EPISODE 1: DER EINARMIGE - "[...] Interessanterweise löst Geißendörfer seinen Showdown allerdings wie schon in „Perahim“ nicht reißerisch auf, sondern erzählt mit nüchterner Zielstrebigkeit das Nötigste. Er bleibt gefasst und bodenständig, wie es zum Fall und zur Person des Lobsters an sich passt. Dabei schafft er es zudem, stilsicher mit den Formeln und Protagonisten des Genres sowie einem Gespür für das Menschliche, dessen alltäglichen Schicksalen, Motivationen und Sorgen zu jonglieren. Das erfüllt sich in jener konzentrierten Größenordnung mit einer emotionalen Wirkung, wie es nur wenige Serien in ihren ersten Lebensstunden schaffen. [...]"
EPISODE 2: ZWEI FLIEGEN - "[...] Passend zum Verweis auf seine eigene Stilistik zeigt Geißendörfer eine Affinität zum Genre der Privatdetektivserie, deren Formeln er in der ersten Folge eigensinnig umstellte, hier nun effektiv aufblühen lässt und sogar typische Romantisierungen des Berufs anwendet, inklusive Explosionen, Schusswechseln und Verhören. Doch auch hier dreht er den Spieß um und lässt durchscheinen, dass jene Handlungen zum Leiden des Gatten und anderer beigetragen haben dürften. Lobster hat es immerhin noch mit echten Menschen zu tun, inmitten eines trostlosen und visuell zynischen Herbsts. Und da liegt es der Serie schlussendlich eindeutig fern, jenem selbstgefälligen Fantasie-Ethos des etablierten Sendungsformats die Bühne zu überlassen."
EPISODE 3: STIRB - "[...] Die Liebe zu Tochter Tessa ist ohnehin ein ausschlaggebender Faktor zur minutiös offenbarten Nachvollziehbarkeit seiner Entscheidungen und reflektiert die harmonische Beziehung zwischen Lobster und seiner Tochter, die bereits in vorhergehenden (und kommenden) Folgen Probleme zu meistern hatten. Es ist für Geißendörfer zwar gen Ende klar, welche familiäre Einheit im Duell die Oberhand behalten wird – doch für ein Urteil nimmt er seinem Helden doch noch spielerisch den Wind aus den Segeln, während die Verlierer mit ihrer unausgegorenen Ideologie als Menschen jenseits ihrer Kontrolle das Verständnis des Zuschauers gewinnen [...]"
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EPISODE 5: BLUT - "[...] Lobster stieg der Alkohol vom Anfang wohl zu Kopf und legte sich wie ein Schleier über das Handeln des Privatdetektivs, der nur noch bedingt Rücksicht nimmt auf die verängstigten Gefühle der Mutter. Er weiß sofort, dass etwas Perfides im Argen liegt, und gibt sich im Folgenden so ordinär, dass sich die Folge dem anpasst und die Mutter auch kaltschnäuzige Phrasen hinrotzen lässt, welche mit lautstarken Anschuldigungen quittiert werden. Das Verständnis bleibt da verständlicherweise auf der Strecke und verwandelt diese Geschichte in weit hergeholte, aber dennoch kurzweilige Reißerware."
EPISODE 6: DAS KIND - "[...] Geißendörfer geht erneut mit einem audiovisuellen Verständnis heran, das sich ebenso effektiv in der Charakterzeichnung seiner gebrochenen Figuren widerspiegelt, wobei Lobster hier so stark wie noch nie an die ethischen Grenzen seines (nur bedingt Genrekonventionen erfüllenden) Berufes gerät und deren bittere Konsequenzen erleben muss. Solange der soziale Wille jede Herausforderung zu bewältigen versucht, lässt es sich eben leben. Die dunklen Seiten jenes Lebens mögen zwar an jeder Ecke lauern – aber es gilt, sie nicht bloß mit der Kelle zu vertreiben, sondern mit einem Sinn für Gerechtigkeit auf allen Seiten zu konfrontieren. [...]"
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DER BUNKER - [...] Wie der Student ist man als Zuschauer dazu gezwungen, zu beobachten und mitzumachen, ganz gleich, was geschieht und wie lange der Anstand es noch zulässt. Gewiss zeichnet sich hier ein unterhaltsames Spektrum ab, das die Strukturen familiärer wie gesellschaftlicher Ideale ad absurdum führt und die Angst vor der Außen- und Innenwelt konfrontiert. Es betrügt jedoch nie seine Wurzeln, auch, weil sich diese nie entblößen, sondern höchstens die (soweit möglich) logischen Ausmaße präsentieren; unter anderem anhand von ödipalen Komplexen und der Ermöglichung dieser durch die Mutter. Fakt ist, dass „Der Bunker“ als Film zwar den Reiz jener Ungewissheit erforscht, doch diesen nicht in türmende Eskalationen sprengt. [...]
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JOY STICK HEROES - Bei Kinderfilmen muss man scheinbar immer ein Auge zudrücken, wenn es um Glaubwürdigkeit, reelle Logik oder überhaupt cineastische Qualitäten geht. Wenn all diese Faktoren allerdings in der Wende von den 80ern zu den 90er Jahren mit Familiendrama, komödiantischem Jugendabenteuer, Underdog-Heldensage und Videospiel-Werbung verbunden werden, ist die Kernschmelze garantiert. In Regisseur Todd Hollands Bemühung, jene narrativen Stichworte miteinander zu versöhnen, geht es nämlich drunter und drüber - angefangen bei haltlosen Charakter-Klischees des amerikanischen Mittelstands, hin zur spekulativen Darstellung eines Traumas/Autismus (?) und infantilen Widersachern in Form von Gamer-Profis-mit-Sonnenbrillen-namens-Lucas und pseudo-seriösen Kinderfängern (ein gängiges Problem der Ära?).
Beim darauf erbauten Roadtrip wird zudem zeitweise auf verbindende Mittel der Verständlichkeit verzichtet, während der Honkfaktor im Drehbuch gar nicht mal so stark auf Naivität aufbauen könnte, wo er doch Kindesmissbrauch für Gags benutzt und Kindtod sowie Traumata in emotionaler Aufarbeitung anwendet. Doch ehe man sich versieht, reiht sich eine Unfassbarkeit an die nächste - vor allem in der deutschen Synchro kommt der Quatsch zur Ekstase und drückt unentwegt dort aufs Gaspedal, wo das befremdliche Weltbild schon seine unbeholfensten Situationen als alltägliche Grundierung verkauft. Das geht dann am unglaublichsten in die Hose, sobald die Nintendo-Werbemaschinerie fast aus dem Nichts in den Film suppt und im Verlauf allentscheidend für die Bewältigung psychischer Unzugänglichkeiten wird. Es wirkt folglich so unnatürlich wie auch das Spektrum an kindlichem Slang heutzutage eine unfreiwillige Pointenfülle bereitstellt. "Du bist echt ein funny boy!"
Und ganz abgesehen davon kommt man aus dem Lachen nicht heraus, für welche liebens- und schämenswerten Leistungen sich Recken wie Beau Bridges, Christian Slater sowie die spätere Rilo-Kiley-Sängerin Jenny Lewis, Tobey Maguire und King Kong hergeben. Das liegt aber auch an den Filmemachern an sich, die ausgerechnet ihren Fokus auf Videospiele in den Details so vergeigen, dass selbst Laien der Materie erkennen, wie wenig Ahnung hier an den Tag gelegt wurde. In diesem Sinne gewinnt der Film mächtig an Unterhaltung, versagt und verwundert gleichermaßen und bleibt dabei stets in poppiger Bewegung, hin- und hergerissen zwischen plakativer Sentimentalität, alles andere als zeitloser Musik und Technik, beknacktem Slapstick sowie exzessivem Product Placement im Herzen eines noch etwas unschuldigeren Amerikas. Muss man gesehen haben!
APPLEJUICE - Michael Lehmann schafft hier, einmalig als Regisseur und Autor in Personalunion, einen bissigen Blickwinkel auf das kontemporäre Amerika seiner Zeit, gebraucht aber einige Umwege, um dies zu offenbaren. Zunächst wirkt "Applejuice", oder im Original "Meet the Applegates", wie ein provinzielles Einwegmärchen der Marke "Coneheads" - unterhaltsam in seiner sozialen Beobachtung, aber etwas naiv und platt in der Gestaltung des suburbanen Ensembles, das nun von verrückten Käfer-Viechern/Ausserirdischen/humanoiden Mutanten heimgesucht wird. Gepaart mit der zu Beginn schon angesetzten Öko-Kritik, bereitet man sich auf ein gut gemeintes, doch gefälliges Lustspiel vor. Doch obwohl die Applegate-Heuschrecken in ihrer Verkleidung der idealen amerikanischen Familie starten, wird dieses friedliche Bild in der bloßen Interaktion mit der wirklichen Welt stetig korrumpiert und allmählich auf den Ekel reduziert, der tatsächlich im Zeitgeist schlummert.
Das Ungeziefer in zweiter Haut ist nämlich nichts gegen das Ungeziefer der Selbstsucht und Perfidie in den modernen USA zwischen High School, Kirche, Shopping Mall und Atomkraftwerk in der Nachbarschaft. Bei der erforderten Anpassung kommen demnach auch Drogen, Gewalt, Kaufrausch, Sex, Vergewaltigung, Misstrauen und zuguterletzt die Lynchjustiz nicht zu kurz. Ein genüsslich hundsgemeines Abbild der Zustände, dem die vermeintlichen Applegates mit geheimen Verpuppungen entgegenkommen; sprich, ihre Probleme unter dem Teppich kehren oder im Keller verstecken, wie es im biederen Einfamilienhaushalt gang und gäbe ist. Doch auch hier suppt der Einfluss der Aussenwelt auf die ungewöhnliche Familie hinein und verformt sie zum verdorbenen Extrem/Konsens, bei dem Lehmann reichlich kompromissloses Gift sowie Horror verspritzen darf.
Er behält sich dabei stets eine ulkige Perspektive vor und agiert gerne auch hyperaktiv und cartoonhaft, obgleich im Bunten pechschwarzer Hass verpackt ist. Das satirische Potenzial muss also ein Stück weit entpackt werden und geht dementsprechend nicht immer in jenem Einschlag auf, den es als Überraschungseffekt haben könnte. Die Lösung aller Probleme durchläuft sodann auch harmlosere Wege; vermischt Cleveres mit Albernem und füttert die Gefälligkeit zwar mit subversiver Kritik, wirkt in seiner Gesamtheit aber manchmal dann doch zu forciert komödiantisch - auch in seiner gesellschaftlichen Häme. Dennoch bleibt eine Erfahrung, die sich kontinuierlich als gehaltvolleres Werk entpuppt, als es in seinen Anfangsmomenten zu werden scheint und beweist, dass Michael Lehmann vielleicht einer der unterschätztesten Filmsatiriker seiner Ära war.
WE ARE YOUR FRIENDS - [...] Joseph überrascht zudem mit ungehemmten Stilistiken der Pop Art und knackt filmisches Regelwerk, indem er kurzweilig kreative Gedankengänge vermittelt. Das bedeutet vor allem reichlich irre Texttafeln und Schnittbilder innerhalb des Wesens unseres Discjockeys. Übertreibung ist da zu erwarten und wird gerne aufreizend entgegengenommen. Auf die ganze Romantisierung folgt aber auch die Pflichterfüllung [...] All dies schleppt sich ein wenig zu sehr am Bekannten entlang, versucht sich mit musikalischen Montagen voranzutreiben und beweist zumindest einen gewissen Respekt vor den Figuren, macht sie aber nie ganz dreidimensional. [...]
(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)
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