Montag, 14. Oktober 2013

Tipps vom 07.10. - 13.10.2013



PRISONERS - Willkommen im Labyrinth der Hölle.

Aber sie Glückspilz, sie...hier erleben sie das derzeitig wohl bitterste, finsterste und nervenzerreißenste Stück Kino des Jahres, auf soziopathisch-verstörendsten Schreckenspfaden des provinziell-eiskalten Serientäter-Americanas, im Angesicht zweier unfassbar tief erschütterter Familien, die bis zum Äußersten getrieben werden.

Erdrückener Seelenhorror im behutsam-einschlagenden und immer tiefer-einsteigenden Endstadium - eine wuchtige, um den wehr- & fassungslosen Hals des Zuschauers schlängende Über-Performance von Film.

Roger Deakins und seine visuelle Magnetkralle - Jackman, diesmal ohne Krallen, aber mit Dimensionen-brechender Intensität - Gyllenhall so geil wie nie - DER FALL...alles nur die besten Zutaten für diesen langsam, aber stetig Seelen-aufsägenden Mammutreißer, vom Anfang bis zum Ende!




SYMBOL - Gott ist ein Japaner ♥




STRANGE DAYS - Das Geschäft mit den Erinnerungen, am Advent des Millenniums. Erst recht mit Erinnerungen an den Skandal um Rodney King und der Polizeigewalt der 90er, welcher diese versiffte Cyberpunk-Welt vollkommen aus der Bahn zu werfen droht, wenige Minuten vor Mitternacht seine blutige Fratze mit Dienstmarke auf der Weltbühne zum kaltblütigen Mord anhieft.

Ein - erst recht in den eindringlich-spürbaren und unfassbar-ausgefeilten POV-Sequenzen - meisterhaft inszeniertes, hartes Thrillerabenteuer von Kathryn Bigelow, aus der Feder ihres damaligen Ehemannes Jimmy Cameron - beide gehen auf High-Concept, erbauen eine dystopische Technoparade mit ihren charismatischen, recht glaubwürdigen Hehlern der verbotenen Virtual-Reality-Gedankenwahre, konfrontieren diese anhand der Powerfraukraft von Angela Bassett mit der hier und jetzt stattfindenden Unmenschlichkeit & Gewalt und plädieren erdrückt vom Pandemonium der Paranoia für eine friedlichere Welt.

Leicht naiv und formelhaft: sicher. Aber dennoch ein beeindruckendes, rastlos-treibendes Stimmungsstück und vorausschauendes Bewältigungskino der damaligen Unruhen und Ungewissheiten für die Zukunft, mit letztendlich optimistischer, antirassistischer Haltung (Schwarz & Weiß teilen sich zum Schluss einen süßen Kuss, war dazumal nicht gerade allgegenwärtig) und einem noch immer wirksamen Wow!-Faktor. Ein weiterer, ungerechtfertigter Flop seiner Zeit.




DIE HEISSE SPUR - Der Film mit Hackman's berühmten Eric-Rohmer-Diss 'IT WAS KINDA LIKE WATCHING PAINT DRY.'

Kein Wunder für seinen Charakter, eben das im Namen des Films und Regisseur Penn zu äußern, wo er doch als Detektiv triebhaft-locker-schmissig und geradlinig-unbedarft innerhalb des selbstherrlich-zynischen Sleaze-Pool Los Angeles und Hollywood, im Auftrag einer alternden Diva, auf (zunächst) beliebige Personensuche geht und sich zudem mit dem Liebhaber seiner Frau (die ihm vorwirft, langweilige, triviale Jobs abzuarbeiten, die nichts Erhellendes hervorbringen), dem Arthouse-Antagonisten Harris Yulin, herumschlagen muss.

Dieser persönlichen Tristesse entfliehen wollend, begibt er sich ins Sumpf-Paradies, wo er die junge Melanie Griffith, die ihm ganz schön den Kopf verdreht, zurück auf's Festland bringen muss, womit ihm auch die abgeklärte, braungebrannte Powerfrau Jennifer Warren behilflich ist. Auf dem Weg dorthin finden sie bei einem nächtlich-lockeren Tauchgang aber eine vergammelte Leiche in einem abgestürtzen Flugzeug, weshalb man erstmal weiter auf dem Eiland bleiben muss und sich gefühlvoll & der Geschichte dahinter zwangsläufig näherkommt.

Da wird die eventuelle Abkehr davon und die Rückkehr ins verkorkste Eheleben umso bitterer, also zieht Hackman daraufhin die freischaufelnden, mutigen Konsequenzen, die sich aber auch positiv für ihn herausstellen, weil er sich seiner Frau besser öffnen kann und sie ihn auch wieder liebevoll versteht. Doch dann kommt sein letzter Fall bei einem Autounfall am Set ums Leben, welchen Hackman als Rohmaterial auf der Leinwand in der wohl eindringlich-stärksten Szene des Films vorbeiziehen sieht. Jetzt legt er alles darauf an, aus energisch-liebender, quasi-väterlicher Obligation, herauszufinden, wie das passieren konnte, denn er glaubt an Mord.

Ein Werk über die Filmindustrie in der langsam abflauenden Nouvelle Vague des New Hollywood, über künstlerische Integrität und Sich-Selbst-Treusein, darüber sein wahres Herz vor verlogen-elitärer Vereinnahmung abzuwehren - auch wenn dies alles letztendlich scheitert, war es das trotzdem wert. Denn unter der Oberfläche des Trivialen offenbart sich hier weit mehr Substanz, schöne wie auch finstere, als man anfangs vermutet hätte - bleibt dennoch durchweg bodenständig, aber voll vorantreibendem Elan, mehr Charakterstudie als Krimi, nah am Menschen und seinem Wesen...und umso bitterer in seiner 'Auflösung'.


 

THINGS - Biergesellige Kanadier mit Geheimratsecken und Wildnisbärten erschaffen voller handwerklichem Unvermögen eine abstruse Grusel- & Gore-Mär im Strudel unverständlicher Übernatürlichkeit einer Omaküche und anachronistischer Synthrhythmen, stellen zwischendurch Amber Lynn vor einen Turm von Fernsehern, um belanglose Nachrichten abzulesen.

Hauchen und spucken ihre mündlich vorgetragenen Soundeffekte zusammen mit entrückt-aufgesetzten Nonsens-Dialogen inkl. plattester Genre-Referenzen ins handelsübliche Mikrofon, während die Kamera ziellos durch das ranzige Hüttchen im krankhaften Baustrahlerlicht gehandhabt wird. Sobald die klobigen Monsterkreaturen darin entfesselt werden, scheint ein Entkommen für unsere Proletenhelden unmöglich, weshalb sie genervt und oft zum Alkohol greifen und die Situation verrauscht ausdiskutieren.

Ab und an gehen sie auch gegen die seltsam teilnahmslosen Viecher vor, verlieren sich daraufhin aber erneut in den höllisch-roten Wänden des Anwesens, in denen sie nicht mal mit ihren Taschenlampen zurechtfinden und schlussendlich komplett entgeistert umherirren, dass man als Zuschauer ein fehlerhaft-programmiertes Delirium wahrzunehmen scheint, allen voran wegen der amateur-psychedelischen, lückenhaft-schrabbeligen Tonabmischung.

Selbst der Einsatz brachialer Bohrmaschinen und Kettensägen, der mit deren beinahe tonlosen Fleischzersetzung einen Ausweg aus der Wahnsinnsdimension der Billigteppiche und Blutorgien garantieren soll, kann nicht gegen die verzerrte Tonspur und Schnittkatastrophen ankämpfen, zu denen sich noch ein grinsender Nachbarsfreund (welcher einen Doktor darstellen soll) hinzugesellt, während das monochrom-melancholische Klavier dahinklimpert und ansonsten von kakophonen Keyboard-Grabbeleien ausgetauscht wird.

Unvermittelt flieht man dann ins Tageslicht eines angenagten Wäldchens, doch es entpuppt sich als  vermeintliche Oase des Überlebens - und der Abspann leitet sich sodann mit den Worten ' YOU HAVE JUST EXPERIENCED "THINGS"' ein. Ein Chaos von Horrorfilm, filmisch so unfassbar ungeschickt und bizarr-zerfahren, dass man vor staunender Faszination fast umkommt. Eine schräge, eruptiv-dilletantische Erfahrung mit morbid-veralpträumter Aura. Unmengen an Bier und infantil-sympathische Genre-Ambitionen von perspektivlosen Erwachsenen in den Tiefen kanadischer Hinterwald-Provinzen treffen hier aufeinander - in dem kryptischen, schockierend-unterhaltsamen Ergebnis THINGS. Bedingungslose Empfehlung meinerseits.




ESPY aka ESUPAI - Neben einigen flotten Godzilla-Abenteuern inszenierte Regisseur Jun Fukuda diesen actiongeladenen, globalen High-Concept-Spionagethriller um 2 rivalisierende Geheimorganisationen von telekinetisch-begabten Agenten - darum auch das Wortspiel 'ESPY', eine Mischung aus ESP (Extra-Sensory Perception) und SPY - die sich zwischen St. Moritz, Istanbul, Paris und natürlich Japan um die ganze Welt mit umwerfender, telepathischer Gedankenkraft bekriegen.

Ein astreiner Genrevertreter mit psychotronisch-übernatürlichen Einfällen, der überwiegend überraschend-ernst gehalten wird, dennoch eine gehörige Portion Eskapismus-Potenzial mit sich bringt. Fukuda spricht mit seiner phantastischen James-Bond-Variante zudem ein erwachseneres Publikum, als für ihn gewöhnlich, an - mithilfe einiger recht blutiger Shootouts, nackter Haut, Faustkämpfen, kaltblütigen Attentaten und explodierenden Körpern.

Dennoch besinnt er sich ab und an auf seine Wurzeln im Kaiju-Metier zurück, lässt Modellbauten effektvoll-explosiv einstürzen, spendiert dem sonoren, missanthropen Bösewicht ein mit Fallen gespicktes Spukschloss als Hauptzentrale, dass Konsorten wie Dracula gerecht werden würde und legt seinen Protagonisten melodramatisch-ulkige Dialoge in den Mund, die gut zum Schmunzeln einladen (allen voran: die Erkenntnis, dass der Schäferhund der Gruppe, Caesar, nicht hypnotisiert werden und deshalb unbeeinflusst von Hypnose agieren kann).

Ein kurzweiliger Agentenspaß aus Japan, der in seinen schnörkellosen 92 Minuten Laufzeit keinerlei doppelten Boden anbietet, aber als souveräner und teils schön-rabiater Genre-Pulp mit verblendetem Kitschfaktor und einigen sympathisch-altertümlichen Effektarbeiten angenehm überzeugt und unterhält.




SLEDGEHAMMER - Bereits im Vorspann wird uns innerhalb der monochromen Verschleierung eines Videoeffekts die designierte Gruppe an Opfern dieses hypnotisch-archetypischen Slashers präsentiert, die uns direkt in die Augen blickt - an die KZ-Aufnahmen der Alliierten erinnernd von der Kamera abgeschwenkt wird, während sich die Requiem-artige, wehmütige Synthesizermusik über weitere verzerrte Bilder des anstehenden Schreckens legt, der sich in diesem vollständig auf Video gedrehten und exklusiv dort vermarkteten Horrorfilm von David A. Prior entfaltet.

Hinter den provinziellen Wänden eines milchig-süß ausgeleuchteten Mittelstandhauses braut sich, durch die ungnädig-derbe Vernachlässigung einer egoistisch-sexversessenen Mutter ihrem Kind gegenüber, ein eruptives Gewaltgewitter zusammen, dass seine Welt in ein abbremsendes Koma versetzt (worin auch die Vögel aufhören zu zwitschern), wodurch der titelgebende Vorschlaghammer die unfähig-sich-zu-wehrenden Körper in Stücke reißt.

10 Jahre später dann versammelt sich eine leichtlebig-naive Gruppe von jugendlichen Kumpels (eben jene aus dem Vorspann), männlichen und weiblichen, für eine großangelegte Wochenendsause im selben, nun verlassenen Haus. Man kann sich als Genrekundiger vorstellen, in welche Richtung die Handlung nun weiterverlaufen wird.

Was aber SLEDGEHAMMER hier bereits von anderen Genrevertretern abhebt, ist sein aufs-Wesentliche-konzentrierter Verzicht auf allzu formelhafte Etablierungen der Charaktere durch altbekannte Dialogschemata - stattdessen spendiert er dem Hauptpaar seines Opferensembles eine in starker Zeitlupe aufgelöste, wortlose Zelebrierung ihrer Zuneigung in einem einfachen Kameraschwenk, wo der Prior-Bruder Ted (Hauptdarsteller aller Filme Davids) seine herzhaft-lachende Liebste einfach in den Arm nimmt und ihr spielerisch eine Bierdose auf den Kopf stellt.
Sodann schaut sich ein weiterer Protagonist in dem inzwischen verkommenen Inneren des Hauses um und verspricht in einem starren Frame des von ihm dort aufgefundenen Hammers eine unheilvolle Wiederauferstehung des verjährten Horrors. Regisseur Prior verschwendet weiterhin kaum Zeit und präsentiert uns daraufhin das angestrebte Saufgelage der Gruppe, die sich inzwischen hauptsächlich mit proletenhaften Grunzgeräuschen verständigt und obszön-dekadenten Spielereien hingibt. Selbst ein kleiner Streit unseres Liebespaares zwischendurch wird unter 'pointiert'-versöhnlichen Worten und einem gemütlichen Gitarrenspiel im Vorgarten schnell wieder aufgelöst.

Beide verharren in ihrer Romantik, während bereits das scheinbar unsichtbare Böse um die Fenster schleicht. Doch noch herrscht bei einem spartanisch-ausgeschmückten Festessen unserer Gruppe ausgelassene, infantile Freude inkl. einer unbedarften Essensschlacht. Die Kamera bleibt dabei objektiv stationär und nichtmal ein archetypisches Musikstück für derartige Comedy-Situationen macht sich auf der Tonspur bemerkbar - die pure, jugendliche Freude wird hier in ihrer schnörkellosen und leichtfüßigen Einfältigkeit ganz objektiv, wie spätere erotische Abenteuer, Spukspiele und frivole Streiche, bar jeden Urteils aufgezeigt.

Umso brutaler erscheint sodann der geradezu übernatürliche Terror des Hammermörders bei Anbruch der Nacht - von dessen Hintergrundgeschichte sich im Vornherein unsere Teenie-Truppe schon Furchterregendes in eindringlich-finsterer Runde austauscht - der seine ungebetenen Gäste (die er für seine Mutter hält), einer nach dem anderen, mit seiner Zeit-verlangsamenden Präzision und psychischen Sinnesverwirrung aus dem Leben reißt und nur noch wenig Raum für letzte Worte, höchstens Schreie, übrig lässt.

David A. Prior strahlt in diesem seinen Filmdebüt eine Selbstsicherheit im konzentrierten Umgang mit etablierten Genre-Charakteristika aus, die trotz der archaisch-budgierten Mittel, zeitgenössischem 80's Chic, höchstens-zweckhaften Darstellerleistungen und der allgemeinen Vorhersehbarkeit des Geschehens eine überraschend stimmungsvolle, ansatzweise naturalistische, auf jeden Fall recht direkt-unverblümte Wirkung erzielt. Stellt seine Schocks als Zeit & Raum-zerschlagendes Ereignis dar und erdrückt seine gepeinigten Figuren mit der kalten Leere der geisterhaft-nebulösen, ausweglosen Wände - denkt dabei die Force-of-Nature-Symbolik seiner verhältnismäßig bodenständigeren Kinopendante, wie FREITAG DER 13., noch um einige wahnwitzige Ebenen konsequent weiter.

Für Genrefreunde und VHS-Aficionados sowieso gut goutierbar, für Cinerausch-Suchende ein ebenso interessantes, transparent-luzides Werk der 80er-Jahre-Videowelle.




SHOGUN'S NINJA - Ganz klassisches, hellrotes-Blut-explodierendes Swordplay-Abenteuer aus Japan in (teils schön im Studio erbauten) 2,35:1-Nadelwäldern, in flotter 80's Montur aufgemacht, inkl. schmissigen Powerjazz-Soundtrack und aberwitzigen Ninja-Fantastereien um die erbarmungslos-flotte Suche nach einer Goldmine, hinter der eine treuherzige, von-den-Machthabern-überrannte Gruppe an Vagabunden & tötungsfreudige Regierungsvertreter um Sonny Chiba her sind.

Intrigen, Verrat, Ehre, melodramatische Romanzen aus der Vergangenheit, Lehrstunden bei einem alten Meister, Hattori Hanzo, Goemon, Musketen, Nunchakus, Dolche, Wurfsternfallen, akrobatische Wire-&-Karate-Action, altertümliche Kostüme, Ausdruckstänze für verstorbene Mitstreiter, öffentliche Hinrichtungen (wo die aufmüpfigen Zuschauer aus dem Volk gnadenlos miterschossen werden) - der 2-Stunden lange und recht rabiate Abenteuerreißer von Norifumi Suzuki verbindet jedes Element zur kurzweiligen Eskapismus-Sause und kann dabei sogar einen guten Grad an herzlichem Ernst, beeindruckender Kampfkunst & Genre-typischer Spannung beibehalten (auch wenn das Figurengefüge zu Anfang noch etwas undurchschtig ist).

Und zum Ende hin wird dann auch auf einer schön weiten Sandgrube zum Generations-übergreifenden Rache-Showdown angesetzt, ähnlich einem Spaghettiwestern (wo doch gerade YOJIMBO in der Hinsicht wegweisend war) - daraufhin schmeißt unser Held, der endgültig genug vom Töten hat, auch die verhängnisvollen Dolche, der Ursprung des ganzen opferreichen Leidens, ins tobende Meer. Wie simpel, wie heroisch, wie astrein-unterhaltsam.




BABYSTRICH IM SPERRBEZIRK - Erotikklamotten-Produzent Otto Retzer gönnte sich anno '83 eine spaßige Runde durch die Rotlichtviertel deutscher Großstädte wie Berlin, Düsseldorf, Köln und Hamburg, interviewte dabei einige Damen und Herren des Gewerbes und seiner Abzweigungen, was so alles in ihren Etablissements möglich wäre (Hauptfrage: 'Ohne Gummi?' - woran man merkt: der Film entstand vor der AIDS-Ära) und wie die Zustände bei der Arbeit so sind (und nahm einige dieser Dienste auch sicherlich in Anspruch).

Gibt dem marginal-dokumentarischen Rahmen der exploitativen Zurschaustellung wahnwitzigerweise zudem einige extra dafür neu-synchronisierte Szenen seines Spielfilmfundus hinzu, welche die erotischen Vorkommnisse in den jeweiligen Puffs wiedergeben sollen (ein römisch-artiger Palast soll für Düsseldorf herhalten, etc.), so dass u.a. Katja Bienert, Bea Fiedler, Gianni Garko und Ajita Wilson unfreiwillige 'Beteiligte' der 'Dokumentation' werden. Apropos Ajita Wilson: Retzer beleuchtet nicht nur heterosexuelle Häuser, sondern auch solche homosexuellen und (am häufigsten) transvestitischen Geschmacks, wie auch vereinzelte erotische Varieté-Theater und Peep-Show-Buden.

Neben einigen authentisch-derben Gesprächen mit Inhabern, Zuhältern und Prostituierten im mäßig-ausgeleuchteten, unscharfen Erotikmoloch schenkt er einigen dokumentierten Wirtschaftlern zudem ulkige Voiceover, wie dem männlichen Peep-Show-Darsteller, der sich innerlich beschwert 'Mist, gerade jetzt fängt die Sportschau an.' oder 'Aiaiai, die sieht aus, als hätt sie noch den Kaiser gesehen'. Auffallend sind auch einige geradezu pornografische Darstellungen von Blow-Jobs und 'Flaschespielchen', aber die darf man ja ruhig zeigen, schließlich, so versichert der Off-Sprecher, ist es ja eine reine Dokumentation, wo 'nichts zurückgehalten oder hinzugefügt wurde'.

Hat das alles eigentlich irgendwas mit dem sogenannten 'Babystrich' zu tun? Abgesehen von einer angeblich 15-jährigen Interviewpartnerin aus dem Gewerbe versichern jedenfalls alle Befragten '18 müssen sie schon sein', also ergibt sich der Film dann doch lieber anderen geläufigeren Themen, wie S&M, Kumpel-Streiche und Gruppensex - die letzte Erwähnung des Ausgangsthemas erfolgt zum Schluss mit der Einblendung des Plakats zu diesem Film, inkl. Zoom auf den Namen 'Otto Retzer' - feine Sache.

Und damit das Metier ja nicht allzu positiv rüberkommt, erklingt im schwungvollen Disco-Beat der Schlussmontage ein Zitat von Szeneikone DOMENICA, dass sie nicht zur Prositution raten würde, was durch geloopte Hall-Effekte zum beschwörenden, FSK-besänftigenden Moral-Zeigefinger wird - jedenfalls für knapp 15 Sekunden, dann zischt der Boogie weiterhin fröhlich dahin.
Ein Kuriosum des deutschen Erotik-Reportfilms, wieder mal schamlos exploitativ, aber dann doch wieder amüsant nahe an der tatsächlichen Mentalität des Gewerbes, das ebenso ernüchternd-profan wie jede normale Maloche zu sein scheint:

'Sie: [...] du, das kommt drauf an, je nachdem, wie du das haben willst. Es kommt ein bissl auf das Finanzielle an, würde ich sagen, hmm?
Retzer: Und spielt da ein bissl Gefühl auch mit, von dir her gesehen?
Sie: Von mir? Ja, das ist ja wohl meine Sache, ich meine das ist doch total uninteressant, oder wie? Du, ich bin am Arbeiten hier, ich fick hier nicht aus Spaß rum. Was soll denn das? [...] da kannst du mich mal ein bisschen am Arsch lecken, du Wichser!' 





R.O.T.O.R. - Ein ganz einzigartiges Filmchen von Cullen Blaine, einem Storyboard-Artist-Urgestein, der nach R.O.T.O.R. Regieeinträge in Serien wie 'Garfield & seine Freunde' und 'Hey Arnold!' vorweisen konnte - wie er seine Trickfilmskills hier auf den Realspielfilm anwendet, entwickelt eine ganze andere, merkwürdigere Dimension als z.B. bei Brad Bird.

Sein Spielfilmdebüt (und bisher einziger Abstecher ausserhalb des Animations-departments) pendelt leicht unbeholfen, aber gemütlich zwischen käsig-unschuldigem 80's-Sci-Fi-Humor, nüchternen Actionthrillerelementen und in Belanglosigkeit eintauchender, hypnotisch-musikalischer Langsamkeit von Frankenstein's Monster als unaufhaltbaren Gesetzesvertreter hin und her - wie ein nur mäßig ausgestatteter Refn mit ADR-Gags.

Minimalistisch, klobig, einigermaßen gewitzt (u.a. dank dem ulkigen Robot Cop Willard), sachte und geradlinig voranschreitend. Stetig interessante, wenn auch inhaltlich austauschbare & triviale B-Movie-Besonderheit.




TARGET - 10 Jahre nach ihrer letzten Zusammenarbeit 'DIE HEISSE SPUR' bewiesen Arthur Penn und Gene Hackman hier, dass die alte Garde des aufmüpfigen 'New Hollywood' noch immer nicht ausgestorben war und durchaus schlagfertig mit den neuen coolen Kids im nuklearparanoiden Kalter-Krieg-Amerika Ronald Reagan's mithalten konnte.

In diesem R-Rated-Actionthriller - dessen Konzept eines unscheinbaren, aber in Wirklichkeit knallharten Ex-CIA-Amis, welcher zusammen mit seinem Sohn seine in Paris gekidnappte Frau mit Agenten- & Killskills zielstrebig-gnadenlos auffinden will, Jahrzehnte später von Luc Besson in der TAKEN-Reihe recyclet wurde - wird halb Europa (auch meine Stadt Hamburg) über die Mauer hinweg zum Schauplatz einer perfid-verwicklungsreichen Spionage-Hatz unter dem Bann bunt-durchgestalteter Synthflächen und einiger solide-ausgeklügelten Steadycam-Fahrten.

Im Mittelpunkt steht wiederum Hackman als gewohnt toughes und gewitzt-geselliges As, das innerhalb des ganzen Euro-Trubels seine familiären Zwistigkeiten mit dem starrköpfigen Sohnemann aufarbeitet und im Zusammenhalt auszubügeln versucht, zudem mit den Sünden seiner Vergangenheit jonglieren muss.

Und auch wenn der Film dabei geradezu biedere Pfade einschlägt, die genauso gut aus 'GOTCHA - EIN IRRER TRIP' sein könnten, ist gerade seine darstellerische Dynamik in Verbindung mit der inszenatorisch-kurzweiligen Stilsicherheit Penn's, erst recht in den rasanten Car-Chases (u.a. durch Hamburg's Landungsbrücken), der treibende Angelpunkt des fast 2 Stunden langen Spy-Abenteuers.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen