nach Chile kam und warum sich ein bestimmtes Pärchen, Derek und Giorgia, dazu entschlossen hat, ihn in seiner Population einzudämmen, sprich zu exterminieren. Je näher wir dann in jenes Gebiet Südamerikas eindringen, erleben wir zu psychedelischen Tönen eine mysteriöse abgehalftert-bewölkte Landschaft, die wirklich einem fremden Planeten ähnlich sieht und genauso wie außerirdische Besucher begutachten wir fortan das drollige Gespann der Biberjäger bei ihrer gewissenhaften Arbeit. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




HÖHERE GEWALT - Ein langsam aufkochendes Psychogramm der verletzten Ideale gestaltet sich in Ruben Östlunds neuem Film kühlster doch brodelndster Bilder, der einer schwedischen Familie im Urlaub zwischen französischen Alpen allmählich-bitterböse die Wohlstands-Unbeschwertheit raubt. Eingepfercht im stets für die Touristen künstlich-aufgeknallten Schnee der Berge und der Praktikabilität-vorheuchelnden Klaustrophobie des hölzern-kubistischen Megahotels, wird von außen schon an den Nerven des strikt-durchgeplanten (also von Natur aus frustrierenden) Familienurlaubs gezehrt, doch die Saat der inneren (ich beurteile im Folgenden aus eigener Erfahrung) typisch-schwedischen Unzufriedenheit erblüht erst so richtig, als der Familienvater Tomas (Johannes Kuhnke) bei einer schiefgegangenen kontrollierten Lawine hauptsächlich mit iPhone und Handschuhen das Weite sucht, während sich seine Frau Ebba (Lisa Loven Kongsli) und die Kinder Harry & Vera (Vincent & Clara Wettergren) voller Angst unter den zugeschneiten Tischen eingraben.


Niemandem passiert wirklich was, doch der gedankliche Schaden des entrüsteten Vertrauens aus blanker Feigheit heraus manifestiert sich im Verlauf immer stärker, auch weil Tomas der Konfrontation, vorallem aber der Verantwortung des Zugebens seiner Handlung aus dem Weg geht. Was also zunächst nur als kleines Vorkommnis gewertet wird, entwickelt sich zur kritischen Auseinandersetzung mit den Vorstellungen des Männlichkeitsideals und zur bebenden emotionalen Last Ebbas - welche sie auch vor versammelten Freunden ausgiebig dramatisieren kann, während Tomas angesichts der harten Fakten in unausweichlicher Erklärungsnot kommt. Man muss aber nun mal am Film beachten, dass er dieses eigentliche Drama des wütenden Vertrauensbruches zu einem hypothetischen Diskurs formt, der mit der intellektuellen Prätension und dem verhaltenen Stolz beider Geschlechter (durch das Hinzukommen von Tomas' Freund - Kristofer Hivju) die Lage noch verschlimmert und den Zuschauer durch die Eskalation der drumrum-geredeten Motivationen der Feigheit und des intensivierten Konflikts zum erwischten Fremdschämen einlädt - gepaart mit dem Hintergedanken des Wie-würde-ich-selber-Handeln. Klar lassen sich da Vorwürfe machen, aber wie dort der Druck auf alle steigt, wird durch den tristen Tagesablauf der hämischen weißen Urlaubshölle noch verstärkt.


Da bleibt einem vielleicht noch das vermeintliche, recht peinliche Ausleben des inneren Alpha-Tieres, doch das Vorhalten eines bestimmten männlichen Instinktes hilft nicht über die schlussendliche Ziellosigkeit hinweg, wobei die Frau auch letzten Endes trotz aller Distanz ihrem Mann nicht verzeihen oder gar ansprechen will. Da folgt der Ausbruch der Verzweiflung im offenen Holzkasten, diesem Sarg des Wohlfühlens, der die Seele malträtiert und Rollenmodelle gnadenlos in die Knie zwingt, aber auch eine Familie zu zerbrechen droht. Schließlich kann aber noch eine (bewusste) symbolische Probe und Wiedererweckung geordneter Verhältnisse empathisch erwirkt werden, doch vor einem eventuellen Pathos schützt noch die letzte fiese Angst am Ausgang, in der wenigstens einmal alle rechtzeitig die sichere Flucht vor der Unfähigkeit ergreifen und dadurch das Gemeinschaftsgefühl der gewissenhaften und verantwortungsvollen Feigheit erleben.




ALLELUIA - "In vier stetig eskalierenden Akten und kompromisslosen Bildern schildert der belgische Regisseur Fabrice Du Welz mit seinem neuen Film „Alleluia“ eine Abstraktion des Fanatismus. Dabei spart er auch nicht mit mehr oder weniger subtil gesetzten religiösen Symbolen (ein Neon-Schild mit der Aufschrift Faith), zeichnet damit Extreme der Liebe auf und erschafft eine psychologische Irrwitzigkeit, die nicht von ungefähr an die Provokation eines Lars von Trier erinnert. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




THE DOUBLE - "[...] Das perplexe Alter Ego trifft da zunächst der Schock, dieses lässt sich jedoch im Folgenden dazu überreden, als Komplize mitzuwirken, auf dass man sich einige unliebsame Aufgaben des echten Arbeitens abnehmen und im Gegenzug bei Selbstwerterhöhungen und vor allem Frauengeschichten nachgeholfen werden kann. Aber wie so oft in solchen zweifelhaften Abmachungen folgt auf die Versprechung meist die Ausnutzung, sprich der langsame Verrat. Und so erlebt der Unschuldigere von den Beiden die allmähliche Zerstörung seiner Existenz – in einer Welt, die sich vollends gegen ihn verschworen hat und, am allerschlimmsten, die Liebe entsagt, dem Anderen aber im Übermaß schenkt. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




TU DORS NICOLE - "[...] Wäre ja auch etwas unsinnig vom Film, seine entspannte Haltung hinterrücks zu verurteilen – klar lässt er die Zeichen dagegen mit leicht verbitterter Verklärung aufblitzen, doch umspielt sie mit inszenatorischem Spielspaß, der auch einer festen Dramaturgie weitgehend fern bleibt. Daraus kreiert „Tu dors Nicole“ zwar eine drollige Naivität des Nichts-Tuns, macht sich aber auch nicht über sie lustig oder setzt ihr grausam zu. Man darf es eben doch noch mal ein bisschen ruhiger angehen lassen und schlicht die Unbekümmertheit genießen. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




STILLE IM TRAUMLAND - "[...] In seiner Grundlage der Stille lässt er nur andeuten, bleibt universell nachvollziehbar und allein vom strengen Konzept her ereignisarm, wenn auch in seiner gemäßigten Näherung liebend-fühlbar. So ernüchternd er darstellt, kann er aber keine allzu tragische Dramaturgie verfolgen, nur eben diesen inzwischen vielleicht nicht mehr so bitteren Schlusspunkt, den man erwarten muss, welcher jedoch wenigstens in der letzten Gnade des Traumlands endet. Diese schlussendlich geisterhafte Hoffnung darf man den Sterbenden schon überlassen – auch wegen der Liebe, die sie durchwegs in sich bewiesen haben und trotz ihres Verlustes bescheiden-abgeschottet dem Ende entgegen gingen. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




WELCOME TO NEW YORK - "[...] Eine Emotionalisierung bleibt außen vor, ebenso eine direkte Verquickung oder Pointierung des Konflikts auf das Wesentliche – was wiederum eine konsequente, bitterböse Zurschaustellung übersättigt-trister Selbstgefälligkeit und Asozialität unter dem Deckmantel des ausgelassenen Reichtums ermöglicht.

Diese Konstellation beschwört letztendlich leider wenig Hoffnung herauf, speziell darin, wie der Fall ausgeht, doch ebenso reichlich ungehaltene Schauspielkraft im zersetzenden Gefüge einer Beziehung, die sich stets in der Selbstlüge duldete und nun das hässliche Ergebnis dessen verarbeiten muss. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




WHITE GOD - "[...] Dieses bewusst düstere und dennoch formelhafte Setting kündigt in sich gewissermaßen wohl ein Gritty reboot des Disney-Hundefilms an, so möglichst realitätsgetreu und dennoch dem eskapistisch-rührseligen Grundgedanken der eigentlich kindlichen Ausgangslage gegenüberstehend. Was dabei als herzliches Drama entzweiter Freundschaft anfing, gerät in die blutige und fluchende, jedenfalls plakativ-dargestellte Unterwelt und scheint sogar trotz eventueller Flucht im dämonisierten und als KZ-Allegorie stehendem Hundeheim zu enden. Doch genau dann legt der Film seinen Schalter um, gibt sich seinen klischeehaften Ansätzen und konstruierten Zufälligkeiten vollends hin und setzt zur fetzenden, urkomisch-kathartischen Befreiung und Rache durch die Erlöserfantasie der Hunde an [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)


BONUS-ZEUG:




MARY IS HAPPY, MARY IS HAPPY - Im Rahmen des Filmfest Hamburgs durfte ich diesen Film von Nawapol Thamrongrattanarit schon mal sehen. Obwohl letzteres nur im abstrakten Sinne stimmt, denn auch wenn ich gut ausgeschlafen war, hat es der Film als einer der wenigen Kinovorstellungen in meinem Leben überhaupt geschafft, mich zum Einschlafen zu bringen. Daher will ich mir keine komplette Beurteilung erlauben, möchte aber trotzdem ein paar Gründe angeben, warum man auf diesen Film nicht anders reagieren kann. Zum einen fängt das schon mal mit dem Grundkonzept an, bei welchem aus über 400 Tweets einer gewissen Mary Mallory eine Geschichte von zwei ulkigen thailändischen Schülerinnen gesponnen wird.

Nun ist die Idee an sich ja reizvoll und viele gezeigte Elemente könnten theoretisch ein drolliges Ganzes ergeben, aber man muss sich das mal so vorstellen, dass jeder einzelne Tweet auf der Leinwand zentral erscheint, meist auch als eigene Texttafel hineingeschnitten - und das in einem Abstand von meist nur wenigen Sekunden/später Minuten. Dass diese Tweets voller belangloser Bullshit-Philosophien und Alltags-Beschreibungen sind, ist ja zu erwarten, aber dass sich der Film ADHS-mäßig an wahllose Szenarien klammert, nur um diese Grundlagen abstrakt mit einzubinden, geht schon gehörig auf den Wecker und beschwört zudem reichlich unwitzigen Random-Humor herauf, der den minimal etablierten Charakteren jede realistische Nachvollziehbarkeit entsagt.

Daraus entwickelt sich schnell frustrierende Anstrengung und ehe man sich versieht, zieht eine Ziellosigkeit am Horizont herauf, die ewig gleichausschauende Einfälle abfertigt und zudem allmählich Coming-of-Age-Tendenzen vor den urig-vertonten und planlos-geschnittenen Karren zieht, die eh niemanden interessieren. Der angeschlagene, unbedarfte Humor wird zwar beibehalten, doch nach der anfänglichen Nervigkeit setzt irgendwann nur noch berechenbare Langeweile ein, bis dann ab einem gewissen Punkt nur noch berechenbare Empathie mit Mary und ihren Unternehmungen versucht wird.

Da nickt man leider ganz schnell weg, weil der Film es eh von Anfang an seinem Konzept geschuldet verkackt hat, irgendeine Sympathie oder Identifikation aufzubauen und mit seiner prätentiösen Eigensinnigkeit jedwede Motivation für Verständnis im Keim erstickt. Und dennoch, selbst wenn man einschläft, kommt es einem so vor, als ob der Film niemals aufhört und konstant auf eine Stelle tritt, so oft er dann doch noch einen weiteren Monat im stetigen surrealen Downer-Leben Marys hinterher zieht und sogar weit länger wirkt als WINTERSCHLAF, bei gerade mal 127 Minuten! War keine allzu spaßige Erfahrung.

Sonntag, 28. September 2014

Tipps vom 22.09. - 28.09.2014



LA DANZA DE LA REALIDAD - "[...] Diese individualisierte, fantastisch-schräge Interpretation des Vergangenen beweist nämlich nochmals, dass man den Wahn und die Schönheit der Welt noch klarer erkennen kann, je stärker man sie eigensinnig stilisiert. Es macht sie schlicht greifbarer, intensiver, reizender für denjenigen, der sie auf diese Art vermittelt bekommt – aus den Augen einer mentalen Unschuld und Abergläubigkeit, die das Geschehen an sich und dessen zwangsläufig stattfindendes Entgleiten einfach verarbeiten muss, aber ihre Integrität mit reinem Herzen mutig aufrecht erhält.

Das ist eben auch eine Grundeigenschaft des Künstlers Jodorowsky, die sich aber ebenso mit der eisernen Ambition des Vaters vereint und fortan den reißenden Geist seines Werkes ausgemacht hat. Da entfesselt der Tanz mit der Realität noch bis heute ein loderndes Feuer; doch der Tanz der Realität allein macht sich hier noch stärker bemerkbar, fordert zum wilden, leidenschaftlichen Dance Off auf und lässt alles schließlich in einer festen Umarmung der Tanzpartner für die Ewigkeit münden [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




GONE GIRL - "[...] Mittel der Illusion, des Betrugs und der Manipulation werden nicht nur am kriminalistischen Prozedere selbst ausgeübt, sondern auch am Publikum vonseiten der Filmemacher aus. Blanker Nihilismus ist an der Tagesordnung, die etablierten Systematiken von audiovisueller Vermittlung dienen hier ausschließlich dem Machtkampf der Meinungsbildung, zur rufschädigenden Hexenjagd oder auch zur emotionalisierten Sympathie-Ergreifung. Allen wird ein verallgemeinertes, wiedererkennbares Stigma aufgedrückt: Ehebrecher, Mörder, Darling, Opfer, Zeugin, Amazing – eben das, womit sich der Medienzirkus effektiv verkauft und im Alleingang Geschichten erbauen, Personen ins Lampenlicht stellen und zerbrechen kann. Fairness ist da Mangelware; das muss man einsehen, für sich akzeptieren, aber auch bestenfalls bar jeder wahren Moral nutzen. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




PHOENIX - Der neue Film von Christian Petzold stellt eine schwierige Übergangsphase dar, vom zweiten Weltkrieg und dem dritten Reich hinüber in einen Neuanfang, der mit abgeklärter Mühe versucht, das Vergangene hinter sich zu lassen. Mitten drin: die Überlebenden, die Heimkehrer und vorallem Verletzten, Traumatisierten. Sie scheinen auch glatt vergessen, sind zwar präsent, aber werden (auch aus Schuldgefühl) gemieden, während der Alltag unter neuer Leitung so weitergeführt wird, als sei nichts gewesen. Aus dieser psychologischen Dissonanz erbaut er sodann ein potenzielles Melodram, das sich jedoch keinen typisch-melodramatischen Stilistiken hingibt, stattdessen Understatement praktiziert, was aber auch zur Protagonistin Nelly (Nina Hoss) passt - eine ehemalige Sängerin und aus dem KZ-befreite Jüdin, deren entstelltes Gesicht dank der Unterstützung ihrer idealistischen Freundin Lene (Nina Kunzendorf) zwar halbwegs rekonstruiert wird, aber keine rechte Perspektive für sich finden kann, außer die Wiedervereinigung mit ihrem Mann Johannes (Ronald Zehrfeld).


Der erkennt sie zwar nicht wieder, aber sich ihm zu offenbaren traut sie sich ebenso nicht, eben weil sie sich auch selbst nicht in den zerbrochenen Spiegeln zerbombter Häuser findet - nur diese starrenden, verwundeten und mit Grauen-erfüllten Augen. Allein diese optische Präsenz, die Hoss ihrer Figur zukommen lässt, definiert die brutalen Tiefen des erlebten Martyriums, ohne dass Petzold da mit filmisch-aufdringlichem Stempel auf die Tränendrüse drücken muss - lediglich eine direkte Anekdote, auch schlicht erzählt, offenbart noch genauere Einblicke in das bereits bekannte Bild vom Holocaust und vom Krieg, das sich die Charaktere in diesem Film am liebsten wegwünschen würden ("Danach wird dich keiner fragen."), obwohl ja überall Trümmer liegen. Bezeichnenderweise geistert sie dann auch wie hypnotisiert durch den neuen Club 'Phoenix', in dem ihr Mann arbeitet und beobachtet eine Welt, der sie fremd geworden ist und die sie auch auszuschließen versucht. Schließlich nimmt Johannes ihr sich aber doch noch an, jedoch mit dem Plan, dass sie sich als seine Frau ausgeben soll, damit er an ihr Geld herankommt, weil alle anderen Familienmitglieder ihrerseits verstorben sind und ihr jetzt alles zusteht.


Daraus entwickelt sich sodann eine bittersüße Erfahrung für sie, indem er Nelly wieder auferstehen lässt, obwohl er nur für eigene Zwecke handelt, unwissend darüber, dass sie es wirklich ist. Dass sie sich ihm (abgesehen von einigen missglückten Versuchen) fortwährend nicht zu erkennen gibt und er auch trotz klarer Zeichen schlicht nicht darauf kommt, dass sie the real mccoy ist, mag zwar ein Stück weit konstruiert wirken, doch passt es perfekt zur psychologischen Tragik des Films, in dem nun mal von vielen (vorallem männlichen) Seiten versucht wird, Bewältigung und Reflexion zu verdrängen, alles Vorherige als geradezu statistische Erinnerungen abzuheften ("Der war ein Nazi. Die hier ist tot.") und schlicht mit dem Leben weiterzukommen. Dies alles geschieht in einem intimen Aufbau, den Petzold ausschließlich seinen Charakteren überlässt und dabei auf detaillierte oder oberflächlich-reißerische Außenfaktoren verzichtet.



Klar ist der historische Rahmen präsent, schließlich beeinflusst er ja das gesamte innere Leiden von Nelly, doch er bleibt genauso funktional wie die behutsame Dramaturgie des Ganzen, aus dem die Nachvollziehbarkeit für die Figuren noch markanteren Raum erhält - mit aller natürlicher (und doch kurzweilig/pragmatisch geschnittener) Stille, durchgehend darin wirkender, verlorener Identitäten packend. Ein spannendes schnörkelloses Stück Kino, so subtil und doch treffend-empathisch, dass es letzten Endes selbst mit der vorhersehbarsten Fassungslosigkeit der Offenbarung und der gleichzeitigen, doppelbödigen Reinkarnation messerscharf ins Herz dringt.

(Diese Kritik gibt es auch bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




DEATHCHEATERS - Wer bewundert sie nicht, diese tapferen Teufelskerle von Stuntmännern, die für die Leinwand jede noch so krasse Aktion mit Bravour auf sich nehmen und dennoch bereitwillig-bescheiden in Kauf nehmen, nicht als die Stars des jeweiligen Films heraus zu stechen? Nun, Brian Trenchard-Smith scheint eine besondere Euphorie für jene Haudegen zu haben und widmet ihnen deshalb hiermit einen ganzen, eigenen Film, der aber nicht, wie man zuerst denken könnte, mit Pathos und Angebereien um sich wirft, sondern stattdessen erstmal die Film-Industrie an sich ein bisschen aufs Korn nimmt. Da hat man's mit größenwahnsinnigen Karikaturen von Regisseuren zu tun, die ganze Schlachten in einer Aufnahme einzufangen gedenken und selbst für kleine Werbungen unverhältnismäßig große Emotionen verlangen.


Doch davon lassen sich unsere Helden Steve und Rod, dargestellt von John Hargreaves und dem damaligen australischen Stunt-Master schlechthin Grant Page, nur schwer beeindrucken, bleiben immer mit zurückgenommener Lockerheit am handwerklichen Ball und reißen unentwegt herrlich-trockene Witze mit leichtfüßiger Haltung zur jeweiligen Situation - eine Methode, die sich auch gewitzt über den Gesamteindruck des Films erstreckt. Doch auch so abseits des Berufes bleiben die Beiden ausgesprochene Sympathen, Steve zum Einen der liebevolle Ehemann von Julia (Margaret Gerard), Rod zum Anderen der Besitzer des drolligen Basset-Hounds Bismarck und zudem ein frohlockender Ladykiller.


Beide Parteien treffen sich des Öfteren in kumpeliger Eleganz, um auch z.B. mal einfach die nächste Kampfszene auf der Dispo in der eigenen Bude zu proben und alles im Haushalt dabei zu zerdeppern. Man darf nämlich nicht vergessen: die Zwei kennen sich schon vom Vietnamkrieg (immer mal überraschend-abstrakt in den Narrativ per Rückblenden & Archiv-Footage eingebaut), in dem man sich erst unschuldig fragte, ob man etwas zu essen, etwa einen Keks, dabei hätte, bis dann schließlich die Befreiung aus spitzen Fallen anstand. Seitdem ist dieser ewige Ritt auf der Klinge des Todes der Adrenalin-Kick schlechthin für unsere athletischen Asse und da sieht man sie stets selbstverständlich-formvollendet in brenzligen Situationen, ob sie sich nun an Gebäuden entlang seilen, mit Wüstenbuggys durch die Gegend jumpen, abgefackelt oder von Autos angefahren werden - zudem auch immer mit den professionellsten Sicherheitsmaßnahmen ausgestattet, soviel Zeit muss sein.


Umso irrer wird's dann, als einige ebenso unaufgeregt-spaßige Vertreter der Regierung (mit geringem Budget fürs Modellbauen offenbar, nicht aber für U-Boote) unsere Protagonisten in ihren zahlreichen Fähigkeiten antesten, sie u.a. durch einen Supermarkt jagen, um einigen falschen Gangsters Lammkeulen in die Windschutzscheibe zu schmeißen und einen explosiven Trainingskurs durchlaufen lassen, damit einige geheime Dokumente in den Philippinen entwendet werden können. Der Lohn, der in Aussicht gestellt wird: eine gute Herausforderung, aufregende Anwendungen für ihre Talente, die scharfe Sekretärin Gloria (Judith Woodroffe) für den natürlich Augen-zwinkernden Super-Junggesellen Rod und vorallem eine Menge Spaß - kein Witz, das ist die tatsächliche Belohnung (Geld gibt's vielleicht auch noch)!


Oder besser gesagt doch ein Witz, denn 'DEATHCHEATERS' nimmt sich nun mal nicht wirklich ernst, will stattdessen mit der eskapistischen Freude des Unterhaltungskinos punkten und schmeißt sich dafür enthusiastisch in feurige Gefahren und rasante Karambolagen, stets mit der Kamera hautnah dabei am Steuer waghalsiger Manöver, bei ungesicherten Klettereien und besonders gern präsent bei heißen Schüssen und hitzigen Feuerbällen, eben ganz die furchtlose Sause bei groovigen Beats. Doch wie gesagt ist dieser australische, abgeklärt-ironische Humor wohl das große Herzstück der ganzen Angelegenheit, welches den Zuschauer nochmals zum mitreisenden Kumpel für den Showman-Spaß macht und dabei eben auch jenen Hals-und-Beinbruch-Kerlen eine menschliche Zugänglichkeit verpasst, die sich zwar auch bewusst kleineren Jobs hingeben muss, aber immer noch gleichzeitig lebensfrohe und fatalistische Freimütigkeit beweist, selbst im Angesicht des Dschungel-Todes (letzteres ebenso verschmitzt zu einem urig-entspannten Schachspiel gegengeschnitten).



Findet man darin überhaupt noch gar eine intellektuelle Substanz? 1.) Was soll die dumme Frage und 2.) ist ja doch wohl nichts essenzieller, als die pure Lust am bloßen (Filme-)Machen, am Riskieren, am Frohsinn, am Explodieren, Rasen, Fliegen, Flirten - gleiches gilt auch für die ästhetische Pointierung von Hunden mit Kopfhörern, von Bikinis, umherspritzenden Fluten, von knackigen Schrotflinten, wehenden Palmen, übereinander gestapelten Freunden, honkigen Karatemeistern und dicken Kanonen auf dem Balkon. Glaubt ihr mir nicht? Dann möchte ich euch diesen Film doch mal gerne ans Herz legen, der ist nämliche eine urkomische Wucht des Ozploitation-Genusses.




MOMMY - Schick verpacktes, allerdings auch konventionelles Sozialdrama über Mutterliebe, Hoffnung und Freundschaft. Klingt oft gesehen? Da muss man leider recht geben - auch wenn Xavier Dolans Regie nicht allzu heuchlerische Indie-Träumereien und gestelzte Lebensweisheiten vorpredigt, wie so manches aus dem Genre, ist sein melodramatischer Wiederaufbau und eventueller Bruch einer dysfunktionalen Familie, zwischen der kämpferisch-verzweifelten, sich nichts-sagen-lassenden Mitte-40er-Mutter Diane (Anne Dorval) und dem Vandale-ADHS-Sohn Steve, der auf die schiefe Bahn gerät (Antoine-Olivier Pilon), eine stark vorhersehbare Angelegenheit.


Sein Cast spielt dabei durch die Bank weg engagiert, das muss man ihm lassen, am meisten sympathisiert man jedoch abseits der Mutter-Sohn-Kombi mit der Figur der stotternden Kyla (Suzanne Clément), dem leicht nervösen, aber bescheidenen Anker des Verständnis, der die Sozialität der Beiden mit dem lehrsamen Pflaster des sich-gegenseitig-stützenden Zusammenseins wieder vereint und auch dafür sorgt, dass ein neues Licht am Horizont zum Greifen nahe erscheint. Da öffnet sich dann auch, immer mal leicht am Rand der Zuschauer-freundlichen Feelgood-Masche, Dolans konzentriertes Format des 1:1-Aspect-Ratios, welches ohnehin schön kompakte Perspektiven auf das Wesentliche, eben auf die Charaktere, setzt und deren persönliche Sackgasse zusätzlich unterstreicht - wird sodann aber wieder von der alteingesessen 3-Akte-Dramaturgie geschlossen, auf dass die beliebige Tristesse weiterhin ihre Bahnen zieht.


Zwischendurch bekommt man es dann immer wieder zur (Über-)Akzentuierung jener universellen Situation mit grenzwertig-schwülstigen, immerhin technisch hervorragenden Montagen zu tun, welche die innere Melancholie und stürmische Frustration unserer Protagonisten nach außen trägt, dazu berechnend-nostalgische Tracks von Dido, Beck, Eiffel 65 und Oasis mit dem filmgewordenen Instagram-Pathos verschmelzt (dazu muss man aber auch sagen: mit "Wonderwall" kann jede wahllose Szene von Natur aus gewinnen). Daraus kristallisieren sich aber auch die natürlich-intensivsten, weil erzählerisch pursten Sequenzen jenseits der bodenständigen Dialogarbeit heraus und schlagen so effektiv mit bittersüßer Liebe zu, wie es zwischen Mutter und Sohn auch des Öfteren im kanadisch-suburbanen Haushalt kracht.


Dass sich Dolan dann aber so mutlos auf ein allzu bewährtes Konstrukt stützt, das schließlich wortwörtlich in einer plakativen Zwangsjacke der Rollenmodelle steckt, ist dann wieder so ein frustrierender Umstand, der sich mit dem eigentlich recht geschickt zurückgehaltenen Kitsch beißt und so oder so die volle ungehemmte Emotionalität verwehrt. Wie dem auch sei, wer über die innewohnende Konventionalität der Geschichte hinwegsehen und sich in dieser allgemein-verständlichen Seelenwelt der Charaktere wiederfinden, sowieso mitleiden kann, der hat ein wunderbares, ethisches Los für sich selbst gezogen. Ich hingegen sehe nur Sachen, die ich schon kenne und Ideale, die ich seit langem verinnerlicht habe - nur eben diesmal in einer oberflächlich-frischen, filmisch-reizvollen Einheit und das ist ja auch schon eine Menge wert, nur eben nicht alles.

(Diese Kritik gibt es auch bei den DREI MUSCHELN zu lesen.)




HÖLLENKOMMANDO ZUR EWIGKEIT - Einer dieser strikten Dschungelkriegs-Filme, die Regisseur Antonio Margheriti in jener Ära gerne bewanderte, da hat er mit David Warbeck sogar seinen Hauptdarsteller aus 'JÄGER DER APOKALYPSE' am Start, verbunden mit einigen weiteren oft eingesetzten Gesichtern aus dem 80er-Jahre-Werk des handwerklich fokussierten Action-Meisters und Miniatur-Spezialisten. Hier spielt Warbeck jedenfalls den charmanten und in den passenden Momenten gewissenhaft-schweigsamen Vietnamveteranen "Tiger Joe", der zusammen mit seinen alten Sprüche-klopfenden Kumpanen Midnight (Tony King) und Lenny (Luciano Pigozzi) im Auftrag des stets hungrigen und skrupellosen Arms-Dealers Bronski (Giancarlo Badessi) Waffenlieferungen per Flugzeug an die indonesische Rebellenfront transportiert, um den tyrannischen Herrschern im fortwährenden grausamen Krieg endlich mal eins auszuwischen. Bei einer Mission kommt es dann aber ganz übel, da die argen Schurken Joe vom Himmel holen und er sich fortan mitten im Gefecht und Dickicht der exotischen Pampa wiederfindet.


Nach einer baldigen Gefangenschaft jedoch gerät er an einen sympathischen Trupp von Freiheitskämpfern, unter ihnen die engagierte Kia (Annie Belle), und zusammen bewältigen sie einen unbarmherzigen Spießrutenlauf feindlicher Armeen, die Berge von Leichen unschuldiger Einheimischer hinterlassen - Margheriti bleibt dabei von einer sentimentalen Stilisierung fern, hält das Tempo aufrecht, aber vermittelt zweifellos-präzise das ermattende Grauen des Krieges, auch anhand konventioneller, doch gewissenhafter Hand- und Stand-Kameraarbeit. In diesem höchst geradlinigen und explosiv-kurzweiligen Setting beweist sich Joe trotz seiner misslichen Lage als durchaus hilfreicher Geselle und auch zutraulicher Tröster, der aber ebenso starke Tricks drauf hat und reichlich Blei in die Angreifer pumpen kann, sogar wenn sie die von Margheriti stilecht gruselig-inszenierte-und-vertonte Ruine von Versteck umkreisen - mitten drin: eine ulkige Cobra, die zunächst erst unsere Helden beißen wollte, aber im Verlauf doch noch sogar ein bisschen nützlich wird.

In der Zwischenzeit jedoch beschließen Lenny und Co. nach ihrem verschollenen Kumpanen zu suchen, werden dabei jedoch ebenso von den Regierungstruppen zur Bruchlandung gezwungen. Der Hinterhalt wird allerdings von Joe und Kia vereitelt und was freuen sich die alten Haudegen, zumindest gemeinsam eine Chance auf die Flucht aus der Hölle zu bewältigen, die teilweise bei allmählich verschlissenen Brücken über ihren Köpfen gerade noch so glatt herüber fährt. So gut kann es allerdings nicht für jeden enden, selbst im Angesicht des wortwörtlichen Tigers, den Joe repräsentiert - die Wut der Trauer und des Verlustes fängt jeden irgendwann ein und da zerreißen sich uralte Männerfreundschaften, um kurz darauf doch noch wieder zueinander zu finden, da man ja unter all dem Tod und Verderben weiterhin der Hoffnung der Gerechtigkeit auf die Sprünge helfen kann.


Wie da dann mit entschlossener Selbstverständlichkeit und dennoch innerer Ruhe Brücken und Laster in die Luft gejagt werden, ist schon erwartbarer, doch gelungen-reißerischer Standard bei Margheriti, nur eben u.a. mit dieser schon ziemlich bescheidenen Note in Sachen Musik-Dramaturgie - weshalb die Dringlichkeit des Gelingens aus den Charakteren heraus allein, vorallem im Angesicht der schnörkellosen Gehetztheit der Story, noch fiebriger oder eben konzentrierter heraus sticht. Wie's dann eben ausgeht, besitzt gewissermaßen eine bittersüße Note, kann aber vom Genrefreund ebenso kalkuliert, jedoch natürlich nicht missachtet werden, so wie sich hier der empathische und abgeklärte Buddy-Faktor die gegenseitige Ehre erweist und alle trotz der zahlreichen Opfer einer besseren Zukunft entgegenblicken können. Ist natürlich naiver, ruppiger Eskapismus, aber in seiner Funktionalität und dennoch präsenten respektvollen Gewissheit in der Vermittlung der knalligen Kriegsszenarien und Anti-Kriegs-Sehnsüchte ein durchaus sympathischer Genre-Vertreter à la Italia.




PALO ALTO - Es ist doch so: ab und an reicht zur Sympathie eines Films die stilistische Schönheit lauer Morgen- und Abenddämmerungen, welche die Frustration unerfüllter Liebe in Teenager-Zeiten zusammen mit melancholisch-verqueren Tonflächen effektiv veräußerlicht, doch aus. Dass alle jugendlichen Protagonisten dabei einfältige Obszönitäten von sich geben und aufs Bumsen aus sind, ist zudem gar nicht mal zu unauthentisch. Das besitzt insgesamt wohlige Abhängqualitäten und ohnehin diese bittersüße Sehnsucht nach Romantik, welche man in dem Alter noch nicht wirklich definieren kann, die einen aber schon ordentlich fertig macht. Letzten Endes verläuft alles dann doch irgendwie zu unwahrscheinlich unentspannt und gleichzeitig noch ins Leere, so dass man außer diesem zerrenden Gefühl der Unzufriedenheit aus den Charakteren heraus nichts wirklich für sich als Zuschauer mitnimmt - es sei denn, Autor James Franco will uns nur schleichend-pervers mit zuckersüß-schläfrigen Fantasien über Almost-Legal-Mädels füttern. Wer's denn braucht...doch wie gesagt, die atmosphärische Verquickung vonseiten Gia Coppolas lädt gelungen zum traumhaften Schwelgen ein und hält sich zudem trotz aller potenzieller Prätentiösität bodenständig, da erwarte ich in Zukunft noch einige angenehme Stunden.




BULLETPROOF GANGSTER (KILL THE IRISHMAN) - Wer hätte es gedacht? Ein weiteres konventionelles Mobster-Biopic, das mit kaum geheimer Faszination den Ethos am Verbrechen heroisiert? Ya bustin' my balls, Tony! Autorenregisseur Jonathan Hensleighs Variante besitzt aber wenigstens die ungehaltene Chuzpe, einen aufrichtigen Sympathen in Form von Danny Greene als Protagonisten beleuchten zu dürfen (oder ihn zumindest sehr positiv zu zeichnen) - dargestellt von (ironischer Weise nicht mal Hensleighs eigenem) PUNISHER Ray Stevenson, der ruhig öfters Hauptrollen übernehmen sollte, hier jedenfalls umgeben vom eklektischen Genre-Cast als konsequenter und dennoch Menschen-freundlicher Gangster-Ire hervorsticht, u.a. für seinen Sinn nach einem geregeltem Familienleben Rocker platt prügelt, korrupte Gewerkschaftsbosse pimp-slapped und auch mal starrköpfigen Omas von der Heimatinsel aus Mietschulden heraus hilft.


Im Gegenzug teilt er in der Funktion des Kuriers, Hitmans und engagierten Aufsteigers reichlich Bleisalven, Brecheisenhiebe und vorallem Autobomben aus, stets getrieben vom Kampfgeist keltischer Krieger vergangener Jahrhunderte, mit denen er sich stolz identifiziert und ohnehin seine Konkurrenten öfters mal mit Alltags-rassistischen Tough-Guy-Jokes & Disses piesackt. Kein Wunder, dass man hierzulande die FSK-18-Plakette austeilte, so undifferenziert hier das Wesen des organisierten, provinziellen Verbrechens in Cleveland sogar mit knackigen Rock-Gitarren idealisiert wird. Doch das ist alles irgendwie ehrlich-enthusiastischer als so manch beliebteres, verhaltenes Herantasten ans brisante Thema in eleganter Filmform, wo man die Lust am Outlaw-Dasein noch mit moralischen Grauzonen zu kaschieren versucht.


Bei Hensleigh gibt's das eben nur echt mit dem Selfmade-Man-Schlägertypen inkl. Herz aus Gold. Alles andere am Film versprüht dagegen leider etwas doll den wenig begehrten Geist von Routine und begrenztem Budget, speziell was die ungünstig-zubereiteten CGI-Effekte betrifft - doch die simple Kohärenz in der Vermittlung jener bereits oft erlebten Dramaturgie, hier sogar ab un an verbunden mit authentischem News-Footage jener nachgebildeter Tage, läuft schon einigermaßen gut den Genre-Rachen runter, solange eben das Hauptaugenmerk Held als ruppig-kumpeliger Anker des Interesses sitzt. Und so kommt's auch, dass man letzten Endes eine Träne des männlichen Mitgefühls für Danny's Lebensweg verdrücken kann - eben der gute alte Pathos für das Prinzip des Rebellen, weshalb auch auf die explizite Mahnfunktion verzichtet wird.


Danny rät zwar den Kids auf der Straße folgerichtig wie einst James Cagney, nicht wie er zu werden, doch seine (wie er selbst durch und durch katholische) Kette mit dem Jesuskreuz reicht er trotzdem an die nächste Generation weiter, verbunden mit der historischen Gewissheit eines Domino-Effekts, der mehrere andere Verbrecher hinter Schloss und Riegel gebracht hat - und natürlich wollte er sich sowieso vorher schon zur Ruhe setzen, um in Texas von vorne zu beginnen. Voll die Wahrheit? Entschuldigt mich, wenn mir da das mentale vierblättrige Kleeblatt im Hals stecken bleibt. Aber ich beschwer mich auch nicht, denn das war genau das, was ich erwartete und sowieso bleibt die Erkenntnis: wenn man nicht mal strahlen darf, seit langem wieder Tony Lo Bianco in einem Film zu sehen, was für Freuden hat man dann überhaupt noch im Leben?




DRACULA UNTOLD -  "[...] Eine insgesamt durchschnittliche Filmerfahrung, die schon mit ihrem Vorschaumaterial nicht mehr oder weniger verspricht, als sie tatsächlich liefert. Technisch gesehen ist alles solide und bietet trotz aller Formelhaftigkeit gewisse gewitzte beziehungsweise optische Spitzen im düsteren Gewand, die am ehesten jüngere Zuschauer umhauen könnten, aber nichtsdestotrotz mit flottem Gestus die neunzig Minuten Laufzeit hinweg fließen lassen. Dem Film hätte jedoch zweifellos geholfen, sich jenseits der publikumsfreundlichen Abgeglichenheit seiner Ingredienzen durch den Legendary-Produzentenstab entweder wirklich mehr in ein kompromissloseres, finster-mittelalterliches Horror-Szenario (wie man es inzwischen durch „Game of Thrones“ begutachten kann) oder in eine pompöse Gaudi fantastisch-exaltierter Schlachtengemälde zu stürzen. So oder so eben etwas, was der Legende des Pfählers Vlad III. tatsächlich irgendwie gerecht werden dürfte, diese nicht in ein vermarktbares Heldenkorsett steckt, welches sich zwar für Legendary längst bewährt hat, aber selbst deren ursprüngliche Risikobereitschaft vermissen lässt. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es bei CEREALITY.NET zu lesen.)


BONUS ZEUG:




HELI - Regisseur Escalante findet neue Perspektiven der trostlosen Grausamkeiten und übt sich dabei durchweg in permanenter Sprachlosigkeit. Nicht mal der Funken von Liebe und mitleidiger Empathie kann da gegen die omnipräsente Tristesse ankämpfen, höchstens der drastische Shock-Value mit seinen gnadenlos-gekillten Hunden, zerschlagen-aufgehängten Körpern und verbrannten Penissen beherrscht unentwegt, aber auch emotional merkwürdig-distanziert die staubige Szenerie (an mindestens einer Stelle sogar am Rande der Lächerlichkeit), auch weil die Berechenbarkeit des gemäßigten Erzählungsstils Menschlichkeit jenseits der Bandbreite depressiver Ermattung vermissen lässt. Man könnte dies als rohe, respektvolle Eleganz anerkennen, doch abseits der gestalterischen Asketik bleibt auch nur ein skizzenhaft etabliertes Konzept von sozialer Armut, von undurchsichtiger Korruption (?) und vom Frust armseliger (und so Arthouse-typisch blass-minimalistisch-daherredender) Leute, bei denen es letztendlich auch nur darauf hinausläuft, dass man sich grob rächt, um zumindest wieder mit sexueller Erquickung das Karma zu beleben - die Verhältnisse bleiben jedoch ungeändert. Im Endeffekt ist 'HELI' zwar auch kein direkter Aufruf zur Revolution, höchstens ein mutig-deprimierender Einblick ins Höllenloch, aber ich für meinen Teil konnte leider nicht viel davon mitnehmen. Dafür ist die Filmerfahrung an sich einfach zu lauwarm aufbereitet, weil trotz ihres sozialen Gewissens schlicht gelähmt von der eigenen inneren Betroffenheit. Regt es zum berühmt-berüchtigten Nachdenken an? Möglich, aber für eine echt starke Reaktion vom Publikum gibt sich der Film dann doch vom Gesamtkonstrukt her zu uninvolvierend und nüchtern.




AN EYE FOR BEAUTY - "[...] Eine eventuelle psychologische Tiefe aus der überwältigenden Präsenz der Schönheit zu erschaffen, ist keine Option, jedenfalls sträubt sich Regisseur Denys Arcand davor, irgendeine Konsequenz aus seiner Geschichte zu ziehen. [...] Der Zuschauer kann beim neidischen Zuschauen höchstens noch mit den First-World-Problems dieser charakterlich fernen Reichen sympathisieren, was im Gegenzug leider natürlich vollkommen kalt lässt. [...]"

(Die komplette Kritik gibt es bei CEREALITY.NET zu lesen.)