Sonntag, 19. Juli 2015

Tipps vom 13.07. - 19.07.2015



DIE BRUT - "[...] Wohlweislich hält Cronenberg die Auftritte der Brut klein und erfasst stattdessen den Zerfall von geliebten Mitmenschen sowie vom Frieden der Familie. [...] Zeitgleich offenbart sich nach der Therapie bei anderen Patienten lymphatische Krebsbildung – ein Körperhorror, wie man ihn von Cronenberg erwartet, und wie gehabt als Symbol des von Menschenhand mutierten Menschen steht. Das Grauen kommt aus uns und richtet uns in der privaten Zelle, welche wir für sicher glaubten. Die Brut fängt im Gehirn an, breitet sich in der Familie aus, findet schließlich sogar in die breitere Gesellschaft und verstümmelt ohne Reue. [...] Deshalb bleiben auch trotz des Endes jener unnachgiebigen Zellen und ihrer „Bienenkönigin“ Narben sowie Traumata; insbesondere bei Candice. Das Erlebte lässt sich auch für den Zuschauer, sogar über den Abspann hinaus, nicht wegwünschen, weil der Film trotz seiner fantastischen Elemente ungemein nah an die Urängste des Menschen herantritt [...]"


(Die komplette Kritik gibt es auf CEREALITY.NET zu lesen.)




GNADENLOS SCHÖN - Die Fassade von Schönheitswettbewerben und deren Verlogenheit sind die Grundlage für diese semi-satirische Mockumentary. In dem Sinne ist auch der Erfolg der Witze entweder von plumpen Klischees oder auch gewitzt hintergründigen Beobachtungen gezeichnet. Naivität und schwarzer Humor wechseln sich ab, während die einerseits gesteltzte und andererseits kurzweilige Stilistik der Reportage ein kleinstädtisches Narrativ erschafft, bei dem Sabotage und Vetternwirtschaft gegen die kleinen Menschen arbeiten. Zudem stellt sich dabei auch der Kostenfaktor der Produktion heraus, welche gerne mal länger in bestimmten Kulissen verweilt, um vielleicht die eine oder andere Improvisation zu erwirken. Im Gegenzug kommen dann aber auch Schauwerte zum Vorschein, die keck und luftig zu visuellen Gags sowie schick choreographierten Show-Einlagen motiviert. Dusselige High-School-Typen haben da auch leichtes Spiel, genüsslich dumm aus der Wäsche zu schauen. Kirsten Dunst gibt da als Protagonistin mit plakativer Charakterzeichnung der Ambition (wie bei allen anderen Charakteren auch) den sympathischen Ton des Teenie-Leichtsinns an, doch für heutige Zuschauer stellt sich vor allem im Spielfilmdebüt einer jungen blonden Amy Adams ein Lichtblick dar, der mit schillerndem Gelächter und flottem Sex-Appeal jede Szene stiehlt.


Lässt sich von der religiösen Engstirnigkeit und (kriminellen) Meinungsmanipulation Kirstie Alleys sowie ihrer Filmtochter Denise Richards nicht sagen. Und dann gibt es noch immer wieder wahrhaftig ungemütliche Momente, die zwischen Gag und allzu wahrem Schock hin- und herpendeln - siehe die ehemalige Teen-Prinzessin in der Bulimie-Klinik, welche später per Rollstuhl auf die Bühne zur Performance gekarrt wird. Teils bitterböse, dieser Film; von den unbedarften Charakteren zur unbewussten Morbidität angesetzt, welche im Kleinstadt-Zirkus fern des Konsens den Wohnwagen-White-Trash empathisiert und gleichsam deren Traum von Schönheit aufträgt. Natürlich ist dieser letzten Endes eine insolvente Enttäuschung, wie auch hinter den Kulissen des amerikanischen Traums reichlich Hässlichkeit entlarvt wird. Dieses Grundthema beherrscht der Film in Mengen, bis hin zur Redundanz eines dreifachen Finales. Ganz entschieden dringt er in jenen Horror dann zwar nicht vor und könnte eh noch mit knackigerem Esprit an die Sache gehen. Doch an sich schleift er sein Gesellschaftsbild gar nicht mal so doof durch den Dreck - nur eben ab und zu.




MÄDCHEN HINTER GITTERN - Zwischen Frauengefängnisfilm und klassischem Melodram verordnet, ist Alfred Brauns Film für sein Entstehungsjahr 1948 eine angenehm verruchte wie herzliche Angelegenheit. In klassischer Struktur kommt man per Schwarz-Weiß-Stimmung in eine Mädchenbesserungsanstalt voll bunter Charakterdamen, die sich nichts schenken, aber neben allem Zynismus auch als einfache Menschen geliebt werden wollen. Dazwischen stehen noch reichlich deftige Sprüche und unbequeme Wahrheiten über die Herkunft einer manchen Verurteilten, ob sie nun vom eigenen Vater rangenommen, zum Arbeiten im Bumsladen gezwungen wurde oder der schämenden Frau Mutter aus den Händen eines missbrauchenden Freundes helfen wollte. Manche haben auch gestohlen, wie der berlinernde Springteufel „Würmchen“ (Gina Presgott); Neuzugang Ursula Schumann (Petra Peters) schließt sich hingegen schüchtern von den anderen ab, weil sie aufgrund ihres Delikts des Raubmordversuchs eh von den Anderen ausgeschlossen wird. Obwohl Würmchen sich ihrer annimmt, strebt sie des Nächstens mit Blick zum vergitterten Fenster an eine Todessehnsucht heran, die mit symphonischer Tragik noch wirksamer auftreten könnte, würde der Film keine Zwischenstufe zur bekannten Exploitation-Note des Genres darstellen. 


Aber obgleich darin schon gewisse Formeln zu erkennen sind, behilft sich Brauns Film einem Dialog, welcher mit Milieu-naher Rotzigkeit weit natürlichere Töne anschlägt als ein Melodram ehrlich gesagt zu jener Zeit im Stande war. Das betrifft vor allem den Bereich Schlagfertigkeit, doch in der Verknappung der Menschlichkeit ist überraschend wenig mahnende Ideologie vorhanden, wie sie inzwischen umso plakativer eingesetzt wird. Klar gibt es eine Texttafel am Anfang und Ende des Films als thematische Klammer, doch innen drin geht es schlicht um menschliches Verständnis gegen die Ausbeutung der weiblichen Schützlinge. Aufseherin Ilse Heidenreich (Ruth Hausmeister), auch „Heidin“ genannt, hat da in allen Fällen mehr Rücksicht inne als ihr „Boss“ mit Damenbart, Irmgard Rechenberg (Gabriele Heßmann), und vermutet sodann, dass mehr hinter der Geschichte Ursulas steckt. Tatsächlich öffnet sich im Folgenden eine Rückblende um die Ereignisse, die jenes Fräulein Schumann hierher brachten: Ein räudiger Atelier-Maler als Ersatz-Papi, der sich an sie heran machte und an den Antiquitätenhändler Breuhaus (Richard Häussler) ansetzte, bis sie sich jedoch in diesen verliebte und den geplanten Raub seines Hauses verhindern wollte. 


Ihren persönlichen Weg sowie ihre Schuldlosigkeit kann man dabei schon an einer Symbolik absehen, die Braun direkt von Kollege Veit Harlan übernommen zu haben scheint: Eine Statur der „Maria des Orients“, welche sich, so erklärt Breuhaus, von den Menschen abwandte und schließlich zu ihnen zurückfand. Wie man daran vermuten darf, ist die Handlungsentwicklung recht geradlinig, aber auch spaßig wie (für jene Zeit) deftig - inklusive Brüste! Ein bisschen freches Türmen ist da auch mit inbegriffen, wie auch Enttäuschung, (Un-)Schuld, Ziellosigkeit und ein nicht unkritisches Männerbild eine Rolle spielen. Jedenfalls bürgt der Film für mehr Charakternähe, als der Titel vermutet; dennoch besitzt der Gesamteindruck einen nur halbgaren Ernst, der einen auf klischeebesessene Nachfahren wie „Freistatt“ vorbereiten kann, hier zumindest mit stimmungsvoller Professionalität aufbereitet wurde. Es gilt wie immer: Schicksale hinter Gittern, ob für Mann oder Frau, fördern stets die Empathie zu Tage. Für den Anfang ist dieses Genrebeispiel ganz ordentlich.




DIE NACKTE UND DER SATAN aka DES SATANS NACKTE SKLAVIN - Mit verrückten Ärzten ist nicht zu spaßen und selbst im deutschen Nachkriegskino kam man irgendwann nicht umhin, deren Phantasterei in entsprechend spekulative Horrorkonzepte umzusetzen. Victor Trivas, globaler Regisseur und Autor russischer Abstammung, bringt daher einen internationalen Narrativ von eben jenen wissenschaftlichen Maniacs auf die deutsche Leinwand, wie es nur recht wenig mit der kontemporären Gegenwart gemeinsam hatte, aber dennoch als klassisches Genrewerk amüsiert sowie an die Horrorvorstellungen moderner Technik jenseits des Todes appelliert. Die Film-Noir-artige Ausleuchtung sowie sinestre Orgeln erzeugen da schon geographisch losgelöste Stimmung, später werden die Polizeiwagen auch mit der Aufschrift „Police“ durch die Gegend kurven. Höchstens die Besetzung und deren Rollennamen wie Irene, Dr. Brandt und Co. werden das Entstehungsland verraten, anders sieht es da hingegen mit dem Entstehungsjahr aus.


Produzent Wolf C. Hartwig und seine Rapid-Film werkeln hier nämlich schon anno 1959 recht stilbildendes Exploitation-Kino zusammen, das sich weder davor geniert, längere Passagen per Striptease-Einlagen im Tam-Tam-Club zu überbrücken, noch den Schrecken in jazzigen Grooves, Zooms, Karate-Schlägen und hanebüchenen Schrei-Dialogen einzufangen. Charakterliche Motivationen basieren dabei ohnehin auf plakativem Groschenroman-Niveau; die Verspieltheit im Körpertausch bzw. in der Enthauptung ohne Tod reizt in dem Sinne ebenso mit Naivität aus dem Effektlabor, wie es damals womöglich als Schock funktionierte und heute noch immer kurzweilig unterhält. Das Ensemble gibt sich da auch keine Blöße und behält zudem trotz allen Quatsches eine Intensität inne, an der Zynismus, Unschuld, Wut und Grusel zur genüsslichen Theatralik aufspielen. Horst Frank gibt in dem Sinne am hässlichsten Gas; Helmut Schmid darf ungewohnt unbeholfen spielen, während Karin Kernke und Michel Simon Opfer der verzerrten medizinischen Hoffnung werden.


Dagegen stehen nach Antworten verlangende Haudegen wie Dieter Eppler, Christiane Maybach und Paul Dahlke, doch erst im Zusammenspiel aller erwähnter Faktoren entsteht die Eskalation einer kriminalistischen Wahrheit, die im Feuer der Nacht endet und genügend Leichen zur wilden Trivialjagd beiträgt. Im Gleichgewicht der interessanteren Aspekte dieses Films bildet aber die Sehnsucht zur körperlichen Erotik und unheilvollen Vollkommenheit zur Mitte hin die nachhaltigste Qualität, welche aber nicht so weit geht, wie man es gerne hätte - obwohl mindestens ein Moment der körperlichen Unvollkommenheit beinahe mit jenem Höhepunkt von José Padilhas „Robocop“-Remake mithalten kann. In allen Fällen und jeweiligen Zuschauerverständnissen bietet sich hier ein (zudem sprachtechnisch) uriges Stück deutscher Kinogeschichte an, das als Baustein des hiesigen Horrorfilms nicht gänzlich ausgeklammert werden sollte, aber gleichsam herrlicher Bockmist bleibt.




THE DEATH OF "SUPERMAN LIVES": WHAT HAPPENED? - Man, dieser "Superman Lives" hätte ein echt schöner wilder Film werden können. Ich meine, zumindest was Kostüm-, Set-, Creature- und Effektdesign angeht, wäre der Streifen eine Krönung sondergleichen - wirklich viel mehr über das Projekt erfährt man in dieser Dokumentation eigentlich nicht. Sie hilft schon nach, wenn man eins der kontemporären Drehbücher als oberobsessiver Räude gelesen hat (Hier!) und sie legt zudem schönes Archivmaterial frei, an dem man sehen kann, wie Tim Burton den guten Nic Cage zum außerirdischsten Clark Kent unter Menschen stilisiert hätte (Stichwort: Micky-Maus-Shirt). Der narrative Ablauf sowie der thematische Kern des Ganzen bleiben bei Jon Schnepps ansonsten recht umfangreicher (sprich: zu langer) Chronik allerdings eher außen vor, obwohl er abgesehen von Cage alle Entscheidungsträger im Interview hatte. Und Herrgott, Jon Peters steckt einen dabei mit seinem Enthusiasmus zur ungehemmten Phantasterei mehr an, als es Burton allein schon schafft.


Jener Exzentriker hingegen könnte seine ganze Herangehensweise erklären, wenn man ihn ließe, doch Regisseur Schnepp konzentriert sich eben eher darauf, wie umgekrempelt der Look gegenüber dem altbekannten aussah. Natürlich ist das recht reizvoll; jede bizarre Note mehr im gegenwärtigen Superheldengenre ist ein Segen und jener Film hätte schon früh einen Zenit erreicht, der mit Eindrücken eines kosmischen Untergrunds überschäumt und dennoch eine lebhafte wie hochdramatische Geschichte zum Außenseiter darbietet. Letzteres erfährt man in der Doku an sich nicht unbedingt auf die stimmigste Art, aber man kann ja immer noch nachforschen und mehr erfahren oder dies zumindest dann auf ein Kopfkino stützen, das nicht mit Schnepps halbgaren Rekreationen Vorlieb nehmen muss. Technisch könnte ohnehin mehr gehen, aber: ist ja ein Kickstarter-Projekt für Hardcore-Fans, bei dem Schnepp schon im Intro seine Legion an Nerds anspricht, da ist man schon über jede nähere Investigation zu bisher unerhältlichen Materialien glücklich.


In dem Sinne macht die Doku auch glücklich und natürlich auch traurig, dass ein derartiger Fiebertraum mit Millionenbudget nicht zustande kam. "Jodorowsky's Dune" hat da ja schon dasselbe Narrativ erzählt, dessen Sujet sogar noch ferner von der Realisation entfernt war, aber konnte wirklich nachfühlen lassen, wie ein derartiger Film mit seinem Inhalt die Kinowelt verändert hätte und auch gewissermaßen verändert hat, auf dass man selber Bock bekommt, etwas Eigenes zu starten. Hier blickt man ebenso zurück, was hätte sein können, aber es wirkt mehr wie eine spröde, doch toll ausgewählte Kunstgalerie als eine Erforschung des filmischen Inhalts. War vielleicht auch gar nicht das Anliegen, aber für irgendwas muss es ja gut sein und in dem Fall ist die Neugier vielleicht erstmal gestillt, aber noch längst nicht erschöpft. Von daher: Kann bitte jemand ein Paralleluniversum öffnen, aus dem man "Superman Lives" fischen könnte? In den DC-Comics passiert sowas auch ständig!

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