Sonntag, 27. Oktober 2013

Tipps vom 21.10. - 27.10.2013



LEVIATHAN - Dokumente, die entfernt an unsere Welt erinnern.

Dank entschieden-eindringlichen Bildern aus jeder möglichen Perspektive werden wir in einen verschrammt-rauschenden Kosmos des allgegenwärtigen Sterbens hineingeworfen, mit dem keine erdenkliche Dystopie mithalten kann. Und was noch nicht verstorben ist (bzw. seine letzten Atemzüge erlebt), ist seiner transparenten Verlebtheit erlegen, die man vom zerfressend-gammligen Rost der Umgebung bis hin zu den tiefgreifenden Poren der dort rastlos arbeitenden Humanoiden erkennt.

Zudem erscheinen nachjagend-aufdringliche, gefiederte Wesen als nihilistische Vertilger der Reste, getrieben vom Instinkt, wie alles an dieser organometallischen, monströs-dröhnenden Maschinerie, die von Anfang an aus kompletter Finsternis wie ein Urknall herausgeschossen, ihre komplexen und groben Zahnräder in Bewegung setzt.

Ein wahrlich unheimlicher Ort, an den wir hier herangeführt werden, unnachgiebig umschlingend in seiner Aura, unentzifferbar wie auch werte- und hoffnungsfrei in seinem Ablauf. Und so wie wir urplötzlich durch ihn hindurchgezogen werden, entschwindet er uns schließlich, dass wir nur noch im Dunkeln, im Nichts zurückgelassen werden.

Wahrlich kraftvolles Mammutwerk! Seit dem 22.10. in den USA auf DVD & BLU-RAY erhältlich.




L'ATALANTE - Wie eine Fortsetzung von 'UNTER DEN BRÜCKEN', nur mit viel mehr Katzen! Oh, welch herzliche Reise über die Kanäle Frankreichs unsere frisch-vermählte Juliette (Dita Parlo) hier erlebt, mit all dem liebenswürdigen, kernigen Seemannsvolk an der Seite (allen voran das alte, gewitzte Schlachtschiff Père Jules).

Eine musikalische und zauberhaft-leichtfüßige Kennenlernrunde mit der greifbar-natürlichen Menschlichkeit des hier dokumentierten (beinahe zeitlosen) 30er Jahre-Figurengefüges - vollkommen unabhängig davon, ob es in der Realität tatsächlich so erwärmend zuging, wo hier höchstens doch die Eifersucht den größten Spielverderber darstellt.

Schließlich führt diese auch dazu, dass man sich aus den Augen und auf nebelverhangenen, finsteren Bahnhöfen zwischen Metropolen- und Strandhorizont verliert. Doch man muss nur mit voller Sehnsucht auf den Grund des Flusses schauen und schon sieht man sich wieder, dass einen das Schicksal (=Père Jules) wieder zusammenführt - hach...




TELEFONI BIANCHI - Im Italien der 1930er Jahre wurden unter dem Regime des Mussolini-Faschismus sogenannte 'Telefoni Bianchi'-Streifen gedreht - imposante Nachahmungen von populären, amerikanischen Produktionen, die mit konservativen Botschaften versehen wurden.

In diese Filmindustrie voller überheblicher Chaoten will das quirlig-unbedarfte Zimmermädchen Marcella (Agostina Belli, ein Goldengel allererster Güte) als Schauspielerin einbrechen, die sich für ihre Karriere durch die Betten einflussreicher und taktlos-selbstsüchtiger Politiker, Stars und Produzenten schläft, während ihr alter Verlobter Roberto (Cochi Ponzoni) ihr immer wieder als beleidigte Leberwurst auflauert und berechtigte Schuldgefühle einbläut.

Dabei gerät sie u.a. in ein prunkvoll-versautes Bordell für feine Herren, wo sie durch einen Kunden & Komponisten (Lino Toffolo) zum Schlagerstar wird. Lange aushalten kann sie das Muttersöhnchen jedoch auch nicht und gerät sodann in die verführerisch-charmanten Fänge des Star-Akteurs Franco Denza (Vittorio Gassman in einer verschmitzten Meisterleistung) - zudem beginnt sie auch nach einer Begegnung mit dem Duce selbst, für jenes diktatorische Staatsoberhaupt zu schwärmen, auch wenn sie sich selbst eingestehen muss, noch immer was für Roberto zu empfinden, der allerdings an die Front versetzt wird.

Schließlich schafft sie durch den Segen des Duce's den Sprung in den Studiohimmel Cinecittàs, wo man aus ihr trotz mangelndem Talent an der Seite Denza's - der dann auch ihr jahrelanger Liebhaber wird - einen waschechten, nationalen Star unter dem Pseudonym Alba Doris macht. Doch auch hier kriselt die Beziehung und Denza's Geisteszustand schlussendlich unter dem Exzess der faschistisch-ordinären Unbelehrbarkeit & Egomanie, während allmählich der zweite Weltkrieg in die Wege geleitet wird.

Aufgrund der Koalition mit Deutschland gerät sie schließlich irgendwann auch in deutsche Durchhaltestreifen und deren Produzenten, weshalb ihr ewiger Verlobter Roberto ihr endgültig die Liebe kündigt. Bonjour Tristesse, encore une fois, erst recht am Horizont des Kriegsendes, wo sie im Lastwagen eines stehlenden, buckligen Vagabunden landet, der sie aber schnell für eine Gruppe von flüchtenden Juden ablädt (welche er aber dann doch an die Deutschen verrät).

Auf ihrer trübseligen Odyssee zurück nach Hause begegnet sie wieder alten Weggefährten, die sich nun vor den Widerstandskämpfern verantworten müssen. Mit kleinen Gesangsauftritten und einer Vermählung mit William Berger kann Marcella sich dann doch noch bis nach dem Krieg über Wasser halten. Doch auf einer Reise nach Russland dann...

In diesem turbulenten, liebevoll-ausgestatteten, wunderbar anarchisch-gewitzten und über mehrere Jahre erzählten Lustspiel vergehen die knapp 2 Stunden Laufzeit wie im Fluge. Faschistische Witzfiguren übertreffen sich im karikierten Gesellschaftsbild jener Zeit an perverser Verkommenheit, während die Lebensverhältnisse immer perfider werden, den Krieg herausfordernd heraufbeschwören. Und dennoch kämpft sich dabei durch die Jahrzehnte eine recht süße, leichtlebige 'Liebesgeschichte' durch, die schließlich durch die Wirren des Regimes und des Krieges immer wieder chaotisch auseinanderbricht.

Wie eh und je liegt das aber auch im Grunde am verführerischen Glanz & Glamour der Unterhaltungsindustrie, die einen mitreißen, aufsaugen und zerbrechen kann, wie es ihr gefällt - wie auch hier in diesem semi-fiktiven Biopic von Dino Risi, das sich mit dem morbiden Pomp der 30er Jahre schelmisch auseinandersetzt und unsere liebenswerten, wenn auch fehlgeleiteten Protagonisten durch den Fleischwolf jagt.

Ein toller Film, leider nur schwer zu bekommen - ich hab ihn in seiner exzellenten dt. Synchro gesichtet, die mir durch eine TV-Aufnahme von 2005 auf VHS erhältlich gemacht wurde. So oder so, sei es euch versichert: Wer 'Telefoni Bianchi' auftreiben kann, darf ihn nicht verpassen!




LES RAISINS DE LA MORT - Leicht abstrakte und tragische Verarbeitung des 2. Weltkrieg-Nazi-Terrors in Frankreich als Horrorfilm-Odyssee.

Ähnlich wie auch im französischen Rachedrama 'ABSCHIED IN DER NACHT' von Robert Enrico lässt Rollin seine Protagonisten noch im sicheren Glauben, dass rein gar nichts Böses ihnen was anhaben kann, auch wenn es bereits offensichtlich hervorbricht - bis dann auf einmal schlussendlich der Schrecken über sie selbst herfällt, hier in Form 'zombifizierender', mörderischer Pestizide im weit und breit goutierten Traubenwein. Sodann auf der Flucht vor diesem Grauen durch die französische Province, auf der Suche nach Geborgenheit & Hilfe, kommt nur wenig Hoffnung auf.

Ein infizierter Bauer z.B. sticht im Rausch seine eigene Frau und Tochter ab, erschreckt sodann vor seinem eigenen Handeln und verlangt von der schluchzenden Hilfesuchenden Élisabeth (Marie-Georges Pascal), unsere Hauptprotagonistin die zuvor ihre beste Freundin durch eine ähnliche Tat verloren hat, dass sie ihn erlöst. Sodann trifft sie auf eine verlorenene Blinde, Lucie (Mirella Rancelot), die sie in Aussicht auf ein befreiendes Telefon zur Aussenwelt in ihr Heimatdorf führt - dort jedoch ist bereits alles verbrannt und zerstört, Leichen pflastern das gespenstisch-hoffnungsfreie Szenario.
 
Lucie verlangt von Élisabeth zu erfahren, was sie denn sieht - sie kann es ihr aber einfach nicht sagen, das unfassbare Grauen ist schlicht zu überwältigend. Schließlich werden sie von den infizierten Dorfbewohnern umkreist, Lucie glaubt sich sicher, wird aber von ihren alten, nun zwanghaft-umgepolten Mitbewohnern getötet, auch wenn diese sich mit Tränen innerlich darum wehren, in Erinnerung wer sie früher einmal waren - das neue Regime aber kennt keine Gnade und zeigt seine keifende, unmenschliche Fratze.

Élisabeth kommt bei einer Uninfizierten (Brigitte Lahaie) unter, doch die entpuppt sich als Kollaborateurin und wirft sie den Monstren zum Fraß vor, biedert sich sodann den eintreffenden Widerstandskämpfern an (von denen einer schon im Krieg gekämpft hat), die aber den Braten riechen - Élisabeth aus den Klauen der Dämonen befreien und in eine offensichtlich schon lange von den Nazis zerbombte Burg fliehen.

Auf dem ausschlaggebenden Weingut schließlich angekommen, findet Élisabeth ihren Verlobten auf dem Dachboden vor. Ihn hat die Infizierung und sein Gewissen schon fast zerfressen (schließlich hat er die todbringenden Pestizide entwickelt) - dennoch (und trotz mahnend-tränenreichen Widerstand von seiner Seite aus) umarmt und küsst sie ihn ein letztes Mal, bevor einer der Bauern ihn erschießt. Sodann greift sie zum Gewehr und tötet die Widerstandskämpfer, lässt in den letzten melancholischen Momenten des Films das Blut ihres Verlobten auf ihre Lippen tropfen, womit sie sich infizieren lässt - es gibt für sie nämlich nichts mehr, wofür es sich zu leben lohnt.

Ein bitterer Schlussstrich für diese durchaus harte Metapher Rollins auf die Schrecken des zweiten Weltkriegs, adaptiert als Plädoyer für einen gewissenhafteren Umgang mit der Natur. Lässt die alten Wunden wieder aufreißen und macht die ländlichen Bewohner erneut zu unfreiwilligen Sklaven des eingeschlichenen Terrors, der ihnen dennoch ganz tief im Unterbewusstsein seit Generationen innewohnte.

Ein stimmungsvolles und recht tragisches (wenn auch nicht aufdringlich-sentimentales) Horrordrama, das durch den deutschen Verleihtitel allzu sehr ins Belanglose gezogen wurde. Gesichtet auf Blu-Ray, vom US-Verleih KINO LORBER, in Top-Qualität (auch wenn die teilweise ungeschickten Schärfeverlagerungen dadurch umso ungünstiger auffallen).




ALIEN - DIE WIEDERGEBURT - Eine weitere, virtuos-skurrile Komödie (mit einigen traurig-stimmenden Szenen für die gute, neugeborene Ripley) von Jean-Pierre Jeunet, frei nach einem Drehbuch von Sci-Fi-Fantasy-Spaßautorenfilmer Joss Whedon, mit einem Hang zum futuristisch-explosiven Ekel, welchen man auch Stuart Gordon & Brian Yuzna oder dem Robert Rodriguez von 'FROM DUSK TILL DAWN' zutrauen könnte.

Insofern nicht ganz so zuckersüß-drollig wie 'Amélie', im Gegenteil, sogar recht tromatisch-grotesk und gewaltreich, aber mindestens ebenso verschroben-poppig in seinen morbiden, meta-postapokalyptischen Produktionsdesigns, Figuren (u.a. der glubschäugige Dan Hedaya mit seiner Gorilla-artigen Schulterbehaarung) & Kameraspielereien wie in seinen vorangegangenen Werken. Insgesamt eine recht spaßige und knallige Angelegenheit, mit einer übermenschlich-starken und anfangs unbekümmert-verschmitzten Ripley (Weaver hier erneut mindestens so begehrenswert-sympathisch und schlagfertig wie Barbarella, wenn auch weit emanzipierter = Whedon-Writing in Bechdel-Test-bestehender Reinkultur) im funsplattrigen und teilweise sogar spannenden Überlebenskampf gegen die Schleimviecher.

Zudem nimmt sie erneut wie in 'ALIENS' eine Mutterrolle ein, in diesem Fall für Winona Ryder's *SPOILER* Androidenmädel *SPOILER ENDE* Call, welches zusammen mit dem Machotrupp um Ron Perlman in die klaustrophobische Raumstationsbelagerung hineingezogen wird. Zudem verfolgt Ripley eine leicht-verhaltene Obsession mit den ausserirdischen Invasoren, mit denen sie seit dem Klonungsprozess nach den Ereignissen von ALIEN³ in der DNA verbunden ist - schmeißt sich hingebungsvoll in den geschmeidig-feuchten Alien-Körper-Kompost, wie Isabelle Adjani in Zulawski's 'Possession' und 'gebiert' daraus einen garstig-brachialen Hybriden, der für seine menschliche Mom die Kreaturen-Leihmutter zerhackt. Kein Wunder, dass David Cronenberg zu einem Zeitpunkt ebenfalls für die Regie vorgesehen war.

Doch Ripley empfindet im Gegenzug eher Liebe für ihre 'Adoptivtochter' Call und kehrt zu ihr zurück, was das neue Baby natürlich immens verärgert und nun um die Anerkennung seiner Mutter 'buhlen' lässt - sodann entbrennt ein irrwitziges Familiendrama inmitten des letzten funktionstüchtigen und nun flüchtenden Weltraumgefährt. Und schlussendlich, mit Tränen in den Augen, treibt Ripley ihr unschuldiges, aber ultimativ-missanthropes Neugeborenes nachträglich ab - fängt aber entschieden, die Vergangenheit hinter sich lassend, ein neues Leben im komplett verwüsteten Paris mit Call an ihrer Seite an. Da wird Jeunet dann doch wieder ein bisschen drollig, auch wenn der Haunted-House-ähnliche Score Unheil über den Abspann vorausspricht.

Sei's drum, mir hat dieser Teil der originalen Alien-Quadrilogy sehr gefallen, womöglich ist er nach dem Original und der James Cameron-Fortsetzung der Drittbeste aus der Reihe. Echt gewitzter, süßer Schleim...




HARD TO DIE - Mein Lieblings-B-Movie-Regisseur aus Corman's Schmiede, Jim Wynorski, schickt in dieser seiner gagreichen Horrorkomödie 5 stramme & hohlbirnige L.A. Bohème-Babes durch eine aberwitzige Horror-Nacht in einem poppig-klobigen Dessousgeschäft namens ACME LINGERIE (natürlich eine niedliche Anspielung auf die LOONEY TUNES, wie auch alle durchaus plaktativen 'Gewaltszenen') und dessen schummrigen Keller - innerhalb eines Wolkenkratzers, wo der stoisch-schmierige Hausmeister (vor dem sich immer alle übertrieben erschrecken, während die Kamera per Dollyfahrt ständig overstated inkl. Blitzgewitter in seine Fresse rast) einige Schauergeschichten zu erzählen hat und Stock-Footage aus anderen Filmen gewitzt-dusselig in den unterhaltsam-schrottigen Narrativ eingebaut wird.

Unsere Protagonistinnen entfesseln beim Öffnen einer alten, ägyptischen Kiste sodann einen bösen Geist, der eine nach der anderen erledigt (= Schwenk auf leere Wand, Blut spritzt dagegen), doch viel wichtiger wiegen zunächst mal Probleme wie: 'Gibt's was zu essen?' (der Chef hat nur verschimmeltes Futter im Kühlschrank) und 'Ich werd jetzt erst mal duschen gehen.', wodurch natürlich, in Abwechslung mit reichlich bewusst-blödeligen Dialogen, einige grundlose Nacktszenen vor die Linse treten, bevor die turbulente Flucht vor dem blutigen Schrecken unternommen wird. Also, ich weiß, was ihr euch jetzt denkt: klingt alles ziemlich sexistisch und chauvinistisch - und im Grunde wäre das auch so, aber den Unterschied machen die durchgängige, leichtfüßige Verspieltheit sowie die parodistisch-anarchische Grundhaltung, die sich durch das Oeuvre Wynorski's seit jeher ziehen.

Und so ist Jim (der hier zudem ein schnippisches Cameo als Porno-Regisseur vollführt) auch mit HARD TO DIE ein durchweg unterhaltsames und augenzwinkerndes Spaß-Filmchen gelungen, welches durchaus mehr Dessous als normale Kleidung für den durchgeknallten Überlebenskampf vorzuweisen hat, wozu sich allerdings auch automatische Knarren und spitze Gegenstände zur Verteidigung gesellen. Somit wird das (eher männliche) Eskapismus-Herz der jugendlichen bzw. junggebliebenen Zielgruppe ganz effektiv mit frivoler Heiterkeit und Frohsinn erfüllt, wo er doch in knapp 83 Minuten Laufzeit 3 ganz wichtige Knöpfe zur Cine-Liebe drückt: Blödeleien, Blut & Boobs - frei von jeder Moral und herrlich-naiv in seinem cartoonhaften Exzess auf sympathischer Sparflamme.




ZUCKERBROT UND PEITSCHE -  Ich erinnere mich noch an eine Zeit, ca. Ende der 90er und Anfang der 00er, in der VOX im Late-Night-Programm einige selbst bis heute noch recht unbekannte Filme von schön verknarzten 'Direkt-von-der-Kinorolle'-MAZen ausstrahlte, die im Dunkel der Nacht den Fernsehschirm meiner Eltern im Wohnzimmer zur Leinwand machten (schließlich war das in dem Dorf, in dem wir wohnten, das nächstbeste cineastische Erlebnis). In diesem Rahmen sichtete ich u.a. einen meiner ewigen Lieblingsfilme, 'NUIT D'OR', der bis heute auf eine ordentliche Heimkinoauswertung wartet.

In dieselbe Kategorie fällt dieser Film, den ich jüngst als alte VOX-TV-Aufnahme erhielt (weil keine andere Version davon derzeitig erhältlich ist) und nun im Nachtrausch meiner Hamburger Wohnung sichtete.

Es geht um den frustrierten, lebensmüden Werbe-Dressman Roger, Star einer Werbekampagne der Zigarettenmarke 'TOP TEN' - zur Abwechslung beraubt er Banken und Juweliere, muss sich dabei auch mit alten Kumpanen bleihaltig rumschlagen, die ihn tot sehen wollen und zieht zudem eine süße Bekanntschaft vom letzten Raub, die vernachlässigte Frau eines Galeristen, Helga, in die Sache rein, die trotz schweigsamer Empörung über seine Taten schließlich mit Faszination sogar als interner Zuschauer daran teilnimmt.

Der Reiz des kriminellen Lifestyles, gemäß dem wiederholten Mantra des Films aus der inszenierten Zigarettenwerbung 'Französisch lieben - Englisch rauchen', geht sodann soweit, dass sie im entfärbten Betonlabyrinth für ein paar Klunker auf offener Straße Schädel einkloppen und Schienenbeine zerballern (knalliges, beinahe-orangenes Blut spritzt auf den Rinnstein) - man sich daraufhin im herbstlichen Wald-Fort bei Sonnenuntergang vermeintlich romantisch trifft, alles unter den beschwörenden Orgel-Drones des Soundtracks, von dem einzig und allein einige unschuldige, über den ganzen Film verteilte, Schildkröten und ein morbides Puppenspiel über Räuber & Gendarm verschont bleiben.

Als Helga's Ehemann allerdings hinter die Sache kommt, weil er sowieso ein Verhältnis zwischen den Beiden vermutet hat, geht er nicht wie erwartet zur Polizei, sondern geilt sich daran auf, sobald er Helga wieder im Haushalt unter seiner Fuchtel hat - infolgedessen plant sie mit Roger die Ausraubung der bald anstehenden Galerieeröffnung ihres Mannes - und zieht es durch, im zwielichtigen Schein der Straßenlaternen jener tieffinsterer, umschließender Vorgarten-Alleen.

Der Coup gelingt, doch die anarchistische Sicherheit des Outlaw-Daseins nimmt bald eine verhängnisvolle Wendung, der kurzfristige Wunsch nach Ausbruch aus der haltlos-grauen Gesellschaft mit Gewalt ist gerade durch sich selbst zum Scheitern verurteilt. Da bleibt Helga am Ende nur der Gang zurück hinter die massiven Gitter ihres prunkvollen Anwesens.




EINE FALSCHE BEWEGUNG - Wirklich souveräner und zeitweise haltlos-ruppiger, durchweg bodenständig-greifbarer Thriller, welcher sich über das ländliche Smalltown-Folk der USA entfaltet - mit starken und dennoch leichtfüßig gezeichneten Figuren (Top-Script von Billy Bob Thornton, will ich da mal hervorheben), geboren aus einem Ensemble on the top of their game.

Und Junge, Junge, wie sich erst so einige Schichten von Bill Paxton's Charakter eröffnen und einen schönen, dramatischen Bogen um die gesamte Geschichte ziehen...bis hin zum kalt in die Magengrube boxenden Showdown.

Wer diese 'FALSCHE BEWEGUNG' noch nicht kennt, sollte durchaus mal einen Blick riskieren, allein schon für die wirklich reizende Cynda Williams als wohlverdienter Dreh- und Angelpunkt des gesamten Narrativs.




DIE SEVEN-UPS - Nice, der von mir gern gesehene Joe Spinell (R.I.P.) hat hier eine feine Nebenrolle inne! Was es jedoch mehr über diesen Quasi-'French Connection'-Spin-Off, basierend auf einem weiteren echten Fall der Detectives Eddie Egan und Sonny Grosso, zu sagen gibt?

Nun, Roy Scheider spielt gewohnt solide den kernig-melancholischen Bullen, die allgemeine Gestaltung sowie der Spannungsbogen des Films sind ebenfalls von souveräner Erlesenheit. Regisseur D'Antoni kann sogar, wie bei seinen vorherigen Produktionen (u.a. BULLITT & FRENCH CONNECTION), wieder mal eine aufregende, adrenalingeladene Verfolgungsjagd im ungefähr gleichen Zeitfenster des Narrativs vorweisen - dieses Mal sogar noch länger als im Friedkin-Meisterwerk, welchem er sowieso in Sachen Stimmung und Plotstruktur Punkt für Punkt nacheifert.

Leider kann SEVEN-UPS trotz einiger zynischer Ermittlungsmethoden nicht denselben Grad an greifbar-dreckiger Authenzität, eindringlicher Faszination & naturalistischer Ruppigkeit vorweisen - schaffte im Vergleich zu seinem 'Vorgänger' sogar eine familienfreundliche PG-Freigabe, was am insgesamt bieder-oberflächlichen Gesamteindruck der recht beliebigen Krimihandlung leider doch allzu ernüchternd und zudem forciert auffällt.

D'Antoni versucht mit vollem Ehrgeiz, die Magie seiner letzten CONNECTION zu reproduzieren, doch leider versagt er dem Film die 'Connection' zur eigenen Stimme & Vision, macht sich seinen Inhalt auf der Suche nach dem Stil im Endeffekt austauschbar und wirkt deshalb umso belangloser. Schade drum, anschaulich gelungen ist er ja dennoch.




DAS KINDERMÄDCHEN - Wie kann diese 'GUARDIAN ANGEL'-Agentur überhaupt noch legal bestehen, wenn ihre Angestellten immer Babies stehlen und von der Polizei gesucht werden?

Ach egal, immerhin hatte Friedkin seinen exploitativen Spaß mit dieser trivialen Auftragsarbeit, einem abstrusen Okkultthriller der käsigsten Sorte - voll blödelig-blutigen Effekten, durchgeknallten Schauspielerleistungen und Jahrmarkts-Jumpscares, bei denen er sich im Regiestuhl wahrscheinlich totgelacht hat, so heftig-plump sie hier doch aufspringen.

Ursprünglich sollte übrigens Sam Raimi hier Regie führen - man merkt's, vorallem im Finale, in welchem ein lebender, mörderischer Baum (TREEVENGE lässt auch grüßen) dank dem Griff zur Kettensäge in Blutfontänen explodiert.

Für den kleinen Schpläddä-Hunger zwischendurch.




DER ZERSTÖRER / JEDER VOGEL BRAUCHT EIN NEST - 'Ich hoffe sie sitzen gut und haben starke Nerven, denn was ich ihnen jetzt zu berichten habe, könnte sie unter Umständen vom besagten Hocker werfen.'

Wolltet ihr schon immer mal euren gewöhnlich-lahmen, ultrazynischen Cheapo-Crime-Reißer aus dem unbeholfenen Something-Weird-Video-Milieu mit expliziten Hardcoremanövern in jeder Schlüsselszene versehen haben? Vergewaltigung und derb-bekloppte Räudensynchro (die aber unfassbarerweise Heinz Petruo verpflichten konnte) dürfen dabei auch nicht fehlen, während ein alter Sack mit Verbindungen zur Regierung, der 'General', seinen Junior anbölkt, weil der Schulden beim Mob hat.

'- Mr. Mandano, bitte, ich will nicht sterben!
- Das Mädchen wollte auch nicht gefickt werden! Du kennst unser Gesetz: auf Vergewaltigung steht der Tod! Aber du darfst gehen wie ein Mann, mit Würde. Anstelle einer letzten Mahlzeit geben wir dir einen letzten Fick.'

Innerhalb einiger feucht-fröhlicher Lesbenspielereien wird zudem ein alter Vietnamveteran namens Joe Napoli (!) vom General für den Kampf gegen die (hauptsächlich herumverkehrende) Mafia verpflichtet. Dort wird gerade übrigens eines ihrer Mitglieder nach oben erwähntem, knapp 10-Minuten-langen Henkersbumms von einem Revolver, der stilecht aus dem roten Vorhang hervorkommt, erschossen.

Joe Napoli entfesselt sodann seinen gewieften Masterplan, indem er einigen Mobsters aus dem Gebüsch heraus auflauert und diese mit dem Sturmgewehr in die ewigen Jagdgründe schickt. Der große Don Tony Mandano erfährt davon, während er einen geblasen bekommt und setzt nun alles daran, Mr. Napoli auszuschalten, der nun von Staat zu Staat reist, um ganz profan wahllos Mitglieder der Cosa Nostra (u.a. den 'Chef der Mafia', wie die Synchro behauptet) abzuschießen.

'Hallo Vermittlung, geben sie mir die verflixte Nummer von...ALSO ICH HAB DOCH NICHT GESAGT: ICH WILL SIE FICKEN! ODER SIND SIE IM PUFF AUFGEWACHSEN?!'

Schmatzende Schnurrbart-Küsse, extatische Schreihals-Rentner, spartanische Budenzauber-Shootouts im blauen Dunst der 'amerikanischen Nacht', eine uninspiriert-hingeschluderte Story mit reichlich Raum für assiges Gemetzel und verzoomte Porno-Leckereien voller Haare - einfach komplett widerlich als Gesamtwerk, diese ungeschönte, primitve Darstellung der Unterwelt im hedonistisch-gammligen Sexrausch (und damit höchstwahrscheinlich näher an der Realität als manch romantisierte Gangsterepen).

So lässt man eine Woche ausklingen!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen