Sonntag, 24. Mai 2015

Tipps vom 18.05. - 24.05.2015



DANCER IN THE DARK - Bei Lars von Trier steht die Frau des Öfteren mit ihrem Schmerz im Mittelpunkt. Das heißt, die Eindrücke, die sie von der Umwelt erfährt, spürt man als Zuschauer mit, wie auch seine vom Dogma-95-Manifest-abgeleitete Gestaltung die unmittelbare Nähe zu ihr sucht. Von daher muss man bei diesem seinen Werk von 2000 ein paar Hürden überqueren, um die erneute Variante jenes Gedankens genuin wahrzunehmen - ganz abgesehen von manch entscheidenden Handlungsentwicklungen ins bewusst Melodramatische sowie natürlich der übergreifende Umstand, dass sich das Narrativ in ein Björk-Musical rahmt. Damit wird nicht jeder Vorlieb nehmen können, allerdings stellt sich besonders reizvoll heraus, worin die stille und Grausamkeiten auf sich ladende Protagonistin Ventile der Verarbeitung findet, welche der Unnachgiebigkeit des bergab verlaufenden Lebens entgegen steuern und zur versteckten Katharsis verhelfen: Fantasie, Musik und Film.


In verträumten Sequenzen, die Selmas (Björk) Alltag anhand von Umgebungsgeräuschen zur energetischen Revuenummer transformieren, strebt ihr Eigenleben in süßer Verpackung nach (V)Erklärungen zur Umwelt. In völliger Ruhe und Bescheidenheit sucht die schüchterne Fabrikarbeiterin nämlich noch innerhalb urtümlichster Americana den Anschluss, unterhält Freundschaften zum konzentrierten Provinz-Ensemble und lebt zudem ihre Liebe zur Musik in der örtlichen Theatergruppe aus. Der vollen Zugänglichkeit entsagt sie dennoch, hütet stattdessen sorgsam Geheimnisse, anhand derer Präsenz sie auch niemanden an sich heran lässt. Wohl deshalb kommt Nachbar und Vermieter Bill (David Morse) trotzdem zu ihr und gesteht ihr Probleme, die ihn von innen auffressen und die er niemandem sonst mitteilen kann - allerdings verrät sie ihm zum Trost ihr unausweichliches Schicksal: Sie wird bald blind werden und hat deshalb reichlich Geld für die absehbare Operation ihres Sohnes gespart, der genauso wenig von ihrer Erbkrankheit weiß.


Ihr zärtlicher und zerbrechlicher Umgang mit individuellen Schwierigkeiten wird ihr jedoch kontinuierlich zum Verhängnis und obwohl fast jeder Verständnis sowie Hilfe für ihre Lage aufbringen möchte/würde, ist sie wie gefangen in ihrer gütigen Naivität. Die Flucht aus diesem Ringen mit der eigenen Wahrheit den Mitmenschen gegenüber findet sie eben dann auf der Leinwand und derer musikalischen Glückseligkeit, welche sie nimmer aufhören sehen will. Von Trier wird letzteren Wunsch zum Schluss hin insofern umkehren, dass er den wahrhaftigen Schmerz der Realität nicht verschweigt, aber ihr trotzdem das symbolische Ende gibt, dass sie in dieser Form am liebsten kennengelernt wie auch vermieden hat. Man kann dann auch nicht anders, als für ihren Charakter mitzuleiden, doch ebenso darf ihr in Gedanken ablaufendes Glück als wahrhaftige Erfüllung wahrgenommen werden. Dafür muss man aber auch die Konsequenz in Kauf nehmen, dass Selma auf diesem Wege ihr Prinzip der Geheimnisbewahrung nie wirklich abstellen und sich auch dann nicht erklären wird, selbst wenn ihr dadurch erhebliche Lasten genommen werden könnten.


Als Zuschauer frustriert das natürlich - allerdings nicht, weil man sie eventuell nicht nachvollziehen könnte, sondern weil man im Leben öfter ebenso handelt. Bei manchen zeichnet sich das in bloßen Notlügen ab, andere neigen bis hin zur Selbstzerstörung. Und wie lässt sich die Konfrontation mit diesen eigenen Verhaltensweisen besser verschleiern, als in der Ablenkung in Fantasiewelten hinein? Von Trier geht sodann an genau jene Orte, macht die Motivation der Gefühle zu solchen Tagträumen greifbar, lässt aber gleichsam nie von den realen Gegebenheiten locker - ist ja nur ehrlich. Kein Wunder also, dass die Kontraste der Entsagung, zwischen schmerzhafter Opferbereitschaft und ätherischer Lust zum Surrealen, immer intensiver werden und schlicht belasten. Schließlich wird hier kein Konsens eingegangen; Gefühlsausbrüche steigern sich mit der zunehmenden Enge der Situation, anhand derer trostlosen Zellen auch die gedankliche Tanzmusik nur schwer gegen ankommen kann.


Die kalten Tränen lassen einen fassungslos dastehen, bis das Unausweichliche seinen Schatten wirft. Selbst die leidenschaftlichste Menschlichkeit kann hier nichts mehr retten, vielleicht aber noch ein letzter Song, der am Besten nie aufhören darf. Bei Von Trier ist der schmerzliche Schritt zum Ende aber doch noch ein Zeichen der Gnade, wie er seiner Figur der Selma ohnehin ein sperriges und doch offenes Denkmal schenkt. Sein garantiert sehr persönlicher Film meint zwar, dass manche Geheimnisse nicht geteilt werden sollten und eine erzwungene Offenbarung von persönlichen Schwächen ebenso nicht der selbstverständlichste Weg sein sollte. Dass dennoch ungemeine Schönheiten in jenen Eigensinnigkeiten schlummern und das Recht haben, für sich selber leben zu wollen, stellt er dennoch zweifellos klar. Das macht die Ansicht dieses Films vielleicht nicht eindeutiger, aber versöhnlicher. Zumindest zeigt sich hier, dass nicht alles ausnahmslos trist sein muss, was denkbar schwierig ist.


Zur Cannon-Retrospektive habe ich diese Woche zwei Filme besprochen, die ich an dieser Stelle schon mal empfohlen hatte. Da ich auf das Neugeschriebene schon wirklich stolz bin, möchte ich Euch diese Links nicht vorenthalten:




LOVE STREAMS - "[...] „Love always finds a way“ und auch, wenn das Leben mal sinnbefreit (oder in Cassavetes’ Fall scheinbar am Ende) erscheint, lässt sich immer noch eine Abbiegung im Fluss finden. Das ist so ziemlich der relativierendste Satz, mit dem man den Gesamteindruck von „Love Streams“ beschreiben könnte. Doch ein gleichsam überwältigendes wie unbeschwertes Werk zu bewerten, ist kein hundertprozentig festlegbares Ziel. Was auch daran liegt, dass es vollkommen bewusst mit dem komplizierten Konzept der Liebe verwurzelt ist, welches an sich schon essenziell unberechenbar ist. Es ist demnach auch das, was die dargestellten Figuren hauptsächlich vorantreibt und sich dennoch nicht mit großen identifizierbaren Zeichen ankündigt. Man kann als Zuschauer nicht anders, als sich irgendwann bereitwillig in den Rausch des Films einzuklinken und ebenfalls dramaturgische wie filmische Formalitäten außer Acht zu lassen. Er kann einem nicht viel erzählen, sondern stattdessen nur zeigen. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




SHY PEOPLE - BEDROHLICHES SCHWEIGEN - "[...] Diese lang währende Isolation wird nun aber mit einer Invasion der Integration quittiert, worin beide sich nur verhalten miteinander verstehen können, weil sie schlicht zu spät kommt. Umso schwerwiegender setzt die Natur einen drauf, indem sie mit dicht bewachsenen Wurzeln oder auch unendlich scheinenden Flüssen den Horizont versperrt. Alle reiben sich zwangsläufig aneinander, bis in der Hitze des darin versuchten Zusammenseins nur noch individuell entschieden wird, was richtig oder falsch ist; was Zeichen der Zuneigung oder Ablehnung sind. Gefällig, schön oder überlegen sind diese bisweilen unbedachten Entscheidungen jedenfalls auf keiner Seite und Kontschalowski porträtiert sie mit einem Mut, der auch heute keine Selbstverständlichkeit darstellt. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




FAHRRADDIEBE - Ein Film, in dem jedoch fernab gängiger Filmrealität gegen alle Widerstände im Leben konsequent verloren wird - wie es nun mal meist eher der Fall ist. Diese Pionierleistung des Neorealismus zeigt aber auch, dass man Im Leiden zumindest nicht alleine bleibt, selbst wenn man die vertrautesten Mitmenschen im Drang zum rettenden Glück hetzt, Hoffnungen sowie Ideale des Überlebens willen enttäuscht und als Illusion offenbart. Wie soll man aber auch als Einzelner kleine wie große Schwierigkeiten überleben, wenn schon Kleinigkeiten alles aufs Spiel setzen und die Voraussetzungen fürs komplexe Ganze von oben sabotieren? Wo dann auch das gesamte Umfeld mit derselben Erfahrung vertraut ist und sich ebenso geballt als verschlissene Menschlichkeit abgefunden hat? Hilfsbereitschaft weicht da dem Eigennutz oder dem gängigen "Da kann man leider nichts machen." - nicht gerade aus gleichgültigem Egoismus, sondern aufgrund von mehr oder weniger abgeklärten Stadien der Angst und Abgebrühtheit innerhalb der gesellschaftlichen Erfahrung.


Das braucht sich als Strom an urbanen Bürgern nicht weiter erklären, selbst wenn der herzensgute und etwas naive Plakatierer Antonio (Lamberto Maggiorani) so leidenschaftlich sein Fahrrad sucht, mit dem sich erst Beruf und Lebensunterhalt für die Familie bewerkstelligen lassen. Der eventuelle Klau, den man im erdrückend stilisierten Nachkriegs-Rom ohnehin mit Anspannung erwarten muss, führt sodann zu einer Reise des Frusts, bei dem auch Sohn Bruno (Enzo Staiola) mit ansehen muss, wie sein Vater in der Verzweiflung durchgehend abgewiesen wird. Kollegen und Polizei versuchen da noch die Unterstützung, sehen aber auch schnell die Aussichtslosigkeit des Unternehmens ein, weil das Verschwinden als eines von vielen schnell im Strom der Gesamtmisere "Leben" untergeht. Aufgeben ist dennoch keine Option, wohl aber eher, weil man keine andere Wahl hat. Es ist ja nicht so, dass Vater und Sohn keine Lebhaftigkeit mehr vorweisen können - immerhin versuchen sie, zu vergessen und den Tag noch so gut es geht angenehm zu verleben, auch wenn dieser mehr von der Sehnsucht des Findens getrieben wird als von der Unbedarftheit, die man sich im Ansatz ausgedacht hatte, bis alles wieder niedergeschmettert wurde.


Regisseur Vittorio De Sica unterstreicht dies anfangs vielleicht etwas zu eindeutig emotionalisierend, weist mit festem Schwarzweiß und melodramatischer Musikpräsenz das soziale Mitleid aus. Später findet er darin dennoch eine ehrlich beobachtende Leichtigkeit und auch Euphorie, die mit Spannung die Entspannung erwarten möchten und in der Erkundung vieler Wege beinahe Abenteuerlust erzeugen; Hoffnung sowieso. Letztendlich stellt sich die Gestaltung aber der letzten Konsequenz, die im Alltag für Außenstehende als trivial empfunden werden müsste, hier aber als Verinnerlichung eines persönliches Schicksals herzzerbrechende Empathie erzeugt. Deshalb ist die eher pessimistische Ausgangslage des Films auch kein nüchternes oder gar zynisches Urteil über den Zustand der Welt geworden, sondern ein Hilferuf, der die Einsicht humanistischer Gemeinsamkeit illustriert und nachfühlen lässt - selbst wenn diese auch in antagonistischer Funktion bei verschiedenen Gesellschaftsgruppen wirken muss. Jeder für sich und Gott gegen alle.




KING KONG GEGEN GODZILLA - Jun Fukuda ist einer dieser Genre-Regisseure, die selbst in der gefälligsten Auftragsarbeit (?) ein Gefühl für eine ganz eigensinnige Welt suggerieren können - zumindest ist seine Vision eines publikumswirksamen Godzilla-Abenteuers derartig poppig, wild und von einer dennoch durchweg heimeligen Atmosphäre beherrscht, wie bei keinem weiteren Regisseur jener kinderfreundlichen Kaiju-Phase.


Liegt vielleicht auch daran, dass seine hier entfaltete (und oft recht feurige) Action voll naiver Jungsfantasien von coolen Archäologen, flotten Interpol-Agenten, Wissenschaftlern, Insellegenden, Weltraumaffen und "Ki-Borgs" dem niedrigbudgierten und somit irgendwie grenzenlosen Pop des 70er Jahre Bahnhofskinos erlegen ist. Jedoch wirft er nicht schlicht alle Zutaten in einen überfordernden lauten Topf, sondern konzentriert alles auf seltsam abgelegenem Festland nahe am Meer, doch fern von den gängigen Bildern der Großstadt.


Dazu legt er Easy-Listening-Musik auf, die einem Jess Franco gerecht werden dürfte, wobei die Setdesigns tatsächlich an jenen klobigen Eurochic herankommen, der hier auch ansonsten nur von sonniger Natürlichkeit oder geheimnisvollen Höhlen umgeben ist. Kein Wunder also, dass sich so manche hysterisch ungelenken Faustkämpfe auf einer Couch abspielen. Aus dieser überwiegenden Unaufgeregtheit entsteht eine Greifbarkeit, die gleichzeitig schnell zur Sache kommt, wenn es um die reißerische Naivität geht, an der sich der Plot entlang schwingt.


Der Nervenkitzel ist dabei purer Humbug, aber soll ja auch so. Spartanische Dialoge kommen mit purer Selbstverständlichkeit jenseits ausgefüllter Charaktertiefe zu den obskursten Schlussfolgerungen; realitätsfremde Techniken werden als hilfreiches Wissen gehandelt; erwachsene Männer führen Selbstgespräche, in denen sie das Allgemeinwissen proklamieren, dass Godzilla ja ein Freund von Anguirus sei; ein Inselmonster kann aus kilometerweiter Entfernung durch eine flatterhafte Ballade erweckt werden.


Das sind nur einige Beispiele jenes selbstgefälligen und einladenden Kosmos, den Fukuda mit Spaß und Heiterkeit entfaltet. Mit Samthandschuhen agiert er dabei allerdings auch nicht: Wo schon die Gefechte unter Menschen und schrulligen Aliens mit spritzendem Kunstblut, Foltermethoden und anderen peppigen Mordvarianten aufwarten, gehen die Monster in den Kostümen erst recht aufs Ganze - ohne sich zulange aneinander aufzuhalten. Der oftmals an sichtlichen Fäden gezogene King Kong/Mechagodzilla reißt Anguirus schon das Maul auseinander, worauf auch Vorbild Godzilla im Zweikampf ordentlich ausbluten darf.


Im Anschluss jedoch sammelt dieser aus irgendeinem Grund die Kraft von mythischen Blitzen ein und kann Köpfe verdrehen, bis selbst der oft angekündigte, aber etwas unnütze King Shi-Saar vor Ehrfurcht nur noch das Feld räumen kann. Alles nun mal abwegige Erscheinungen einer Kinoära, in welcher die Unschuld viele Möglichkeiten offen ließ und stets abseits des Alltags zum Fantasieren motivierte. Eskapistische Ambitionen wie diese versprühen noch immer eine Schönheit, die auf schrabbeligen 35mm-Kopien lebendiger wirkt als manch witzlose Ansprüche der Wirklichkeit - zumindest ab und zu sollte man sich das gönnen dürfen.




ROCK 'N' ROLL HIGH SCHOOL - Vielleicht der konsequenteste Film, wenn es darum geht, den Geist der Jugend gegen den Schulapparat gewinnen zu lassen - und das auf eine Art, welche durchweg drollig wie ungestüm daher kommt. An der Vince Lombardi High School, welche Allan Arkush und Joe Dante entwerfen, ist der Powerchord nämlich schon der König auf dem Schulhof, bevor die totalitäre Rektorin Togar (Mary Woronov) ein gleichsam plakatives Regiment aufzieht. Die Kontraste sind hier auf beiden Seiten grell und comichaft, weshalb die „Rock 'n' Roll High School“ zu einem Irrsinn einlädt, der fernab der Realität, nicht jedoch der Menschenkenntnis agiert und somit exakt einfängt, wie Aufmüpfigkeit in der Adoleszenz beglücken kann.


Dabei ist dramaturgisch, abgesehen vom ständigen Kampf zwischen Schüler und Lehrkörper, nicht allzu viel gegeben - der Drang nach musikalischer Ekstase, kindlicher Unschuld und einem Stück von der süßen ersten Liebe lassen dennoch empathisch mitziehen, während der verhonkte Reigen an Looney-Tunes-Situationskomiken mit permanenter Überspitzung entzückt. Jede Unterrichtsstunde wird da sofort mit lautem Missmut quittiert; erst die ruppig befreienden Töne der Ramones bringen Leben in die Bude, bis die Pulte krachen und Pauker machtlos keifen. An vorderster Spitze der flotten Rebellion: Die spitzenmäßige Riff Randell (P.J. Soles) und ihre ebenso niedliche Mauerblümchen-Kumpanin Kate Rambeau (Dey Young). Wie in vielen solchen Filmen geht es auch ihnen um die Errungenschaft einer Jugendromanze, doch der vordergründige Beau Tom Roberts (Vincent van Patten) ist selbst als populärer Boy der planloseste Sehnsuchtssympath.


Ohnehin überrascht der Film mit einer abwegigen Unförmigkeit, die wahrscheinlich aufgrund des Roger-Corman-Budgets manchmal nicht weiß, wo es langgeht, aber dennoch entschiedenes Gaga-Kino für Junge und Junggebliebene betreibt. So träumt Riff neben ihrer Schwärmerei für (ausgerechnet) Joey Ramone davon, Songs für dessen Band zu schreiben - was so in etwa die niedrigste Ambition ist, die man im Musikbusiness haben könnte; zudem noch mit Notenblättern in der Tasche, die jene Pizza mampfenden Punks eh nicht lesen könnten. Da kommen natürlich poppig-dusselige Begegnungen und Tagträume zusammen, die vor allem die naiven Wünsche des Zuschauers erfüllen, aber mit einer Energie zuschlagen, bei der schlicht alles erlaubt ist - vor allem, wenn es um Mäuse geht.


Hier lässt sich wahrhaftig nichts ernst nehmen, aber es darf sich durchweg vergnügt gewundert werden, welch überschwänglicher B-Movie-Quatsch als nächstes mit ehrlicher Unbedarftheit eintritt. Das mündet dann logischerweise nicht erst zum Schluss hin in eine blanke Anarchie, die in bunter Montur und mit dem Geist des Rock 'n' Roll in der Luft regelrecht infantilen Terrorismus der hämischsten Sorte anzettelt, ohne selbst nur einen Funken moralische Festigkeit beim Zuschauer übrig lassen zu wollen. Es geht drunter und drüber und ist selbst von anderen Vertretern des Genres rotzig abgekapselt. Auf jeden Fall eine nicht nur musikalisch erquickende Wiederentdeckung wert.




STAYING ALIVE - Sylvester Stallone entfernt seine Fortsetzung des „Saturday Night Fevers“ von einer halbwegs glaubwürdigen Milieustudie und versetzt den ambivalenten Protagonisten Toni Manero (John Travolta) nun in einen unnachgiebigen Taumel des oberflächlichen Showbusiness. Jedes zweite Szenario, in das er hinein stapft, hält einen neuen ultraplatten 80's Discorock-Track bereit; fordert sofort zum Tanz auf, um alles von ihm abzuverlangen, damit aus der aussichtslosen Karriere doch noch was wird. Die Straßen von New York sind da nur zweckmäßige Verbindungsstücke, lassen höchstens Cameos von Stallone selbst zu, aber ansonsten ist hier das Menschsein eher in körperlicher Ambition gefordert, weshalb Toni sein Ventil in der rücksichtslosen Hoffnung vom Aufstieg und der gleichzeitigen Liebe zu zwei Frauen sucht.


Die eine, Jackie (Cynthia Rhodes), ist dabei die verständnisvolle Unschuld in Person; die andere, Laura (Finola Hughes), der verführerische Star, welcher Toni zum persönlichen Spielball der Lust macht. Für wen er sich entscheidet, bleibt den ganzen Film über die Frage und äußert sich weniger in romantischen Treffen oder Charaktermomenten, sondern spielt sich fast durchweg im Rahmen des Tanzens und der Musik ab. Auf die Dauer weiß nicht nur Toni, wie ihm der Kopf steht - als Zuschauer wird man ebenso vom Schweiß der gemeinsamen Proben und von den funkelnden Lichtern der Großstadt geblendet, während die Spandex-Uniformen sowie Stirnbänder quietschen und sich ihre Träger mit hitzigen Blicken geistig ausziehen und penetrieren. Liebe ist hier ein gefährliches Spiel; in der Fassade des Erfolges aber auch trivial, kindisch und ausbeuterisch.


Aber Toni ist da als maskuliner Underdog so leichtgläubig wie töricht und arrogant - eine überzeugte Erfolgsgeschichte, die eigentlich ständig Fehler macht, wie sie sich auch aus Verzweiflung an die Verlockungen von Fame & Fucking hängt; dabei die Menschen verletzt, die wirklich an ihn glauben und sich dabei ebenso nur mit der Kraft der Musik und des Tanzens ausdrücken können. Stallones dramaturgischer Kindergarten nimmt sich dabei ein gutes Stück zu ernst - doch er macht sein Konzept beeindruckend wett, sobald in der ultimativen Broadway-Aufführung von „Satan's Alley“ alle charakterlichen Verhältnisse innerhalb der Bühnenshow zur Ekstase geführt und als beinahe metaphysisches Schauspiel zwischen Gut und Böse in biblischen Proportionen suggeriert werden.


Dieser vor Rockmusik, Laserlichtern, Nebelschwaden und Rotlicht lüsterne Sinneszerfetzer bringt alle Hormone in Wallung und macht den Ausdruckstanz zur teuflischen Peep-Show. Wenn dieser Film eine Klitoris hätte, würde sie hier auf jeden Fall mit voller Kraft aufgerieben werden und mehrmals hintereinander kommen. So wie sich hier die Hüften ineinander stoßen und im heißen Schnitt- und Kameragewitter zum Pseudo-Sex ihres Lebens ansetzen, wird man schlicht überwältigt. Die Atemlosigkeit muss sich aber dennoch mit einem unentwegten Grinsen abklatschen, wie naiv und vorhersehbar sich alles letztendlich auflöst und sowieso noch eine ziemlich unverschämte Pointe oben drauf setzt.


Stallone macht es eben auch besonders doof, wie sich Manero und Co. ihren Traum erfüllen und dabei durchweg einen persönlichen Ernst vorschieben, der zwischen Macho-Gehabe und bockiger Hilflosigkeit keine rechte Empathie herauf befördert. Doch wer braucht das schon, wenn das Abhotten eben die komplette Macht errungen hat? „Staying Alive“ ist da die manische Verkörperung eines Rhythmus, der unbeeindruckt und doch verschwitzt in die Selbstgefälligkeit hetzt - ein Lebensgefühl ohne Limit und meist blind für echte Gefühle, aber am Ende auch von sich selbst überrascht. Eben einfach „Das große Zappeln“.




GAMERA GEGEN GAOS - FRANKENSTEINS KAMPF DER UNGEHEUER - Regisseur Noriaki Yuasa geleitet Godzilla-Konkurrent Gamera hier erstmals in die Gefilde kinderfreundlicher Unterhaltung; somit wird anhand des jungen Protagonisten Eiichi (Naoyuki Abe) schon früh und in naiver Selbstverständlichkeit eine versöhnliche Verbindung zum Schildkröten-artigen Monsterich geschaffen, die allmählich auch den Erwachsenen einleuchtet. Die hören ohnehin öfter auf das Kind, als auf gesunden Menschenverstand - wie gehabt sind Militär und Wissenschaftler meist ratlos und müssen alles bis zum Erbrechen erklärt bekommen. Eiichi fallen dann immer die besten Ideen ein, die er auch sofort im Kontrollrat mitteilen kann, da er ja einmal auf Gameras Rücken reiten durfte - ein Traum für jedes Kleinkind. Dementsprechend kindisch ist dann auch das restliche Spektakel um eine Monsterschlacht in hügeliger Provinz, bei der man die pappigsten Effekte und Kulissen zu Gesicht bekommt, die kostengünstiger B-Movie-Charme nun mal zulässt.


Der poppig frische Look und die bunte Kinderparade der Miniatur-&-Gummikostüm-Karambolage bilden da ein Gesamtkonzept drolliger Trivialunterhaltung, über die man sich in seliger Retro-Sympathie amüsieren darf. Alles ein bisschen klobig, spekulativ, infantil und mit aufgeregter Frohmütigkeit gestaltet, muss hier nichts anmutig sein. Hier muss es schlicht knallen und einen möglichst einfachen Kampf von Gut gegen Böse abgeben, bei dem Gamera als Freund aller Kinder sogar in telepathischer Verbindung mit diesen steht, während Rivale Gaos als Monster in den Wäldern vor allem nachts herum spukt und in besonders auffälligen Bluescreen-Kompositionen Menschen auffrisst. Neben der ganzen Kurzweiligkeit ist aber auch eine politische Absicht des Ganzen abzusehen. Nicht nur, dass die Erwachsenen einem kleinen Kind, sprich der Zukunft Japans blind vertrauen - auch die Bauern des Dorfes, welches von Gaos unter Beschlag genommen wird, sehen irgendwann ein, dass die heroisch-liberalen Bauarbeiter ihre vorteilhafte Straße durch die Gegend hindurch anfertigen dürfen.


Anfangs leisten die Anwohner ja noch bis zur Sabotage erheblich demonstrativen Widerstand und schmieden Pläne, möglichst viel Geld aus der Sache zu erpressen. Doch das Sinnbild für diese aufhaltende Starrköpfigkeit, Gaos, steht irgendwann derartig thronend über dem Gebiet und ihrer Lebenssicherheit, dass alle zur Verhinderung jener "bleibenden Schäden" zusammenarbeiten. Die Schlauen wissen halt, wie es voran geht und da sind die neunmalklugen Eiichi und Gamera an vorderster Stelle; offenbaren immer wieder neue Arten, den Fiesling aus seiner Höhle zu locken und ihm kontinuierlich den Garaus zu machen. In der Ausübung dieser leider dann doch immer irgendwie fehlschlagenden Ansätze zieht sich der Film zur zweiten Hälfte hin etwas; versucht dies mit slapstickartigen Witzfiguren sowie wissenschaftlichen Idiotentests zu kaschieren.


Dann jedoch zieht er sich wieder mit knalligen Konfrontationen heraus, in denen die Viecher nicht nur Städte und Karren sowie Natur-Geröll zersäbeln, sondern sich zudem gegenseitig blutig zerfleischen - alles in pink und grün, aber abgetrennte Gliedmaßen machen visuell so oder so einen bleibenden Eindruck. Hier gibt es nun mal klotzige und primitive Schauwerte am laufenden Band, aber für einen Kinderfilm ist das ein liebenswert ausgelassener Stumpfsinn, den jeder Kaiju-Fan bis zu einem gewissen Grad genießen dürfte. Bei allen anderen Zuschauergruppen bin ich mir nicht so sicher.




ANGEL - Diese Milieu-Exploitation von Sleaze-Regisseur Robert Vincent O'Neill führt den Zuschauer durch eine uneinige Achterbahn der Emotionen und Stimmungen, welche innerhalb von knapp neunzig Minuten zwischen Prostitutions-Thriller, Schuldrama, Psychohorror und Straßenkünstler-Räudenhumor auf dem per Handkamera abgewickelten Hollywood Boulevard wechselt, als wollte sich das Drehbuch unbedingt für David Lynch anbieten. Die fünfzehn-jährige Schülerin Molly (Donna Wilkens) verdient sich nämlich nachts als Bordsteinschwalbe Angel ihre Kohlen und unterhält dabei mehrere abgeklärte Freundschaften mit den obskuren und liebenswerten Gesichtern der Nacht, ehe ein (lachhaft-plakativ stilisierter) Serienkiller (John Diehl) sein Unwesen treibt und Angels Kollegen nekrophil richtet. Die Polizei tappt im Dunkeln und niemand fühlt sich sicher, doch der Zusammenhalt des Milieus stützt sich gegenseitig auf, während alle so gut es geht mitmachen, den Fall aufzuklären - notfalls auch mit Selbstjustiz.


Für Molly/Angel zieht sich die Schlinge aber allmählich zu, da ihre Gratwanderung zwischen unschuldigem Schulalltag und intensivem Nachtleben nicht unbemerkt bleibt und abseits vom Verständnis ihrer Freunde noch Lieutenant Andrews (Cliff Gorman) auf den Plan ruft. Alle jahrelang aufgebauten Fassaden beginnen zu zerreißen, während die Mordserie auf den Straßen ihren unvermeidlichen Höhepunkt findet. Solch ein wildes Konzept kann durchaus schon allein auf beiden Beinen stehen, doch gerade aufgrund der unterfinanzierten Größenordnung überschreitet Regisseur O'Neill mehr als einmal bereitwillig die Grenzen des guten Geschmacks, ohne sichere narrative Zielrichtungen zu versprechen. Sein Film besitzt eine spekulative wie schamlose Eigendynamik, die sich vergnügt im Genre-Schleim wälzt und dennoch melodramatische Charaktertiefen aufreißt, auf die man schlicht nicht weiß, wie man reagieren soll.


Sein Irrwitz mag ein soziopolitisches Anliegen vom Leben auf der Straße haben, doch die reißerische Geballtheit geht dermaßen in die Vollen, dass ein unterhaltsames wie abstoßendes Kuriosum entsteht. Was sich der Film da vielleicht noch verkneift, sind wahrlich explizite Exzesse von Hardcore-Sex und Splatter-Innereien - stellvertretend dafür sind obligatorisch überflüssige Duschszenen, blutige Klingen und der lebhafte Griff zur Selbstverteidigung per Tussi-Knarre nicht weit weg und ganz dem frechen Charme der Exploitation entlehnt. Dennoch steht über allem ein Tunnelblick der umsorgten Verstörung, der Verdrängung und Entlarvung von verstoßener Mutterliebe, der sich sowohl in Angel als auch im Killer Billy Bob äußert; dem Film somit eine weitere bizarre Note verleiht, die er stolz an seinen ohnehin schon undefinierbaren Mix an Auswüchsen hängt. Das Jahrzehnt der 80er Jahre bringt eben wieder mal unvergleichliche Untiefen im filmischen Kosmos hervor, die man mit besten Willen nicht erklären, nur erleben kann.




GODZILLA - DER DRACHE AUS DEM DSCHUNGEL - Kaijus greifen Japan an - wie oft man sich derartige Filmstoffe anschauen kann, ohne von der Langeweile gepackt zu werden, ist jedem selbst überlassen. Dennoch dürfte Shigeo Tanakas Eintrag in die Gamera-Reihe der Firma Daiei selbst alteingesessenen Fans ein Grinsen hervorzaubern - und nicht etwa, weil sein Film besonders gut ist. Denn am Standard des gängigen Genre-Prozederes wird nicht gerüttelt, dafür macht zur Abwechslung mal das menschliche Ensemble mehr Laune als die destruktiven Monstren, weil dessen Motivationen und Entscheidungen von knuddeliger und gleichsam ruppiger Schwachsinnigkeit sind. Nach einem fast schon obligatorischen Intro, in welchem Gamera (in der deutschen Fassung Barugon oder zumindest eine Variation davon genannt) mit Energie-absorbierender Zerstörung auf die Erde zurückkehrt und im Folgenden für knapp vierzig Minuten Laufzeit vergessen wird, entschließt sich Pilot Keisuke Hirata (Kojiro Hongo) dazu, seinen Job aufzugeben, da er eine eigene Fluggesellschaft gründen will.


Dafür braucht er aber Asche und so folgt er dem Vorschlag seines Bruders, mit einigen Halsabschneidern auf eine Insel in Guinea zu stranden, in deren Höhlen ein überaus wertvolles Opal aus dem zweiten Weltkrieg lagern soll. Plakative wie hübsche Inselbewohner, Fledermäuse an Drahtseilen und tödliche Skorpione sollten da schon üble Vorzeichen geben, doch die schwitzigen Macho-Kerle aus der rücksichtslosen Zivilisation geben mit vorlauten Sprüchen Gas und sprengen sich zum Eigennutz gegenseitig in die Luft. Doch wie es schon bei King Kong war, bringt auch hier Mitgebrachtes von mysteriösem Ursprung reichlich Trubel in die urbane Zone, denn aus dem Opal schlüpft niemand Geringeres als Barugon (in der deutschen Fassung als Godschilla ausgerufen)! Die Gier von Keisukes Kollegen Onodera (Kôji Fujiyama) kennt dennoch kein Halten: Ohne Opal schlägt er Krüppel und Frauen nieder, verbrennt deren Wohnungen und will sich sogar als Ersatz den Diamanten schnappen, mit dem das Militär im späteren Verlauf des Films Barugon zu besiegen gedenkt - wie sich letzteres erklärt, solltet ihr werten Leser lieber auf eigene Faust herausfinden.


Was nämlich als Konfliktlösung gegen die haushohen Ungeheuer konzentriert wird (unter originellen Namen wie "Operation Diamant" und "Operation Regenbogen"), steht im harmonisch-verballerten Verhältnis zu deren obskuren Fähigkeiten voller Eisstrahlen und Regenbogen (!). Gleichzeitig verfolgt der Film aber besonders aufgeregt jene parallelisierende Charakterentwicklung von der Ambivalenz zwischen Gut und Böse, die sich sowohl an Keisukes Zweifeln zu seinem ungerechten Handeln abzeichnet wie auch an der Funktion Gameras, letztendlich aus Instinkt und Rachedurst zum unfreiwilligen (?) Retter der Menschheit zu werden. Die Wiedergutmachung kommt für beide natürlich aus naiver Genre-Logik, aber das umfasst ja ohnehin den gesamten Fluss des Films, wie auch sein Lager an ehrlichen wie doofen Trivialdialogen durchweg käsige B-Movie-Unterhaltung aufbietet und jedes hohe Tier so dumm macht, dass alles doppelt und dreifach erklärt werden muss. Und Monster in Gummianzügen, zusammen mit schicker Pyrotechnik und einer Menge lila Blut (im Flusswasser vermischt den "Lost River" vorwegnehmend) machen noch immer Spaß - wie schön für mich!




RAN AN DIE BRAUT - Tommy O'Haver nimmt mit seiner indirekten Umwandlung des Shakespeare-Evergreens „Ein Sommernachtstraum“ schon ein bisschen die Stilistik vorweg, die er in „Ella - verflixt und zauberhaft“ anwendete: Das verulkte Teenie-Alltagsleiden in ausgiebiger Tanz- und Gesangslaune, wobei sich die phantastischen Elemente hier eher in Tagträumen veräußerlichen und einen Zauberwald vom Schlage Ridley Scotts „Legende“ zur Konzentration des eigentlichen Figurenkonflikts gebraucht. An der realistischen Oberfläche rast dieses nämlich recht selbstbewusst durch die Mechanismen des High-School-Frusts anhand von Protagonist Berke Landers (Ben Foster), der jüngst von seiner Freundin Allison verlassen wurde und nun versucht, ihr Herz durch seine Beteiligung am Schul-Musical zurückzugewinnen sowie von Boygroup-Mitglied Striker (Shane West) loszureißen.


Dabei sieht er natürlich nicht, dass die Schwester seines besten Freundes Felix (Colin Hanks), Kelly (Kirsten Dunst), eher mit ihm anbandeln möchte und dennoch selbstlos dabei mitmacht, Berke bei der Wiedervereinigung mit Allison zu helfen. Dramaturgisch simpel, macht sich der Film schon einen gewissen freimütigen Spaß aus seinem Narrativ und unterfüttert dieses mit einer humoristischen Abgeklärtheit, die den emotionalen Nukleus eher in parodistischen Pop einwickelt und somit dem Ganzen gegenüber eine lockere Perspektive einnimmt. Spitzen der ausgelassenen Farce findet „Ran an die Braut“ sodann in Martin Shorts exaltierenden Schultheaterregisseur Dr. Oates oder aber auch in der überaus destruktiv-tollpatschigen Dora Lynn Tisdale (Kylie Bax).


Ausgelassene Quatschköpfe wie Sisqó und ein bewusst comichaftes Spiel der Liebschaften, vor allem durch den genüsslich intriganten Shane West, geben dem unnachgiebigen Lustspiel angenehm freche Töne, ohne dass der Film trotz alledem seine innere Spannung hintergeht. Gegen Ende löst sich das Ganze sodann auch weniger im privaten Rahmen auf, sondern in der Verknüpfung mit der Metaebene der Theateraufführung - welche dafür ohnehin freimütig modifiziert wird und für die individuelle Katharsis jeden Spaß mitmacht. Der etwas andere Jugendspaß, natürlich von Charakterfressen in den Nebenrollen bevölkert, die heute so manche Blockbuster anführen und dennoch selten so spritzig agieren durften wie hier.




FREUNDINNEN - Es dauert echt eine ganz angenehme, doch repetitive Weile, bis Garry Marshall mit seiner Geschichte über das Auf und Ab einer Freundschaft voller Streitigkeiten, Süßigkeiten, Männergeschichten, Erfolgsgeschichten, Enttäuschungen, Glückseligkeiten, langen Musicalnummern, Rückblicken auf die Vergangenheit und Briefkorrespondenzen endlich zu einem dramaturgisch fesselnden Schicksalsschlag kommt und eben das Melodram aufbricht, dass er den ganzen Film über hätte zeigen sollen. Alles nur, damit sich die großartig-kitschige und emotional-effektive Montage zu Bette Midlers "Wind beneath my wings" zum Tearjerker deluxe auftürmen darf (hier nochmal für alle Fans: https://www.youtube.com/watch?v=yIw2Q5bYEgo). Alles ein Stück zu berechenbar, in den Dialogen eher cleverer Drehbuchrealität folgend, teilweise manipulativ as fuck und mit gehörigem Leerlauf zwei Stunden durchackernd, lohnt sich der Besuch der "Beaches" dann doch irgendwo. Für wahrhaft einvernehmende Frauenfilme kann man aber eher auf Werke von Edmund Goulding bis hin zu Lars von Trier zurückgreifen; Garry Marshall macht in dem Genre immerhin keine groben Fehler, holt sogar einfühlsame Performances aus seinem Pärchen heraus, aber in der Gesamtgestaltung nicht allzu viel Besonderes. Für ein Guilty Pleasure etwas bieder, aber auch nicht wirklich doof - lässt sich eben locker nebenbei weggucken.


 

BIG GAME - "[...] Größtenteils nur normal und so genügsam in der eigenen Komfortzone verortet, dass jede Charakter- und Handlungsentwicklung schon dadurch stimmig wird, dass alles aufgrund der einladenden und schnell erklärten Prämisse eben wirklich ganz schlicht gehalten werden kann (und wird). Für manche ist das vielleicht erfrischend einfach, aber darin komischerweise ab und an wieder nicht ehrlich genug. [...] Die Erfahrung dessen bereut man dennoch nicht, dringt der Film doch gegen Ende hin noch in die anarchische Freimütigkeit des Schwachsinns vor, die er durchweg verspricht, aber respektvoll zurückhält. Viele Erwartungen erfüllen sich dabei für eine Erzählung, deren Charaktere und den Zuschauer in einem vergnügten Selbstverständnis aufrechter Trivialunterhaltung. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




A WORLD BEYOND - Brad Bird und Damon Lindelof glauben, eine Renaissance des Blockbuster-Kinos anzuführen, bei der Spaß und Vorstellungskraft im Zentrum stehen, statt jene ausgelutschten Formeln explosiver Weltzerstörungsfantasien, wie wir sie heute zuhauf sehen - und anfangs scheint es den Beiden mit einer behutsamen Einführung zu neuen Welten zu gelingen. Durchweg geheimnisvoll lockend, wird dies allmählich flotter und mit jenem „sense of wonderment“ ausgestattet, den Steven Spielberg einst zur allgemeinen Unterhaltung anwendete. Ehe es aber wirklich losgehen kann, entpuppt sich dieses Intro mit seinem jungen Protagonisten lediglich als Rückblende und so muss im Folgenden noch die eigentliche Protagonistin, Casey Newton (Britt Robertson), etabliert werden. Die will ihrem Nachnamen gerecht werden und besitzt daher einen fast schon militanten Drang, Forschung und Inspiration durchzusetzen - eine Charakterzeichnung, die mit pointierten Phrasen und Reden für offensichtliche Vorahnungen ihres kommenden Weges sorgt; ungefähr so subtil, wie man es der etwas jüngeren Zielgruppe zutraut, obwohl Frau Robertson nicht wirklich in diesen geradezu kindlichen Rollentypus passt.


Sei es drum, Birds Regie findet immerzu virtuose Verknüpfungsarten und ambitionierte Frische, selbst wenn an ihr das austauschbarste Familien- und Schulleben sowie das gängige Narrativ vom Entdecken des Unglaublichen geübt wird. Das Problem ist allerdings das schleppende Drehbuch, das sich in seiner Episodenhaftigkeit eher als Fernsehserie eignen dürfte. Was man sich nämlich als Zuschauer am Ehesten wünscht, die Rückkehr ins berüchtigte Tomorrowland, wird soweit hinausgezögert, dass die letztendliche Offenbarung des Zustandes jenes Ortes nicht mehr so prägnant einschlägt, da der Kontrast zu den Eindrücken vom Anfang (also jene des Spaßes sowie der Entdeckungs- und Forschungsfreude) zu weit zurückliegt. Bis dahin versucht der Film anhand von Gags, Explosionen und irren Umkehrungen der Realität wahrlich sein Bestes, knapp neunzig Minuten lang den Unterhaltungspegel zu halten, ehe es lediglich in den letzten dreißig (?) Minuten dahin geht, wo der Cutter dieses Films, Walter Murch, mit seiner Regiearbeit „Oz - Eine phantastische Welt“ (1985) bereits vor dem zweiten Akt ankam. Nun ja, vielleicht lernt man in der Zeit die Charaktere kennen. Schön wär's. Die bleiben alle in ihrer Eintönigkeit stecken und dürfen höchstens aufgeschrieben clevere (nicht witzige) Wortgefechte sowie Steilvorlagen für die Thesen des Films abliefern, die dennoch der steten Einkehr immer aberwitzigerer Techniken, Begriffe und Kulissen hilflos ausgeliefert sind.


Da wird es schon einigermaßen repetitiv - zumal der angedachten Originalität nicht wirklich geholfen wird, wenn man problemlos Vorbilder wie das Werk Spielbergs, „Terminator“, „Matrix“ und ferner „Alice im Wunderland“ wiedererkennt. Kein Wunder, dass sich eine der euphorischsten Szenen in einem Nostalgie-Artikel-Laden abspielt, der reichlich Tie-In-Möglichkeiten zu Disneys „Star Wars“ sowie „Die Unglaublichen“ und „Der Gigant aus dem All“ (beide von Brad Bird) hervorruft. Früher war alles besser, nicht wahr, nicht wahr?! Hier und da wird aber neben dem vorgepredigten Drang zur Entdeckung und Begeisterung (George Clooney meint als ausgestoßener Protegé von einst, Frank, einige Male frustriert zu Casey, sie solle doch gefälligst ihre Vorstellungskraft nutzen) auf gewisse Ansätze eines Geheimnisses hingedeutet, das einen starken Payoff hergeben sollte, jedoch nie wirklich erfüllt wird. Leichter Spoiler: Es geht unter anderem um Franks enttäuschte und doch ungebrochene Liebe zu einem Robotermädchen, das er seit seiner Kindheit kennt, welches aber nie altern konnte - alles etwas zu sehr Pädo-Fetisch, als eine nennenswerte Erweiterung zum gegenwärtigen Topos "künstliche Intelligenz", wie er gerade dieses Jahr schon zu Genüge durchgekaut wurde („Chappie“, „Ex Machina“, „Avengers: Age of Ultron“, demnächst „Terminator: Genisys“, etc.).


Das ist eben auch ein befremdlicher Umstand des Films: Wie sich anhand nicht allzu unterschwelliger Reden und charakterlicher Mentalitäten herausstellt, legt er einen übermäßigen Wert darauf, eine Antithese zum derzeitigen Kino und dessen Gefälligkeit zur Apokalypse zu sein; trotzdem greift er noch auf die dramaturgischen Einfältigkeiten zurück, die gerade DAS ausmachen: Ein Showdown-Fight mit dem Menschheits-verdammenden Cyborg-Bösewicht; die Explosion eines großen Gebäudes/Doomsday-Machine; die eventuelle Erkenntnis, als Team zusammenzuarbeiten; der desillusionierte Insider aus der Vergangenheit, der auf dem Weg seinen Glauben an das Gute wieder erringt, etc., etc. Diese „mixed signals“ des Films sind ein schizophrener Krampf, wie er auch schon nicht damit zurechtkommt, seiner Botschaft ins Gesicht sehen zu können und anstelle dessen das trockene Prozedere zwischendurch beackert - wo er für sich rein gar nichts findet, außer die redundante Indoktrination, dass wir Menschen unseren gegenwärtigen Zustand besser hinkriegen könnten. Wie? Na durch positives Denken natürlich. Zumindest das lässt sich als konzentriertes Statement der Zwei-Stunden-Plus-Chose mitnehmen, alles andere bleibt unausgegoren im Raum stehen. Den Charakteren ergeht es ebenso, sind sie doch ungewisse Missionare für die Vision Birds und Lindelofs, ein Übergangswerk zu einem besseren und frischeren Kino herzustellen.


Dass dieses hier zum Schluss hin in seiner glattgebügelten Disney-Fassung nur gemäßigte und hochintelligente Persönlichkeiten aufnimmt und sich wie ein elitäres Netz über die Welt spannt, macht allerdings nicht nur ein bisschen Angst, sondern hält sich in seiner Aussicht so vage, wie schon der Weg dahin keine erhellenden Erkenntnisse oder Emotionen hervorbrachte - höchstens kurzweilige, aber nicht allzu einnehmende Unterhaltung. „A World Beyond“ ist letztlich mehr Leerlauf, denn ein wirklicher Film - seine Ambition deckt sich schlicht nicht mit der Umsetzung, die sich noch an stumpfen Klischees und kurz gegriffenen Charakterisierungen entlanghangelt, als müsse sie daran beweisen, wie schlecht es ums moderne Hollywood steht. Dabei ist zum Beispiel ausgrechnet der postapokalyptische „Mad Max: Fury Road“ jüngst mühelos und erfolgreich an solch einem Kulturpessimismus vorbeigefahren - selbst Tommorowland besitzt nun mal nicht jene Visionäre, die es verdient.

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