Sonntag, 6. Dezember 2015

Tipps vom 30.11. - 06.12.2015

Heute ist der zweite Advent und gleichzeitig der Tag zum bereits geschenkebescherenden Nikolaus. In diesem Sinne vorerst CEREALITY's Video zum Kinomonat Dezember:



Ich weiß ehrlich gesagt noch nicht, ob ich die Reihe nächstes Jahr fortsetzen oder umgestalten werde - hängt auch ein bisschen von euch allen da draußen ab, aber in erster Linie mach ich diese Dinger natürlich für mich. Bis dahin erstmal viel Spaß mit der gegenwärtigen Show - genauere Empfehlungen zum Monat und weitere Infos gibt es wie seit jeher auf:

http://www.cereality.net/thema/filmempfehlungen-im-dezember-126182

Und nun zu den Filmen der Woche! Die ersten zwei kommen direkt vom Filmfest Hamburg, haben keinen Starttermin und sind zufälligerweise mit die besten des Jahres:




JEDER DER FÄLLT HAT FLÜGEL - "[...] Die Unschuld in Gefahr, gewürgt von der Dunkelheit eines neuen Bewusstseins, das sich unbarmherzig an die letzte verbliebene Idylle anschleicht. Weil die Kunst daran allerdings aus keiner inszenatorischen Aufdringlichkeit, sondern aus den Charakteren heraus geschieht, steht der persönliche Zugang untereinander stets an vorderster Stelle der Filmerfahrung – eben wie Kati Gedanken und Eindrücke reflektiert, sich seelisch ab- und ankoppelt, die Zeit zusammen schätzt sowie Schönheit und Ermattung erfährt. Die filmische Balance zu halten, dem Sujet gerecht zu werden und bahnbrechendes Kino zu erschaffen, gelingt hier aus dem Herzen heraus, weil die Vermittlung eines Zustands ganz persönlicher Natur in aller Formvollendung und Geborgenheit geschieht. Die Sprache ist eigen und vertraut zugleich [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




SON OF SAUL - "[...] Der allmählich umschlingende Schock in Sauls tödlicher Reise kommt daher aus der Vermittlung der Situation an sich, in die Nemes mitten hineinspringt und wo historische Rahmenbedingungen nicht noch ein Urteil vorbereiten müssen. Die Angst und der Tod sind auch so ständige Begleiter, das Unrecht derer lässt sich in diesen Umständen nur durch Selbstdegradierung aufhalten. Diese filmische Macht zieht trotz bekannter Thematik in vollen Zügen hinunter zum Verständnis am Rande der Existenz, auf dem man unversehens ausrutschen kann, je mehr man sich um Ehrlichkeit bemüht. Die Zügelung des Eigensinns jenseits der maschinellen Funktion lässt Geheimnisse umso schwerer wiegen, sogar zum Verhängnis anderer werden und kann sich von vornherein keine Hoffnung mehr ausmalen. Sichtiger ist dann doch der aufopferungsvolle Ausbruch des Individuums aus seiner Anonymität, solange sich dadurch ein letzter Funken Gnade im Albtraum bewahren lässt [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.) 




ANGST - Auf filmischem Wege ist es immer ein Wagnis, in die Gedankenwelt eines Mörders hinein zu steigen, dessen Motivation erläutern zu wollen und gleichsam eine moralische Stellung einzunehmen. Dem Menschen dabei gerecht zu werden, bleibt im Regelfall auf der Strecke, da dieser meistens als Antagonist zwangsläufig die Abgründe der Gesellschaft repräsentieren muss. Selbst wenn nach psychologischen Ursprüngen gesucht wird, bleibt die Komplexität daran außen vor, wird simplifiziert oder unweigerlich spekuliert. In erster Linie liegt das am Anspruch des jeweiligen Films, wie er ein Feindbild daraus bildet oder eher angemessen recherchiert - die absolute Wahrheit wird das Medium an sich aber natürlich nie abbilden können. Ob es Regisseur Gerald Kargl mit „Angst“ gelungen ist, diesen Umständen mit Wahrhaftigkeit entgegenzukommen, mag man daher auch nicht sicher beantworten können, da sein Versuch gewiss schlicht nicht objektiv verfahren kann, die Perspektive daran aber weder glorifiziert noch verharmlost. Er entwirft stattdessen ein Portrait, das Abscheu und Mitleid balanciert, während sich der Mörder (Erwin Leder) nach seiner Entlassung aus dem Gefängnis beinahe triebhaft dazu verleitet, weiter zu morden, zu peinigen und zu terrorisieren, obgleich seine eigene Verfassung stetig desolatere Zustände annimmt.


Die persönliche Näherung an den Zuschauer passiert dabei hauptsächlich per Voice-over, an dem der Mörder seine Vergangenheit und geistige Gegenwart aufzeichnet. Vieles daran wurde Geständnissen wahrer Täter entlehnt, schafft aber natürlich nicht, alle Fragen zum Handeln, zum Irrationalen und Sadistischen zu beantworten. Alleine aber schon solch ein Zugang lässt in seiner Verletztlich- und Entsetzlichkeit eine Art Verständnis durchkommen - in diesem Fall insbesondere solches, welches die verzerrte Wechselwirkung von Angst zwischen Opfer und Täter betrifft. Die individuelle Darlegung parallelisiert Kargl sodann zeitweise mit Bildern gegenwärtiger Taten, insbesondere muss aber die audiovisuelle Gestaltung des Films hervorgehoben werden, welche die innere Brüchigkeit der Hauptfigur furchteinflößend und delirierend zugleich umsetzt. Die Kamera ruckelt, rotiert auch mit ihren Darstellern, erzeugt ein Schwindelgefühl in ruppiger Bewegung aus erhöhter Perspektive, von der man als Zuschauer meint, man könnte jeden Moment von ihr herunterfallen. Mit dieser Unsicherheit sieht man den Mörder ebenso ausgestattet und erlebt sein Fieber zeitweise entsprechend desorientierend, obwohl Kargl in seiner erzählerischen Geradlinigkeit natürlich keine Entlastung ins Suggestive zulassen wird.


Klaus Schulzes Musikuntermalung hingegen verstärkt den Druck der Gedanken zu einem kalten Rausch. Dieser lässt sich im kargen sowie von geißelnden Formen und Linien durchstreiftem Setting eines Familienhauses, welches der Mörder infiltriert, in aller Verlorenheit des Triebes ebenso intensiv spüren. Er ist allein mit seinen Fantasien, kann sie nicht kontrollieren, nur umsetzen - die Eindrücke dazu an Opfern, die in ihrer Überwältigung keine große Gegenwehr leisten können und im Angesicht des omnipräsenten Voice-overs beinahe schon wie Geister wirken, verstören effektiv, auch weil der Täter gleichsam Opfer seiner selbst ist, die Tat dennoch nicht entschuldigt werden kann und mit aller Brutalität erschüttert. Interessanterweise setzt Kargl aber zudem noch einen Dackel inmitten des Geschehens - wohl der objektivste Beobachter des Geschehens, der das Verbrechen am Menschen nicht erkennt, nur den Menschen im Verbrecher. Er bellt, aber er folgt ihm auch ohne Weiteres. Der Mörder findet gewiss keine symbolisch ausgesprochene Zuneigung zu dem Tier, er bildet sich aber auch kein Urteil darüber, wie es selbst auch kein moralisches Urteil zum Stellenwert des Menschen als Mörder bilden kann.


Lässt sich am Tier die Repräsentation der Unschuld erkennen oder dackeln wir als Zuschauer auch ein Stück weit mit, wenn wir beinahe in Echtzeit dem Morden beiwohnen und das Innenleben dieses Menschen erforschen, der im besten Fall doch so fern (und wiederum nicht) von uns ist? Für eine Gesamtauflösung endet der Film allerdings doch recht abrupt, lässt höchstens ein richterliches Gutachten ausstellen, obwohl Kargl erneut wie am Anfang den Blick auf eine Landschaft richtet, die das Detail zum Menschlichen in ihrer weltlichen Größe untergehen lässt. Der Überblick über allem lässt eben nicht alles Innenwohnende daran erfassen: Vor, während und nach der „Angst“ wird vieles im Raum noch stehen bleiben, sicherlich auch die Angst, welche nie vollkommen ausgeschlossen werden kann, selbst wenn man sie nachzuvollziehen versucht. Jenem Diskurs begegnet Kargl durchaus mit ermattender Gnadenlosigkeit - die Angst, ihre Ursachen und Folgen zu verschweigen, würde jedoch durchaus am Menschlichen und Alltäglichen vorbei arbeiten. Bei diesem noch heute beeindruckenden Film wird es eben durchaus persönlich, sollte man zu schätzen wissen.




ENTERTAINMENT - "[...] Es geht abwärts, Tag und Nacht, damit das Publikum (nicht) seinen Spaß hat. Alversons Film ist nicht gerade angenehm, drängelt aber auch nicht um Schockwerte oder tragische Lasten. Die Existenz ist in der dargestellten Gegend des Zerfalls in einer Hypnose gefangen und vom Gefühl verbannt – trostlos und gehässig zugleich. Die Laufzeit wandert gleichsam mit abgekoppelten Sequenzen durch Genes Limbus, lässt im Ton einige stumpfe Echos Showbizglanz nachhallen, während einen Schreie, Grillen, jaulende Kojoten und das erdrückende Nimmermehr umgeben. Im „Entertainment“ wird man keine Empathie und auch keine aufrichtigen Symbole finden – vielmehr folgt der Zusammenbruch mit aller Selbstverständlichkeit. Dass er trotzdem wehtut und nicht nur den Protagonisten verletzt, muss man wohl nicht extra erwähnen, wenn es weniger im Herzen schmerzt als im Magen. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




KRAMPUS - "[...] In diesem Fall wäre mehr Biss im Humor erforderlich gewesen. So allerdings folgt ein schleppender Mittelteil, der mit halb garem Ernst und plumpen Gags Empathie und Hintergrundgeschichten aufrollt, obwohl die eigentliche Filmerfahrung auf sich warten lässt. Ganz im Geiste der „Gremlins“ kommen sie dann nämlich gemein vom Dachboden, durch den Kamin und aus dem Schnee ins Haus hinein, jene grausig zum Leben erweckten Symbole der Geschenk- und X-Mas-Kultur, die in miniaturenhafter oder gigantischer Ausführung die Familie in Schach halten. Ekel, Aberglaube, Überraschung und Schlagkraft geben sich die Klinke im Angesicht der eisigen Kinderfresser – und umso wilder wütet das keck kichernde oder auch brüllende Creature Design. Allesamt sind sie deftige Schöpfungen und Umkehrungen einer Festtagstradition, die in diesem Rahmen kaum als solche geschätzt wird, aber umso hartnäckiger kontert. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.) 




IM HERZEN DER SEE - "[...] Wahllos eingeworfene, extreme Weitwinkel- und Nahaufnahmen des Geschehens verstärken den Eindruck zum Reißerischen. Chris Hemsworth macht dabei seiner Statur entsprechend eine markige Machofigur, von der man in jedem Moment erwartet, sie würde eine Kartoffel mit der bloßen Hand zerquetschen. [...] Ungefähr ab der zweiten Hälfte folgt aber ein Bruch in der Dramaturgie: Seine Heroen stranden und führen einen Überlebenskampf im Trockenen auf, der einen Herzschmerz verlangt, den wir auf dem überbordenden Spielplatz des Abenteuers bislang nicht kennengelernt haben. [...] Für Gefühlsnähe ist es ohnehin zu spät [...] was auch daran liegt, dass Stil und Geschichte vollkommen verschiedene Ansätze erfordern. Wenn sich der Film seinem Hang zum 3-D-Actionabenteuer vollständig hingegeben hätte, könnte er vielleicht als einfacher Reißer absahnen. Basierend darauf kauft man ihm sein nachgeholtes Charakterdrama allerdings nicht ab. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)


Bonus-Zeugs:




NACKTE FÄUSTE - DIE TÖDLICHE KARATELADY - Weil alle so heiß darauf brennen, diesen Film einzulutschen: Hütet Euch, Freunde, er ist leider nicht so saftvoll, wie er von außen hin anturnt. Größtenteils schafft Regisseur Cirio H. Santiago nur wenig, das sich jenseits der Standard-Klopperei eine goldene Mark verdienen würde. Obwohl der Aspekt einer weiblichen Martial-Arts-Heldin im Philippinen-B-Movie-Wust sicherlich Leistung in den Leisten offener Filmfreunde ankurbeln müsste, wird man stattdessen nur schlaff abgepumpt. Man mag es mir verzeihen, doch die einzigen Szenen, die im austauschbaren Prozedere noch Interesse anlecken, sind leider ausgerechnet die sexistischsten, wie auch immer sich das derartig verballern ließ. Ob Susanne (Jillian Kesner) nun des Nächtens völlig unprovoziert von zwei Räuden angesprungen wird, die auf ihrer Schussgier Wachmänner absicheln und ihr dabei im Faustkampf alle Kleider vom Leib reißen oder ob unsere Frau Carter beim Neonliebesspiel mit den Klappmessern ihres Schnurrbart-Chucks (Darby Hinton) ausgepackt wird: Die primitiven Triebe verleiten noch zu den verrücktesten Momenten im ansonsten ereignislos abgespulten Action-Erbseneintopf, der sich nicht mal seine eigene Titelmelodie leisten kann und deshalb jene vom "Henker des Shogun" ausleiht. Insgesamt höchstens etwas für solche, welche diese Art von Kino noch nie in die Glubscher transferiert bekamen und in dem Fall besonders mit der Schlusspointe liebäugeln werden, aber ohne Lachs: Wer bis hierhin vordringt, ist schon längst strafferes gewohnt.




BY THE SEA - "[...] Verlässt sich auf eine Coverage, die auch dann nichts aus ihrem Ambiente machen kann, wenn zig Perspektiven die Ereignislosigkeit einfangen und weiterhin nicht wissen, warum sie jene überhaupt noch zeigen müssen. Was dabei am ehesten heraussticht, ist die Theatralik, mit der man sich untereinander begegnet – wohl aber keine, die das Drama dermaßen überspitzt, dass womöglich noch Leidenschaft oder Spaß zu verspüren wäre. [...] Stattdessen beläuft sich Jolie Pitt auf eine äußerst brave, aber stumpfe Psychologie, die in ihrer übererklärenden Aussprache Reife oder Subtilität vermissen lässt. [...] Man ist also Zeuge einer öffentlichen Ehetherapie, deren Inhalt einem erwachsenen Publikum verlogen simplifiziert erscheinen wird und nach einer Selbstbestätigung sucht, die sich filmischem Taktgefühl vollkommen entschließt, es aber für sich behauptet. [...]"



(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.) 

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