Sonntag, 1. November 2015

Tipps vom 26.10. - 01.11.2015

Zunächst mal ist wieder Monatserster, das heißt auf CEREALITY.NET gibt es erneut die Filmempfehlungen zum Kinomonat November:

http://www.cereality.net/thema/filmempfehlungen-im-november-116049

Visuell gesehen, macht das folgenden Eindruck:



Und nun geht es weiter mit den Filmen, welche diese Woche zu Herzen gingen:




BEGEGNUNG - Lässt sich nach all den Jahrzehnten noch etwas Neues sagen über diesen Film, der als meisterhaftes Melodram so innig seine Charaktere spüren lässt, dass es in seinen nicht mal neunzig Minuten Laufzeit eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit darstellen müsste? Der einen Großteil seiner Gefühlswelt dabei per Voice-Over vermittelt, was im Allgemeinen inzwischen als die beliebigste Erzählvariante durchgeht, hier allerdings meisterhaft leicht jene Gedankengänge rekreiert, die man im wahren Leben durchmacht? Also eben solche, welche im nervösen Gewusel der Eindrücke die ansteigende Verliebtheit aufzeichnen, anfangs noch der Bescheidenheit halber verdrängen, dann aber nicht ohne sie können; von der Freundschaft einer zufälligen Begegnung hin zum unbedingten Zusammensein, das man jedoch versteckt/verstecken muss - ob nun vor der Gesellschaft, vor Bekannten, Freunden, Liebhabern und sogar totalen Fremden? Echt schwierig zu sagen, was man da hinzufügen kann, abgesehen davon, dass es sich bis zum heutigen Tage nachfühlen lässt.


Vielleicht, dass die Nebencharaktere in ihrer teilweise entlastenden Funktion nicht immer stimmig zum Hauptteil eingearbeitet scheinen, aber dennoch so gut als Teile des Alltags ausgefüllt werden, wie sich heutzutage im Grunde kaum noch die Mühe gemacht wird und somit nicht nur bloße Abziehbilder bleiben. Man kann natürlich auch zugeben, dass David Leans Film beileibe nicht der einzige seiner Art war, der derartige Erzählstrukturen und Schicksale darstellte. Ohnehin ist er am Schluss durchaus seiner Entstehungszeit zuzuordnen, wie jene moralische Kurve genommen wird, obwohl diese trotzdem sehr natürlich zum Verlauf der Geschichte beiträgt, die sowieso ein fortschrittliches Verständnis zur Liebe abseits der offiziellen Bindung zeigt. Das Handwerk ist für diese Absicht sowohl feinsinnig, als auch angemessen in der Gefühlsbetonung gelungen, von Tempo, Ton, Kamera, Musik und Schauspiel her genau richtig eingesetzt und dennoch keine Schau selbstbeweisender Perfektion im Stil. Denn im Fokus stehen die Menschen; selbst mit historischer Distanz einige der wahrhaftigsten, die ein gutes Melodram hervorbringen kann.


Solche, die sich gegenseitig verstehen, ergänzen, vom Inneren des Gegenüber wissen, was diese fühlen und sagen wollen, sogar müssen und trotz aller Sehnsucht ein Scheitern vorauszusehen haben. So geheim kann die Liebe dann gar nicht mehr sein, wenn wir sie von Anfang an als solche erkennen, obwohl sie innerhalb der unbedarften Massen an Menschen untergehen müsste. Wohl deshalb musste solch ein intimes Leiden per Film auch an die Oberfläche, damit Menschlichkeit und Liebe sich wieder zeigen und nach Luft schnappen können, selbst wenn sie still hadern, jedoch in anderer Perspektive von innen Glück und Verzweiflung in stetiger Wechselwirkung erleben. Was lässt sich da wirklich noch mehr sagen, außer, dass der Film eine Menge zu sagen und zu zeigen hat, für das man die Sprache nicht stets neuerfinden muss, da es hoffentlich durchweg in der Menschheit so weiterleben wird und anhand des Mediums auf Zelluloid so grenzgenial veräußerlicht werden kann? Eben!




EL CLUB - "[...] Die Verschwörung ist weder eine heilige noch bewusst böse, da sie aus einer von vorherein gesäten Fehlleitung geschieht und von außen regelmäßig durch die folgenschwere Vergangenheit provoziert wird. Dies macht die Umstände kein Stück leichter; im Gegenteil: Der Zuschauer gerät immer tiefer in den Morast des verzerrten Glaubens und in Weltbilder, die selbstverständlich hingenommen werden und in ihrer schlichten Äußerung abschrecken. Einige intensive Kompositionen von Arvo Pärt verstärken die Hilflosigkeit – doch das Schweigen im diffusen Cinemascope birgt ebenso Verstörung, je weiter das Vergangene im Geheimen auf die Gegenwart einschlägt. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




IN HER PLACE - "[...] Die Verzweiflung am Überleben in moderner Zeit außerhalb des Modernen verbannt schließlich das Vertrauen. Das in den Herzen aller verabreichte Gift wirkt langsam, aber tödlich – und so ist auch Shins Film eine unterschwellige Dekonstruktion der Hoffnung. Wo anfangs noch die brave Souveränität alle Fehler unterbindet, zeigt sie im Verlauf ihre Hässlichkeit durch ein Unverständnis, für das der Film keinen exploitativen Exzess annimmt, aber auch keine Scheu fürs Konkrete. In den Konsequenzen lauert wiederum keine plakative Moral, da die Einsicht nicht mit allem rechnen konnte, doch auch ihren Egoismus reflektiert. Es gibt in der Erschütterung fern emotionalisierender Töne kein Urteil."



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




DADDY'S CADILLAC - Junge, Junge, was die Mädchen alles von uns wollen (oder was vermutet wird, was sie wollen)! Wer um die High School herum keine Kutsche für sich behaupten kann, ist angeschmiert, denn solche materialistischen Ideale sind offenbar doch noch das A&O, um mit dem Markenzeichen der Fähigkeit beim anderen Geschlecht zu punkten. Nicht, dass Regisseur Greg Beeman solche Statussymbole wirklich ernst nehmen müsste, im Gegenteil: Bei ihm wird die Fahrprüfung zum überakzentuierten Horrortrip, die Typen trotz ihrer jugendlichen Unbedarftheit eine Quelle herzlicher Blödheiten und vor allem unfassbarem Jugend-Slang im Dauerrausch. Alles nur um das Mädchen der Träume zu umgarnen, das sich aber doch noch frecher anstellt, als Jungens wie die zwei Corys, die sich von einer Chaotensituation in die nächste verirren, währenddessen auch noch die typische suburbane Familie ihren Eigenbedarf anmeldet. Unter neunzig Minuten hopst die Laufzeit also durch Szenarien der Teenager-Liebe, Geltungsangst, Aufreißer-Blödeleien, Schlägertypen und Säufern am laufenden Band, dass jede Langeweile im Nu verschwindet sowie Pointen gesetzt werden, bei denen die Haare zu Berge stehen, ohne billige Standards zu erfüllen. Wortwitz, Action, Honkpower und Spießersatire: Alles geht, ungehemmt, keck und flott, vielleicht im Nachhinein kaum gehaltvoll auf thematischer Ebene, aber dennoch das große Glück für Freunde des niveauvollen Quatsches (also Funnyboys), besonders dann, wenn Alkohol im Spiel ist.




CINEMA PERVERSO - DIE WUNDERBARE UND KAPUTTE WELT DES BAHNHOFSKINOS - An der Struktur von Dokumentationsfilmen muss man grundsätzlich nicht viel rütteln, um Lust auf ein interessantes Themengebiet zu machen. In diesem Fall geht es sogar schnurstracks ins Kino, direkt mit der Lok voran im Bahnhof verortet, wo sich innerhalb der deutschen Geschichte nach dem zweiten Weltkrieg Unglaubliches abspielte, nämlich das internationale sowie nationale Genrekino. Nirgendwo sonst schien die Lust größer zu einer bunten Zone des filmischen Ausdrucks, vom Druck der Qualität entkoppelt und somit ungezügelt in der Hinsicht, wie viele goldene Perversitäten Aufmerksamkeit erhielten. Schmuddelig, schludrig und vor allem non-stop wurde aus der Gebrauchsmentalität für Reisende ein Mekka der Unfassbarkeiten, nach dem man sich heute noch sehnt. So kommen also viele zeitgenössische (manchmal etwas oberflächliche) Talking Heads zu Wort, die den Appeal jener Zufluchtsorte des Exzesses nacherzählen und projizieren, vielleicht nicht immer zu ihrer Lust darauf stehen können, aber genauso gut Sentimentalität vermeiden, die man gegebenenfalls auch so empfinden kann, wenn man derartiges wiedererlangt wissen will. Ansporn genug vermitteln dabei Ausschnitte und Trailer-Clips einiger Filmbeispiele, deren Abstrusität mit jedem Meter Zelluloid an Stärke wächst, besonders im Verhältnis zum heutigen Filmbestand, der sich bisweilen einfach nicht mehr so marktschreierisch verkaufen kann, sondern dem vermeintlichen Ernst verfallen ist.


Für derartige Chuzpe brauchte es aber auch ordentliche Querköpfe oder unbedarfte Supermänner mit der groben Kelle, wie es Begegnungen mit Christian Anders und René Weller illustrieren - und solche haben in der Form nur noch geringe Chancen, ein frisches Reißbrett abzufetzen und dort in den Bahnhöfen westdeutscher Metropolen und Dörfer zu landen. Wie sich die Extreme dabei steigerten und dem Fernsehen die Show stehlen mussten, wirkt bisweilen drollig und schockierend, was sich da im Lauf der Jahre zusammenballte. Also wird auch nicht verschwiegen, wie die Zustände der Örtlichkeiten allmählich dem entsprachen, was an der Leinwand aufschäumte, insbesondere sobald der Striptease dem Porno weichte und Bahnhöfe allgemein ein Hort der Räudigkeit wurden. Mit kontemporären Reportage-Material kommen sodann die Gründe für Ursprung und Zerfall der Infrastruktur zur Geltung und da wird recht frank und frei erklärt, dass sich nur Rentables erhält und da allmählich die VHS Furore machte, musste das Konzept Bahnhofskino (wie das Kino an sich) durch das Heimkino sein jähes Ende erleben. Was dadurch verloren ging, wird in diesem Rahmen nicht unbedingt hinterher getrauert, aber für die Nachwelt als Abbild eines Teils der Filmgeschichte festgehalten. Hoffentlich wird so die Abgrenzung von sogenanntem „Trash“ und dem allgemein als solches wahrgenommenen Kino etwas gelockert und Inspirationen hervorgerufen, die nicht nur den Stil an sich feiern, sondern auch die Seele darin.

Bis zum 29.01. noch in der Arte-Mediathek zu sehen: http://www.arte.tv/guide/de/048647-000/cinema-perverso




KNOCK KNOCK - "[...] Der Diskurs ist ein überspitzter und wird von Roth mit exzessivem Genuss eingefangen, der die Frechheit (seiner Freude zum Genre) siegen lässt. Letztendlich ist er im Nihilismus verankert, der nur bedingt die Reflexion anregt; doch von einer strengen Lehre wird man dankenswerterweise verschont. Dafür sind die Figuren verstärkt Akteure eines spaßigen Thrills, also keiner ideologischen Vereinnahmung. Der Konflikt wird aberwitzig ausgespielt und von seinen Darstellern mit dem freien Wahnwitz unterzeichnet, den eine gesellschaftliche Groteske ausmacht. [...] Beide Seiten sind im Verhältnis zueinander schuldig, unschuldig, schön, hässlich, clever, dumm und für den eigenen Vorteil zum Äußersten bereit. Nur Ordnung und Anarchie trennen die Lager [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




SPECTRE - "Back to basics" heißt es wieder mal, zurück zum gewöhnlichen Agentenspiel, dem nun eine dunkle Vergangenheit anhängt, aber genauso gut eine (nun von Charme befreite) Bedrohung aus den 1960ern sein "könnte". Klar schlägt das Narrativ fix die Parallelen zu Überwachung und Drohnentechnik, der man mit geballter Ladung 007 etwas an Praxis entgegensetzen kann, doch so ein kalkulierbarer Aufhänger rechtfertigt keine Überlänge, während auch das charakterliche Spektrum eher funktionell verbleibt. Unbeachtet gleiten also Facetten der SKYFALL-Empathie am Seitenrand hinab, stattdessen unternimmt man einen weiteren globalen Trip, der in seiner Routine den Schlafwandler-Modus angeschaltet hat. Das hingegen fühlt sich im Allgemeinen gar nicht mal so schlecht an: Hoyte van Hoytemas Kamera kreiert da einen goldenen Rausch auf 35mm, welcher die Existenz seines Protagonisten in den gefühlten Limbus versetzt. Ebenso bemüht Thomas Newman ein ätherisches Ambiente, das in Sam Mendes' Inszenierung per Style für edles Abenteuer sorgt, speziell im Prolog noch Flair vermittelt, im Verlauf dann Spuren suggerierter Ungewissheit und zum Schluss hin die normalste Auflösung überhaupt untermalt.



Leider ist Bond eben wieder recht normal geworden, relativ spannungsfrei und mit Referenzen an den Urschleim gefüttert, in seinem glatten Ernst nur bedingt zum Spaß bereit, aber umso befremdlicher, wenn er in diesem Rahmen Spaß versucht und zudem noch Plattitüden toterklärt. Genauso als fehlplatziertes Relikt vorhanden: Sexismus, laut dem Frauen bei Gefahr erst so richtig rattig werden. Die Selbstverständlichkeit, mit der Bond unterforderte bis verschenkte Auftritte von Bellucci und Seydoux ableckt und sogar zu einer mehr behaupteten, denn überzeugenden Liebe verleitet, wird dann ebenso nur noch dröge. Speziell in solch einem Kinojahr, das Ilsa Faust hervorbrachte. "Codename: U.N.C.L.E." zum Beispiel wusste sein veraltetes Retro-Weltbild in dem Sinne auch eher gewitzt zu umspielen und in unbedarfteres Jungskino zu verwandeln, ohne alte Muster schlicht alte Muster sein zu lassen. SPECTRE hingegen vermittelt einen Rückschritt, der sich zwar anhand beachtlichter Bilder sehen lassen kann und Reflexionen zur Vergangenheit in den Vordergrund stellt, allerdings in seiner Kreativität auf Sparflamme arbeitet und müde wirkt. Gut, dass danach offenbar von vorne begonnen wird.

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