Erbe Leslie,
hmm, die heutige Ausgabe könnte für
manch einen von euch wohl etwas kleinwüchsig erscheinen. Tja,
manchmal kommt binnen einer Woche nicht so viel zusammen, wie man es
sich manchmal erhofft, das ist ja kein Unding mit dem Voranschreiten
der Zeit, dass nimmer stets für vollgepackte Action gesorgt werden
kann. Natürlich ist im Weltgeschehen ringsum wieder einiges an
Blödheit passiert, dass die Endzeit immer näher an uns rückt, aber
das lässt sich an entsprechender Stelle ja wie gehabt extensiv
nachlesen, als dass ich hier alles wiederum aufzählen muss. Eins
steht jedenfalls fest: Wenn sich der eigene Zahnarzt vor Ort schon
Sorgen macht, wie die zukünftigen Importpreise (und zwangsläufigen
Preise für den Endverbraucher) für US-Kunststoffe ausfallen werden,
dass dieser den Donald innerhalb eines normalen Beratungsgespräches
als kranken Typen bezeichnet, dürfte klar sein, dass Politik wieder
der Mainstream, quasi the talk of the town, geworden ist.
Außerdem: Steinmeier ist jetzt Bundespräsident, am Hamburger Flughafen (nicht unweit von meiner Wohnung entfernt) strömt Reizgas aus und die Berlinale
läuft wie gehabt ohne mich bereits in vollen Zügen ab, droht dem
populistischen Zeitgeist entsprechend auch schon mit erpresserischen
Ultimaten,
wenn ungefällige Einschätzungen im bloßen Überblick durchsickern.
Wow, welch Fest der Freiheit! Und was ist bei mir so passiert? Naja,
der Tinnitus von letzter Woche ist noch geblieben, weshalb es
zeitweise durchaus an Konzentration gemangelt hat, wenn's ans
Filmschauen und -besprechen ging, doch am besten kam ich eigentlich
wie gehabt damit zurecht, wenn Freunde dabei waren und quasi drei
Filmabende, zwei kleinere und einen größeren, veranstalteten.
Sternstunden der Unterhaltung und des Austauschs bester Jokes waren
insofern gegeben, von dem Arsenal an gesichteten Schätzen kann ich
sogar bis in die nächste Ausgabe hinein berichten, doch fürs erste
wird’s dem anstehenden Valentinstag gemäß allen voran romantisch
bzw. spannend in Beziehungsfragen, wenn unsere vier Filmbeispiele vom
entrückten Traum des Glücks bis hin zur S&M-Schiene
auftrumpfen, mitten ins Herz treffen oder volle Kanne aufs Hirn
ballern. Seid ihr bereit? Dann schnappt Euch eure bessere Hälfte
oder das jeweilige Geschlechtsteil und erfreut die jeweiligen
Glubscher an dem, was ich an liebreizenden Lese(und Hör-)stoff
aufzubieten habe, wenn die Filmwelt mal mehr, mal weniger durch die
eskapistische Linse am höchst durchgefickten Globus entlang kreist.
Erfahrenen Filmfreunden muss man nicht
noch erklären, wie sich Louis Malle zeitlebens als behutsamer
Surrealist bewährt hatte, komischerweise hatte er es bislang
trotzdem nicht auf diesen Blog geschafft, was sich nun mit „Die
Liebenden“ ändern wird. Jeanne Moreau, ebenso erstmals an
dieser Stelle vertreten, zieht es in dieser Romanze von der
Eintönigkeit und Tristesse des Adels hin zur unverhofften Hochphase
des Glücks, die über mehrere Lebensmodelle hinweg trotzdem einen
Zyklus der Vergänglichkeit voraussieht, in einer (bitte) unendlichen
Nacht jedoch den Orgasmus einer möglichen Zukunft in Bildern, Gesichtern,
Körpern, Elementen der Natur und dem Aufeinandertreffen aller zur
Allzeitsehnsucht ballt. Beats by Brahms sind die herzlichen Begleiter
dazu, vorher erstreckt sich das schwarzweiße Breitwandformat (das
„Marienbad“ kupfert nicht nur davon ab) aber noch nüchtern innerhalb jener Mauern, die sich
der Frau um 1958 als gesellschaftliche Sicherheit anboten. Jeanne
Tournier (Moreau) verbringt da schon so wenig Zeit wie möglich auf
dem einsamen Anwesen ihres Ehemanns und Verlagmoguls Henri (Alain
Cuny) und pendelt ständig nach Paris, um eine Affäre mit dem
Polo-Player Raoul (José Luis de Vilallonga) aufrechtzuerhalten, doch
die Highlights jener Beziehung zwischen Trabrennbahn und Rummelplatzkarussell
bieten nur wenig Aussicht, so wie sich die Rückkehr zuhause auch
dadurch einpegelt, wie gleichgültig Henri die Präsenz seiner
Frau wahrnimmt, ihre ehelichen Pflichten aber als selbstverständlich
reinforciert. Fast schon schlafwandlerisch geht sie diesen auch nach,
wenn sie abends seinen Arbeitsplatz aufsucht, um zu schauen, ob er
sie denn betrüge, doch neben der Erkenntnis, dass er offenbar lieber
Überstunden malocht als daheim zu verweilen, scheint sie sich
sowieso schon mehr in das Traumtänzeln innerhalb der industriellen
Rhythmen zu verlieren, am liebsten weit weg von der Vehemenz der
gefühlskalten Zufriedenheit.
Bei Malle kommt der satirische Unterton
zur Bourgeoisie dann auch in jener Form (und Bildsprache) zur Geltung, wie Jeanne ihre
Körperlichkeit verpackt, eher ausklammert und schlafen legt, das
schlichte Anhängen von Accessoires, eben Perlenketten und Haarklammern zum Alltagsinhalt
erarbeitet – das eigene Kind ist da sowieso eher Inventar, wie es scheint. Mit dem
Tratsch ihrer im Prinzip schon bettlägrigen Freundin Maggy (Judith
Magre) ist auch nur wenig Bewegung im Spiel, doch jenem Feststecken
droht erst recht der Kollaps ins Nirgendwo, sobald Raoul als
Begleitung Maggys Henri zum Diner vorgestellt werden soll. Henri ahnt
sowieso schon, wohin der Hase läuft, deshalb soll der Besuch im
Verlauf auch eher eine Demonstration seiner Kontrolle über Jeanne
ergeben, die er eh schon mit getrennten Betten von sich hält - das Gift einer imaginären Abhängigkeit vertieft sich zur verbrannten Erde. Doch
siehe da, Leben mischt sich ins Prozedere ein, sobald Jeannes Wagen
auf dem Weg zum Diner zusammenbricht und der Zuschauer endlich ein
Panorama der Provence erhält, in das sich Bernard (Jean-Marc Bory)
hinein verirrt, als Helfer zum Mitfahren einlädt, aber über
weite Strecken seinen eigenen Kopf durchsetzt, weshalb Jeanne mal ein
bisschen zu spät zuhause ankommt. Ist aber weiter nicht so schlimm,
schließlich ist man auf dem Weg mit mehreren Keckheiten ins Paradies
der Begegnung gelangt, voller pointiert undurchschaubarer
Automechaniker und friedfertigerer Dorf-Einsamkeiten, die
zumindest ein hübsches Bächlein und frohlockende Vogelstimmen für
sich behaupten können. Jeanne bleibt da durchweg etwas unruhig, der
Film an sich auch eher ein stiller Genießer, doch das Feeling
überträgt er allmählich schon auf seine Protagonistin, je eher
sich ihr Fahrer als Lebemann der Bescheidenheit und trockenen Ironie
entpuppt, der zudem ungern auf seinen adligen Familiennamen
angesprochen wird – später übrigens der einzige Stichpunkt
seinerseits, für den ihm Jeannes Umwelt die Türen öffnet, obgleich er sich ihren Henri als knurrigen Bären vorstellt und damit einen ansteckenden Lachkrampf im Kopfkino auslöst.
Innerhalb der Türen dessen fühlt man sich
aber so oder so wieder wie im Gefängnis, erst recht beim Abendessen in
steigender Schweigsamkeit, bei dem selbst Erdbeeren betreten
gefressen werden, wenn Raoul nicht noch auf Teufel komm raus
oberflächlichste Konversation betreibt. Jener Zwang der Geltung beherbergt eine fordernde Funktion wie übrigens auch die Erzählerstimme im Off, die
einem „Listen
up Philip“ ähnlich mehrmals von inneren Schmerzen berichtet
und Jeanne Selbstzweifel auferlegt, welche die Bilder in der reinen
Betrachtung enorm zu entkommen versuchen. Jeanne will dann auch Raoul
entkommen, der sich nicht nur als Intellektueller seines Standes
wegen heraus kristallisiert, sondern auch gerne mit der Methodik und
verkappten Abgeklärtheit Henris konform geht/gehen muss, weshalb der Abstand
zum Neuling Bernard natürlich immer kürzer ausfällt. Nachts dann
fallen die letzten Grenzen und der eingangs erwähnte Klimax der
Liebe erfüllt sich mit einer traumhaften Prozedur, die sich zudem
von kontemporären Konventionen dargestellter Sexualität löst (einst ein mittelschwerer Skandal) –
wohlgemerkt in einer Entschleunigung, die Moreau im Nachtgewand eines
Engels schweben lässt und sie sowieso permanent im Fokus behält.
Lässt sich dieses Glück auf ewig halten, solange im Dunkeln alles
offen steht, das Licht am Eigenheim erst wieder die Grenzen der
Freiheit aufzuzeigen droht, während die Flucht nach innen
fast nur noch/quasi erstmals dem Kind gilt? Schließlich wird zwar als trojanisches Pferd innerhalb der Statussymbole
mit offenen Karten gespielt und melodramatischen Konfrontationen fast
schon spöttisch aus dem Weg gegangen, doch Jeannes erster Blick zum
Spiegel, hin zur Wahrheit ihrer selbst, hat einen
bittersüßen Sonnenaufgang im Auge. Zu jeder Erfüllung gibt es
einen Epilog, zu jedem Tag einen weiteren in Folge – dass Louis
Malle die Sehnsucht zur Nacht dann umso wirksamer herauszuheben
vermag, liegt einfach in der menschlichen Natur und macht sich hier
als poetischer Zauber auf die Lauer, eskapistisch zu schwärmen, doch
die Stille zur Ungewissheit bleibt, wie auch die
soziologisch-satirische Vorarbeit für eine Emanzipation, die
überhaupt erst zur Menschlichkeit zurückführen musste. Gewiss nicht die
schlechteste Maßnahme.
Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!
So, jetzt geht's weiter im Text!
Ein-Satz-Kritiken für zwischendurch!
„Halbe Treppe“ - Die unverhoffte
Andreas-Dresen-Retrospektive schnackt und eskaliert sich weiterhin gern gesehen
durch die Beziehungsunfähigkeiten und Schicksalszufälle
sozial-verkorkster Milieus, bleibt qualitativ aber auf einer Höhe
mit seinen Vorgängern, obwohl der Dogma-'95-Versuch noch rohere
Momente der Verletzung binnen deutscher Hyper-Tristesse (Frankfurt an
der Oder) hinkriegt sowie Authentizität zwischen Tag, Nacht, Mann
und Frau erwirkt, selbst mit Einsprengseln des Interview-Formats
nicht allzu prätentiös wirkt, im letzten Drittel kollektiver
Versöhnung aber auch erneut zum rührseligen
Klammernschließen neigt (Stichwort: Wellensittich).
„Superman and the Mole-Man“ -
George Reeves ist als Superman ein eher seltener Gast fürs erste
Leinwandabenteuer in Spielfilmlänge, wenn dessen ausgewalzte
B-Movie-Manier begrenzter Ressourcen eine Gruppe von Maulwurfmenschen
jagt, die eine Western-Stadt mit radioaktiven Händen in Aufruhr
bringt, obgleich die kleinen Kerlchen unfreiwillig und voller Furcht
durch die irdische Industrie an die Erdoberfläche getrieben wurden,
weshalb Superman den american way fester Grenzen und
Nationalitäten als Frieden ausformulieren muss, um das Budget an
Laser-Effekten mit stolzer Brust abprallen zu lassen, als Freund und
Helfer dennoch halbwegs zu beglücken.
„Conni und Co“ - Beim
Schweiger-Familienprojekt hat Tochter Emma Tiger offenbar am
wenigsten Lust, das Kinderabenteuer um einen knuffigen Hund (incl.
Top-Chief-Intro) anzuführen, weshalb ihre
Schauspielleistungen jede potenzielle Sympathie unterbieten, sich
zudem am Rest des Casts abfärben, wenn die einfallslosesten
Genre-Klischees durch den vermeintlich episch-sommerlichen Filter
gejagt werden, Pop-Schmalz schon frühstmöglich als Gefühlsersatz
auftritt und mehrere Stationen des Konfliktpotenzials auf einmal
anfangen, aber stets versanden, wenn sich die alte Masche „Erwachsene
hören niemals zu“ auf ein absurdes Höchstmaß puscht, bis zum
Happy-End hin kein stimmiges Tempo erreicht.
So, jetzt geht's weiter im Text!
Obacht: Wer gerne nach der Steilvorlage
von Louis Malle lieben will, sieht das ganze Elend in „Nights
and Weekends“ wiederum zusammenbrechen. Der Fall hängt jedoch
in vielerlei Hinsicht von der dargestellten Problematik der
Fernbeziehung ab, welche sicherlich nicht wenige von uns schon mal
unternommen, erhebliche Gewichtungen an Vertrauen über weite
Distanzen erschaffen hatten und an selbigen irgendwann zwangsläufig
zerbrachen. Am Willen des jeweiligen Gegenübers scheitert es
meistens nicht, ein Mangel an Begehren kommt weiß Gott nicht
zustande, aber in kurzen Zeiträumen des Zusammenseins ist das Kennen
und Kennenlernen mehr oder weniger ein illusorischer Prozess. Es hat
fast schon etwas Religiöses, wie man sich unter jenen Umständen in
den Gedanken der Liebe hinein verlieren kann, Hoffnungen auf eine
Einigkeit des ist-ja-nur-temporär-en Abstands schürt und dieser Tage
auch eine tolle Lösung darin erkennen mag, durchweg online in
Kontakt zu bleiben. Dennoch besteht wie überall, hier nur noch
verstärkter die Gefahr, dass zwei derart abgekoppelte Leben an der
Dissonanz zueinander abprallen, das Treffen an Gemeinsamkeiten als
forcierten (ohnehin mühseligeren) Schritt empfinden, in der
Kommunikation von Sorgen, Schmerzen und Zuneigung Hemmungen aufbauen.
Wenn dann nicht dauernd irgendwelche Missverständnisse entstehen,
wird im Verlauf spätestens die gemeinsame Planung zum Sex ein
mittelschwerer Krampf. Aber fing es nicht alles so schön an? Wär
das drin, das alles für immer so bleibt, wie man sich an die besten
Momente zurückzuerinnern meint?
Nun, die Frage konnte Malle schon nicht
beantworten, umso härter steigen Greta Gerwig und Joe Swanberg
sodann in jenen Verlauf der Vergänglichkeit ein. Dabei muss man das
als Zuschauer anfangs gar nicht mal vermuten, so gut sich Mattie und
James verstehen – also auf dieser urbanen Mumblecore-Schiene
voll postironischem Schlagabtausch, der vom Schauspiel so
naturalistisch und von der Inszenierung so abstrahiert für sich
selbst steht, dass es vor Wahrheit weh tut. Die Kamera wird sich so
gut wie weggedacht und in der Entblößung zeigen beide alles. Als
Zuschauer hat man im Vergleich wenig Distanz zum fernliebenden
Pärchen, dessen Höhen und Tiefen eigentlich auf geringstmöglicher
Dramatisierung geschehen, von den Situationen her eher triviale
Angriffspunkte finden, aber umso bitterer wiegen, wenn man die Lücken
der Einsamkeit einberechnet, die der Film ab und an mit schlichten Texttafeln
überbrückt. Unter Verwandten in gewöhnlicheren Beziehungsmodellen ist der
unausgesprochene Wunsch nach einer Entsprechung dessen dann auch
permanent zu spüren, selbst das Zusammenziehen löst die Misere
unterbrochener Bindungen nicht auf. Auch wenn ein ganzes Bündel an
zusammenschweißenden Erfahrungen auf dem Tagesplan steht, sind es
eher Ablenkungsmanöver von der Aufforderung zur (Selbst-)Bespaßung
oder von der Pflicht zum Job weg. Beziehungsaufrechterhalter und
-killer ARBEIT ist dann auch Mittäter der kontinuierlichen
Entfremdung unserer Zwei, die wir im Großteil aus der Perspektive
Matties betrachten, folglich dabei sind, wie sie sich und ihre
Gefühle leugnet, mit leichtfüßiger Haltung übertüncht und sich daraufhin vor Verzweiflung auflöst,
obgleich auch James den Blick zur Freizügigkeit wie verschämt
unterbindet, als sei man seit jeher im Status best friends
unterwegs.
Mit den Tränen der Einsamkeit ist
letztendlich keiner zufrieden, aber deren dringend nötiger Ausbruch kann eben nur bei geschlossener
Tür in Abwesenheit des jeweils Anderen passieren, mal um ihn nicht
zu verletzen, mal um sich selbst zu schützen, meistens aber auch
deshalb, weil man sich kaum noch kennt und doch im Gewissen daran hängt, was mal
eine Harmonie war – selbst, wenn diese nur über Nächte und
Wochenenden probiert wurde. Man kann nicht von ihr loslassen, alles wird awkward und dann
bringen die äußeren, unwissenden Umstände sie auch noch wieder in
Situationen zusammen - ein Foto-Shooting, das ehemalige Glück in der
Fotobude parallelisierend -, welche die seitdem gebliebene Connection im Herzen
vorspielen, zum Greifen nah in Bildern verewigt und auf einen neuen
Versuch hinsteuert, der aber gleichsam nur zum Scheitern verurteilt sein
kann, es sei denn, man hätte eine versöhnlichere Filmfantasie auf
der Platte. Gerwigs und Swanbergs Film kann und will es sich nicht so
leicht machen, deswegen ist das Spektrum an Erkenntnissen oder gar
Lösungen eher klein ausgefallen, als dass der Wiedererkennungsfaktor
eben an der Spitze steht, ein beiderseitiges Versagen in
beispielhafter Treffsicherheit rekonstruiert, binnen der Scham des
Weggehens und Wiederkommens reflektiert wird. Wohin soll es aber
gehen nach den dargestellten und selbst erlebten Unmöglichkeiten der
Liebe? Wieder in klassische Modelle, ab ins Eremitentum oder in die Karriere à la Damien Chazelle? Um eine Antwort sträuben sich die Filme dieser Woche
geradezu (ist ja auch nicht ihr Auftrag), siehe auch die folgenden Werke.
Wer sein Hirn allmählich zum Henker
schicken will (je älter man wird, desto sinnvoller), allerdings kein Geld für den Spaß am Rauschgift über
hat, sollte stattdessen vielleicht „Campus Code“ in
Betracht ziehen. Es ist nicht nur ein spottbilliger DVD-Titel und
dementsprechend auf niedrigstem Budget inszeniert, sondern auch von
einer glücklichen Fügung aus Unvermögen und Ambition begünstigt,
die ausgerechnet von Martin Scorseses Tochter Cathy ko-angeführt
wurde – obwohl die Erfahrung für alle Mitstreiter im Endeffekt offenbar
keine
allzu schöne war. Papa Marty und Kollege Ray Liotta schauen
demnach ebenso für Mini-Auftritte vorbei, doch deren Gesichter in
einem HD-Camcorder-Epos wie diesem sind nur das I-Tüpfelchen für
eine filmtechnische wie inhaltliche Verstrahlung, die ohne jede
Erdung durchweg auf konfuse Signale einer verzerrten Realität setzt.
Dort zu den Charakteren zu finden, ist ein umso brachialeres
Unternehmen, doch bei den Belangen von Arun (Ritesh Rajan), Becca
(Hannah Hodson), Ari (Jesse McCartney), Izzy (Alice Kremelberg) und
Greta (Conor Leslie) sind im Grunde noch die gängigen
Uni-Ungewissheiten von Zukunftsträumen und Beziehungskisten gegeben,
wenn auch mit konfusen Details en masse unterfüttert. Ari
z.B. druckt fleißig T-Shirts fürs Taschengeld, wird dabei
allerdings von Elliot (Jack Falahee) überrumpelt, der dieselben
Motive (gemalt von Arun) auf dem Unigelände vertickt, weshalb es da
schon spontane Verfolgungsjagden und Fights gibt, welche mit wahllos
eingeworfenen Superkräften die Unzerstörbarkeit aller sowie
Spezialeffekte evozieren, die bereits anno 2007 von jedem
After-Effects-Nutzer übertroffen werden dürften.
Der Film hat (trotz teils starkem Equipment) ohnehin etwas Unfertiges an sich, wie er auch der Zeit hinterher hinkt, die Klischee-Grufti-Truppe der Griefers als Antagonisten etabliert und im Schnitt dazu meistens sehr daneben zur Kohärenz neigt, an anderer Stelle wiederum ewig lange in einem Cafeteria-Gespräch verharrt, Mikros im Bild hängen lässt und auf der Tonspur immer wieder dieselben Pro-Scores-Akkorde aufzieht. Daraus kann manch einer ein desaströses Trinkspiel basteln, doch wie erwähnt ist die Bewusstseinserweiterung schon im Film selbst gegeben, da menschliches Verhalten und dramaturgische Konventionen per „Campus Code“ von Vornherein komplett ausgesetzt scheinen. Da überwirft man sich im Eiltempo eines Trump-Dekrets mit Geheimnissen und ungelenken Szenenmustern, pathetisch gewichteten Begriffen und Dreiecksmissverständnissen aus dem YA-Sektor, schlussfolgert dementsprechend weltfremd auf die Strukturen hinter einem Gros an paranoiden Unfassbarkeiten, für das man sich zum Beweis auch mal gerne selbst die Treppe runter schubst. Sich zu wundern wird für den Zuschauer ein Dauerzustand, angesichts dessen kommt der Unterhaltungsfaktor natürlich auf eine Höchstnote, die ihr begrenztes Spektrum an Mitteln immer wieder mit plötzlich auftauchenden wie unbeholfen umgesetzten (und gespielten) Ideen, Intrigen sowie Charaktermomenten abseits jeder Rationalität füllt und da zudem noch von einer Katastrophe von Synchro gekrönt wird. Die Auflösung all dessen ist nochmal ein Fall für sich, doch bis dahin waren ohnehin schon einige Pausen des Durchatmens nötig, um die Erfahrung zu verarbeiten. Mehr verrate ich an dieser Stelle lieber nicht, traut euch einfach mal an den Streifen ran und erlebt, wie euch alle Synapsen auf einmal durchbrennen, sich mitunter betrogen fühlen oder die ganze Angelegenheit auslachen - interessanter als die „Silence“ des Daddy Scorsese wird es allemal.
Zum Schluss wieder was von meinen komplizierten Youtube-Eskapaden, für welche man den besprochenen Film an sich heranziehen muss, um das gemeinsame Erleben zu begießen: Ein Audiokommentar zu „Fifty Shades of Black“ (Michael Tiddes, 2016)!
Der Sadomasochist Witte lädt ein - seid dabei, wie er sich selbst de(vot)motiviert! Pünktlich zum Start der neuen Shades-Scharade im Kino habe ich mich schon im Vornherein durch die Verarsche des Vorgängers gequält und einen Audiokommentar aufgenommen, der sich kontinuierlich schleppender durch das Ensemble an Anti-Gags knattert. Wer leidet mehr? Ihr hoffentlich weniger, wenn wir zusammen an jenem misogynen, lustfeindlichen und passiven Konstrukt von Film teilnehmen, also: Ohren auf, keinerlei Charakterentwicklung erfahren und in dieser Subkultur unter Youtube-Videos zum Grabe finden.
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